Young Sherlock von Susuri ================================================================================ Prolog: Ankommen ---------------- „John! John! Komm endlich!“, schalte die ungeduldige Stimme meiner Mutter vom Hof zu mir hinauf. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde mein „geliebtes“ Zuhause nicht verlassen wollen und würde deshalb extra auf mich warten lassen. Was für eine dumme Vorstellung! Schon seit Stunden war ich wach und konnte es kaum noch erwarten endlich dieses Drecksloch, was sich unsere Wohnung nannte mit allen meinen Sachen zu verlassen. Endlich auf in ein besseres Leben, endlich bessere Bildung und endlich... „John!“, riss mich meine Mutter aus meinen Gedanken. Sie hasste es zu warten, also schnappte ich mir meine kleine braune Reisetasche, denn obwohl ich alles eingepackt hatte, hatte ich in meinem Leben nie viel besessen. In der Tür wandte ich mich ein letztes Mal um und ließ meinen Blick über mein kleines Kämmerchen streifen, in dem ich die letzten siebzehn Jahre meines Lebens geschlafen, gelebt und... geschrieben hatte... Das Schreiben. Das einzige, was meinem Leben noch einen Sinn gegeben hatte und der Grund aus dem es mir erlaubt war auf eine der wohl renommiertesten Internate des ganzen Vereinigten Königreichs zu gehen! In London zu leben und zu studieren war schon immer mein größter Traum gewesen und die Vorstellung, dass mich nur noch ein paar Stunden Fahrt vor der Erfüllung dessen trennten, erfüllten mich mit einem so unbeschreiblichen Glücksgefühl! Meine Tasche rammte unsanft mein Bein und ein stechender Schmerz zog sich durch meinen Körper. Ich stöhnte auf, nahm die Tasche auf den Arm und humpelte die Treppen hinunter an deren Ende meine Mutter schon mit verschränkten Armen stand. „Wurde ja auch langsam mal Zeit!“, murmelte sie grimmig und wackelte in Richtung Auto. Oh ja, mein Zuhause würde ich ganz sicher nicht vermissen! Ok, ich hatte zwar in den Broschüren schon über dieses Internat gelesen und auch Bilder im Internet gesehen, doch das, was ich sah, nach dem ich aus dem räudigen VW Käfer meiner Mutter stieg, übertraf meine Vorstellungen. Ein riesiges, altes Gebäude, was mehr einem Schloss als einer Bildungseinrichtung ähnelte. Es war aus massivem Stein und mindestens drei stöckig. Naja, in diesem Haus konnte man halt nicht nur seinen Abschluss machen, sondern auch noch studieren, aus dem Grund mussten natürlich auch viele Leute hier untergebracht werden, aber trotzdem, solch eine Größe war einfach unvorstellbar, vor allem für mich als Landei. Die großen schweren Holzflügel des Portales öffneten sich geräuschvoll und aus der Dunkelheit der Schule trat ein gut aussehender Mann. Er war Mitte zwanzig und seine kurzen dunkelbraunen Haare standen wild von seinem Kopf ab und er wirkte so, als hätte er seit Tagen zu wenig schlaf bekommen, dennoch blitzen seine grünen Augen amüsiert auf, als sein Blick auf mich viel. Im Vergleich zu diesem Schönling wirkte ich nur noch viel mehr wie eine Landpomeranze und ich kam mir schäbig in meinen normalen Alltagsklamotten vor, als ich seinen Anzug erblickte, der definitiv maßgeschneidert und von einer teuren Marke zu sein schien. Er sah aus wie ein ziemliches Arschloch. Ok, ein sehr charmant wirkendes Arschoch, musste ich mir eingestehen, aber trotzdem wirkte er auf mich nicht wie die Art Mensch, mit der ich allzu viel zu tun haben müsste und dieser Eindruck bestätigte sich mir, als er anfing zu reden und zwar mit so einer übertrieben freundlichen und überheblichen Weise, dass mir fast schlecht wurde. „Guten Tag! Du musst John Watson sein, unser Neuzugang mit Stipendium! Ich gratuliere!“ Ich nickte nur und er grinste mich an und präsentierte mir so eine Reihe weißer, blitzender Zähne. Oh ja, ein Wiederling! „Du bist pünktlich auf die Minute, das ist eine Sache, die wir an unserer bescheidenen Schule sehr schätzen!“ Nur ergriff ich das Wort: „Entschuldigen Sie mich, wenn ich Sie unterbreche, doch wer bitte sind Sie?“ Ich blickte in erwartungsvoll an, bitte, wenn er mir jetzt offenbaren würde mein neuer Mitbewohner zu sein, würde ich mich wohl oder übel von einer der Zinnen hier Stürzen müssen... Der Mann blinzelte mich verständnislos an, so als wäre es für ihn unvorstellbar, das jemand ihn nicht kenne könnte. Auch noch ein großes Ego, grummelte ich in mich hinein. „Mein Name ist Mycroft Holmes“, antwortete mir mein Gegenüber. „Ich bin Student im 2 Jahr und noch dazu der Schulsprecher. Man hat mir aufgetragen, dich hier abzuholen und dir dein Zimmer zu zeigen, also möchtest du mir nun bitte folgen?“ Widerlich, diese Selbstgefälligkeit! Doch ich ließ mir nichts anmerken und nickte nur freundlich, als plötzlich hinter dem Mann eine Frau mittleren Alters angestürmt kam und aufgeregt mit den Armen wedelte, sie wirkte gestresst und aus ihrem einst strengen Dutt hatten sich viele Strähnen gelöst, durch die ich Gesicht fast jugendlich wirkte. „Mr Holmes! Mr Holmes!“, schluchzte sie. Der Angesprochene drehte sich zu ihr um und fragte sie mit einem besorgten Blick, aber dennoch mit einer gewissen Schärfe: „Mrs Hudson! Was ist los? Warum sind Sie so aufgelöst?“ Die Augen der Dame füllten sich mit Tränen und sie schluchzte noch heftiger. Sofort bekam ich Mitleid mit der Unbekannten und, auch wenn es sich eigentlich nicht so gehörte, trat ich neben sie und streichelte ihr sanft über den Rücken. Sie blickte zum mir auf und wischte sich verlegen mit einem Zipfel ihrer Chanell Bluse die Tränen aus dem Gesicht. Sie rümpfte die Nase und schniefte leise: „Verzeihen Sie mir meinen Zustand, ich hätte mich meinen Schülern nicht in solch einem Zustand zeigen sollen...“ Beschämt rückte sie ihre Brille zurecht und zwang sich ein schiefes Lächeln ab. „Mein Name ist Mrs Hudson, ich bin die Schulleiterin dieser schönen Schule! Und ich heiße Sie herzlich willkommen! Sie müssen John Watson sein, unser Stependiat.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Und wie ich sehe, haben Sie auch schon Mycroft kennen gelernt, das freut mich!“ Mr Holmes nickte ernst und sah mich prüfend an. „Ich wollte ihn eben zu seinem Zimmer führen, Mrs Hudson... Doch...“ „Gibt es ein Problem?“ schaltete ich mich ein. Ich konnte die Geheimniskrähmerei des Schulsprechers nicht ab und wollte nun endlich erfahren, was los war. „Nun...“, begann dieser. „Ihr neuer Zimmergenosse ist... wie soll ich es ausdrücken...“ Er räusperte sich laut. „... etwas eigen...“ Die Schulleiterin schnaubte verächtlich. „Und etwas eigen ist da ehrlich gesagt reichlich untertrieben... Er...“ Wieder traten ihr die Tränen in die Augen. Besorgt blickte ich zwischen den beiden hin- und her. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken an meinen neuen Mitbewohner, denn das eine Frau wie Mrs Hudson so aufgelöst war, aufgrund eines Mannes, der nicht viel älter als ich sein könnte, war mehr als besorgniserrgend. „Na na, Mrs Hudson“, Mycroft legte der Dame eine Hand auf den Arm und flüsterte beruhigend auf sie ein, so leise aber, dass ich nichts verstand. Doch als er wieder zu mir blickte, schniefte die Frau schon kaum noch. „Nun, John, ich darf dich doch John nennen?“ Ich nickte. „Du mußt harte Nerven haben und sicher auch einiges erdulden, aber ich kann dir versichern...“ „Das ist mir egal!“, fiel ich ihm ins Wort und ich merkte sichtlich seinen Ärger darüber. Ich räusperte mich und fuhr leise fort. „Entschuldigen Sie die Unterbrechung, doch ich werde mich durch nichts und niemanden auf der Welt aufhalten lassen hier mein Studium zu beginnen, selbst ein etwas schrulliger Zimmergenosse hält mich nicht von meinem Traum ab!“ Meine beiden Gesprächspartner sahen mich einen Moment an, und ich bildete mir ein, so etwas wie Entsetzen, Verwunderung, aber auch unglaublichen Respekt in ihren Augen aufblitzen zu sehen, doch, zumindest Mycroft hatte sich schnell wieder gefasst und sofort trat wieder das abweisende, kühle in seine Augen. „Na gut... Wie du meinst, Kleiner... Aber sag bitte später nicht, wir hätten das dir gegenüber nicht erwähnt...“, und mit diesen Worten drehte sich Mycroft Holmes um ,und verschwand in der Dunkelheit des alten Hauses. Und mit zögernden Schritten trat ich hinter ihm ein. Nun würde also mein neues Leben beginnen. Jetzt standen wir also in einem dunklen Gang vor dem Zimmer 221, im b- Flügel, und ich wartete, dass meine Begleiter irgendetwas taten, doch da sie nur stumm neben mir standen und in die Luft starrten, griff ich beherzt nach der Türklinke und trat ein. Ein Zischen durchschnitt die Luft und ich hörte das Sirren von Metall. Ich blickte neben mich und sah im Türrahmen ein kleines Schweizer- Armeemesser stecken. Mir war bewusst, dass wenn ich nur einen Schritt weiter gegangen wäre, sich das Messer nun tief in meinem Schädel befinden würde. Was für ein Verrückter wirft mit MESSERN nach anderen Menschen, schoss es mir durch den Kopf, und sofort wurde mir klar, dass mein künftiges Leben vielleicht doch nicht ganz so einfach werden würde... Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen und sah in der Mitte einen großen roten Dreh- Sessel, der mit der Lehne zu mir gedreht stand, ich sah keine Person, nur ein Paar übereinander geschlagene Beine, in schlichten schwarzen Hosen. Und von genau da erklang eine tiefe, melodische männliche Stimme: „Guten Tag, John Watson! Stellen Sie doch bitte Ihre Tasche ab und dann setzten Sie sich doch, Ihr verletztes Bein muss Ihnen doch viele Kräfte abgewrungen haben!“ Und schauen Sie mich nicht so verwundert an!“ Ich hörte ihn lachen. „Daran sollten Sie sich gewöhnen! Ach ja: Mycroft, schön dass du mir mein neustes Opfer gebracht hast, aber deshalb musst du doch nicht gleich Wurzeln schlagen: Zisch ab! Und Mrs Hudson.. haben Sie meinen Tee dabei?“ Und mit diesen Worten drehte er sich in seinem Stuhl um und ich erblickte einen Mann der höchstens ein bis zwei Jahre älter war als ich. Er hatte kurzes, strubbeliges schwarzes Haar und ein mageres, sehr bleiches Gesicht. Unter seinen Augen befanden sich dunkle Schatten, doch seine Augen blitzen wach und aufgeweckt und er grinste mich hämisch an. Doch nicht das war es was mich so faszinierte, es war die Art wie er redete... Oder viel mehr was er erzählte. „Woher kennen Sie meinen Namen, das mit meiner Tasche und was mit meinem Bein ist?“ „Ach!“ Er lachte amüsiert. „Ich weiß noch viel mehr, auch wie Sie diese Verletzung erhalten haben. Ihr Vater war ein Kriegsveteran, doch er wurde aus dem Dienst zurückgerufen, vermutlich wegen einer Verletzung. Er hat sich nie davon erholt und deshalb regelmäßig getrunken, was zu Wutausbrüchen geführt hat. Eines Abends war er so angetrunken, dass er seinen eigenen Sohn nicht wiedererkannte und mit dem Messer auf ihn losging. So die Verletzung an Ihrem rechten Bein. Er ist vor kurzem gestorben, ich schätze vor einem Jahr, womöglich am Alkohol, oder wegen seiner Verletzung, obwohl ich mehr auf ersteres tippe. Sie haben gemerkt, dass der Tod Ihres Vaters für Ihre Mutter eine große Belastung ist, und sie durch Ihre Anwesenheit nur noch mehr angestrengt wäre. Aus diesem Grund haben Sie sich an dieser Schule beworben, um ihr eine Last mehr von der Schulter abzunehmen, nicht wahr?“ Geschockt starrte ich ihn an. Woher konnte dieser Mann so viel über mich wissen, obwohl ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen hatte? „Sie.. das... ist alles... wahr... Woher wissen Sie das alles über mich...?“, stammelte ich entsetzt und konnte nicht anders als ihn anzustarren. Hinter mir hörte ich ein männliches Grunzen. „Du Angeber, Sherlock, lass ihn in Ruhe!“ Ich überhörte die Stimme und wiederholte langsam: „Wie haben Sie das gemacht? Sind Sie ein... Hellseher...?“ Meinem Gegenüber klappte förmlich die Kinnlade herunter und es ertönte ein doppeltes, leicht unterdrücktes Lachen von der Tür aus. „Ich...“, der entspannte Gesichtsausruck von Sherlock Holmes war purem Entsetzen gewichen. „Wie können Sie mich mit so etwas... unglaubwürdiges wie einen Hellseher halten? Ich beobachte ganz einfach nur gut, und mir wird förmlich schlecht, wenn ich solch okkultes Geschwafel höre!“ Hoch rot im Gesicht stammelte ich eine Entschuldigung und blickte beschämt zu Boden, ich kam mir wie ein kleiner Junge vor, so sprach er mit mir... Ich spürte, wie sich von hinten eine starke Hand auf meine Schulter legte. „Sherlock, sei nicht so gemein zu deinem neuen Zimmernachbarn! Und verscheuche ihn nicht wieder! Es geht doch nicht, dass deine Jungs immer schon nach einem Tag das zeitliche segnen!“ Erschrocken riss ich die Augen auf. „Wie meinen Sie das mit nach einem Tag das zeitliche Segnen?“, quietschte ich höchst unmännlich, doch zu meiner Verteidigung: Wer würde auf solch ein Aussage nicht geschockt reagieren? Als die drei schwiegen beschloss ich stumm dieses Thema abzuschließen. Nachdem Mrs. Hudson und Mycroft das Zimmer verlassen hatten, wand ich mich wieder meinem neuen Mittbewohner zu. „Weißt du, Kleiner“, begann dieser lächelnd, „ich kann dir erklären, weshalb es keiner länger als einen Tag bei mir aushält...“ Sein Grinsen wurde teuflisch und er griff in seine Hosentasche. Was er aus dieser heraus zog war nichts weniger als eine Walther SP22, eine Sportpistole, wie sie uns im Schießunterricht gegeben wurde, doch jetzt richtete dieser Verrückte die Waffe auf mich. Mein erster Reflex war, auf ihn zu zustürzen und im die Knarre aus der Hand zu schlagen, doch ich befürchtete, dass ihn das reizen würde und er doch noch abdrücken würde. Mit einem Klacken entsicherte er das Schussgerät und er legte den Kopf schief, so als würde er über etwas nachdenken. Und dann schoss er. Wie in Zeitlupe sah ich das Geschoß auf mich zu rasen und plötzlich rasten mir all die Sachen durch den Kopf, die ich noch im meinem Leben machen wollte:: einen Roman schreiben, die Frau meiner Träume heiraten und... naja länger als 17 Jahre leben! Doch ich war an Schüsse gewöhnt, mein Leben mit meinem Vater hatte mich eins gelehrt: Wenn jemals ein Mensch auf dich schießt, „dann kümmer dich gefälligst darum, dass du aus der Schussbahn gehst!“... Kurz bevor die Kugel meinen Kopf erreichte warf ich mich reflexartig zu Boden. Mit einem Knall drang die Kugel in die Betonwand hinter mir ein, und ich spürte wie ein wenig Putz auf mich rieselte. Doch ich hatte es geschafft, dieser Irre hatte mich nicht getroffen und ich war noch am Leben, ich bemerkte, wie ich die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte und schnappte panisch nach Luft. Ich versuchte mich aufzurichten, als plötzlich mit einem Zischen die Luft über meinem Kopf geteilt wurde und etwas auf ihn hinab sauste. Stöhnend ging ich wieder zu Boden und nur am Rande nahm ich war, wie über mir Holmes lachte. „Du bist echt amüsant, Kleiner! Und so am Boden gefällst du mir eigentlich ganz gut“, er kicherte und ich spürte, wie er mit seiner Hand nach meinem Kinn griff und es hoch zog. Unter Schmerzen und mit zusammen gebissenen Zähnen brachte ich stockend heraus: „Sie... Sie sind ja total verrückt! Und... W... Was haben Sie...“ Weiter kam ich nicht, denn sein Gesicht näherte sich dem meinen immer weiter, er öffnete leicht die Lippen und ein leises Stöhnen entfuhr ihnen. Was hat dieser Kranke vor?! Der Mann gegenüber lächelte mich an und mit einem Ruck löste er die Finger von meinem Kinn und ich knallte mit selbigem sehr unsanft auf das Parkett. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht plötzlich laut los zu fluchen. „Was... sollte das grade?“, zischte ich wutentbrannt. „Und mit was zur Hölle haben Sie mich geschlagen?“ Mühevoll rappelte ich mich auf, doch mein verletztes Bein sorgte dafür, dass mir ein Schock durch meinen ganzen Körper raste. Als es mir unter Anstrengungen gelang meinen Kopf zu heben, sah ich, wie Sherlock mit einer Violine und einem Bogen- mit dem er mich wahrscheinlich zuvor geschlagen hatte- „bewaffnet“ vor mir stand und mich angrinste. „Du bist mehr als amüsant!“, kicherte er belustigt und streckte mir die Hand hin um mir aufzuhelfen. Argwöhnisch betrachtete ich sie, in keiner Weise daran interessiert sie zu ergreifen, doch mein Schmerzendes Bein erinnerte mich wieder ein mal daran, dass ich zu oft auf anderer Hilfe angewiesen war, und trotzdem: eigentlich wollte ich es diesem fremden Mann nicht auch noch diesen Triumph gönnen- nachdem er es geschafft hatte, mich in den ersten zehn Minuten fast zwei mal zu erschießen und ich dass ich vor ihm im Dreck kroch. Warum ich schließlich doch nach seiner Hand griff, ist mir bis heute nicht klar, vielleicht war es ein Zeichen, dass ich Sherlock recht bald vertrauen würde- dass er einer meiner engsten Freunde werden würde. Doch in diesem Moment hätte ich eine Freundschaft mit so einem Verrückten nie für möglich gehalten! Kapitel 1: Die Drohung ---------------------- Überraschender weise gewöhnte ich mich recht bald an den Gedanken, mit einem Verrückten, wie Sherlock Holmes zusammen zu leben. Ja, es kam mir nach einer Woche schon so vor, als würden wir schon ewig ein Zimmer teilen. Seine Experimente, die häufiger in weniger erfreulichen Ereignissen endeten (ich habe noch nie in meinem Leben jemanden gesehen, der es schafft eine Wohnheim- Küche außer Betrieb zu setzten, nur weil er ein Ei hartkochen will!), sind schon Routine geworden und gegen die nächtliche Ruhestörung durch sein Geigenspiel, was keineswegs schlecht ist, im Gegenteil, doch um halb drei Uhr morgens zerrt es doch an den Nerven, habe ich mir im nächsten  Sainsbury Ohropax geholt. Doch das, was ich vor wenigen Tagen erlebt hatte, war milde gesagt das Verrückteste, was ich je erlebt hatte.       „Sherlock? Hast du schon von der Frau gehört, die gestern Nacht tot in ihrer Wohnung in der Furnival Street aufgefunden wurde? Die Zeitungen sind voll davon!“ Erwatungsvoll schaute ich in Richtung Badezimmer, wo Sherlock gerade dabei war sich zu rasieren.     „Der Klempner war´s...“, murmelte er beschäftigt ohne vom Spiegel aufzublicken.     Entgeistert starrte ich ihn an. „Woher zur Hölle weißt du...“     „Ich war bereits dort, als du noch tief und fest geschlafen hast...“, er drehte sich zu mir um und grinste. „Übrigens schnarchst du, hat man dir das schon mal gesagt?“ „Bitte was?“, schrie ich. „Sherlock! Red nicht so mit mir!“ Er wand seinen Blick vom Spiegel ab und blickte mich spöttisch an. „Das trifft sich ja gut, ich hatte eh vor zu gehen, Lestrade hat sich bei mir gemeldet...“ Er schloss die Badezimmertür und ging zum Kleiderhacken um sich seine Jacke zu holen. „Wer ist Lestrade?“, fragte ich neugierig, klappte meinen Laptop zu und erhob mich von meinem Stuhl. Ohne eine Antwort ging er aus dem Zimmer und knallte die Tür zu. Was zur.... „Sherlock, warte!“, brüllte ich, schnappte mir meinen Notizblock, denn ohne den verließ ich nie das Haus und stolperte hinter  ihm her. „Ich will mit!“ Doch es scheint als nahm er überhaupt keine Notiz von mir und er lief einfach ungerührt weiter. Dieser... Ich biss mir auf die Lippe um ihm nicht wütend anzuschreien, ich hasste es, dass er mich immer ignorierte. Schwungvoll riss Sherlock die Türen zum Polizeipräsidium auf und trat mit einem selbstgefälligen Lächeln ein. „Ich bin wieder da-a!“, trällerte er und nahm im Vorbeigehen einem Polizisten einen Coffe to go aus der Hand. „He!“, protestierte er, doch Sherlock ignorierte ihn geflissentlich. „Entschuldigen Sie ihn, er ist nicht...“, ich schüttelte den Kopf. „Doch er ist immer so... Entschuldigen Sie...“ Doch der Polizist fluchte nur leise als Antwort und wand sich dann von uns ab, komischer Kerl! Ich sah nach vorne und entdeckte gerade noch so, wie Sherlock um eine Ecke bog. „He, warte!“, rief ich und erhöhte mein Tempo. „Wohin gehst du?“ „Zu Lestrade, hab ich doch gesagt!“, lachte er und öffnete eine große Tür am Ende des Flurs, aus dem ich gedämpfte Stimmen hörte und trat hinein. Zögernd folgte ich ihm in den Raum und sah zwei Personen: eine gut gebaute Frau mittleren Alters mit glatten langen braunen Haaren, die mürrisch aufblickte, als wir eintraten und ein junger blonder Mann von maximal 25 Jahren, der sarkastisch Lächelte, als er mich erblickte. „Ah, Sherlock! Wen bringst du uns denn da mit? Ist das dein neuer Freund?“, er grinste mich an und streckte mir die Hand entgegen. „Inspector Greg Lestrade, freut mich Sie kennen zu lernen.“   „Ich... bin nicht sein Freund!“, zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, als ich seine Hand nahm. „Er ist nur mein Mitbewohner!“ Doch er ignorierte mich und wand sich an Sherlock: „Schön, dass du so schnell gekommen bist, süß dein Freund!“, grinste er und deutete mit dem Kinn auf mich. „Ja, nicht wahr?“, grinste der Angesprochene zurück und legte mir die Hand auf den Kopf, die ich mit einem wütenden Fauchen wegschüttelte. „Lass das, Sherlock!“ „Interessant“, lächelte die Braunhaarige süffisant. „dass der Kleine noch nicht ins Gras gebissen hat...“ Mütterlich tätschlte sie mir den Kopf, sie war fast einen Kopf größer als ich und wieder einmal bemerkte ich, dass ich für mein Alter recht klein geraten war. „Warum reden ständig alle davon, dass Sherlock mich umbringen würde?“, murmelte ich genervt. Und warum tätschelt man mir so oft den Kopf?! „Du lebst doch mit Sherlock unter einem Dach, oder?“, fragte Lestrade. Zögerlich nickte ich. „Na dann solltest du unsere Bedenken doch verstehen können!“ Hinter mir meldete sich Sherlock mit einem leichten Räuspern zu Wort und ich fuhr überrascht herum. „Nun“, erklärte er sachlich. „ich fände es freundlich, wenn Sie mit den... Komplimenten...“ Grinste er ironisch. „Aufhören könnten und mir sagen würden, weshalb sie mich angerufen haben, Inspektor.“ Die Frau versuchte ein Lachen hinter einem Husten zu verbergen, doch der Inspektor funkelte sie warnend an. „Donovan, halten Sie sich zurück!“, fauchte er gereizt. Dann seufzte er und wand sich an Sherlock. „Wir haben es mit einem Fall von Vergewaltigung, Mordandrohung und...“ „Nicht mein Bereich!“, schnallte Sherlock zurück, bevor sein Gesprächspartner überhaupt aussprechen konnte. „Ich interessiere mich nur für etwas spannendere Fälle und nicht für so etwas... triviales.“ „Oh glaub mir, Sherlock, dieser Fall wird dich interessieren, denn er fand an eurer Universität statt!“ Sprachlos starrten wir ihn an. „Bitte was?!“, brachte ich verwirrt hervor. „An unserer Schule... ähm... ich meine Universität?!“  „Ja, genau. Wir haben mit den Ermittlungen noch nicht angefangen, denn wir wollten erst dich holen, Sherlock, und fragen, ob du dich der Sache annimmst...“, antwortete Lestrade nickend. Nun war ich verwirrt. Es war an sich schon seltsam, dass Sherlock mit einem Polizisten befreundet war, doch dass er ihn zu Rate ziehen wollte, ihm sogar den ganzen Fall anvertrauen wollte verstand ich nicht. „Bist du so etwas wie ein Privatdetektiv, Sherlock?“, fragte ich. „Davon hast du mir noch gar nichts erzählt!“ Achselzuckend nickte er. „Aber  die Polizei zieht doch keine Amateure zur Hilfe...“ Empört schnappte Sherlock nach Luft. „John, ich finde es enttäuschend, dass du mich als „Amateur“ bezeichnest, doch wenn ich eins nicht bin, dann das! Soll ich dir noch mal deine Lebensgeschichte erzählen, oder erinnerst du dich nicht mehr an unser erstes Treffen?“, fragte er spöttisch. Natürlich erinnerte ich mich. Und an die Scham vor ihm innerhalb weniger Minuten am Boden zu kriechen. Röte- ob von der Wut oder dem Schamgefühl was ich empfand, ich konnte es nicht sagen- schoss mir ins Gesicht. „Ich sehe, du erinnerst dich!“, lachte er sarkastisch.   Wütend starrte ich ihn an und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Donovan und Lestrade  fragende Blicke zuwarfen, als mir klar wurde, wie für die beiden meine Reaktion scheinen musste. Meine Wangen röteten sich noch mehr und ich sah zur Seite um den neugierigen Blicken der Polizisten zu entkommen. „Also, da wir nun meine Kompetenz für diesen Fall geklärt haben, denke ich, dass wir nun zur Tat schreiten sollten! Inspektor, ich hätte gerne mehr Details zu unserem Fall, ebenso die Namen des Täters und des Opfers!“, unterbrach Sherlock das peinliche Schweigen, welches nach unserem Wortwechsel eingetreten war.  Lestrade räusperte sich. „Nun, ich kann dir sogar noch etwas Besseres geben: das Opfer sitzt im Nebenraum!“ Überrascht schüttelte Sherlock den Kopf. „Warum hast du das nicht gleich gesagt, Greg? Ich will sofort zu ihr!“ „Ihr?“, fragte ich verwundert. „Natürlich, oder hast du schon mal gehört, dass eine Frau einen Mann belästigt und bedroht hat?“, lachte Sherlock. Nein, aber ein Mann einen anderen, wer hat mich denn fast zwei mal umgebracht?, dachte ich verärgert. Sherlock wand sich an den Inspektor: „Wer ist bei ihr? Sie wird ja nicht alleine sein!“ „Anderson!“, Donovan grinste ihn süffisant an und ihr lächeln wurde noch breiter, als sie Sherlocks entnervten Blick sah. „Wieso unbedingt Anderson...“, stöhnte Sherlock entnervt. „Wer ist Anderson?“, fragte ich interessiert. Wer konnte Sherlock derartig nerven, von seinem Bruder einmal abgesehen. „Lucas Anderson ist der Chef der Abteilung für IT Forensik.“ Als ich ihn fragend anblickte antwortete er: „Das bedeutet, dass er sich um Verbrechen kümmert, die irgendetwas mit Technik, Computern und so weiter zutun haben!“ Er seufzte. „Und außerdem war er mein Informatiklehrer, als ich noch auf der Highschool war... Wir konnten uns nicht so wirklich leiden und waren nicht begeistert, uns hier wieder zu treffen...“  Auch ein Sherlock Holmes hat Probleme mit Lehrern! Ich war fassungslos! „Beruhigend, dass du die selben Probleme hast wie jeder andere Schüler!“, lachte ich, doch die strafenden Blicke der Polizisten und Sherlocks leises: „Auf einer Polizeiwache wird nicht oft gelacht, vor allem nicht, wenn es grad um einen Fall geht!“, ließen mich verstummen. „Wie heißt sie?“, fragte Sherlock den Inspektor. „Ihr Name ist Simpson, Lara Simpson. Sie ist im letzten Collegejahr und möchte nächstes Jahr Linguistik studieren“, antwortete Lestrade. „Aber vielleicht solltest du lieber selbst mit ihr reden!“ Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, Sherlock wand sich schon zum Gehen, als er noch einmal zu mir blickte. „Was ist, kommst du mit, John?“, fragte er. Hastig nickte ich. „Klar!“ Lara Simpson war gut ein Jahr jünger als ich, hatte schulterlanges rotes Haar und war –wie überraschend- größer als ich. Ich hatte sie schon einige male auf dem gang gesehen und glaubte mich zu erinnern, ihren Rotschopf im Englisch- Leistungskurs gesehen zu haben, doch ich hatte sie als gepflegt und ordentlich in Erinnerung, aber das passte in keinster Weise zu dem Bild, das sich mir bot, als ich hinter Sherlock den Raum betrat. Sie stand in der hintersten Ecke des Raumes, halb der Wand zugeneigt und hatte die Arme fest um sich geschlungen, so als wolle sie sich selbst umarmen, oder versuchen sich zusammen zuhalten, aus Angst jeden Moment auseinander zufallen. Ihr Körper zitterte und ich nahm an, dass sie weinte, denn ich hörte leise, erstickte Schluchzer. Ihr Haar war zerzaust und fettig, so als wäre sie oft mit den Fingern hindurch gefahren, auch ihre Kleider waren in keinem besseren Zustand, sie hingen schlaff an ihrem Körper hinunter, waren zerknittert und hatten Flecken. Ich hatte augenblicklich Mitleid mit ihr. Intuitiv ging ich einen Schritt vorwärts, doch Sherlock hielt mich mit ausgestecktem Arm zurück. Sie kennt dich noch nicht, sagte er stumm. Lass mich lieber machen! Skeptisch zog ich die Augenbraue und an seinem Grinsen wusste ich, dass er mich verstanden hatte: Das kann doch nicht dein Ernst sein? „Miss Simpson?“, meldete er sich, das Lächeln war einem professionellen, einfühlsamen und cleveren Gesichtsausdruck gewichen. „Mein Name ist...“ Beim Klang seiner Stimme blickte sie in unsere Richtung und ein leichtes Lächeln glitt über ihre Züge. „Mister Holmes...“, murmelte sie leise. „Ich habe von Ihnen gehört... Sie sind selbst bei uns Jüngeren eine Berühmtheit!“ Wenn Sherlock verwundert war, so zeigte er es nicht. Er tippte sich nur lächelnd an einen imaginären Hut und meinte im Tonfall eines Butlers: „Steht´s zu Diensten, Mam! Ich wusste nicht, dass man mich bis über die Grenzen meines Jahrganges kennt, sehr erfreut Sie kennenzulernen, Miss Simpson!“ Für einen Moment schien es, als hätte sie ihr Angst vergessen und etwas Röte stieg in ihr bleiches Gesicht. Sie lächelte beschämt zurück und strich sich eine Haarsträhne aus dem  Gesicht. Er erwiderte ihr lächeln und beide tauschten so intime Blicke aus, dass ich das Bedürfnis hatte, den Raum schnellstmöglich zu verlassen. Sherlock schien mein Unbehagen zu bemerken und räusperte sich kurz. Erst jetzt blickte Lara auch mich an und ihr Gesicht wurde noch röter, als sie mich zu erkennen schien. „Mein Name ist Watson“, sagte ich und streckte ihr die Hand entgegen. „John Watson. Wir sind im selben Englischkurs, weißt du?“ Sie nickte und schüttelte mir stumm die Hand. „Ich bin der Zimmernachbar von Sherlock...“ Ich deutete mit dem Daumen auf ihn. „Und eins kann ich dir sagen, mit ihm wird es dir sicher nie langweilig!“ Ich lachte, doch sie antwortete nur mit einem leichten Lächeln, das nicht ihr Augen erreichte. Plötzlich klopfte es hinter uns und Lestrade steckte den Kopf durch die Tür. „Na Sherlock, hast du schon was herausgefunden?“, fragte er neugierig. „So einiges...“, antwortete er. Wie kann das sein, fragte ich mich. Er hat doch kein Wort mit ihr gesprochen. „John, du weißt, das ich nicht mit den Leuten sprechen muss, ihr Aussehen sagt mir genug!“, flüsterte er grinsend zu mir, so als ob er meine Gedanken gelesen hätte.  Laut zu Lestrade erwiderte er: „Sie wurde von einem ihrer Mitschüler bedroht, sie solle ihm Geld geben, als sie sich wunderte und fragte weshalb, schlug er sie mehrere male, doch als sie sich wieder weigerte griff er zu härteren Methoden und vergewaltigte sie in einer der Damentoiletten.“ Lara schluchzte laut auf. „Das nehme ich jetzt mal als Bestätigung“, grinste er zufrieden und da war er wieder, der Sherlock, den ich ihn kannte, er war nicht der Charmeur, der alle Frauenherzen brach, sondern ein sadistisches Genie, nicht mehr und nicht weniger. „Mit Glück gelang es ihr, ihrem Vergewaltiger einen der Damenmülleimer über den Kopf zu ziehen und ihn so bewusstlos zu schlagen. Das war ihre Rettung.“ Dicke Tränen rannen aus Laras Augen und ich ging auf sie zu, um ihr über die Schulter zu streicheln, doch als ich sie berührte, wich sie fauchend zurück. „Ach hatte ich vergessen zu erwähnen, dass sie neben dem Schock, den sie durch dieses Erlebnis bekommen hat, auch noch unter Berührungsängsten leidet, mein Fehler, entschuldige John!“, er lachte, woraufhin ihn Lestrade, Donovan, die ebenfalls das Zimmer betreten hatte, und ich ihn ungläubig anstarrten. In so einer Situation für das arme Mädchen kein Mitgefühl zu empfinden, er war so boshaft, dass sich vor Wut auf ihn meine Haare zu Berge standen. „Sherlock...“, knurrte ich leise, doch ich wurde von Laras tränenerstickter Stimme unterbrochen. „Er hat Recht, kein Grund ihm böse zu sein!“, schluchzte sie. „Es ist genau so, wie sie es gesagt haben, Mister Holmes. Ihre Fähigkeiten sind wirklich unglaublich!“ Und wieder hörte ich die unverhohlene Bewunderung aus ihrer Stimme. Sherlock nickte lächelnd. „Schön, dass das jemand mal sagt im Normalfall... werde ich erst einmal als Verrückter abgestempelt.“ Boshaft grinste er Donovan an, die seinem Blick mit erhobenem Kinn trotzte. „So Greg, hast du den Täter schon gefunden?“ Der Inspector kratzte sich verlegen am Kopf. „Noch nicht, wir... waren noch nicht so weit mit unseren Ermittlungen vorgedrungen...“, druckste er. Abschätzig schüttelte Sherlock den Kopf. „Sucht nach Thomas Leon, er war ihr Freund und...“ Lara schluchzte laut auf. „Und er war der Täter!“ „Wie kommen Sie darauf?“, fragt Donovan gereizt. „Sie können nicht einfach irgendwen beschuldigen!“ „Wenn Sie zur Abwechslung mal anfangen würden zu denken, wären wir hier schon viel weiter!“, seufzte Sherlock entnervt. „Sherlock, reiß dich zusammen!“, fauchte ich und rammte dem Detektiv meinen Ellebogen in die Seite. Dieser stöhnte schmerzvoll auf. „Das war jetzt nicht nötig, John!“, fauchte er zurück, räusperte sich dann aber und fuhr in einem versöhnlicherem Tonfall fort: „Miss Simpson ist seit einem guten Jahr in einer festen Beziehung mit Thomas Leon, ein Physikstudent im ersten Semester. Aber wie komme ich auf ihn? Einfach: erstens würde sie niemanden als ihren Freund so nah an die lassen und zweitens schauen Sie sie doch einmal an.“ Abfällig deutete er auf das Häufchen Elend. „Sie ist eigentlich eine starke junge Frau, und nur Menschen, die wir lieben, können uns so verletzten...“ Für einen kurzen Moment fiel ein Schatten über sein Gesicht und in seine Augen trat ein trauriger Schimmer, doch so schnell, wie dieser Moment gekommen war, war er auch wieder verschwunden, doch ich hatte es gesehen. Was hatte mein bester Freund für ein Problem, das ihn derartig belastete und das er vor mir verbergen wollte?     Sherlock atmete noch einmal tief aus und fuhr dann fort. „Also...“, sagte er gedehnt, „ich denke, John und ich gehen zurück nach Hause und reden mit Thomas, ein ganzer Polizeikonvoi würde ihn nur verschrecken!“ Er grinste, so als ob er denken würde: Das wäre sicher aber auch ganz lustig! Lestrade bejahte Sherlocks Vorschlag und auch Donovan ließ sich zu einem Nicken herablassen. Ganz offensichtlich gefiel ihr der Gedanke, dass Sherlock nun den Fall übernommen hatte, ganz und gar nicht, doch sie wollte sich nicht gegen ihren Vorgesetzten stellen, also schwieg sie. Sherlock öffnete die Tür. „Bye Lestrade, Donovan, Miss Simpson, seine Sie froh, dass ich jetzt da bin!“, lachte er ohne sich umzudrehen. Zögerlich ging ich ihm hinterher. „Einen schönen Tag noch...“, murmelte ich leise und verschwand hinter Sherlock aus dem Zimmer.   „Was hast du jetzt vor?“, fragte ich meinen Freund, als wir das Präsidium verließen. „Na, das was ich gesagt hab, wir statten Leon einen Besuch ab!“ Er streckte einen Arm aus und rief: „Taxi!“ „Wir fahren Taxi?“, rief ich überrascht. „Ich hab doch gar kein Geld dabei, Sherlock!“ Er grinste spitzbübisch. „Du kannst ja auch anders bezahlen!“, kicherte er. „Was...?“, ich fühlte mein Gesicht rot werden. „Wie kannst du so etwas sagen, verdammt?!“ Doch ich bekam wieder nur ein Grinsen als Antwort. Nachdem Sherlock dem Fahrer unsere Adresse gesagt hatte und wir hinten in der Kabine saßen, konnte ich nicht anders, als Sherlock zu fragen: „Sherlock, du ähm...“ Mein Gesicht wurde heiß und er blickte auf. „Stehst du... eigentlich... ähm, naja auf...“ Ich druckste. Der Detektiv, der mich zuvor fragend angeguckt hatte brach in schallendes Gelächter aus, als er begriff, was ich sagen wollte. „Auf dich?“, gluckste er und ich nickte beschämt. „Nein, sorry Kleiner, ich steh nicht auf Männer!“, er grinste. „Enttäuscht?“ „Was? Nein, im Gegenteil!“, ich atmete erleichtert aus. „Es wäre mir nur eben unangenehm, mit dir in einem Zimmer zu schlafen, wenn ich wüsste, dass du jeden Moment neben mir liegen könntest und...“ Entrüstet starrte Sherlock mich an. „Zu so etwas hältst du mich fähig?“, rief er. „Ähm... Ja!“, rief ich zurück. „Erinnere dich doch an unser erstes Treffen!“ Einen Moment schien es, als würde Sherlock nachdenken, dann nickte er. „In Ordnung, ich verstehe deine Sorge... Ich bin schon echt verrückt, nicht?“, fragte er lächelnd. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nur etwas seltsam!“, ich grinste zurück, da fiel mir plötzlich eine Sache ein, die ich ihn ebenfalls noch fragen wollte: „Was ist eigentlich mit Lestrade warum... benimmt er sich so komisch mir gegenüber?“ „Nun...“, begann Sherlock. „Das liegt daran, dass er in dir den Sohn sieht, den er so schnell verloren hat...“ Überrascht riss ich die Augen auf. „Was?“ „Er ist zwar noch jung, aber bereits verheiratet. Seine Frau war schwanger, doch ein knappes Jahr nach der Geburt des Kindes verstarb dieses. Er wünscht sich immer noch einen Sohn... Und bei dir“, er mustert mich eindringlich, „so einem Musterknaben, hegt er sehr starke Vatergefühle!“ „Armer Lestrade“, murmele ich leise. Sherlock zuckte mit den Schultern. „Wir alle müssen sterben, ob nun früher oder später, das kann man nicht verhindern!“ „Aber er war noch ein Kind, Sherlock! Hast du denn gar kein Mitleid mit Lestrade oder seiner Frau?“, rief ich laut, doch als ich mir des Fahrers vorne bewusst wurde senkte ich meine Stimme wieder. „Wie kann man nur so herzlos sein!“, zischte ich wütend. „Würde es ihm etwas bringen?“, gab er abfällig zurück. „Sag mir John, was würde es Lessi nützen, wenn ich ihn bemitleiden würde?“ „Es...“, begann ich, doch dann fehlten mir die Worte. So widerlich es auch war, Sherlock hatte recht, also schwieg ich. „Du hast es also begriffen!“, murmelte Sherlock. Stumm saßen wir nebeneinander und fuhren nach hause zurück.  Kapitel 2: Regeln brechen ------------------------- Am Tag nach unserem Besuch bei Scotland Yard hatte Sherlock mich mit ins Büro des Schulsprechers geschleppt mit den Worten: „Wenn niemand anderes dabei ist... kann ich für nichts garantieren...“, damit wir uns eine offizielle Erlaubnis fürs Betreten der Aktenräume zu holen. Nur leider machte der Bruder meines besten Freundes uns einen Strich durch die Rechung. „Sherlock, zum letzten mal“, Mycroft setzte sich aufrecht in seinem Lehnensessel hin. „Ich lasse euch nicht einfach an die Akten eines Schülers!“ „Aber warum, Mycroft?“, rief Sherlock aufgebracht. „Es geht um wichtige Ermittlungen, verdammt noch mal! Willst du dich gegen Scotland Yard stellen?“ „Wenn ich dich daran erinnern darf“, die Stimme des Schulsprechers war so kalt wie Eis. „du hast noch einen Fall im Namen der Schule, die Computer- Diebstähle, klingelt es bei dir?“ „Sherlock?“, fragte ich leise, doch als er nicht reagierte zupfte ich an seinem Ärmel. „Was für ein anderer Fall?“ Doch der Detektiv ignorierte mich. „Was soll ich bei einem Fall, bei dem ich mich eh nur langweile, Mycroft?“, erwiderte er in dem selben Tonfall wie sein Bruder. „Und außerdem kannst du dich doch selbst darum kümmern!“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Ich habe im Moment keine Zeit, wir arbeiten an einem Projekt, bei dem wir mit der Queen... Nun ich glaube nicht, dass euch das etwas angeht...“  Sein Bruder schnaubte. „Dann eben nicht, ich komme schon in den Raum, verlass dich drauf!“ Mit diesen Worten rauschte er aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. „Verdammt...“, murmelte Mycroft und stützte den Kopf in die Hände. „Was ist denn los?“, fragte ich ihn. „Von welchen Computern reden Sie?“ „Das soll Sherlock dir erzählen...“, antwortete er seufzend. „Jetzt mal was ganz anderes, wie ist es denn so für dich, mit meinem Bruder zusammen zu leben? Es tut mir leid, dass du dir mit ihm ein Zimmer teilen musst, es waren leider keine anderen mehr frei...“ „Er ist... ein interessanter Mensch...“, sagte ich. „Er hat eine unglaubliche gute Beobachtungsgabe und ist sehr intelligent...“ Mycroft schnaubte. „Intelligent? Mein Bruder ist ein gottverdammtes Genie! Er hat einen anstrengenden Charakter und er tanzte den Lehrern schon immer auf der Nase herum, aber er ist einfach ein Genie!“  Dazu konnte ich nichts erwidern. Auf einmal klopfte es an der Tür. „Sherlock, was willst du?“, rief Mycroft. „Hast du deine Meinung etwa geändert?“ „Woher wissen Sie, dass es...“, fragte ich verwirrt, doch da öffnete sich die Tür und Sherlock trat ein. „Kommst du John?“, fragte er und ignorierte dabei die Frage seines Bruders. Ich nickte und erhob mich von meinem Stuhl. „Auf wiedersehen, Mister Holmes!“, sagte ich und trat zur Tür. „Tschüß, John!“, sagte er zu mir. Dann stand er auf und ging einige Schritte auf Sherlock zu. „Niedliches Hündchen“, hauchte er ihm ins Ohr und lächelte uns süffisant an.   „Wa...?“, wollte ich fragen, doch Sherlock unterbrach mich. „Gehen wir John!“ Er schmiss die Tür mit etwas mehr Kraft zu als nötig und ging schnellen Schrittes den Gang entlang. „Sherlock?“, rief ich und rannte ihm hinterher. „Was meinte er eben mit Hündchen?" Doch er ignorierte mich und ging einfach weiter. „Verdammt Sherlock, du kannst mich doch nicht einfach erst holen und dann vor mir wegrennen!“, rief ich aufgebracht. Mein Freund drehte sich langsam um. „Ich renne nicht vor dir weg, nur macht Ms Hudson grade Mittagspause und ihr Büro ist verlassen und sie hat schließlich auch einen Schlüssel für den Aktenraum!“ Überrascht blieb ich stehen. „Du willst doch nicht...“, fragte ich geschockt. Er grinste und entblößte dabei seine scharfen Zähne. „Ich hab doch gesagt ich komme in das Zimmer.“ „Sherlock, wir fiegen von der Schule!“, zischte ich wütend. „Du musst ja nicht mitkommen!“, antwortete er und lächelte süffisant. Er wusste, dass ich mir dieses Erlebnis nicht entgehen lassen würde. Also schlichen wir stumm durch die Gänge, plötzlich wand sich Sherlock an mich. „Ich habe übrigens deinen Artikel in der Schülerzeitung gelesen...“ „Und...?“ Der Chef- Redakteur der elektronischen Schülerzeitung hatte mich gefragt, ob ich nicht als Redakteur mitarbeiten wollen würde und so bekam ich schon nach einer Woche meine erste Kolummne. Ich sollte einen Detektivfall schreiben, der alle 3 Tage ein Update bekommen sollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Myroft seine Finger im Spiel hatte, damit er erfuhr, was sein Bruder so den ganzen Tag über tat. „Interessant.“ „Wirklich?“, fragte ich überrascht. „Ja, die Idee eines Unschuldigen, der mit einem unglaublich intelligenten aber psychopathischen Mann gezwungener maßen zusammen lebt, wirklich sehr interessant“, er nickte. Ich wurde rot. Da der Abgabetermin so nahe war, hatte ich einfach mein eigenes Leben an der Schule beschrieben und ein bisschen ausgeschmückt. Und Sherlock war bei der Geschichte nicht so wirklich gut weg gekommen... „Ich meinte...“, stammelte ich entschuldigend. „Natürlich meintest du mich!“, fuhr Sherlock mich an. „Aber wenn du schon über mich schreibst, dann beschreibe mich nicht so, als sähe ich aus wie ein krankes Gespenst!“ „Wie sieht denn bitte ein krankes Gespenst aus?“, erwiderte ich. Er zuckte mit den Schultern. „Lassen Sie Ihre Fantasie spielen, Mister Watson, Sie sind hier der Kreative von uns!“  Mit diesen Worten eilte er voraus, in Richtung Ms Hudsons Büro. Ich hatte Sherlock Holmes gekränkt. Ein breites Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit, als ich an den gekränkten Sherlock dachte. Der Tag könnte doch noch ganz nett werden. „John, du hast nicht zufällig Draht dabei?“, fragte Sherlock mich, als wir vor dem Büro der Schulleiterin stehen blieben. Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch. „Nein, warum sollte ich auch, Sherlock? Wozu brauchst du denn Draht.“ „Raten Sie doch mal, Watson“, lachte mein Freund gehässig. „Ich knie vor einer Tür und bitte Sie um Draht, ist es so undeutlich, dass ich das Schloß knacken möchte, oder stellen Sie sich einfach nur dumm an, Watson?“ „Sherlock, lass den Quatsch und rede wieder normal mit mir, woher soll ich denn wissen, dass du... Moment, du willst das Schloß knacken?!“, rief ich, als mir bewusst wurde, was er da eben gesagt hatte. Sherlock deutete auf die Tür. „Die ist abgeschlossen und ich will da rein, hast du also einen besseren Vorschlag? Und bevor dein langsames Gehirn die Idee überhaupt nur anfangen könnte zu entwickeln: Nein, wir kommen nicht durch die Fenster rein, schließlich befinden wir uns im dritten Stock!“ „Ich hab doch gar nichts...“, warf ich ein. „Ja, aber du hast nachgedacht, das reicht!“, schnappte er zurück. „Ist jetzt auch egal...“ Er zeigte auf ein Mädchen das den Gang entlang lief. „Da kommt Molly Hooper, die dürfte etwas haben, das zu gebrauchen ist... He Molly!“, rief er und winkte ihr zu. Das Mädchen blickte überrasch von ihrem Buch auf. Als sie Sherlock erblickte, weiteten sich ihre Augen vor Schreck und ihre Wangen nahmen einen rötlichen Ton an. „Hallo... Hallo Sherlock!“, stotterte sie und ging ein paar Schritte auf uns zu. „Was hast du?“ Seine Augen blitzen vor Freude, als er das Interesse des schüchternen Mädchens an ihm bemerkte. „Ich wollte fragen ob du...“ Das Mädchen blickte ihn erwartungsvoll an. Man konnte ihr Herz fast Klopfen hören. „Ob du eine Haarnadel hast“, sagte Sherlock lächelnd und sein Grinsen wurde noch breiter, als er sah, wie Molly vor Enttäuschung in sich zusammensackte. „Wofür brauchst du eine Haarnadel?“, fragte ich verwundert. Mein Freund blickte mich so unverständlich an, so als ob ich gefragt hätte, ob die britische Flagge Union Jack heißen würde. „John, ich ignoriere diese unglaublich dämliche Frage nun einmal und wiederhole meine an Molly, hast du eine Haarnadel?“, meinte Sherlock Augen rollend. Das Mädchen nickte langsam und griff in ihren Dutt. Einige Strähnen lösten sich aus ihrer Frisur und sie sah nun nicht länger wie das brave, schüchterne Mädchen aus, sondern wie eine wunderschöne Frau. „Hier Sherlock!“, sagte sie und überreichte dem Detektiv den Draht. Als Antwort nickte er nur und machte sich so gleich am Schloß zu schaffen. Ich dachte, es sei nun ein guter Augenblick mich mal vorzustellen, denn, wie so häufig, hatte auch Molly mich ignoriert und nur Augen für Sherlock gehabt. „Mein Name ist John Watson!“, sagte ich lächelnd und hielt ihr die Hand hin. „Oh...“ Sie schien mich wirklich erst jetzt bemerkt zu haben. „Hi, ich bin Molly!“ Sie schüttelte meine Hand. „Molly Hooper!“ „Welche Klasse bist du, ich kann mich nicht erinnern, dich in meinen Kursen gesehen zu haben...“, fragte ich interessiert. Sie lächelte mich an. „Ich bin in der elften, und werde hier später Pathologie studieren, und du?“ Ich räusperte mich. „Dieses Jahr mache ich meinen Abschluss aber danach... Ich bin noch nicht sicher ob ich lieber Englisch oder Medizin studieren soll...“ „Du wärst ein wunderbarer Arzt, John!“, erklang es von der Tür. „Geschafft!“ Er sprang auf und klopfte sich die Hände an der Hose ab. „Wir können eintreten!“ Überrascht starrte Molly ihn an. „Wollt ihr etwa in Ms Hudsons Zimmer einbrechen?“, fragte sie geschockt. „Wir wollen es nicht...“, er öffnete die Tür und ging hinein. „Wir sind es bereits! Wollt ihr nicht hereinkommen?“ Er verbeugte sich spaßeshalber und deutete mit der Hand in den vor uns liegenden Raum. „Ich... soll mit?“, stotterte Molly verdattert. „Du hast gesehen, wie ich hier eingebrochen bin, du bist eine Zeugin, im Büro könnte ich dich, ohne dass ich von anderen gesehen werde umlegen und die Sorge, du könntest uns bei meinem Bruder“, er spuckte das Wort förmlich aus. „verpetzten ist dann dahin!“ Er lächelte sie freundlich an. Beide starrten wir ihn an. „Du... willst sie... umbringen?!“, keuchte ich. „Wegen so einer...“ „John“, unterbrach er mich. „Hatten wir die Diskussion zum Thema „ob ich zu so etwas fähig bin“ nicht schon einmal?“ Verständnislos blickte ich ihn an. Entnervt riss er die Arme in die Höhe. „Ich habe einen Witz gemacht, verdammt! Wieso versteht niemand mein Witze?“ Vielleicht weil sie nicht witzig sind...? „Und jetzt rein, sonst sieht uns noch jemand!“ Er schubste erst mich und dann Molly ziemlich unsanft in den Raum und ließ die Tür mit einem Klicken ins Schloss fallen. „Und was willst du jetzt, Sherlock?“, fragte ich meinen Freund, doch dieser ging nur zielsicher auf den Schreibtisch der Rektorin zu. „Ich... ich glaube nicht, dass es erlaubt ist, in den Sachen von Ms Hudson zu wühlen, Sherlock“, warf Molly ein. Der Detektiv zog spöttisch die Augenbraue hoch. „Es ist genau so wenig erlaubt in fremde Büros einzubrechen, ich finde also für Gewissensfragen ist es jetzt ein bisschen zu spät!“ Dem Mädchen und mir blieb der Mund offen stehen. Was sollte man auch auf so eine Aussage antworten? Sherlock öffnete eine Schublade, kramte einige Momente darin und hob dann strahlend etwas glänzendes in die Luft. „Wusste ich´s doch!“, rief er fröhlich. „Der Schlüssel!“ Er deutete auf die Tür. „Wir sollten jetzt besser verschwinden, nicht?“ Stumm nickten wir. „Und was ist, wenn Ms Hudson wieder kommt und die Tür ist nicht abgeschlossen?“, fragte ich misstrauisch. Sherlock winkte ab. „Die merkt sich nicht mal deinen Namen, John!“ „Woher...?“, wollte ich wissen. „Woher kannst du so etwas... schlussfolgern?“ „Da lag ein Zettel mit der Aufschrift Tom Watson“, grinste er. „Für diese Information muss man schlichtweg lesen können!“ „Idiot!“, fauchte ich. „Gehen wir jetzt?“ Er zuckte mit den Schultern und schob uns aus dem Raum. „Was genau sollte das?“, fragte Molly geschockt. „Was sollte was?“, antwortete Sherlock unschuldig. Sie zeigte abwechselnd auf ihn und die Tür. „Ihr... du... Seid in Ms Hudsons Büro eingebrochen und... Was hast du da mitgehenlassen?“ Er griff in seine Hosentasche und zog den glänzenden Gegenstand von eben hinaus. Ein Schlüssel! Ich keuchte auf. „Ist das der Schlüssel zum Aktenraum?“ Sherlock rollte mit den Augen und es fehlte nicht viel, dass er sich mit der Hand an die Stirn schlug. „Nein, das ist der Schlüssel zum Himmelsreich“ Er stöhnte. „Natürlich, warum sollte ich sonst in das Büro... eingetreten sein, wenn ich nicht den Schlüssel wollte?“ Wütend öffnete ich meinen Mund um ihm etwas zu antworten, doch mir fiel, wie so oft, keine gute Antwort auf seine Unhöflichkeiten ein. Jetzt mischte sich Molly wieder ein. „Ihr wollt jetzt auch noch in den Aktenraum? Ihr fliegt von der Schule!“, rief sie aufgebracht. „Schneller als ihr bis drei zählen könnt, das sag ich euch!“ Sherlock legte den Kopf schief und musterte sie nachdenklich. „Wäre doch nicht das schlimmste, oder? Die Leute hier sind eh so... langweilig, ich finde von der Schule zu fliegen ist nicht die schlechteste Alternative!“ Ich winkte vor ihm auf und ab. „Hallo? Ich bin auch noch da! Und mir ist es überhaupt nicht egal, wenn ich von der Schule fliege!“ „Du musst ja nicht mitkommen!“ Und mit diesen Worten verließ er uns. Einige Momente sahen Molly und ich uns unschlüssig an, doch dann rannten wir ihm hinterher. Sherlock vor uns kicherte. „Wie die Hündchen!“  Der Gang war verlassen, doch ich wurde das Gefühl, dass uns jemand beobachtete nicht los. Verstohlen blickte ich immer wieder hinter und neben mich, um mich zu vergewissern, dass wir wirklich alleine waren. „Verfolgungswahn, Kleiner?“, fragte Sherlock spöttisch. „Keine Angst, hier ist niemand!“ Lachend steckte er den Schlüssel ins Schloss. Das Knartzen der aufschwingenden Tür hallte Laut durch die Leere. Panisch blickte ich mich um. Wenn jemand da war, dann hatte er uns spätestens jetzt bemerkt. Sherlock trat hinein und winkte uns heran. „Wenn ihr so vor der offenen Tür steht kommt noch wirklich jemand und dann“ Er gestikulierte wild in der Luft herum. „Und dann fliegen wir wirklich! Und zwar alle!“ Er deutete erst auf sich, dann auf Molly und zuletzt blieb sein Blick bei mir hängen. Ich schauderte bei dem Gedanken und folgte ihm schnell in den Raum. An der Schwelle des Raumes zögerte Molly. „Ich bin mir nicht sicher ob das richtig ist...“, murmelte sie leise, doch der Detektiv zuckte nur mit den Schultern, zog sie in den Raum und ließ die Tür mit einem Klacken zufallen. „He, was sollte das?“, protestierte sie. Dann sah sie an ihm hoch und ihre Wangen färbten sich wieder rötlich. Warum genau war Sherlock so ein Frauenheld?  Er griff an ihr vorbei und ich hörte, wie sie scharf die Luft einzog. „Sh... Sherlock? Was... willst...“, keuchte sie aufgeregt. Das drehen den Schlüssels im Schloss unterbrach sie. „Ich mache die Tür zu!“, lächelte er die enttäuschte Molly an. Ihm machte es Spaß, einfach Spaß! Laut räusperte ich mich, um das arme Mädchen von seinem Leid zu befereien. „Sollten wir nicht langsam nach der Akte suchen, Sherlock? Ms Hudson wird bestimmt bemerken, dass ihr der Schlüssel fehlt und dann...“ „Sie werden nicht den Raum kommen“, schnitt Sherlock ab. „Denn ohne Schlüssel...“ E lachte auf. „Naja, das geht eben schlecht!“ Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Aber Mycroft hat doch noch...“ Da sah ich, wie Sherlock in seine Hosentasche griff und etwas heraus zog. Ein silberner Schlüssel. Das... „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“, rief ich laut. „Du hast deinem Bruder den Schlüssel geklaut? Warum... Warum genau sind wir in Ms Hudsons Büro eingebrochen, wenn du ihn doch hattest?“ Wütend starrte ich ihn an und zog scharf die Luft ein. „Was hast du dir dabei gedacht?“ Der Meisterdetektiv musterte mich abschätzig und lachte dann auf. „Ich dachte, dass sei mal ein spannendes Erlebnis und ich wollte es dir nicht nehmen!“ Molly riss die Augen so weit auf, dass sie ihr scheinbar aus dem Kopf fielen. „Du hast... den Schulsprecher beklaut?“ „Ja, hast du ein Problem damit?“ Er grinste sie breit an. Sie öffnete ihren Mund, ließ ihn einen Moment offen stehen und klappte ihn dann, ohne ein weiteres Wort wieder zu. „Na dann, wenn es hier niemanden mehr stört, dann geht’s jetzt weiter!“ Er schlenderte zu den Aktenschränken an der hinteren Wand des Zimmers und riss eine der großen grünen Metall- Türen auf. „Leon.. L...“, murmelte er, während er die Akten schwungvoll durchblätterte. Mit einem Triumpfschrei hielt er die Akte in die Höhe. „Hab ich dich!“, jubelte er. Er öffnete den Braunen Umschlag und wühlte in den dort abgehefteten Blättern. Da fiel mir etwas ein. „Was willst du eigentlich mit der Akte, Sherlock?“, fragte ich meinen Freund. „Informationen, John! Ich besorge mir Informationen! Noten, Familie, Vorbestrafungen, Zimmernummer, alles Findet sich in diesem Haufen Papier!“, erklärte er ohne den Blick abzuwenden. Ich seufzte. Wofür brauchte er dann uns, wir hätten uns den Ärger, der mit sicherheit folgen würde echt sparen können. Plötzlich blickte Sherlock von seinem Informations- Material auf und starrte geradewegs zur Tür. „Verdammte...“, zischte er und stopfte die Mappe zurück. „Molly, John! Noch dreißig Sekunden!“ Er rannte auf uns zu und stoß uns in eine dunkle Ecke. Eng presste er uns an sich. „Sherlock...“, fauchte ich leise. „Was zur Hölle soll das?“ Ich versuchte ihn wegzuschieben, seine Nähe war mir unangenehm, doch wie als Protest drückte er sich noch näher an uns. Molly neben mir war, so weit ich das in der Dunkelheit ausmachen konnte, knallrot angelaufen und ihr Atem ging schnell. Zumindest eine genoss Sherlocks Nähe... Auf einmal wurde die Tür aufgerissen und ein Lichtstrahl, in dem man den gewaltigen Schatten Mycrofts ausfindig machen konnte, fiel ins Zimmer. „Verdammt Sherlock“, polterte der Mann. „Ich hab dir gesagt, dass du dich hier nicht aufhalten darfst!“ Er trat in den Raum ein und ich hörte wie er seufzte. „John, Molly, wenn ihr nicht beide ebenfalls von der Schule fliegen wollt solltet ihr euch jetzt zu erkennen geben!“ Er machte eine kurze Pause und ich hörte ihn förmlich grinsen, als er sagte. „Ich weiß eh wo ihr seid!“, kicherte er schadenfroh und Sherlock über mir schnaubte genervt auf. Ich spürte ein leichtes Zupfen an meinem Ärmel und blickte zu Molly, die mich fragend ansah. Sollten wir unser Versteck aufgeben? Ich zuckte mit den Schultern, nahm sie am Arm und zog sie hinter mir aus Sherlocks Klammergriff. Ich hörte das empörte schnauben meines besten Freundes, doch ich ignorierte es. Mit Molly an der Hand trat ich aus dem Schatten auf Mycroft Holmes zu. „Hallo, Mr Holmes...“, murmelte Molly leise und ich nickte leicht. Das Grinsen des Mannes wurde breiter und er lachte. „Sherlock, komm endlich und benimm dich nicht wie ein Kleinkind, deine Freunde sind doch auch aus ihrem Versteck gekommen!“ Da löste sich die Gestalt Sherlocks aus der Dunkelheit, doch das erste, das wir sahen waren Sherlocks funkelnde Augen, die seinen Bruder fixiert hatten. „Siehst du Mycroft?“, lachte er schelmisch. „Ich bin doch in den Raum gekommen!“ Mycroft zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Ich weiß, dass du die Mappe nicht benötigt hast, Sherlock! Du hattest alle deine Informationen doch schon, findest du es nicht albern, dass du hier eingebrochen bist, nur um dich mir zu widersetzen?“, kicherte der große Mann. Jetzt war es an mir verwundert zu sein. „Du hattest deine Informationen schon?“, fuhr ich meinen besten Freund an. „Und warum zum Teufel sind wir hier eingebrochen?“ Doch der Detektiv ignorierte mich. Mit hochrotem Gesicht und erhobenem Kinn warf er seinem Bruder ein letztes zynisches Grinsen zu und verließ den Raum, doch dieses mal lief ich ihm nicht hinterher. „Was... was passiert jetzt mit uns...?“, fragte Molly leise den Schulsprecher. Ihre Augen hatten sich vor Angst mit Tränen gefüllt und sie blinzelte Mycroft unschuldig an. Er lächelte freundlich und meinte dann: „Ms Hooper, keine Sorge, Ihnen und John wird nichts passieren, soweit ich das einschätzen kann wurden Sie in die Sache... unfreiwillig mithinein gezogen und John...“ Er blickte mich an. „Er wohnt schließlich mit meinem Bruder in einem Zimmer, da würde ich einfach mal Gnade vor Recht walten lassen!“ Stumm nickte ich, zu viele Fragen schwirrten mir im Kopf: Was war das nur zwischen Sherlock und seinem Bruder? Warum hasste er ihn so und warum schien das den Großen nichts zu kümmern, aber vor allem: „Wie haben Sie gewusst, dass wir hier sind?“, fragte ich Mycroft. „Nun“, begann dieser. „Ich könnte dir jetzt alle einzelnen Punkte sagen, aus denen ich geschlossen habe, dass ihr hier seid, aber der wohl mit Abstand wichtigste ist: Ich kenne meinen Bruder!“ Er lachte. „So und jetzt raus mit euch!“ Sanft, aber bestimmt schob er uns aus dem dunklen Raum. Ich blinzete gegen das helle Tageslicht und kniff die Augen zu. Als der Gang wieder halbwegs sichtbar wurde, war Mycroft bereits verschwunden. „Komisch...“, murmelte ich. „Wo ist er nur hin?“ Doch ich war mir nicht ganz sicher welchen der beiden Holmes ich damit meinte. Kapitel 3: Auf der Suche ------------------------ Genervt warf ich meine Jacke aus mein Bett und lies mich dann seufzend fallen. Ich war jetzt einmal über den ganzen Campus gelaufen, und verdammt, der ist riesig, und hatte Sherlock immer noch nicht gefunden. Wo könnte er nur stecken? Ich legte mich hin und schloss die Augen. Vielleicht könnte ich, so wie mein Freund, auf die Lösung des Rätsels kommen, wenn ich nur darüber nachdächte. Oder ich könnte auch einfach aufhören mir Gedanken zu machen!, ärgerte ich mich. Plötzlich piepte mein Handy. Erwartungsvoll holte ich es aus meiner Hosentasche und atmete enttäuscht aus, als ich den Absender sah. Der Redakteur unserer Schülerzeitung. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst, wen hätte ich den sonst erwartet. Du hängst hinterher, wo bleibt dein Artikel? Melde dich! –LS Oh... sh... Den Artikel hatte ich komplett vergessen! Louis würde mich aus der Schülerzeitung werfen, wenn mir das noch mal passieren würde... Stöhnend erhob ich mich von meinem Bett, schlurfte zu meinem Schreibtisch und fuhr meinen Laptop hoch. Gerade wollte ich ein neues Word- Dokument öffnen, da fiel mir etwas ein. Ich öffnete Safari und gab bei Google „Sherlock Holmes“ ein. Entsetzt keuchte ich auf. Über 57 Millionen Treffer. Ich lebte mit einer echten Berühmtheit zusammen. Ich scrollte die endlose Liste mit Links hinunter, alle sagten etwa das selbe: Sherlock Holmes, das junge super Genie löst Fälle durch Deduktion! Ich klickte mich durch die Seiten, doch erst auf der siebzehnten Seite entdeckte ich etwas interessantes: Einen Artikel der Daily Mail, der sich schon von der Überschrift her unterschied. Hier wurde neben Sherlocks auch noch ein anderer Name genannt. Jim Moriarty. Interessiert begann ich zu lesen. „Kampf der Genies. Am heutigen Morgen wurde Jim Moriarty vom bekannten Jung- Detektiv Sherlock Holmes gefasst. Moriarty ist ein Computerexperte mit einem unbeschreiblich großem Wissensschatz für sein Alter. In der Wohnung des jungen Genies wurde ein vielseitiges Equipment gefunden und die IT- Abteilung der Polizei hat auf den Computern mehrere Softwares gefunden, mit denen Moriarty sich in hochverschlüsselte Systeme gehackt hat. Holmes hatte bedeutende Teile zur Überführung Moriartys beigetragen und...“ Ich blickte auf das Datum, an dem der Artikel veröffentlicht worden ist und stutzte. Es waren grade mal zwei Monate her seit der Festnahme Moriartys. Ich klickte auf zurück und gab „Jim Moriarty“ ins Google- Suchfeld ein. Der Curser blinkte hinter dem Suchbegriff und die Maus verwandelte sich in eine drehende bunte Scheibe. Na super... das Programm hatte sich aufgehängt. „Wenn du etwas über Moriarty oder mich wissen willst, dann frag das nächste mal einfach!“, ertönte eine beleidigte Stimme aus einer Ecke des Zimmers. Erschrocken fuhr ich herum und sah Sherlock an einer Wand lehnen. Vorwurfsvoll die Stirn gerunzelt und die Arme vor der Brust verschränkt. Peinlich berührt klappte ich meinen Laptop zu. „Sher... Sherlock!“, keuchte ich. „Seit wann stehst du da?“ Der Detektiv lächelte höhnisch. „Lange genug, John!“ Ich spürte meinen Kopf rot anlaufen und wand mich von ihm ab. „Verdammt, schleich dich nicht einfach so ins Zimmer!“, fauchte ich. „Was machst du überhaupt hier?“ Er kam zu mir und drehte meinen Kopf zu sich. „Sherlock?“, fragte ich verwirrt und wich zurück. Dann kniff er mich in beide Backen und bewegte dadurch meinen Mund. „Ich. Wohne. Hier!“, sang er, ohne dabei mit den komischen Bewegungen aufzuhören. Wütend schlug ich seine Hände beiseite. „Lass das, Sherlock!“, rief ich genervt. „Was soll das?“ „Was soll das, dass du in meinem Privat- Leben schnüffelst, John?“, antwortete er zynisch. „Interessiere ich dich etwa?“ Lachte er und hauchte mir dann ins Ohr. „Er-bärm-lich!“ Ich stieß ihn wutschnaubend von mir. „Du bist widerlich“, keuchte ich atemlos. „Komm mir nie wieder so nahe!“ Sherlock sah mich spöttisch an und zog eine Augenbraue hoch. Dann schnaubte er genervt auf, ging zu seinem Bett, schmiss sich geräuschvoll darauf und zog sein Handy aus seiner Hosentasche. „Sherlock?“, fragte ich, doch der Detektiv ignorierte mich. „Hallo? Sherlock?“ Wieder keine Antwort. Ich lachte genervt. „Du... s c h m o l l s t?“ Sherlock drehte sich auf die Seite, mir den Rücken zugewandt. „Jetzt weiß ich, was dein Bruder mit „kindisch“ meinte!“, schnaubte ich. Das hatte Wirkung. Sherlock sprang von seinem Bett auf und kam auf mich zu. „Erwähne in diesem Zimmer niemals, und ich betone NIEmals, wieder meinen Bruder!“, fauchte er wütend. „Was ist denn zwischen euch vorgefallen, dass du so...“, begann ich, doch er unterbrach mich. „Ich habe übrigens Thomas gefunden“, fiel er mir ins Wort. Seufzend ging ich auf den rasanten Themenwechsel ein. „Und, hast du auch schon mit ihm gesprochen?“, fragte ich. Enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Leider nicht, er weigert sich mit mir alleine zu sprechen!“, seufzte er. Warum wohl...? „Deshalb bin ich eigentlich auch gekommen, ich dachte, du hättest vielleicht Lust mitzukommen, aber wenn du nicht willst...“ „Warum sitzen wir noch hier?“, rief ich und sprang von meinem Stuhl auf. „Los geht’s!“ Sherlock musterte mich spöttisch, sagte aber nichts.   „Zu welchem Zimmer müssen wir?“, fragte ich Sherlock, während wir die leeren Gänge entlang liefen. Es war Samstag Nachmittag, die meisten anderen hatten etwas besseres zutun als im Privatleben der Mitschüler zu schnüffeln. Naja, wir waren eben wie die meisten anderen. Ich seufzte. Jetzt dachte ich schon von “wir“. Sherlock deutete nach vorne in den Gang. „Dort! Zimmer 126! Und sei nett, John, wir wollen ihn schließlich befragen!“ Ich schnaubte verächtlich. „Ich glaube nicht, dass ich das Problem mit dem guten Benehmen habe, bei dir sieht das anders aus, Sherlock!“ Er blitze mich wütend an und beschleunigte seinen Schritt. Als wir vor der hölzernen Zimmertür mit den bronzenen Ziffern 126 stehen blieben blickte ich noch einmal warnend zu Sherlock hoch, der genervt die Augenbraue hochzog, sich dann aber seufzend ergab und kräftig anklopfte. „Leon Thomas?“, rief er laut. „Bist du da?“ Von der anderen Seite der Tür vernahmen wir leises Rascheln, aber keine Antwort. Wollte er nicht mit uns sprechen, oder warum antwortete er nicht? „Ich bin noch einmal gekommen, Thomas! Und ich habe John Watson dabei!“ Jetzt meldete ich mich auch zu Wort. „Thomas? Können wir mit dir sprechen?“ Wieder keine Antwort, dafür aber ein Poltern, das verdächtig nach dem Verschieben von Möbeln klang. „Was machst du da drin?“, rief ich laut, doch Sherlock hielt mir die Hand vor den Mund. „Psst!“, zischte er mir zu. „Er wird uns nicht rein lassen! Der hat was zu verbergen!“ Verächtlich schnaubte ich auf. „Dass er Lara vergewaltigt hat ist doch nicht wirklich geheim!“ Spötisch lächelnd meinte er: „Du wusstest doch auch nichts davon! Ausserdem“, theatralisch machte er eine Pause. „Ausserdem steht da noch viel, viel mehr dahinter, da bin ich mir sicher!“ „Und wer oder was glaubst du ist das?“ Mein Freund seufzte entnervt. „Das genau müssen wir herausfinden, John!“ Gemeinsam lehnten wir uns an die gegenüberliegende Wand und starrten die verschlossene Tür an. Die Minuten vergingen und mein Freund neben mir wurde zusehends ungeduldiger. „Verdammt!“, schimpfte er genervt. „Kann er nicht einfach nur mal kurz aus dem Zimmer kommen?“ „Aber du weißt doch, dass er der Täter war, warum willst du überhaupt noch mal mit ihm reden?“, fragte ich und versteckte ein ermüdetes Gähnen hinter meiner Hand. Sherlock gähnte nun auch. „Du hast mich angesteckt!“, zischte er, doch sein Mund war zu einem leichten Lächeln gekrümmt. Ich grinste ihn an. „Bist du nicht mehr wütend? Wegen eben, meine ich...“, fragte ich zaghaft. Einen Moment blinzelte er mich perplex an, so als ob er überlegen müsste, was ich gemeint hatte. Dann schien es ihm wieder eingefallen zu sein und sein Lächeln erstarb. „Ich bin nicht wütend, John. Nur solltest du wissen, dass du meinen Bruder...“ Plötzlich stieß er sich von der Wand ab und rief: „Ich hab es!“ Mich ignorierend lief er zur Tür und sagte laut:„Thomas! Komm raus, komm raus! Wir wollen nur kurz mit dir reden!“ Wieder keine Antwort. „Sherlock das bringt...“, begann ich, doch er schob mich zur Seite und meinte:„Thomas, wir werden es ihm sagen! Dass du aufgeflogen bist, dass du uns verraten hast, wer dich dazu angestiftet hat es zu tun!“ Plötzlich begann es hinter der Tür zu rappeln und eine verängstigte Männerstimme rief: „Woher wissen Sie das, Mister Holmes? Woher wissen Sie, dass er mich beauftragt hat die  Notebooks zu stehlen?“ Überrascht starrte ich Sherlock an. Hatte er es die ganze Zeit über gewusst? Aus der Kehle meines Freundes drang ein glückliches Glucksen. „Ich habe nichts gewusst!“, kicherte er. „Aber ich danke dir, dass du mir die restlichen Puzzleteilchen gegeben hast! Nur eines ist mir noch unklar, Thomas...“ Von drinnen schlug etwas gegen die Tür. „Holmes! Sie mieser... Sie haben mich ausgetrickst!“, brüllte Thomas wütend. Sherlock lächelte spöttisch. „Nein, wirklich? Du hast mir alles erzählt, ohne, dass ich etwas tun musste, so ist es doch, oder John?“, fragte er mich. Verwirrt musterte ich ihn. „Was soll das, Sherlock?“, fragte ich. Doch Sherlock ignorierte mich und rief noch lauter. „Zumindest wird das dir gut kommen, wenn wir auf dem Polizeipräsidium sagen, dass du deine Tat gestanden hast!“ Wutschnaubend erwiderte der Mann auf der anderen Seite bissig: „Was wollen Sie dafür, Mister Holmes?“ Das war also sein Plan gewesen! Es war brillant, Sherlock hatte in einer Sekunde auf die andere die Situation komplett verändert, jetzt waren wir es, die etwas gegen ihn in der Hand hatten und er musste mit und kooperieren, ob er wollte oder nicht. „Sag mir, wer dein Auftraggeber ist!“, rief Sherlock zurück. „Das... das kann ich nicht!“, keuchte es. „Wenn ich Ihnen seinen Namen gebe... dann...“ Sherlock schien zu verstehen und, auch wenn es Thomas nicht sah, nickte zustimmend. „Da könntest du vielleicht gar nicht mal so unrecht haben...“, murmelte er nachdenklich. „Aber... wenn es Ihnen und... mir etwas bringt... ich werde ihnen eine Nachricht zukommen lassen, versprochen, Mister Holmes!“, wisperte Thomas. „Und jetzt gehen Sie bitte, er hat seine Handlanger überall!“ Wieder nickte Sherlock und wandte sich dann ab. „Wiedersehen, Thomas!“, rief er laut und ging in Richtung der Treppen. Ich klopfte noch leicht an die Tür, murmelte ein „Auf wiedersehen“ und folgte Sherlock dann. „Wohin willst du, Sherlock?“, fragte ich ihn, als ich zu ihm aufgeschlossen hatte. Er seufzte. „Da hin, wo ich normalerweise nie hin will... zu meinem Bruder...“ Fragend hob ich die Augenbraue. „Woher plötzlich dieses Bedürftnis nach Familiennähe, Sherlock?“, meinte ich spöttisch grinsend. Wütend blitzte er mich an und zischte: „Weil ich seinen dummen Fall gelöst habe und es mich nur knappe zwei Minuten beansprucht hat. Das hätte er auch selber hinbekommen, wenn er nicht so verdammt lauffaul wäre!“ „Aber woher wusstest du, dass Thomas der Dieb war, Sherlock?“, fragte ich, um ihn abzulenken. „Eine Ahnung hatte ich schon von Anfang an“, meinte er schulterzuckend. „Aber mir war klar, dass ich nichts aus ihm herausbekommen würde, einfach so, meine ich. Deshalb habe ich ihn mit meinem nicht vorhandenen Wissen konfrontiert, zumindest sah es so für ihn aus. Ich hatte nicht einmal gesagt, was er getan haben sollte und wem ich sagen würde, dass er sich verraten hätte, aber seine Angst hat ihn so... verdummt, dass ihm das nicht aufgefallen war!“ Er seufzte. „Langweilig, einfach nur langweilig...“ „Freu dich doch lieber, Sherlock! Du hast den Fall deines Bruders gelöst und Thomas gibt dir die Informationen, die du benötigst um den nächsten auch noch zu lösen!“, meinte ich lächelnd und boxte ihm freundschaftlich in die Seite. Doch er wand sich nur ab und murmelte so leise, dass ich es kaum hören konnte. „Ich glaube nicht, dass der Fall schon vorbei ist...“   Ohne anzuklopfen stürmte Sherlock in das Büro seines Bruders. Der ältere Holmes wirkte nicht überrascht, dass wir so plötzlich bei ihm auftauchten, im Gegenteil, es schien, als hätte er uns erwartet. „Guten Tag John, Sherlock! Setzt euch doch!“ Er deutete auf zwei leere Sessel auf der einen Seite seines Schreibtisches, vor denen schon dampfende Tassen schwarzen Tees standen. Verwundert musterte ich den Schülersprecher. „Verzeihen Sie, Mister Holmes, haben Sie uns erwartet?“ Mycroft Holmes schüttelte den Kopf, doch bevor er zu einer Antwort ansetzten konnte meinte sein Bruder: „Er hat es berechnet. Er wusste ganz genau wann wir wo sein würden und wie lange ich brauchen würde um den Fall zu lösen.“ Verächtlich schnaubend lies er sich auf einen der Sessel fallen. „Verdamm Mycroft, kannst du dich nächstes mal nicht gefälligst selbst um deine langweiligen Problemchen kümmern?“ Mycroft lies sich seufzend gegenüber seines kleinen Bruders fallen und bedeutete mir lächelnd, mich dazu zusetzten. „Sherlock, es ist nicht nur irgendein kleines Problemchen, es steckt mehr dahinter und das weißt du ganz genau!“ „Aber dennoch wärst du auch selbst dahinter gekommen, wer die Notebooks geklaut hat!“ „Und das sogar schneller als du!“, lächelte Mycroft süffisant. Sein kleiner Bruder warf ihm einen todbringenden Blick zu, dann wandte er sich an mich. „John, findest du nicht auch, dass er uns das nicht hätte machen lassen sollen?“, fragte er empört. Überrascht wich ich ein Stück zurück. „Ich... Ich würde mich gerne aus euren Streitereien heraushalten“, stammelte ich schnell. Zwischen den Schulsprecher und den Schulpsychopathen (denn als dieser hatte sich Sherlock schnell herausgestellt) zu stellen war meines Erachtens nach nicht die klügste Idee. „Sherlock! Zieh ihn da nicht mit hinein!“, schimpfte Mycroft aufgebracht. „Du benimmst dich kindisch!“ Sherlocks Augen wurden noch ein wenig schmaler, dann zischte er leise: „Meine Belohnung, Mycroft!“ Der Schulsprecher blickte ihn einen Moment lang nachdenklich an, dann meinte er lachend: „Deine Belohnung wird sein, dass John weiterhin in deinem Zimmer wohnen darf!“ Er grinste mich hämisch an. Wo bitte war der smarte Mycroft Holmes hingekommen? „Viel mehr erwartest du doch nicht, oder Sherlock? Das dürfte dir doch Lohn genug sein!“ Ich blickte zu meinem Freund, dessen Gesicht langsam eine unnormale Farbe annahm und platzte dann, ohne nachzudenken, heraus: „Er und ich sind nicht zusammen! Ihm dürfte es also nur wenig ausmachen, wenn ich ausziehen würde, oder Sherlock?“ Mycroft brach in schallendes Gelächter aus und er zwinkerte mir spielerisch zu. „Das war auch nur ein Scherz, ich hatte das nie angenommen! Und schließlich will ich meinem Bruder ja nicht seinen besten Freund wegnehmen!“ Er lächelte ihm freundlich zu, doch seine Lippen waren kaum merklich zu einem boshaften Grinsen verzogen Jetzt meldete sich auch Sherlock zu Wort: „Du kannst ruhig ausziehen, John, du bist weder an mich, noch an unser Zimmer gebunden! Und Mycroft“ Er blickte seinen großen Bruder gleichgültig an. „Es ist mir neu, dass ich einen besten Freund habe!“ Und mit diesen Worten verließ er zum wiederholten Male an diesem Tag den Raum. Mit offenem Mund starrte ich ihm hinterher. Ich konnte- nein, ich wollte- seine Worte einfach nicht verstehen. War es wirklich so für ihn, war ich nicht sein Freund und war es ihm egal was ich tat? Es hatte zwar eine Weile gedauert, dass ich mich an Sherlock gewöhnt hatte, doch ich hatte ihn bald als Zimmergenossen und guten Freund in mein Herz geschlossen. Und jetzt sagte er, dass er nicht einmal etwas wie Freundschaft für mich empfand? „Schockiert?“, fragte mich Mycroft und riss mich damit aus meinen düsteren Gedanken. „Er meint es nicht ernst, sei dir da sicher!“ Er erhob sich aus seinem Sessel und legte mir die Hand auf die Schulter. „Du bist der erste, den ich kenne, um den sich Sherlock überhaupt geschert hat, von dem er erzählt hat und der jetzt schon...“ Er blickte auf einen großen Jahreskalender, der hinter seinem Schreibtisch hing. „Der es schon ganze drei Monate mit ihm ausgehalten hat!“ Aufmunternd lächelte er mir zu. „Los, geh hinter ihm her! Sonst schmollt er wieder!“ Und damit war ich entlassen. Stumm erhob ich mich aus meinem Sessel und ging ohne ein Wort des Abschiedes zur Tür hinaus. Obwohl Mycroft mich hatte aufmuntern wollen hatte es nicht wirklich zu etwas geführt. In Gedanken versunken wandelte ich durch die Gänge, ohne wirklich darauf zu achten, wo ich genau war, als ich plötzlich mit jemandem zusammen stieß. „Oh, entschuldigen...“, hörte ich eine bekannte weibliche Stimme. „John!“ Ich blickte an mir herunter und sah, wie sich Molly Hooper ihre Brille wieder auf die Nase geschoben hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie letztes mal auch schon eine getragen hätte... „Hallo Molly“, sagte ich lächelnd. „Tut mir leid, dass ich in dich gerannt bin, ich hätte nicht so träumen sollen!“ Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. Sie blickte zu mir hoch und blinzelte mich an. „Was... ist?“, fragte ich verwirrt. Der Blick aus ihren großen braunen Augen machte mich zusehends nervös. Verlegen wich sie ein Stückchen zurück und fragte dann mit geröteten Wangen: „Ist... Sherlock... bei dir?“ Angestrengt starrte sie ihre Füße an und bekam so hoffentlich nicht mit, dass ich mich sehr zusammenreißen musste, um nicht plötzlich in schallendes Gelächter auszubrechen. Verdammt, wie sich dieses echt süße und nette Mädchen in so einen Idiot wie Sherlock verlieben konnte! Es war mir ein Rätsel! „Nein, ich weiß auch nicht so ganz wo er ist...“, meinte ich und biss mir auf die Unterlippe um nicht zu lachen, doch irgendwie bekam ich Mitleid mit ihr und meinte dann: „Aber wir können ihn zusammen suchen, wenn du willst!“ Sie blickte auf und ihre Augen strahlten vor Freude. „Gerne!“, sagte sie grinsend. Wenn sie lächelt ist sie sogar noch hübscher, schoss es mir durch den Kopf und ich schalt mich innerlich selbst für diesen Gedanken, sie stand auf Sherlock nicht auf mich.  Ich schüttelte den Kopf um diesen Gedanken los zu werden und meinte dann zu Molly: „Das... ist mir jetzt etwas peinlich... aber wo sind wir? Ich hab mich... irgendwie verirrt...“ Peinlich berührt lächelte ich sie an, normalerweise hatte ich einen ganz guten Orientierungssinn, aber ich war so verstört durch die Schule gerannt... Verdammt! Und daran war nur Sherlock schuld! Molly versteckte ein Grinsen hinter ihrer Faust und meinte dann: „Haus A, in der Nähe der Essensräume!“  Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Was zur Hölle war noch mal im Haus A? „Da drüben ist Leon Thomas Zimmer, der dessen Mappe“, sie senkte ihre Stimme. „Dessen Akte wir geklaut haben!“ Mein Gesicht hellte sich auf. „Ich kann ja noch mal versuchen mit ihm zu reden!“, meinte ich selbstbewusst und ging schnellen Schrittes zu der Tür. Lautstark klopfte ich an. „Thomas? Tut mir leid, falls ich nerve, aber können wir noch mal reden?“ Ich hatte zwar nicht mit einer Antwort gerechnet, aber trotzdem kratzte es an meinem Stolz, rufend vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Ich griff nach der Klinke und drückte sie hinunter. Und zu meiner Überraschung sprang die Tür auf! Molly war hinter mich getreten und legte mir die Hand auf die Schulter. „Gehen wir rein?“, fragte sie neugierig. „Vielleicht findest du ja einen Hinweis, der Sherlock helfen kann!“ Ich seufzte. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich wirklich irgendetwas tun kann, dass Sherlock auch nur im Geringsten helfen kann!“, meinte ich deprimiert. Sie drehte mich zu sich und blickte mir tief in die Augen. „John“, meinte sie ernst. „Niemand ist jeh so nahe an Sherlock ran gekommen und... bei niemandem benimmt er sich so natürlich!“ Ein trauriger Schatten lief über ihr Gesicht. „Niemanden... guckt er so an, wie dich...“ Jetzt verstand ich Mollys Sorge und lachte. „Molly! Bitte mache dir keine Gedanken darüber! Ich stehe nicht im Geringsten auf Sherlock und er, ich habe ihn gefragt, hat auch kein Bisschen Interesse an mir!“, meinte ich schmunzelnd und drückte sie an mich. „Wirklich?“, fragte sie und ein Hauch von Hoffnung schimmerte in ihren Augen. „ Hast du ihn wirklich das gefragt?“, nun war Belustigung der Angst und Sorge gewichen. Ich nickte und spürte meine Wangen leicht rot werden. Im Nachhinein war es mir noch peinlicher, dass ich ihn echt so etwas gefragt hatte, oder dass ich das auch nur gedacht hatte, als der Moment, in dem das passiert war. „Ja, das habe ich... und er steht, zum Glück wirklich nicht auf mich!“ Ich wandte den Kopf ab. „Aber jetzt lass uns mal rein gehen!“ Ich klopfte noch ein weiteres Mal an und betrat das Zimmer. Was ich da sah, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen.  Kapitel 4: Tatort- Zwist ------------------------ Mollys Schrei kam, bevor ich auch nur wirklich realisiert hatte, was ich da sah. „Das... er...“, keuchte sie atemlos. Langsam drehte ich mich zu ihr um und blickte in ihr kreidebleiches Gesicht, in dem die Augen und der Mund sperrangelweit aufgerissen waren. Mir selbst hatte es die Sprache verschlagen, auf Grund... dessen.   „Was sollen wir jetzt tun, John?!“, quiekte sie hysterisch. „Und warum... ich dachte er sei...“ Sie boxte mich unsanft in die Seite. „Jetzt sag doch auch mal was!“, schimpfte sie, doch ihr Wut kam nicht so überzeugend rüber, denn sie zitterte vor Angst am ganzen Körper. Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter und sagte dann mit trockener Stimme: „Wir sollten jemanden holen gehen, jemanden, der helfen kann!“ „Mycroft Holmes!“, sagte Molly, während ich im selben Moment „Sherlock!“ sagte. Peinlich berührt wand ich den Kopf ab. Wieso war meine erste Idee nicht auch der Schulsprecher gewesen, sondern sein Bruder? „Ich... ich gehe und hole Sherlock und du holst Mister Holmes und.... ähm... Mrs Hudson!“, stotterte ich und schob sie vorwärts. Verwirrt blickte sie mich an. „Sollte nicht jemand Wache halten?“, fragte sie und die Aussage „Bitte, ich will hier weg, bleib du“ stand ihr wie mit einem Brandeisen ins Gesicht geschrieben. Ganz der Gentleman, auch wenn mir bei dem Gedanken, bei einer Leiche zu wachen nicht so wirklich angenehm war, sagte ich: „Hol du die Holmes- Brüder und die Schulleiterin, ich passe auf, dass Thomas nichts passiert...“ Dann warf ich einen Blick in das Zimmer und schauderte. „Obwohl ihm schlimmeres als das wohl nicht passieren kann!“, meinte ich achselzuckend. Der erste Schock war schon überwunden. Molly blickte mich grimmig an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie kannst du nur so etwas sagen?“, schimpfte sie wütend. „Ein Mitschüler ist gestorben und du machst Witze?“ Laut schnaubte sie aus. „Das ist echt widerlich!“ Und mit erhobenem Kinn stapfte sie los in die Richtung, in der wahrscheinlich Mycrofts Büro lag. Sie hat ja doch Temperament!, dachte ich grinsend und blickte ihr nach. Der Abscheu vor dem, was sich hinter mir befand war schon fast vergessen.   Erschrocken blickte ich auf, als ich im Gang plötzlich das Laute Gerede mehrerer Männer und das aufgeregte Klackern mehrerer weiblicher Absatzschuhe hörte, war ich etwa für einen kurzen Moment eingenickt? Sherlock beschleunigte seinen Schritt, als er mich sah. „John!“, rief er schon aus etwas Entfernung. „Geht es dir gut?“ Als er bei mir angekommen war packte er nach meinen Armen und starrte mich an. Überraschen wich ich ein Stück zurück und wand mich aus seinem Schraubstock- ähnlichem Griff. „A... alles in Ordnung, Sherlock...“, stammelte ich verwundert. „Ich hab nur die Leiche entdeckt, ich bin sie nicht selber!“ Er blinzelte, so als sei ihm erst jetzt der tote Junge im Nachbarraum eingefallen und nickte dann. „Natürlich...“, meinte er gedankenverloren. „Lass uns rein gehen!“ Und dann ging er in das Zimmer. Ohne in geringster Weise geschockt darauf zu reagieren. Als ich im folgen wollte kam ich an Molly vorbei, die mir mit bitterem Gesichtsausdruck zuzischte: „Und jetzt sag noch einmal, ihm würde nichts an dir liegen!“ Ich wollte schon zu einer Antwort an setzten, doch sie wandte sich ab und ging vom Tatort des Geschehens ab. Als sie schon fast um die Ecke gebogen war, starrte ich ihr immer noch hinterher, dann erst schaffte ich es wirklich eine Antwort zu formulieren und schrie ihr hinterher: „Ich will aber wirklich nichts von ihm!“ Doch sie drehte sich nicht einmal um. Mycroft, der die ganze Szene von eben wohl mit einer Mischung aus Genugtuung und Amüsement verfolgt hatte, konnte nun nicht mehr an sich halten und prustete los: „Und er wundert sich, dass ich annehme, dass er an dir interessiert sei! Dann soll er sich nicht so benehmen!“ Ich wollte ihm schon einen bösen Blick zuwerfen, doch nun war auch er in den Raum gegangen. Genervt schnaubte ich auf, als ich auch noch ein weiteres Gekichere hörte. „Wollen Sie auch noch Ihren Senf dazu geben?!“, fauchte ich und drehte mich um. Und stand Mrs Hudson entgegen. Überrascht runzelte sie die Stirn. „Ich weiß nicht, weshalb Sie sich so aufregen, John!“, meinte sie kühl und betrat auch das Zimmer. Hab ich heute ein Glück!, dachte ich genervt und ging Mrs Hudson hinterher, mit dem Schwur mich später noch bei der Dame zu entschuldigen. In Thomas´ Zimmer hatte sich kaum etwas verändert: die Leiche des Jungens, höchstens ein Paar Jahre älter als ich, mit kurzen braunen Haaren und bleicher, mit Blut gesprenkelte Haut, lag immer noch halb unter dem Schreibtisch. Der einzige Unterschied war, dass Sherlock über ihm kniete und ihn eingehend betrachtete. „Haben Sie eine Idee was es gewesen sein kann?“, fragte Mrs Hudson an Sherlock gewand, ich war überrascht, wie unbeeindruckt die Leiche sie lies. Er blickte zu ihr auf und dann zu seinem Bruder. „Sag du es ihr!“, meinte er spöttisch. „Du weißt es doch sicher schon seit wir hier hinein gekommen sind, nicht?“ Mycroft seufzte müde und antwortete: „Sherlock! Benimm dich!“ Dann seufzte er und sagte an Mrs Hudson gewand: „Er wurde erwürgt! Mit einem scharfen, langen und dünnen Ding, eine Peitsche, würde ich sagen, die Blutergüsse an seinem Hals zeige das... Mit selbiger wurde er vorher ausgepeitscht, das Blut hier stammt also nicht von seinem Mord, sondern vor den Torturen, die er davor ertragen musste. Mögliche Täter...“, er kratzte sich das Kinn. „Die Mitglieder der Reit- Gruppe kommen an Peitschen, ebenso alle, die einen Schlüssel zur Sattelkammer haben... Und...“ Er blickte auf Sherlock, der kaum merklich zusammen zuckte. Mycrofts Blick wurde weich, aber eine Spur von Angst stahl sich ebenfalls in sie. „Und weiter fällt mir niemand ein!“, schloss er, doch sein Tonfall hatte sich verändert. Wieder einmal blickte ich ratlos meinen Freund an. Die Schlussfolgerungen, wie Thomas zu Tode gekommen war, war nicht überragend schwer und ich war mir sicher, dass Sherlock das auch bewusst war, aber dass war auch nicht der Grund für meine Verwunderung, mehr seine Reaktion auf Mycrofts Worte lies mich stutzen.  Zufrieden lächelte Mrs Hudson Mycroft an. „Ihre Kombinationsfähigkeiten sind wie immer faszinierend, Mr Holmes!“, meinte sie und klopfte ihm wie eine stolze Mutter auf die Schulter. Von unten kam entrüstetes Schnauben. „Als ob das nun so schwer gewesen sein soll!“, fauchte er leise. Mycroft schien nun der Geduldsfaden geplatzt zu sein und er plusterte sich wütend auf. „Sherlock! Jetzt reicht es! Wenn du es nicht schaffst, dich vor anderen Leuten ordentlich zu benehmen, dann... dann...“, schimpfte er und rang nach Worten. Sherlock blinzelte ihn höhnisch an. „Dann rufst du Mommy an?“, stichelte er. „Oder willst du mich der Schule verweisen? Mich, den Meisterdetektiv, den Überdurchschnitts Schüler? Der, der dir die Schlagzeilen bringt?“ Bevor Mycrot explodieren konnte, denn er zitterte schon vor Wut, sprang ich dazwischen und rief: „Bitte! Nicht hier am Tatort, Jungs... ich meine Sherlock und Mister Holmes!“ Entschuldigend blickte ich den Schulsprecher an, der mir dankbar zu nickte. „Danke John!“, meinte er. „Ich hätte beinahe die Fassung verloren, ich entschuldige mich in jeder Form!“ Ein Seitenblick auf Sherlock verriet mir, dass er schon zu einer Antwort ansetzten wollte, also warf ich ein: „Und wie wollen Sie jetzt den Täter finden? Wenn so viele als Möglichkeit in frage kommen?“ Mycroft knetete seine Hände nachdenklich und sagte dann: „Ich werde mich wohl nicht darum kümmern, stattdessen werde ich Scotland Yard gleich anrufen und wen sie dann losschicken, um den Fall zu lösen...“ Er blickte lächelnd seinen Bruder an, der sich nun erhoben hatte und etwas abseits von uns stand. „Das liegt nicht in meiner Hand. Ich bin weder Detektiv, noch Inspektor sondern nur ein Student, es gehört nicht zu meinen Aufgabenbereichen, mich mit Mordfällen zu beschäftigen!“ Molly, die sich gegenüber von mir auf der anderen Seite des Zimmers befand schimpfte leise: „Normalerweise finden sich auch keine Leichen in einer Schule...“ Mrs Hudson klatschte in die Hände. „So, Mister Holmes, Sie rufen jetzt erst mal bei Scotland Yard an, Molly, gehen Sie bitte mit ihm und nehmen Sie dann die Polizisten in empfang. Sherlock, John, Sie beide halten hier bitte Wache, so dass keiner den Tatort verändern kann!“ Ich blickte zu meinem Freund, der mehr so aussah, als würde er am liebsten sofort mit seinen eigenen Ermittlungen beginnen wollen, als jetzt hier noch zu warten, doch ob es nun an meinem strengen Blick oder an der Tatsache lag, dass Mycroft sich schon wieder aufplustern wollte, Sherlock sagte nichts und nickte nur leicht. Als alle das Zimmer verlassen hatten um ihren Aufgaben nach zu gehen, postierten mein Freund und ich mich vor der Zimmertür. „Sherlock?“, fragte ich irgendwann, als mir das Schweigen zwischen uns zu lang wurde. „Bitte, werde nicht gleich wieder wütend, wenn ich dich jetzt das gleich frage und tue mir einen Gefallen: renn bitte nicht gleich weg, der Gedanke allein beim toten Thomas zu wachen... ist mir nicht so lieb!“ Sherlock blickte mich einen kurzen Moment an und sagte dann: „Meinetwegen... Wenn es sein muss... Ich soll hier ja eh nicht weg, da kann ich dir auch gleich beantworten, weshalb ich meinen Bruder nicht leiden kann!“ Ich seufzte. „Sherlock! Manchmal ist es echt anstrengend, dass du schon die Antwort weißt, obwohl noch keine Frage gestellt worden ist!“ Dann lachte ich. „Schön, dass du jetzt nicht gleich weg rennst!“ Er warf mir einen Blick zu, der irgendwo zwischen „Schön, dass du mein bester Freund bist“ und „Halt die Klappe, du Idiot!“ lag und begann dann: „Also, vor einigen Jahren...“ Als ihn plötzlich jemand unterbrach. „Sherlock!“, hörte ich Lestrades Stimme durch den Gang hallen. Erleichtert atmete Sherlock neben mir aus. Als der Inspektor uns erreicht hatte meinte er an meinen Freund gewand: „Wo ist die Leiche?“ Sherlock lächelte ihn an. „Ich freue mich auch dich zu sehen, Greg! Und sie liegt hinter uns, weshalb sollten wir sonst vor der Tür hier stehen?“, stichelte er und sein Grinsen wurde breiter. Lestrades Augen blitzten. „Wie ich sehe hat dein John immer noch nicht die Schnauze von dir voll!“, lachte er. „Er sieht schon so aus, wie ein treuer Hund, stehts an deiner Seite wachend, dir hinterherlaufend und auch nach tausend Fußtritten immer zurück kommend!“ Ich spürte meine Wangen rot werden. „Inspektor, bei allem Respekt, ich lasse mich nicht von Ihnen als „Hund“ bezeichnen!“ Nicht schon wieder. Bei Mycroft den Hunderuf zu haben reichte mir! Der Inspektor zwinkerte mir grinsend zu. „Nur ein Scherz, Kleiner... ich meine John!“ Und er streckte seine Hand schon so aus, als ob er mir über den Kopf streicheln wollte, doch scheinbar besann er sich eines besseren. Gut für ihn. Sherlock geleitete den Inspektor ins Zimmer des Toten. „Soso...“, murmelte er nachdenklich. „Die Todesursache hast du bereits festgestellt?“ Er blickte Sherlock fragend an. Plötzlich stolperte ein Bobby hinter uns ins Zimmer und empörte sich laut: „Aber Mister Lestrade, Sir! Sollten wir nicht lieber unsere Pathologen die Leiche beschauen lassen? Und nicht... diesen Amateur?“ Sherlock neben mir zuckte zusammen und seine Augen verengten sich, doch bevor den Bobby in seine Schranken weisen konnte nahm sich Lestrade seiner an: „Das ist Sherlock Holmes, Mister Norrs! Und ich kann Ihnen versichern, dass bei ihm die Leiche in... nun ja, in besten Händen ist!“ Leise zischte er Sherlock zu: „Er ist noch nicht lange dabei, sei gnädig!“ Ein leises Grumpfen ertönte, aber sonst blieb Sherlock still. An den Inspektor gewand sagte ich: „Mister Holmes sagte, dass das Opfer von etwas Peitschen-ähnlichem als erstes verdroschen und dann erwürgt wurde. Zugriff auf Peitschen sollen nur die Mitglieder des Reitclubs haben!“ Und mit etwas Stolz fügte ich meine eigene Beobachtung hinzu: „Ich würde sagen, dass das Opfer gegen eins ermordet wurde! Sherlock und ich besuchten ihn um kurz nach zwölf und gefunden haben Molly und ich ihn gegen viertel vor zwei. Die Wunden sind zwar noch frisch, aber es tritt nicht mehr allzu viel Blut aus ihnen aus.“ Ich beugte mich zu ihm runter und legte leicht meine Hand auf seine Stirn. „Außerdem ist seine Temperatur noch nicht so beträchtlich gesunken, er ist nicht viel kälter als Sie! Ja, eine gute dreiviertel Stunde kommt hin!“ Sherlock grinste mich an. „Ich sag doch, Medizin ist mehr dein Metier als die Schriftstellerei!“ Stolz, wie ein kleines Kind strahlte ich ihn an. Und auch Lestrade nickte mir anerkennend zu. „Gut gemacht Junge! Wenn du uns jetzt noch sagen könntest, wer der Täter ist...“, meinte er und nun blickte er zu Sherlock. Dieser nickte und grinste ihn zufrieden an. „Natürlich werde ich es machen, Greg! Ich glaube, ich würde sonst vor Langeweile auf meinem Sessel verrecken!“ Ich schnaubte. Mir kam ein Tag in den Kopf, an dem Sherlock mal wieder einen seiner kleineren Fälle abgeschlossen hatte und dem entsprechend wenig zu tun hatte. Weshalb er aber auf unsere Zimmerwand geschossen hatte war mir dennoch ein Rätsel! Es war zwar erstaunlich und irgendwie auch faszinierend, wie akkurat er E. R. –Elisabeth Regina, Königin Elisabeth- in die Wand geschossen hatte, aber die Klagen, die die nächsten paar Tage bei uns ankamen, waren mehr als nur nervend! Der Inspektor lächelte zufrieden. „Du übernimmst also den Fall? Gut!“ Dann wand er sich an den Bobby und gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er den Tatort jetzt zu verlasse hätte. Unwirsch nickte der andere Mann und verschwand aus dem Zimmer. „Was ist noch, Greg?“, fragte Sherlock und blickte seinen Freund nachdenklich an. „Was brennt dir auf dem Herzen?“ Lestrade schien einen Moment lang ein Wort des Protestes zu äußern, doch Sherlocks ernster Blick lies ihn seine Antwort anders formulieren. „Nun, dir ist klar, dass die Jungs bei Scottland Yard nicht so angetan davon sind, wenn ich dir unsere Fälle übertrage... Es gab sogar schon Beschwerden vom Chief Inspektor!“ Er biss sich verlegen auf die Lippe, eine Sache, die bei seiner beträchtlichen Körpergröße beinahe schon albern wirkte. „Darum würde ich dich bitten, dass du dich das nächste Mal im Präsidium... etwas anständiger benimmst...“ Mein Freund schnaubte genervt auf, doch dann zuckte er mit den Schultern, so als ob er sich ergeben würde. „Wenn es sein muss, Gregory! Ohne diese Fälle sterbe ich vor Langeweile und ihr... würdet jämmerlich untergehen!“ „Genau das sollst du lassen!“, murmelte Lestrade leise. Sherlock wand sich an mich, klatschte zufrieden in die Hände und ging schwebenden Schrittes zur Tür. „Wohin willst du jetzt schon wieder?“, rief ich genervt. Der Detektiv drehte sich grinsend zu mir um: „Mittagessen, es ist gleich halb drei und dann sind auch die letzten Reste des Pies weg! Kommst du?“ „Aber die Ermittlungen...“, wollte ich sagen, doch Sherlock winkte nur lachend ab. Hilfesuchend wand ich mich Lestrade zu. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Bei Sherlock weiß man nie so ganz, was in seinem Kopf abgeht... Lass ihn einfach gewähren, so wie ich ihn kenne wird er den Fall lösen!“ Geschlagen nickte ich, verabschiedete mich vom Inspektor und begab mich in die Richtung, in der ich die Mensa vermutete. Bei der Größe dieses Gebäudes verlief ich mich leider nur zu oft...   Als ich durch die Doppeltür in die Cafeteria eintrat fand ich Sherlock alleine an einem der langen Tische in der hinteren Ecke des Raumes sitzen. Er hatte sich über ein gigantisches Stück Erbsen-Pie bgebeugt und schob sich gemächlich große Batzten davon in seinen Mund. „Sherlock!“, rief ich und winkte ihm zu, doch es schien, als würde er mich gar nicht bemerken. Schnell durchquerte ich den Raum und ließ mich gegenüber von ihm auf einem der gepolsterten Stühle fallen. „He! Was ist los?“, fragte ich ihn besorgt. „Warum hast du nicht...“ Doch er hielt mir seine Hand vor den Mund. „Halt die Klappe!“, zischte er. „Du störst!“ Überrascht riss ich die Augen auf. Was hatte er eben gesagt? „Sherlock!“, versuchte ich mich durch seine Hand, die fest auf meinem Mund lag zu empören. Doch wieder blitzte er mich genervt an. „Ich muss nachdenken! Versuch nicht so sehr zu stören!“, sagte er und nahm mir die Hand vom Mund. Neugierig beugte ich mich zu ihm hinüber. „Erzähl! Worüber? Über den Fall?“ Sherlock schien jetzt seine Gedanken auch mit mir teilen zu wollen, denn er begann zu murmeln: „Wieso Thomas? Weil er von jemandem angestiftet worden war etwas zu tun und er uns dessen Namen nennen wollte, aber warum ihn gleich so zum Schweigen bringen? Eine recht brutale Art...Der Tod ist sehr eindeutig, daran lässt sich nicht rütteln und auch die Tatwaffe ist korrekt festgestellt. Was mir nur nicht ganz klar wird, warum er halb unter seinem Schreibtisch lag... Auf dem Tisch lag weder ein Laptop, noch ein Buch, oder ein beschriebenes Bla... Ahh...“ Sherlock sprang von seinem Platz auf. „Man, bin ich blöd! Natürlich!“ Er wühlte seine Hosentaschen durch und fragte mich dann: „John, du hast doch immer Stifte dabei! Auch Bleistifte?“ Verwirrt nickte ich. Was hatte er nur? Was war ihm aufgefallen? Langsam griff ich in die Innentasche meiner Jacke und zog einen Bleistift heraus. Ohne ein weiteres Wort riss Sherlock ihn mir aus der Hand, sprang von seinem Stuhl auf und lief in Richtung der Tür. „Sherlock?“, schrie ich. „Was ist denn nun schon wieder?“ Mein Freund, der schon fast aus der Tür war erwiderte schlicht. „Nicht fragen- mitkommen!“ Und verschwand dann aus der Cafeteria. Verdammt! Konnte er nicht einfach einmal zehn Minuten sitzten bleiben? Müde seufzte ich und erhob mich ebenfalls. Jetzt ging es wieder einmal hinter Sherlock her.  Kapitel 5: Die Queen -------------------- Mit Ellebogenstößen und leichten Tritten bahnten Sherlock und ich uns unseren Weg durch die Schülermassen, die aus den Unterrichts- und Hörsälen strömten. Ich schluckte trocken, ich hatte meinen Unterricht total vergessen! Die Ereignisse des letzten Tages waren irgendwie... zu einnehmend gewesen, als dass ich noch normal zum Unterricht gehen konnte... Trotzdem musste ich den Stoff wohl oder übel nachholen und morgen noch mal den Unterricht zu schwänzen stand leider auch außer Frage... Scheinbar hatte sich der Mord an Thomas schnell rumgesprochen, denn alle tuschelten, als wir an ihnen vorbei kamen und ich spürte unangenehm penetrante Blicke in meinem Rücken. „Sherlock!“, zischte ich meinem Freund vor mir zu. „Ich glaube, dass Thomas Tod schon an die Öffentlichkeit gekommen ist!“ Sherlock drehte sich zu mir um und blinzelte mich fragend an. „Was denkst du denn? Ein Junge wurde in einer Schule ermordet und es schert niemanden?“, er schüttelte den Kopf. „Und du sagst ich sei kalt und gefühllos!“ Damit wand er sich wieder von mir ab und beschleunigte. „Irgendwann...“, knurrte ich. „Irgendwann drehe ich –oder der Rest der Welt- dir den Hals um, du besserwisserischer Idiot!“   Der Tatort –Sherlocks Ziel- war bereits von der Polizei gesichert und mit dicken Streifen gelben Klebeband abgesperrt. Mit verschränkten Armen musterte er die Sperre, die wohl liebevoll von einem Polizisten errichtet worden war. „Wieso können diese unfähigen Deppen nicht warten, bis ich hier fertig bin!“, schimpfte er. „Jetzt müssen wir erst einen anderen Weg finden, um da rein zu kommen!“ „Wir könnten auch einfach das Klebeband abmachen...“, schlug ich vor. Sherlock starrte mich an, als hätte ich vorgeschlagen, auf dem Gang einen Striptease zu machen. Dann schüttelte er den Kopf. „Zu langweilig, zu gewöhnlich, zu auffällig!“ Ich schnaubte auf. „Was dann? Vergiss es, durchs Fenster ist nicht, wir sind hier im zweiten Stock!“ Sein Mund verzog sich zu einem amüsierten Grinsen. „Wer sagt denn, dass ich durchs Fenster will?“ Nachdenklich blickte ich mich im Gang um, wie könnte man sonst noch in das Zimmer kommen, außer... Nein, bitte nicht... Mein Blick war am Lüftungsschacht hängen geblieben und als ich Sherlock ansah, schien er sehr zufrieden. „Du hast verstanden, wo ich lang will?“ Stumm nickte ich und lies mich von ihm weiter ziehen. Sherlock kramte in den großen Taschen seines Mantels und zog mit einem zufriedenen Lächeln einen Schraubenschlüssel heraus. Entgeistert blickte ich ihn an. „Du hast einen Schraubenschlüssel, aber keinen Bleistift dabei?! Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, fuhr ich ihn an. Er erwiderte meine Bemerkung mit der üblichen Kälte und meinte nur: „Wie meine Mathelehrerin einmal sagte: man muss eben Primaten setzten, nicht?“ Dass solche Lehrer überhaupt eine Stelle bekamen war mir immer wieder ein Rätsel...! Der Lüftungsschacht war etwas breiter als meine Schultern und so hoch, dass man, wenn man auf allen vieren zusammengekauert durchkrabbelte gerade so rein passte. Allerdings sah er weder besonders hell noch gereinigt aus. Nicht, dass ich bei Sauberkeit so penibel bin, aber das war selbst mir zu viel. Sherlock stellte das Abgrenzungsgitter an die Seite und gab mir zu verstehen, dass ich reinklettern sollte. „Vergiss es!“, zischte ich. „Ich mach dir nicht den weg durch die ganzen Spinnenweben frei! Außerdem weiß ich gar nicht, wo wir hin müssen!“ Sherlock murmelte etwas, was ich nicht so ganz verstand, schob mich aber beiseite und stieg seinerseits in den engen Schacht. Mit etwas Abstand –ich war nicht so wirklich darauf aus, genau hinter seinem Hintern zu krabbeln- folgte ich ihm in die Dunkelheit. „Das ist wirklich das seltsamste, und ekligste, was ich je getan hab!“, zischte ich genervt. Ich wusste nicht, weshalb ich so unausstehlich war. Vielleicht, weil ich durch Sherlock zum Gespött meines Umfeldes geworden war, oder weil er mich einfach nie an seinen ach so genialen Einfällen teil haben lassen wollte. Eigentlich war es doch ganz witzig... Sherlock vor mir kicherte. „Das sollten die anderen lieber nicht erfahren, sonst gibt es wieder blöde Sprüche!“ Jetzt musste ich auch grinsen. „Die wird es doch eh geben!“, meinte ich und boxte ihn freundschaftlich in die Wade, das hatte ich wohl auch noch nie gemacht… Plötzlich blieb Sherlock stehen und ich wäre fast in ihn rein gekrabbelt. „Verdammt, was hast du denn, Sherlock?“, keifte ich. „Wieso bleibst du stehen?“ Von vorne kam ein verkrampftes Kichern als Antwort. Irgendwas stimmte nicht. „Sherlock?“ „John... ich glaube, wir haben uns verlaufen!“, kicherte Sherlock panisch. „Was?!“, ich ballte meine rechte Hand zur Faust. „Das kann doch nicht dein Ernst sein? Der Lüftungsschacht war doch gleich neben dem Zimmer, wie kann man sich da verlaufen?“ „Machen Sie es besser, Watson!“, fauchte es von vorne zurück. Meine Fingernägel bohrten sich tief in meine Haut und ich musste mich sehr zusammenreißen nicht in die Wand zu boxen. „ Du weißt aber, wie wir hier raus kommen, oder?“, knurre ich. „Sonst könnte es passieren, dass ich richtig sauer werde!“ Missbilligendes Schnauben von vorne. „Das macht mir jetzt in etwa soviel Angst, wie eine wütende Schildkröte!“ Ich fügte meiner Liste aus Wutgründen noch seinen widerlichen Charakter hinzu. „Ist dir mal aufgefallen, dass du noch anstrengender bist, als sonst?“, rief ich ihm hinterher, denn er hatte seinen Weg fortgesetzt. „Na, habt ihr schon euren ersten Beziehungsstress?“, lachte eine tiefe, katzenartige Stimme durch die Gänge. Erschrocken zuckte ich zusammen. Wer war außer uns noch hier drin? Sherlock, der meine Gedanken wohl erraten hatte, knurrte: „Keine Sorge, John, Mycroft ist zu dick um hier rein kommen zu können!“ Mycroft! Woher wusste er, dass wir hier waren? Als Antwort kam ein wütendes: „Das habe ich gehört, Sherlock! Und jetzt kommt endlich raus, oder willst du, dass ich erst noch die Heizung anstelle, so dass ihr förmlich raus geschmolzen werdet?“ Von Sherlock ertönte ein genervtes Knurren. „Hätte ich gewusst, dass das passiert, hätte ich das Klebeband, rückblickend, doch lieber eingerissen...“  Grummelnd krabbelte er weiter, jetzt wesentlich zielstrebiger als zuvor. Das und die kleinen Markierungen an den Seiten ließen mich zu dem Schluss kommen, dass Sherlock schon mehr als einmal auf diesen Weg in Mycrofts Büro gekommen war. Wieso waren wir nicht beim ersten mal auch so in das Zimmer eingebrochen? Ich schüttelte den Kopf. Im Prinzip hätten wir ja eigentlich überhaupt nicht in das Büro einbrechen müssen, Sherlock hatte ja die Schüssel gehabt! Als wir um eine Ecke bogen wurde es plötzlich hell. Ich versuchte an Sherlocks Körper vorbei zu sehen und erkannte, dass das Gitter bereits weg genommen war und dass uns ein vor Wut hochroter Mycroft Holmes anstarrte. Nach dem wir aus dem Schacht geklettert waren blickte uns der Schulsprecher mit verschränkten Armen streng an. Einen Moment lang herrschte tiefes Schweigen im Zimmer, doch als Mycroft dann etwas sagte, polterte er nicht wie erwartet los, sondern zischte seinen kleinen Bruder an: „Was hast du dir dabei gedacht, Sherlock? Kannst du dich nicht einmal wie ein erwachsener Mensch benehmen?“ Sherlock, der sich den Staub von den Knien klopfte, verzog keine Miene, antwortete aber ebenso beherrscht wie sein Bruder: „Dafür bist du zuständig, dear brother mine! Ach ja...“ Ein Lächeln huschte über seine Züge. „Hast du eine Schere?“ Ich stöhnte auf. „Du willst doch nicht wirklich...“ Mycroft schnaubte genervt auf und warf mir etwas zu. Überrascht fing ich das kleine silberne Ding auf und erkannte, dass es ein Schlüssel war. „Ich habe die Klebebänder entfernen lassen“, meinte der Schulsprecher. „Nicht nur, dass es weniger auffällig ist, denn wenn dich das aufhält durch die Lüftungsschächte zu krabbeln, dann ist es mir lieber, wenn du einen Schlüssel hast. Naja, oder eher John...“ Er blickte mich an als wollte er sagen: Lass ihn dir ja nicht von Sherlock abschwatzen! „Und jetzt raus! Ich will arbeiten!“, grummelte er und deutete auf die Tür. Da meine Lust auf einen weiteren Streit herzlich gering war, schob ich Sherlock schleunigst zur Tür. Draußen jubelte Sherlock grinsend: „Ja! Jetzt haben wir einen Schlüssel! Freier Zugriff auf den Tatort!“ Skeptisch blickte ich ihn an. „Wenn du so scharf darauf bist, im Zimmer einer Leiche zu campieren, bitte! Außerdem...“ Streng blickte ich ihm in die Augen. „Außerdem werde ich dir diesen Schlüssel nicht geben! Es hat sicher einen Grund, warum dein Bruder ihn mir und nicht dir gegeben hat!“ Sherlocks Grinsen wurde schelmisch und er knuffte mich in die Seite. „Lieber John, darf ich dich daran erinnern, dass wir zusammen in einem Zimmer schlafen und dass dein Schlaf... relativ fest ist?“ Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen schoss. „Sherlock!“, schimpfte ich. „Sag nicht so etwas doppeldeutiges!“  Er legte seinen Kopf schief und blinzelte mich unschuldig an: „Wieso denn doppeldeutig?“, fragte er lächelnd. Peinlich berührt biss ich mir auf die Lippe. „Können wir jetzt zum Tatort gehen?“, zischte ich. „Du wolltest doch irgendwas nachgucken!“ „Gerne!“, pfiff Sherlock mit bester Laune. Ich glaube, ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der noch launischer als Sherlock war!   Schwungvoll trat Sherlock die Tür zu Thomas Zimmer auf. „Ich weiß immer noch nicht, was du hier willst, Sherlock!“, stöhnte ich genervt und lehnte mich an den Türrahmen, während ich im zusah, wie er das Zimmer durchwühlte. Sherlock warf mir einen gelangweilten Blick zu. „Zähl bitte eins und eins zusammen, John!“, rief er. „Thomas wollte uns doch irgendwie mitteilen, wer ihn zu seinen Taten angestiftet hat. Im ganzen Zimmer hat man keine beschriebenen Zettel gefunden, nur einen weißen Block Papier auf dem Schreibtisch, unter dem Thomas halb gelegen hatte. Neben dem Block“ Er zeigte auf den Schreibtisch des Opfers. „befindet sich ein Kugelschreiber, dessen Miene draußen ist!“ Fragend zog ich eine Augenbraue hoch. „Was soll daran so besonders sein, Sherlock? Und warum ist es dir so wichtig, dass er den Kuli nicht wieder zurückgeklickt hat?“ Seufzend legte Sherlock die Hand an seine Stirn. „Wie kann man nur das offensichtliche Übersehen…“ Mit einer ausladenden Handbewegung zeigte er im Zimmer herum. „Er hatte einen Ordnungs-Tick, sieh dir das an!“ Er ging zum Schrank und riss die Türen auf. „Alle Kleidung fein säuberlich geordnet, die Socken sortiert und hier…“ Er lief zurück zum Schreibtisch.  „Und hier: Alle Bleistifte gespitzt und sie liegen in exaktem Abstand von vier Millimetern auseinander, jemand, der so ordentlich war, wie Thomas, würde nie im Leben einen Kugelschreiber nach dem Benutzen einfach so liegen lassen!“ „Also muss deiner Meinung nach irgendetwas passiert sein, oder was?“, fragte ich entnervt. Langsam ging es mir gehörig auf die Nerven, dass Sherlock so geheimniskrämerisch tat. Mein Freund blickte mich entgeistert an. „Er ist gestorben, John, das dürfte sogar für dich offensichtlich sein, oder liege ich da falsch?“, stöhnte er auf. Ohne auf meine Antwort zu warten sprach er weiter. „Er muss also vor seinem Tod etwas gemacht haben… etwas geschrieben haben… Du erinnerst dich: er wollte uns eine Nachricht zukommen lassen, wer ihn beauftragt hat, also wird es höchst wahrscheinlich das sein, was er vor seinem Tod geschrieben hat!“ „Und wie kommst du darauf?“ „Simpel! Die Notiz müsste hier noch vorhanden sein, ist sie aber nicht, also muss der Täter sie entwendet haben, in dem Wissen, was für einen Wert die Information darauf hat!“ Langsam ging mir ein Licht auf, auch wenn ich mir noch nicht hundert prozentig sicher war, worauf er hinaus wollte, eine grobe Ahnung hatte ich. Ich ging zum Schreibtisch und zog einen weiteren Bleistift aus meiner Jackeninentasche. Sorgfälltig setzte ich ihn mit der breiteren Seite auf das Papier und begann langsam und behutsam das Blatt zu färben. „Gut gemacht, John!“, lobte mich Sherlock hinter mir genüsslich. „Was ist zu sehen?“ Auf dem Papier waren gewisse Stellen weiß geblieben, diese zeigten jetzt genau das, was Thomas geschrieben hatte.   Ich nahm das Blatt näher zu mir, um es genauer in Augenschein zu nehmen. „Das sieht mir mehr nach… zwei Buchstaben und einer Zeichnung aus, als nach einer richtgen Nachricht, Sherlock!“, seufzte ich und gab ihm das Blatt Papier. Als er es betrachtete, schienen seine Augen einen kurzen Moment lang aufzubitzen. „Sehr interessant!“, murmelte er. „Hast du gesehen, was hier steht?“ Ich nickte langsam. „Da steht SM und daneben ist eine Krone gezeichnet!“ „Und du hast keine Ahnung, wofür das stehen könnte?“, fragte er mich und ich schüttelte meinen Kopf. „Streng dich ein wenig an, ich hatte schon gedacht, dass etwas in deinem Gehirn vor sich geht, als du auf den Bleistift-Trick gekommen bist, aber jetzt… Nein also wirklich… du enttäuschst mich, John!“ Konzentriert legte ich die Stirn in Falten. Nur einmal wollte ich versuchen, wie Sherlock zu denken. Eine richtige Deduktion vonstatten zu bringen. „Eine Krone… ich würde auf etwas königliches schließen… Ein König oder eine Königin eben“, schlug ich vor. Sherlock kicherte amüsiert. „Weiter so!“ Genervt funkelte ich ihn an. Es gefiel mir nie, mich vor irgendwem zum Idioten des Tages zu machen, bei Sherlock hatte ich das Gefühl, mich noch wesentlich häufiger zum Deppen zu machen! „Eine Königin oder ein König mit den Initialen SM. Vielleicht…“ In Gedanken ging ich die Liste der Royals durch, die ich kannte. Meine Mutter hatte früher mit großer Leidenschaft diverse Klatsch-Magazine gesammelt, in denen Infos zu verstorbenen und noch lebenden Mitgliedern der britischen Krone neben einander zu finden waren. „Vielleicht Königin Maria…? Sie hatte neben dem Beinamen die Blutige auch den Namen die Katholische… Saint Maria? Haut das hin? Aber was soll Maria die erste mit unserem Fall zu tun haben?“ Verwirrt starrte ich wieder die Nachricht an. Je länger ich nachdachte, destso weniger hatte ich eine Idee, was gemeint sein konnte. Ich muss allerdings gestehen, dass meine erste Vorstellung herzlich wenig mit dem zu tun hatte, was ich auch wirklich aussprach: bei SM fielen mir neben einigen Romanen, die momentan auf sämtlichen Bestseller-Listen standen, auch noch diverse Filmchen ein, die mein Bruder zu Hause in einer geheimen Schublade aufbewahrt hatte. Aber das sprach ich natürlich nicht aus, ich wollte nicht das Bild eines… versauten Perverslings erzielen. Sherlock lächelte mich an, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ich schätze deine tugendhafte Antwort, John, doch ich glaube, dass es wahrscheinlicher ist, dass mit SM...“, er räusperte sich. Doch als ich ihn wartend anblickte sprach er kein Wort mehr. „Mein Bruder hat ein Problem damit“, erklang es höhnisch von der Tür. Ich drehte mich um und erblickte Mycroft der grinsend im Türrahmern lehnte. „Womit sollte ich ein Problem haben, Mycroft?“, fauchte der jüngere Holmes zurück. Das Lächeln des Schulsprechers wurde süffisant und er leckte sich beinahe über die Lippen, als er genüsslich antwortete: „Mit Sex, Brüderchen“ Sherlocks Gesicht färbte sich leicht rötlich und ich meinte ihn einen kurzen Moment zusammenzucken zu sehen, doch er fing sich so schnell wieder, wie ihn sein Bruder in Bedrängnis gebracht hatte. „Darf ich dich daran erinnern, dass deine letzte Verabredung mit einem Mädchen im Kindergarten mit Sophie Stone war und sie sich auch nur mit dir getroffen hatte, weil sie Mutters Waldbeer-Crumble so liebte. Und da war sie scheinbar ja nicht die einzige“, er gab seinem Bruder einen leichten Klapps auf seinen Bauch. „Wie läuft die Dukan-Diät?“ Mycroft erwiderte diese Spitze mit seinem üblichen kühlen Lächeln, auch wenn ich meinte einen kurzen Moment in seinen Augen tiefste Wut zu sehen, doch er unterdrückte sie gekonnt. „Du ahnst sicher, um wen es sich bei der SM-Queen handeln könnte, nicht Brüderchen?“, meine Mycroft und ignorierte die Frage seines kleinen Bruders. „Nicht schon wieder. So dumm ist sie nicht, sie würde nie so auffällig handeln, das dürftest du doch besser wissen als ich!“, nachdenklich schüttelte Sherlock seinen Kopf. „Nein...“, murmelte er. „So würde sie nie... sie würde nie jemanden töten...“ Verächtlich schnaubte Mycroft. „Sie hat sich verändert, Bruderherz. Seit damals sind schon viele Jahre vergangen und die wenigsten bleiben konstant so… kompliziert wie du, Sherlock…“ „Und wenige bleiben konstant so dick wie du“, konterte sein jüngerer Bruder und blitzte ihn frech an. Mycroft riss genervt in die Höhe, als würde er zu einem Gott an der Decke beten und rief: „Sherlock! Konzentriere dich gefäligst! Und fang nicht wieder an, mich auf Kindergarten-Niveau zu beschimpfen!“ Einen kurzen Moment lang schloss er die Augen, murmelte leise etwas, was ich als Verwünschungen gegenüber Sherlock einstufte, doch als der Schulsprecher seine Augen wieder öffnete, blickte ich wieder dem ernsten und gefassten Mister Holmes in die Augen. Ich glaubte sogar, ein leichtes Lächeln auf seinen Zügen zu erkennen. „Es würde sicher nicht schaden, wenn du einmal mit ihr reden würdest, Sherlock!“, wand er sich an seine Bruder. „Mit wem?“, wollte ich wissen. Meine Unwissenheit war mir nicht einmal unangenehm. Viellmer war ich darauf begierig zu erfahren, wer in der Vergangenheit der Holmes Brüder so für Furrore gesorgt hatte, dass beide nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen waren. „Irene Adler“, meinte Sherlock düster.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)