Zwei Leben ... von Pretty_Crazy (eine Liebe) ================================================================================ Epilog: Schlusstrich -------------------- Er hat sich verändert. Nicht in einem negativ belasteten Sinn, sondern einfach nur entsprechend der verstrichenen Zeit. Es ist immer die Zeit, die einen prägt und unermüdlich vorwärts treibt. Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat und jedes Jahr. Es gibt keine Pause. Keinen Stillstand. Keine Gnade, die einem ein Durchatmen gewährt. Es geht einfach immer weiter. Unaufhaltsam und unerbittlich. Naruto hat somit nie die benötigte Zeit gehabt, um sich mit seinem aufgezwungenen Schicksal auseinander zu setzen. Nie hat er richtig verarbeiten können, was ihm angetan wurde. Nie konnte er sich mit seinem Schicksal auseinander setzen oder es gar akzeptieren. Zuviel musste er erleben und ertragen und inzwischen glaubt er selbst nicht mehr daran, was er einst gepredigt und verteidigt hat. Man kann alles erreichen, wenn man es nur will. Wenn er an diese Worte denkt, dann zeichnet sich nicht mehr, als ein bitteres Lächeln auf seinen Lippen ab. Er glaubte diese Worte wirklich und war bereit den Kampf aufzunehmen, doch inzwischen ist er klüger geworden. Heute weiß er, dass diese Überzeugung nur zu einem kleinen Teil der Richtigkeit entspricht. Ein jeder kann nur so viel erreichen, wie es ihm von den anderen ermöglicht wird. Jeder kann nur soweit kommen, wie ihn andere gehen lassen. Noch immer ist er der pflichtbewusste Dorfaufseher seiner Gemeinde, der die Regeln und Bewohner hoch schätzt und dennoch hat er längst den Ruf eines Eigenbrötlers inne. Ein Fremdling, der nie wirklich dazu gehört und stets Abseits vom Geschehen zu finden ist. Jemand, der aus der Ferne beobachtet und der für andere ein unlösbares Rätsel darstellt. Er ist unverheiratet, zeigt noch nicht einmal Interesse an irgendeiner Frau und hat keine Kinder – zumindest keine Kinder von denen die Dörfler wissen. Dass er Vater ist, wissen nur Naruto selbst und Sakura. Seine Eltern nahmen dieses Wissen mit in ihr bescheidenes Grab. Er ist ein Sonderling und über Sonderlinge reden die Leute. Gerüchte werden laut und Mutmaßungen kund getan. Sie sprechen davon, dass der Fürst Naruto mit dem Tod gedroht hat und dass er deswegen so verschlossen ist und andere sind einfach nur der Meinung, dass Hinatas Weggang ihm das Herz zerrissen hat. Sie rufen ihn bei seinem Namen, doch untereinander nennen sie ihn nur noch den Gebrochenen. Die Peitschenhiebe sind zu blassen Narben auf seinem Rücken geworden, doch dieser körperliche Schaden ist nicht mehr als ein Brotkrum auf dem Weg. Sein seelischer Verfall ist sehr viel erschreckender. Seine Lebenslust ist verschwunden. Seine früher tiefgründigen Augen, die so voller Tatendrang und Leben steckten, sind dunkel und traurig geworden. Seine Fantasie findet an den Dingen ein Ende, die sein Blick erfassen kann. Er hat das Hoffen und Träumen aufgegeben. Seine Menschlichkeit und Nächstenliebe hat er sich jedoch bewahrt. Noch immer ist er bemüht darum, anderen zu helfen und ihnen das zu geben, wovon er zu viel hat. Es ist jedoch ein anderer Grund, weshalb er dies nun tut. Er tut es nicht mehr, weil er es kann oder anderen einen Lichtblick in ihrem trüben Leben schenken will, sondern vielmehr weil es die einzige Möglichkeit für ihn ist, seinem Leben einen Sinn zu geben. Ohne diese Aufgabe würde ihm nur sein ländlicher Besitz, mit den tierischen Bewohnern bleiben und in der einfachen Erfüllung seiner bäuerlichen Pflichten sieht er keinen Lebenszweck und keine Befriedigung mehr. Natürlich arbeitet er noch immer auf dem Acker und mit dem Vieh, doch es fehlt die frühere Begeisterung dafür. Er tut es nur, weil es getan werden muss und weil er von irgendetwas leben muss. Er beschäftigt Tagelöhner, um das geforderte Arbeitspensum zu erreichen und hat drei Knechte, als auch eine Magd bei sich aufgenommen und doch lebt er alleine. Sie alle sind nur einfache Arbeiter, die nach getaner Arbeit in ihre eigenen Leben zurück kehren. Seine Eltern sind schon lange tot und an Gesprächspartnern mangelt es ihm zwangsläufig. Manchmal erwischt er sich dabei, wie er mit sich selbst oder den Tieren spricht. Er lacht nur noch selten und wenn er Gesellschaft sucht, dann nur die von Sakura. Sie ist die Einzige mit der er nicht nur als Dorfaufseher spricht. Sie ist seine einzige Vertraute und die Person, auf deren Verständnis er zählen kann. Sie weiß, wie es ist jemanden zu verlieren. Sie weiß, um was für eine schmerzhafte Erfahrung es sich dabei handelt, doch während sie sich von diesem harten Schicksalsschlag erholen konnte, ist die Sachlage bei Naruto eine andere. Seine große Liebe ist nicht tot und doch ist sie unerreichbar für ihn. Er verbringt sein Leben in einer schwarzen Ungewissheit und mit der stummen Hoffnung, sie eines Tages noch einmal sehen zu können. Manchmal sitzt er auf dem Zaun von seinem Garten und blickt zur Lichtung in der Ferne. Er hofft sie zu erblicken und gibt dem schmerzlichen Rufen seines Herzens nach, indem er Hoffnung aufkommen lässt. Eine Hoffnung, die immer wieder zerschmettert wird. Mit dieser Hoffnung ist er anfangs, trotz klarer Ermahnung des Fürsten, regelmäßig nach Nürnberg gereist, um auf dem hiesigen Markt ein paar Waren anzubieten, welche er für ein paar Pfennig an den Mann oder die Frau bringen wollte. Es war ihm anfangs egal, ob er etwas Obst, Gemüse oder andere Ware verkaufen konnte, denn stets war sein Blick mehr damit beschäftigt durch die Menschenmenge zu blicken – immer auf der Suche nach ihr, doch je öfter diese Suche erfolglos blieb, umso mehr hat er sich auf das Geschäft konzentriert. Inzwischen hat er mit der Sehnsucht und dem Wissen, sie nicht wiederzusehen, zu leben gelernt. Er fährt noch immer regelmäßig nach Nürnberg, doch nun will er dort einfach nur ein paar Pfennige verdienen und für eine Weile seinem tristen und farblosen Leben entfliehen. Auf dem Markt ist er längst bekannt. Sie Leute kaufen gern bei ihm, weil er so nett und zuvorkommend ist, wie die sie alle sagen und weil es bei ihm die beste Waren zu kaufen gibt. Zwar sprechen auch diese Menschen stets von einem traurigen Lächeln auf seinen Lippen, doch ist er immer für einen kleinen Plausch zu haben. Seine Waren sind nicht überteuert und er versteht etwas von dem Handelsgeschäft. Er kann feilschen und beweist dennoch oft genug Großzügigkeit. An seinem Stand allein tummeln sich immer so viele Leute, wie zu einem Volksfest, so dass es beinahe der Normalität entspricht, wenn er innerhalb weniger Stunden eine leere Auslage vor sich hat. Diese Tage sind eine nette Abwechslung, die ihn von seinen trüben Gedanken ablenken und eine kleine Einkunftsquelle, mit welcher er zwar keine Reichtümer anhäufen kann, die sich aber trotzdem als nützlich erweist. Am heutigen Tag ist Naruto ebenfalls an seinem Stammplatz zu finden, während ein laues Sommerlüftchen die Gerüche der Stadt aufwirbelt und das Stimmgewirr der Menschen davon trägt. Naruto ist gerade mal den halben Tag an seinem Marktstand und vor wenigen Minuten hat er seinen letzten Bestand verkauft. Die nachfolgende Kundschaft hat er vertrösten müssen und so ist er bereits wieder mit dem Abbau beschäftigt, während um ihn herum eine beeindruckende Menschenmenge durch die Straßen marschiert und die Marktstände belagert werden, wie eine Burg zu Kriegszeiten, während dessen Besitzer ihre Waren anbieten und anpreisen, als hätten sie diese aus dem Paradies selbst gepflückt. Es ist ein Hauen und Stechen, um den besten Standort, um die besten Preise, um die besten Waren und darum, wer am lautesten über den Mark brüllen und somit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Naruto nimmt sich immer die Zeit die aufkommende Vielfalt von Menschen zu beobachten und stellenweise zu belächeln, während er auf seinem Karren sitzt und trocken Brot zu sich nimmt. Er tut es auch in diesem Moment, nachdem der Abbau vollendet und die Einnahmen in einem kleinen Lederbeutel sicher an seinem Körper verstaut sind. Er sitzt auf der leeren Ladefläche seines klapprigen Karren und kaut auf einem Stück Brotkruste herum, wobei er sich abermals die Frage stellt, was er nur falsch macht. Seine Mutter hat es immer geschafft, dass das Brot innen schön locker und saftig geschmeckt hat und die Kruste dafür knusprig war. Bei ihm zerfällt das Brot in seine Einzelteile, wenn er es aufschneidet und die Kruste ist so zäh, als würde er auf einem Stück Leder herum kauen. Vermutlich steckt er einfach nicht genügend Herzblut hinein. Warum sollte er auch? Kauend lässt er einen erneuten Blick durch die Masse gleiten, bis er auf das energische und ungeduldig klingende Rufen eines Jungen in unmittelbarer Nähe aufmerksam wird, der seine Mutter zur Eile antreibt und diese wohl am liebsten hinter sich erziehen würde. Der Bube stammt aus adligen Verhältnissen – seine Kleidung verrät ihn, doch diese ist nicht der Grund warum Naruto das Kauen seiner Speise vergisst und mit großen Augen auf den Knaben starrt, als handle es sich bei ihm um eine geisterhafte Erscheinung. Diese blonden, wild abstehenden Haare, die blauen Augen und diese Gesichtszüge … Mit rasendem Herzschlag und einem inneren Beben, welches seinen Körper regelrecht durchschüttelt, schluckt der Bauer seine halb zerkaute Mahlzeit schließlich runter, was ihm jedoch äußert schwer fällt und er nur mit Mühe einem Verschlucken entgehen kann, während seine weit aufgerissenen Augen über die Köpfe der Menge hinweg gleiten, auf der Suche nach der Mutter des Jungen, der ungeduldig von einem auf das andere Bein springt und dann schließlich tritt sie in sein Blickfeld. Sein Herz scheint für einen Moment still zu stehen und er schnappt nach Luft, als hätte ihm jemand in den Magen geschlagen, während sie sich entspannt und ohne Eile ihren Weg durch ihre Mitmenschen sucht und dabei ihren Sohn anhält, sich zu beruhigen. Sie ist noch genauso wunderschön, wie er sie in Erinnerung hat. Ihr makelloses Gesicht, ihre langen schwarzen Haare und ihr perfekter Körperbau, doch auch an ihr hat die Zeit ihre Spuren hinterlassen. Sie ist gealtert, was die feinen Falten um ihre Augenpartie deutlich machen und dennoch … nach fast einem Jahrzehnt, ist sie unverkennbar die Frau, an die er sein Herz verloren hat. Sie ist die erste Person an die er nach dem Aufwachen denkt und die letzte an die er vor dem Einschlafen denkt. Täglich, ja fast stündlich ruft er sich ihr Gesicht in seine Erinnerung. Sie ist noch immer sein Mittelpunkt und der einzige Grund, wieso er morgens überhaupt aufsteht. Ein Lächeln legt sich auf seine schmalen Lippen, während sein Herz erfreut an Geschwindigkeit zulegt. Langsam gleitet sein Blick zurück zu dem Jungen, der auf die Maßregelung seiner Mutter die Augen verdreht und bockig die Arme vor der schmalen Kinderbrust verschränkt, sich ihren erzieherischen Worten jedoch gehorsam beugt. Sein Sohn. Narutos Herz macht einen erfreuten Sprung und Stolz schwillt in seiner Brust an, während er dem Mutter - Sohn Gespann dabei zuschaut, wie sie an einem nahegelegen Marktstand stoppen und Hinata ihren Blick über die Auslage gleiten lässt. Naruto hält es kaum aus. Alles ihm schreit nach ihrer Aufmerksamkeit und am liebsten würde er auf die Beine springen und zu ihnen eilen. Er möchte sie in seine Arme nehmen und am liebsten aus Nürnberg heraus führen, doch gegen all seine Gefühle und der schmerzlichen Sehnsucht in seiner Brust, entscheidet er sich für die Vernunft und bleibt auf der Ladefläche seines Karren sitzen. Er würde sich und ihr keinen Gefallen damit tun, eine öffentlich praktizierte Liebesszene zu demonstrieren. Er muss sich damit begnügen sie und sein Kind aus der Ferne zu beobachten, ganz gleich wie schwer es ihm auch fallen mag. Die Sehnsucht in seinem Inneren steigt auf eine bisher nie dagewesene Ebene an und er hat das Gefühl als würde es ihn innerlich zerreißen. Sein vorhin noch stolzes Lächeln ist längst verblasst und in seinem Gesicht spiegelt sich nur noch endlose Traurigkeit wieder, denn obwohl sie zum greifen nahe sind, sind sie nicht erreichbar für ihn. Lediglich die Erleichterung bleibt ihm, dass es den Beiden tatsächlich gut geht – so wie er es all die Jahre gehofft hat. Naruto blickt betrübt auf sein lieblos hergerichtetes Mahl, während Hinata mit dem Marktstandbesitzer spricht, der schließlich den Kopf schüttelt und auf ihn deutet. Naruto sieht nicht, wie seine große Liebe mit ihrem Blick der Gestik des raubeinigen Standbesitzers folgt und er sieht auch nicht, wie sich ihr Körper bis in den kleinsten Muskel hinein verkrampft und ihr Blick den puren Unglauben widerspiegelt. Er sieht nicht, wie sein achtjähriger Sohn schließlich erwartungsvoll auf ihn zu geht und auch nicht, wie die Fürstentochter sich nur langsam in Bewegung setzt. Hinata folgt ihrem einzigen Kind, den blick starr auf Naruto gerichtet und mit einem gewissen Gefühl des Entsetzen in der Brust, denn so hat sie den Bauern nicht in Erinnerung. Er ist um Jahre gealtert und das um weitaus mehr, als nur acht Jahre. Er strahlt Hoffnungslosigkeit aus und wirkt fast wie ein alter Mann und dennoch ist es unverkennbar er. Es ist der Mann, nachdem sie sich die letzten acht Jahre verzehrt hat. „Oh nein.“ Dieser enttäuscht klingende Ausruf reißt den Bauern aus seinen Gedanken und lässt ihn sogleich in das Gesicht seines Sohnes schauen, der auf die Ladefläche des Karren schielt. Eine Ewigkeit blickt er in dieses kindliche Augenpaar, in dem er die pure Enttäuschung ablesen kann. „Bist du etwa schon ausverkauft?“ Ruckartig hebt Naruto seinen Blick wieder an und sieht somit wie Hinata sich ihm unaufhaltsam nährt, wobei sie ihn anlächelt und starr zu fixieren scheint. Wieder beschleunigt sein Herzschlag bei ihrem Anblick und er muss sich selbst zur Ordnung rufen, um sein Blick nicht dauerhaft auf ihr haften zu lassen und sich stattdessen der Frage seines Sohnes anzunehmen. Der Bauer zuckt daher entschuldigend mit den Schultern und verzieht seine Lippen zu einem mitleidigen Lächeln. „Tut mir Leid Kleiner, aber ich habe nichts mehr, was ich dir anbieten könnte.“ „Siehst du Mama? Ich habe gesagt, dass wir früher hätten gehen müssen.“ Vorwurfsvoll dreht sich der Knabe zu seiner Mutter um, welche erst dadurch aus ihrem nahezu tranceähnlichen Zustand gerissen wird und nur entschuldigend zu ihrem Sohn herunter blickt. Hinata und Naruto wissen beide, dass sie hier keine Familienzusammenführung feiern und sich umarmen können, denn das würde Konsequenzen unbekannten Ausmaßes mit sich bringen. Die Zwei haben also keine andere Alternative und müssen einander fremdartig tun. Naruto mimt demnach den Marktstandbesitzer, der trotz größter Anstrengung den Blick nicht von Hinata lassen kann – seinem Sohn entgeht diese Tatsache zum Glück. Hinata muss sich ebenfalls bemühen und die vornehme Adelsfrau darstellen, was an sich schon ungewöhnlich ist, denn eine Adelsfrau mischt sich für gewöhnlich nicht einfach so unter das Volk und geht auf dem Markt einkaufen. Diese Tätigkeiten werden von den Bediensteten des Hauses erledigt. „Wonach sucht der junge Herr denn? Vielleicht bieten andere Händler die Ware an.“ Der Knabe wirbelt regelrecht herum und schüttelt so heftig den Kopf, dass Naruto fast der Eindruck entstehen könnte, er würde ihm gleich von den Schultern fliegen. „Nein. Du hast das beste Obst und Gemüse und sonst keiner.“ Genau genommen ist das betreffende Handelsgut gar nicht von ihm, sondern von Sakura. Die alleinerziehende Mutter züchtete ihr Obst und Gemüse in liebevoller Hingabe und gibt einen Großteil an Naruto ab, der etwas davon zum Eigenverzehr nutzt und den Rest auf dem Markt anbietet. Den Ertrag davon teilen die zwei Freunde untereinander gleich auf und so ist auch Sakuras Einnahmequelle zum leben gut gesichert, aber dieses freundschaftliche Handelsabkommen besteht schon lange und da Hinata weiß, dass Naruto keinen eigenen Obst und Gemüsegarten besitzt, lächelt sie nur wissend in sich hinein, wobei sie nur schwer die Frage unterdrücken kann, wie es Sakura denn geht. Am liebsten würde sie sich nach jedem einzelnen Dörfler erkundigen, denn sie sind ihr alle ans Herz gewachsen. „Leider habe ich schon alles verkauft, aber wenn ihr auf der Suche nach gutem Obst seit, weiter hinten findet ihr einen Händler der gute Ware, gegen einen fairen Preis anbietet. Ich kann euch dahin begleiten.“ „Sehr gerne.“ Es ist nicht überraschend, dass Hinata dieses Angebot ohne jedes Zögern annimmt und die Drei sich Augenblicke später schließlich einen Weg durch die Menschenmenge bahnen. Es fällt beiden schwer sich zusammen zu reißen. Es kribbelt ihnen gleichermaßen in den Fingern, da sie einander die Hände ergreifen wollen, doch der Schein muss gewahrt werden. „Wie heißt er?“ Fragend doch mit Stolz in seinem Gesicht, blickt Naruto seinem lebhaften Sohn hinterher, der ihnen bereits vorauseilt und sich an den Gegebenheiten gar nicht satt sehen kann. Hinata blickt kurz auf das Profil ihrer großen Liebe, ehe auch sie lächelnd ihrem einzigen Kind hinterher schaut und Naruto eine Antwort auf die Frage liefert. „Ich habe ihn Boruto genannt.“ „Ein schöner Name.“ „Ich wollte seinen Vater damit ehren. Sowieso hat der Bursche sehr viel Ähnlichkeit mit seinem Vater. Er ist lebhaft, er hasst Ungerechtigkeit und setzt sich für Schwächere ein. Ein kleiner Held sozusagen.“ Naruto lacht leicht in sich hinein und die Beiden schauen einander für eine längere Zeit an, bis Naruto beinahe in einen anderen Mann hinein läuft und sich somit dazu entschließt, seine Aufmerksamkeit doch wieder auf den gemeinsamen Weg zu richten. Es mag verkrampft erscheinen, dass die Beiden auf ihrem Weg versuchen sich möglichst unauffällig zu geben, in dem sie über Gott und die Welt sprechen, obwohl sie einander sehr viel privatere Fragen haben, doch diese in der Öffentlichkeit zu besprechen wäre verräterisch und nur von Nachteil, also unterhalten sie sich über belangloses und eigentlich uninteressantes Zeugs. Hinata erfährt dennoch, dass Minato vor fünf und Kushina vor zwei Jahren verstorben sind, was ihr einen Stich in die Brust versetzt, denn somit wird ihr zwangsläufig bewusst, dass Naruto ganz alleine lebt. Ihr liebster lebt in einem Heim, dass für ihn allein zu groß ist und zusätzlich von Vieh bewohnt wird. Keine freudigen Gespräche am Morgen oder am Abend. Sie wird ganz trübsinnig, wenn sie diese Gedanken verbildlicht. Am besagten Marktstand angekommen bietet er seine Hilfe weiter an und trägt die große Kiste voller Obst und Gemüse zum Haus der Adelsfamilie, wo er unauffällig in das Innere des Hauses gelangt, denn durch sein Handeln wirkt er wie ein unbedeutender Lieferant. Naruto überrascht jedoch die Tatsache, dass dieses Haus nicht mehr viel mit dem Anwesen ihres Vaters zu tun hat. Es ist zwar immer noch das Haus einer adligen Familie, jedoch weit davon entfernt als Anwesen betitelt werden zu können und so fern sich der Bauer in seinem Eindruck nicht täuscht, gibt es hier noch nicht einmal Bedienstete, die sich dem Dreck und Unrat ihres Herren annehmen. Hinata lebt mit ihrer Familie nahezu bescheiden, was wohl auch mit ihrem Aufenthalt in seinem Dorf zusammenhängt. Hinata führt ihn in die gute Stube. Ein großer Raum mit Kamin. Die Wände sind unverkleidet und präsentieren somit das krage graue Mauerwerk und dennoch wirkt es keinesfalls kalt oder gar lieblos. Zur rechten Hand, unmittelbar neben der Tür, befindet sich ein raumhohes Bücherregal, welches mit allerlei Werken bestückt wurde, die nur darauf warten gelesen zu werden. Gedichtbände und Gelehrtenschriften, von unbekannten bis zu berühmten Schreibern. Ein Sammelwerk an Wissen und Geschichten, wie Naruto sie in solch einer Menge noch nie zu Gesicht bekommen hat. Vor dem Regal steht ein kleiner runder Tisch, an dem zwei gepolsterte Stühle stehen und auf der Tischoberfläche steht ein einzelner Kerzenhalter mit halb abgebrannter Kerze darin. Keine Armlänge davon entfernt befindet sich schließlich der Kamin, durch den es in den kühlen Monaten im Jahr angenehm warm ist und zwei Schritte weiter befindet sich ein schmaler Durchgang zu einem kleinen angrenzenden Raum, in dem weitere Bücherregale und nur Bücherregale zu finden sind, in denen nicht eine freie Lücke mehr zu finden ist. Offensichtlich ist diese Familie sehr belesen. Naruto tritt durch die Tür und steuert einen Sitzbereich an, der sich aus einem eckigen Tisch, zwei Stühlen und einer Sitzbank zusammensetzt. Seine Schritte werden von dem dunklen Teppich unter seinen Füßen nahezu verschluckt und über seinem Kopf baumelt ein gewaltiger Kronleuchter, dessen Kerzen ausgetauscht werden müssen. An den sonst kargen Wänden hängen vereinzelte Gemälde und ausrangierte Waffen wie eine Hellebarde und Schwerter. Die zahlreichen Kerzenhalter an den Wänden und auf den Möbelstücken verleihen diesem Raum etwas warmes und Gemütliches und dennoch fühlt sich Naruto unwohl. An diesem Ort wird er nie heimisch sein und es ist unwahrscheinlich, dass er jemals hier her zurück kehren wird. Stumm lässt der Bauer seinen Blick durch den Raum schweifen und ergreift schließlich ein Buch von dem Tisch, welches neben einem aufwendig gestaltetem Blumenbukett liegt. Ein recht abgegriffenes Werk ohne Aufdruck und Titel, weswegen er es rasch zurück auf den Tisch legt und sich, noch immer schweigend, schließlich zu Hinata umdreht, die an der Tür stehen geblieben ist und ihn still beobachtet hat. Er kann nicht mehr. Er kann es nicht länger ignorieren oder unterdrücken und so ist er mit nur wenigen Schritten bei ihr und presst ihr seine Lippen auf die ihre. Er würde sich zurückziehen, um zu erfahren was sie davon hält, wenn sie es nicht erwidern und sich ihm entgegen lehnen würde. Ihr schlanken Finger vergraben sich in seinen Haaren, während seine Hände an ihrem Körper hinab gleiten und an ihrer Taille zum Stillstand kommen. Ungezügelt, nahezu animalisch, verwickeln sie einander in leidenschaftliche Küsse und wollen am liebsten nie wieder voneinander lassen. Atemlos trennen sich ihre Lippen gezwungenermaßen voneinander und sie blicken sich in die Augen, ehe Naruto seine raue Hand an ihre Wange legt und die feinen Züge ihres Gesichtes genausten studiert. „Ich habe nicht geglaubt, dich nochmal wiederzusehen.“ Auf seine geflüsterten Worte hin legt Hinata die Arme um seinen Oberkörper und drückt sich sehnsüchtig an ihn. Sie lauscht seinem Herzschlag, diesem kraftvollen und einzigartigen Rhythmus, der ihr die liebste Melodie auf der Welt ist, wobei er seine Arme um sie schlingt und sein Gesicht genüsslich in ihrer schwarzen Haarpracht vergräbt. Es fühlt sich noch genauso an, wie damals. Es ist das gleiche Kribbeln und dieselbe Wärme – wenn er doch nur die Zeit anhalten könnte. Langsam öffnet Naruto die Augen, unwissend wie lange sie nun schon so dastehen und einander umarmen. „Ich bin so froh, dass es euch gut geht.“ „Ich bin froh, dass es dir gut geht. Ich hatte solche Angst um dich.“ Sie verstärkt ihre Umarmung etwas und drückt sich noch näher an ihn. Irgendwie spürt er, dass diese Worte nur zum teil wirklich ehrlich sind, denn es ist ihr nicht entgangen, dass es ihm nicht gut geht. Er wirkt längst nicht mehr wie ein kraftvoller junger Mann, der allen Widrigkeiten trotzt, sondern wie jemand der des Lebens müde ist. Er lässt es zu, obwohl er weiß, dass diese lang ersehnte Nähe nicht von Dauer ist und er in geraumer Zeit allein in sein Dorf zurück kehren wird. Er weiß es und hasst diesen Gedanken, denn er wird Hinata nicht mitnehmen, obwohl er insgeheim spürt, dass sie ihn darum bitten wird. „Dein Gatte … ist er gut zu euch?“ Er vernimmt ein deutliches Nicken an seiner Brust und wieder eine Verstärkung ihrer Umarmung, bis er ihre gedämpfte Stimme vernimmt, die von seinem Hemd nahezu verschluckt wird. „Er ist ein guter Ehemann. Er bemüht sich sehr und Boruto und er verstehen sich gut. Sie sind … äh....“ „Wie Vater und Sohn?“ Ein bitteres Lächeln ziert seine Lippen als Hinata ihm eine verbale Antwort schuldig bleibt und stattdessen fast bekümmert ihr Gesicht vollends in seiner Brust vergräbt. Es ist schmerzhaft, dass er nie von irgendjemanden Vater gerufen werden wird und nahezu unerträglich, dass er sein einziges Kind nicht aufwachsen sehen kann und trotzdem … seinem Kind, seinem Sohn geht es gut. Der Junge hat ein sicheres Zuhause und einen Vater zu dem er aufsieht. Sie sind eine Familie, aber Naruto selbst gehört nicht dazu. Es ist eine harte Erkenntnis und nicht leicht zu verkraften, aber bisher war die Ungewissheit am schlimmsten zu ertragen gewesen. Er hat nicht gewusst was auch ihr und dem gemeinsamen Kind geworden ist und sich somit stetig Sorgen um sie gemacht. Jetzt das Wissen zu haben, dass es ihnen an nichts mangelt, ist äußert beruhigend, mit einem bitteren Nachgeschmack. Mit einem harten Schlucken löst Naruto die Umarmung, sehr zur Überraschung und zum Entsetzen Hinatas, die in seinen blauen Augen einen Entschluss ablesen kann, der ihr sehr missfällt und sie in eine leichte Panik versetzt. Er seufzt ergeben und weicht ihrem Blick aus, ehe er sich einige Schritte rückwärtig von ihr entfernt und damit eine sichtbare Distanz schafft, welche ihr Herz in eine unruhige Raserei verfallen lässt. „Ich sollte jetzt gehen. Ich finde selbst zur Tür.“ Ihre Brust bebt als er sich an ihr vorbei schiebt, ohne ihr noch einmal in die Augen zu schauen und als er die Türklinke in die Hand nimmt und sie somit nur noch auf sein breites Kreuz blickt, handelt sie nahezu instinktiv und wie durch fremde Macht gesteuert. Sie hält ihn auf und hindert ihn am gehen. Sie hält sich an ihm fest, wie eine ertrinkende an einem schwimmenden Fass auf hoher See. Er stoppt, doch dreht er sich nicht zu ihr um. Er hält die Klinke fest umklammert und blickt dumpf auf die hölzerne Tür. „Lass mich mit dir gehen. Mein Vater lebt nicht mehr. Niemand würde uns trennen können und mein Ruf ist mir egal.“ Er hört das Flehen in ihrer Stimme, woraufhin er die Augen schließt und für einen Moment in dieser Position zu erstarren scheint. Er hat es gefühlt, dass sie ihn darum bitten wird und wenn er wüsste, dass es ihr und Boruto schlecht geht, sie unter irgendwelchen Umständen schwer zu leiden hätten, dann würde er diese Bitte erfüllen, aber so ist es nicht. Es geht ihnen gut und eine Rettung seinerseits ist unnötig. Als er sie in der Menge erblickt hat, lächelnd und zufrieden, da fühlte es sich an, als würde ihn jemand ein Dolch in die Brust rammen. Sie mag ihn vermisst und Sehnsucht verspürt haben, sie mag ihn auch immer noch lieben, doch er braucht sie weitaus mehr, als sie ihn braucht. Er wird sie nicht seiner eigenen Wünsche und Bedürfnissen wegen, aus diesem gesicherten Leben heraus reißen – schon wegen Boruto nicht. Ausdruckslos öffnet der Bauer wieder seine Augen und blickt abermals auf die Maserung der Holztür, bis er seine Hand schließlich von der Klinke löst und er mit sanfter Gewalt ihren Griff von sich löst. „Nein. Ich will dass du hier bleibst.“ Ein heftiger Ruck geht durch ihren Körper und sie schnappt panisch nach Luft, was ihn schließlich dazu veranlasst sich abermals zu ihr umzudrehen. Sie blickt ihn verständnislos an, wobei sich ein wahres Tränenmeer in ihren Augen sammelt und er eine kaum zu bewältigende Hilflosigkeit verspürt, als sie von ihm zurückweicht und er nur hilflos seine ausgestreckte Hand wieder sinken lässt. Verzweifelt blickt der einsame Bauer auf den dunklen Teppich, bis er wieder zu ihr schaut und ihre Tränen bereits über ihre Wangen laufen. „Hinata. Du hast dein Leben und ich meines. Ich bin ein Bauer und du die Tochter eines Fürsten. Ich habe nichts und du hast alles. Nur mit Liebe und Zuneigung kann ich keine Familie ernähren. Entwurzle unseren Sohn nicht. Er weiß nicht, wer ich bin und das ist auch in Ordnung. Ich wünschte mir, es wäre anders und dass wir als Familie zusammen leben könnten, aber Boruto kennt nur dieses Leben und er hat einen Vater den er liebt. Stoß ihn nicht in eine fremde Welt. So wie es ist, ist es gut.“ Es fällt ihm ausgesprochen schwer diese Worte wirklich über die Lippen zu bringen und damit eine Endgültigkeit zwischen ihnen entstehen zu lassen. Ein Schlussstrich ihres gemeinsamen Weges. Eine Abzweigung auf ihrem beschwerlichen Pfad, wo sie sich Beide für einen anderen Weg entscheiden. Naruto hat kein Platz in ihrem Leben, aber immer einen in ihrem Herzen. Zögernd geht der Bauer auf sie zu und bleibt schließlich nur eine Handbreite von ihr entfernt wieder stehen. Dies bedeutet das Ende. Er wird Nürnberg verlassen und nicht wieder zurückkehren. Es ist vorbei. Aus traurigen Augen blickt die Adelsfrau zu ihm empor. „Werde ich dich wiedersehen?“ „Nicht mehr in dieser Welt, aber in der nächsten.“ Hinata schließt die Augen, wobei erneut Tränen hinab fließen und sie sich in diesem Moment nichts sehnlicher wünscht, als die Zeit zurück zudrehen. Sie will mit ihm gehen und kann es nicht. Sie will mit ihm und Boruto eine Familie bilden und darf es nicht. Er hat recht, mit allem was er sagt und dieses Wissen schmerzt unerträglich in ihrer Brust, dass sie glaubt ersticken zu müssen. Sobald er zur Tür hinaus geht, wird sie ihn nie wieder sehen und dabei handelt es sich dieses mal nicht um eine Vermutung, sondern um eine Tatsache. Es ist ein gänzlich anderes Gefühl, als er damals zur Tür hinaus ging. Es ist brutaler und schmerzhafter, denn es gibt keinen Grund Hoffnung aufkommen zu lassen. Er wird freiwillig gehen und für immer verschwinden. Sie spürt seinen warmen Atem auf ihrer Haut, als sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor ihrem eigenen schwebt, bis seine Lippen ihren Mund zu einem zärtlichen Kuss versiegeln, der nur einen kurzen Augenblick von Dauer ist, bis seine flüsternde Stimme in ihren Ohren erklingt und sie es dennoch nicht wagt die Augen wieder zu öffnen. „Ich werde dich immer lieben.“ Ein Klacken lässt sie ruckartig ihre Lider wieder öffnen und auf eine verschlossene Tür starren. Kurz überprüft sie den Raum nach seiner Anwesenheit, wobei sich jeder Winkel als leer entpuppt. Ihre Augen füllen sich abermals mit Tränen und ihr Blick bleibt schließlich wieder an der verschlossenen Tür haften, bis sie schluchzend in die Knie sinkt und ihr Gesicht in ihren Handflächen vergräbt. Er ist fort. Er ist endgültig und unwiderruflich fort. Die Liebe ihres Lebens ist verschwunden und was bleibt, ist die Erinnerung an die gemeinsame Zeit und das gemeinsame Kind, dass seinen richtigen Vater niemals kennenlernen wird. Zwei Leben in zwei verschiedenen Welten und nur eine gemeinsame Liebe, tief im Herzen und für alle Ewigkeit verschlossen. Es ist alles vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)