Zwei Leben ... von Pretty_Crazy (eine Liebe) ================================================================================ Kapitel 10: Liebespaar ---------------------- Inzwischen ist es im ganzen Dorf offiziell, dass Naruto und Hinata sich offen ihre gegenseitige Liebe gestanden haben und seitdem gibt es unter den unverheirateten Töchtern reichlich Frust und Kummer. Durchaus verständlich, wenn man bedenkt wie viel Mühe sie darin investiert haben, den Jungbauern für sich zu gewinnen und jetzt bändelt er mit Tochter aus adligem Hause an, die ihn nicht einmal eines Blickes gewürdigt hätte, wenn sie sich irgendwann einfach auf der Straße getroffen hätten. Die überwiegende Mehrheit freut sich jedoch für das Liebesglück ihres Dorfaufsehers, obwohl sie beinahe alle die sexuelle Aktivität des Paares nicht gut heißen. Es ist kein Geheimnis, dass sie der körperlichen Zuneigung nicht abgeneigt sind und es auch nicht als Sünde betrachten, wenn sie ihren animalischen Trieben nachgeben. Sie praktizieren das zwar nicht vor aller Augen, aber mit der simplen und ungestörten Zweisamkeit ist es im Dorf nicht sehr weit her. So etwas spricht sich schnell herum und außerehelicher Sex ist für die Kirche schon ein Hirnrichtungsgrund. Im Grunde ist jedes Vergehen, ganz gleich wie klein es auch ist, faktisch mit dem Todesurteil verbunden. Der Diebstahl von Brot endet nicht selten in eisernen Käfigen mitten auf dem Marktplatz, wo die Bevölkerung noch Gelegenheit hat, den gefangenen Teufel zu bespucken und mit verfaultem Essen zu bewerfen, obwohl er vor dieser Erniedrigung bereits schwere Folter ertragen musste. Das Leben eines einzelnen Menschen ist in dieser Gesellschaft nicht mehr Wert, wie ein Laib Brot und wenn Naruto nicht aufpasst, dann könnte solch ein Ende auch auf ihn und Hinata warten. Gefoltert, gequält und zum sterben in der Öffentlichkeit zurück gelassen, die keinerlei Kenntnis über das Geschehen besitzen. Menschen, die sie nicht kennen und die sich dennoch anmaßen darüber zu urteilen, haben die Erlaubnis den zum Tode Verurteilten weiteren Schaden zu zufügen. Inzwischen ist es Nacht. Das Abendessen ist längst gegessen und außer den treuen Wachhunden und nachtaktiven Tieren, ist niemand mehr im Dorf auf den Beinen. Alle schlafen sie, um sich von dem anstrengendem Arbeitstag zu erholen, nur um in wenigen Stunden den routinierten Ablauf von neuem zu beginnen. Niemand ist noch auf. Niemand, außer Hinata und Naruto, die sich speziell in den letzten Wochen die nächtlichen Ruhestunden für ihre Zweisamkeit ausgesucht haben. Im dämmrigen Licht der schmalen Laterne aus Fichtenholz, die vergessen an einem Wandhaken baumelt, haben die beiden Liebenden endlich Zeit für sich. Verschwitzt und schwer atmend, schließt Naruto die Augen, wobei er sein Gesicht in der Halsbeuge von Hinata vergräbt, die nicht weniger außer Atem ist. Ihre verschwitzen und nackten Körper aneinander gepresst, genießen sie dieses erfüllende und äußerst zufriedenstellende Gefühl eines atemberaubenden Höhepunktes. Ihre Beine um Naruto geschlungen, die Hand in seinen Haaren vergraben und die andere auf seinem Rücken ruhend, lehnt sie an der Stallwand, doch ihr Gewicht trägt einzig und allein Naruto. Bis vor wenigen Augenblicken hat der Jungbauer seine Liebste mit rhythmischen Bewegung auf das Ende zu gepeitscht und noch immer kommt sie in den Genuss, seine erregte Männlichkeit in sich zu spüren. Ein wohliges Lächeln legt sich auf ihre Lippen, wobei sie sich noch enger an Naruto zu drücken scheint. Nicht nur dass sie bereits mehrfach außerehelichen Geschlechtsverkehr vollziehen und wohl auch weiterhin vollziehen werden, sie haben auch noch Spaß daran, was die Sünde nun unverzeihlich macht. Der Sex soll keinen Spaß machen. Er soll zur Fortpflanzung dienen und nicht zur Befriedigung der eigenen Lust. Sex und Freude sollen demnach nichts miteinander zu tun haben - laut dem Klerus. Die Kirche schreibt den Liebenden ja ebenfalls vor, in welcher Stellung sie diesen Akt zu vollziehen haben. Mann-oben-Frau-unten Stellung. Jede andere Stellung, egal ob im Liegen oder im Stehen, ist verpönt und stammt vom Teufel selbst. Es ist wirklich nicht von Nöten ein Gelehrter zu sein, um zu wissen dass beide Vorschriften nicht eingehalten werden. Problematisch wird es für die Sünder nur dann, wenn sie bei ihrem Liebesspiel erwischt werden. Ein Stall ist nicht unbedingt ein romantischer Ort, aber außer den Hühnern und Schafen müssen sie keine weiteren Zuschauer ertragen. Hier können sie sich einander hingeben, ohne befürchten zu müssen gesehen zu werden. Das Risiko einer Entdeckung bleibt zwar auch an diesem Ort bestehen, aber mitten in der Nacht und auf dem eigenen Land ist es stark abgemildert. Ihnen ist jedoch bewusst, dass das gesamte Dorf längst um diese Aktivitäten Bescheid weiß, aber deswegen müssen sie es längst nicht vor anderer Augen praktizieren. Mit einer fast schon kindlichen Albernheit ziehen sich die Zwei ihre Kleidung wieder über, wobei Naruto plötzlich in seiner Haltung erstarrt und zum Stalleingang schaut. Gerade noch war er dabei den Saum seines Hemdes zurecht zu ziehen, doch jetzt steht er mit verengten Augen in der Gasse, hält den Hemdsaum umklammert und starrt zur Tür. Der schummrige Kerzenschein der einzigen Laterne ermöglicht ihm nicht genügend Sicht, um die Gestalt zu erkennen, die sich augenscheinlich dort im Schatten herum treibt, es steht für ihn jedoch außer Frage, dass jemand da ist. Hinata folgt seinem Blick, doch sie kann nichts Ungewöhnliches erkennen, weswegen sie Naruto anschaut und damit seine Aufmerksamkeit einfordert. „Was hast du?“ Nur kurz, für die Dauer eines Augenaufschlages, richtet er seine Augen auf die Fürstentochter und dann wieder zur Tür, doch die vorher anwesende Gestalt kann er nicht mehr sehen. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit hat gereicht, um dieser Person ungesehen die Flucht zu ermöglichen. „Da war jemand.“ Etwas hastig greift sich der Jungbauer die Laterne von dem Wandhaken und eilt mit großen Schritten zur Tür, die er umgehend aufstößt und in die Nacht hinaus tritt. Er hält sogar den Atem an, in der Hoffnung aus irgendeiner Richtung Schritte vernehmen zu können. Kein ungewöhnlicher Laut und keine davon eilende Person. Keine hastigen Schritte, die sich entfernen und kein aufgebrachtes Keuchen. Alles erscheint so wie immer. Vielleicht könnte er etwas sehen, wenn er mehr Licht hätte, aber unter diesen Bedingung bleibt ein Großteil der Umgebung in Finsternis gehüllt. Wieder schaut er zu Hinata, die sich zögernd neben ihn stellt und ebenfalls in die Dunkelheit starrt. „Ich könnte schwören, dass ich jemanden gesehen habe.“ „Es ist sehr dunkel. Vielleicht hast du dich getäuscht.“ „Ja... vielleicht.“ Vielleicht aber auch nicht. Naruto kann sich nicht helfen, aber es setzt sich ein sehr ungutes Gefühl in seinem Inneren fest, was ihm beinahe jegliche Ruhe raubt und seine Gedanken die irrwitzigen Fantasien produzieren. Er ist sich absolut sicher, jemanden gesehen zu haben, aber er kann weder sagen wer es war noch wohin diese Person verschwunden ist. Irgendetwas sagt ihm, dass das ziemlich schlecht ist und sie gut aufpassen sollten. Naruto kann sich vermutlich nicht einmal vorstellen, wie schlecht es gewesen ist, dass diese Person sie beobachtet hat. Im Schutz der nächtlichen Schatten und gut hinter dem Stapel vom geschlagenem Feuerholz versteckt, hockt Melchior. Schweigend und mit starrem Blick beobachtet er das Liebespaar dabei, wie sie sich auf dem Weg zum Haus der Familie machen, wo er sie doch zuvor bei etwas gänzlich anderen sehen konnte. Nicht nur dass dieser jähzornige Mann bei der Abstimmung gegen Hinata gewesen ist, es ist ihm auch ein Dorn im Auge welches Ansehen der Jungbauer in der Gemeinde genießt. Mit welchem Respekt und mit welch Ehrfurcht alle Bewohner dieses Bauerndorfes diesem Sünder entgegen treten. Sie bewundern und achten ihn. Dabei hält er sich nicht an die christlichen Regeln und verspottet damit die Kirche und den Allmächtigen. Es ist unverantwortlich, so jemandem die Leitung und Organisation eines ganzen Dorfes zu überlassen. Melchior gehört zu den Menschen die tiefsitzenden Neid für jede Art von Erfolg empfinden, wenn er nicht für ihn bestimmt ist. Er ist missgünstig, eingebildet und gewalttätig. All diese Eigenschaften bekommt seine Familie täglich zu spüren und speziell sein Jähzorn sorgt umgehend dafür, dass er seine Fäuste sprechen lässt. Nicht selten sind Frau und Kinder äußert schlimm zugerichtet und dabei tun sie alles, um nicht seinen Zorn zu wecken. In dieser momentanen Gesamtsituation sieht er eine Chance für sich selbst, um mehr Ansehen zu erhalten. Vielleicht kommt auch eine großzügige Belohnung dabei rum. Mit einem verächtlichen Laut kommt Melchior aus seinem Versteck und tritt seinerseits den Heimweg an. Er hat einen Plan und erwartet von seiner Familie eine entsprechende Unterstützung. Wiederworte jeder Art duldet er nicht und bevor sie wieder seine bestialische Gewalt zu spüren bekommen, beugen sich seine zwei Söhne und seine Frau. Sie schweigen als er heimkehrt und meiden den Blickkontakt. Der sechs Jahre alte Klaus versteckt sich hinter seinem acht Jahre älteren Bruder Martin, während ihre Mutter ihrem Gatten die vorbereitete Verpflegung gibt, die er für den Ritt nach Nürnberg brauchen wird und nachdrücklich verlangt hat. All dies verläuft ohne jede Kommunikation und es macht den Anschein, als würde der Teufel selbst das Haus verlassen, als Melchior die Tür, ohne ein Wort des Abschiedes, hinter sich zu zieht. Zwischen Martin und Klaus, hat es ganze drei Totgeburten und doppelt so viele Schwangerschaftsabbrüche gegeben. Melchior ist es immer egal, in welchem körperlichen Zustand sich seine Frau befindet. Ob schwanger oder nicht. Ob krank oder nicht. Das spielt für ihn keine Rolle. Er misshandelt sie weiterhin und hat sie dann auch noch dafür verantwortlich gemacht, wenn sie das ungeborene Kind verloren hat. Martin musste sich schon viele solcher Szenen ansehen und wurde oftmals noch mit reingezogen. Er hasst seinen Vater, aber er fürchtet sich zu sehr vor ihm, um sich gegen ihn zu stellen. Die gesamte Familie atmet erleichtert auf, als sie sich seiner Abwesenheit sicher sein können und dennoch sind sie bedrückt. Unsicherheit liegt in ihren Augen, denn sie wissen was er vor hat. Etwas verzweifelt blickt Martin zu seiner Mutter, die zittrig an Ort und Stelle verharrt und ihre Finger knetet, dass es einen sehr schmerzenden Eindruck macht. Ihr Blick ist auf die geschlossene Tür gerichtet und spiegelt eine schier unendliche Ratlosigkeit nieder. Auch sie empfindet das Vorhaben ihres Gatten als falsch, doch sie würde niemals wagen ihre Meinung in diesem Punkt zu äußern. Nie würde sie sich gegen ihren Mann stellen. Nie würde sie ihm widersprechen. Sie gehorcht ihm bedingungslos, aber vor seiner Gewalt hat sie diese Hörigkeit noch nie geschützt. „Das ist nicht richtig. Naruto war immer gut zu uns. Wir können ihn doch nicht einfach verraten.“ Martin kann es einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren untätig abzuwarten, mit dem Wissen dass sein Vater dabei ist den Jungbauern ans Messer zu liefern. Wenn Naruto die Konsequenzen seines Handels tragen muss, was gleichbedeutend mit dem Tod ist, dann ist das auch automatisch der Ruin seiner Eltern. Minato und Kushina können den Hof nicht alleine halten, selbst dann nicht wenn die Gemeinde sie tatkräftig unterstützen würde. Es wäre ihr Untergang und zwangsläufig auch ihr Tod. Melchior ist dabei eine gesamte Familie zu zerstören. Das ist wohl das Einzige, was dieser Mensch perfekt beherrscht. „Was sollen wir denn unternehmen?“ „Ihn warnen. Lass uns hingehen und ihm alles erzählen. Sie können fliehen und sich verstecken.“ Über diesen Vorschlag wirkt seine Mutter geradezu entsetzt. Mit nur wenigen Schritten ist sie bei ihren Söhnen und packt Martin fest an den Schultern. Überrascht und unwissend blickt dieser in die Augen seiner Mutter, wo sie zahlreiche Emotionen widerspiegeln. Von Angst und Sorge bis zum Selbsthass, ist alles zu erkennen. „Nein. Mir fällt das auch schwer und auch wenn ich Naruto genauso gerne habe, wie du und ich schon zufrieden wäre, wenn euer Vater nur eine seiner Eigenschaften besitzen würde, so ist mir euer beider Leben und mein eigens, sehr viel wichtiger. Wenn wir ihnen warnen, würde dein Vater sofort wissen, dass wir das gewesen sind und du weißt wozu er fähig ist.“ „Aber-“ „Martin, versprich es mir. Versprich mir, dass du nicht zu ihm gehst.“Zögernd, unsicher und voller Zweifel nickt der Vierzehnjährige schließlich und gibt seiner Mutter damit das erwünschte Versprechen. Ja, wenn sie reden würden, wüsste Melchior sofort an wen er sich wenden müsste und dass würde wieder zahlreiche Schläge und schmerzhafte Wunden bedeuten. Martin ist sich sicher, dass sein Vater eines Tages zu weit gehen und einen von ihnen töten wird. Er ist in seiner Wut nicht zu bremsen und irgendwann wird er so lange zuschlagen, bis einer von ihnen aufhört zu atmen. Naruto ist ein weiteres Opfer von seiner übertriebenen Geltungssucht und egoistischen Zielen. Die restlichen Stunden der Nacht ist es dem kleinen Bauernjungen unmöglich zur Ruhe zu kommen. Zu sehr nagen Angst und Schuld an ihm, als dass er sich wohligen Träumen hingeben könnte. Als der Morgen anbricht, hat er nicht ein Auge zu getan und die Unruhe wird größer, als ihm bewusst wird, dass sein Vater sein Ziel wohl nun erreicht haben muss. In Nürnberg erwacht langsam das Leben. Die Tagelöhner machen sich auf den weg und Bettler beginnen damit an die Menschlichkeit der Mitbürger zu appellieren. Zimmermänner, Schmiede und Schneider sind schon lange auf den Beinen und verdienen ihr Geld mit mühevoller und anstrengender Arbeit. Es ist der Adel, der zum Großteil den Tag später beginnt. Im Herrenhaus der Hyuuga Fürstenfamilie hingegen, sind bereits alle Familienmitglieder und Bediensteten auf den Beinen. Im Gartensaal des Herrenhauses steht ein alter Mann vor den großen Fenstern und blickt mit einer grübelnden Gesichtsmimik in den weitläufigen Garten, auf dem reichlich Bedienstete darum bemüht sind, die blühenden Landschaft in ihrer Schönheit zu erhalten. Sie wirken hektisch, sind in dieser Hektik jedoch organisiert und fleißig, wie man es bei Ameisen beobachten kann. Faulheit wird auf diesem Gelände nicht toleriert und von den vereinzelten Aufsehern entsprechend bestraft. Der Gartensaal springt in der Mitte des Hauses halbrund hervor und ist mit zahlreichen, aufwendigen Malereien an den Wänden, den vielen farbenfrohen Blumen und den gemütlichen Sitzelementen ein begehrter Rückzugsort der gesamten Familie. Hier her kommen sie, wenn sie einfach mal für sich selbst sein wollen. Wenn sie ihren Gedanken ungestört nachgehen möchten. Der Name des alten Mannes ist Hiashi. Elegant gekleidet in seiner herrschaftlichen Tracht, bestehend aus einer goldenen Tunika mit floralem Muster, mit schwarzem Untergewand und dazugehörigem Stoffgürtel, betrachtet er regungslos die Umgebung, die Hände locker auf dem Rücken verschränkt und in gerader Haltung. Tiefe Falten zieren sein mürrisch wirkendes Gesicht und sind stumme Zeugen seiner bisherigen Lebensjahre. Es ist Klopfen an der Tür, welches ihn aus den Gedanken reißt und er sich abwartend umdreht. Es ist einer seiner Hausdiener, der schließlich die Tür öffnet und eine respektvolle Verbeugung vor seinem Herren vollzieht. Im darauf folgendem Moment tritt ein weiterer, sehr viel jüngerer Mann in den Raum hinein, während der Diener lediglich die Tür wieder zu zieht und verschwindet. Hoffnungsvoll geht Hiashi einige Schritte auf seinen Gast zu, der jedoch nur niedergeschlagen den Kopf schüttelt und sich schließlich auf einem der Stühle nieder lässt. Der junge Mann trägt ein weißes Schnürhemd, dessen Ärmel gefüttert und abgesteppt sind und darüber trägt er einen klassischen Wams aus schwerem Leder. Vier große Schnallen mit Lederriemen verschließen den Wams und die umflechteten Säume und Nähte verleihen ihm eine zusätzliche Eleganz. An der Hüfte des Mannes baumelt ein Schwert welches von einem entsprechenden Gehänge aus Leder gehalten wird. Der junge Mann ist Neji, der Neffe von Hiashi und Anführer des Suchtrupps, welcher seit über einem Jahr die Umgebung durchsucht. „Ihr habt sie noch nicht gefunden.“ „Nein und ich fürchte es wird an der Zeit, dass wir realistisch werden.“ Hiashi schüttelt darauf fast schon energisch den Kopf und geht wieder zum Fenster. Erneut die Arme hinter seinem Rücken verschränkend, starrt er wiederum in den Garten seines Anwesens, während sein Neffe sich ergeben nach vorne beugt und die Arme auf seinen Beinen lagert. Er faltet die Hände ineinander und blickt schließlich auf den Rücken seines Onkels. „Onkel, es gibt nirgends ein Lebenszeichen von ihr und der Winter war hart. Wenn sie nicht vorher verstorben ist, dann hat sie die Kälte getötet.“ „Es ist mir egal, was du denkst. Ich werdet so lange nach ihr suchen, bis ihr etwas findet und sei es nur ein Fetzen von ihrem Kleid!“ Ein Seufzen verlässt die Lippen von Neji, der das Suchen leid ist. Er macht sich keine Hoffnungen mehr, seine Cousine noch zu finden, aber was sein Onkel sagt gilt, denn er ist das Oberhaupt der Familie und besitzt jeder Bestimmungsgewalt. Schweigend stemmt sich Neji wieder in die Höhe und will sich gerade zum gehen wenden, als eine weitere Störung des Hausdieners die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zieht. Der schmächtige und verschüchterte Mann verharrt auf der Türschwelle und verbeugt sich wieder vor den beiden Adelsleuten, ehe er mit einem unsicheren und etwas ratlosen Blick seinen Hausherren anschaut. „Verzeiht die Störung Fürstlicher Gnaden, aber draußen steht ein Mann, der Euch zu sprechen wünscht.“ „Ich erwarte niemanden. Wer ist es?“ „Er hat sich nicht vorgestellt, aber er behauptet zu wissen, wo sich Eure Tochter befindet.“ Überraschung macht sich auf den Gesichtern der beiden Adelsleute breit, ehe sie einander entsprechende Blicke zu werfen und Hiashi mit einem Nicken sein Einverständnis erklärt, den Unbekannten hinein zu holen. Neji lässt sich wieder auf dem Stuhl nieder und hat seinen Aufbruch damit verschoben. Er will wissen, wer eine solche Behauptung aufstellt und wieso er bisher unfähig gewesen ist, seine Cousine ausfindig zu machen. Wer ihnen aber gegenüber tritt ist ein Mann, der in ihren Kreisen üblicherweise nicht verkehrt. Klein, in ärmliche Kleidung gehüllt und mit recht ungepflegter Erscheinung, zumindest im direkten Vergleich zu den Adelskreisen. Ein Bauer in einem Herrenhaus in unmittelbarer Gegenwart von zwei wohlgeborenen Herrschaften, die ihn voller Abscheu betrachten und ihn bereits jetzt nicht mehr ernst nehmen. Melchior begann bereits beim Anblick des riesigen Anwesens an seinem Vorhaben zu zweifeln, doch unter diesen Blicken fühlt er sich minderwertiger als ein Wurm. Er wirkt verängstigt und unsicher, was sonst nicht zu seiner Äußerlichkeiten gehört. Sein Blick wandert nervös von einem zum anderen und er tritt unruhig auf der Stelle. „Für einen Bauerntölpel stellt du ziemlich schwere Behauptungen auf.“ Mit einem Schnauben wendet Hiashi sich von der kümmerlichen Gestalt ab und blickt wieder aus dem Fenster, wobei Melchior etwas hilflos auf dessen Rücken blickt. „Bei allem Respekt Euer Durchlaucht, aber es ist die Wahrheit.“ Neji schmunzelt und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Er genießt es förmlich, wenn das einfache Volk in Anwesenheit der besser gestellten Schicht aus Angst nahezu erstarrt. Sie wählen ihre Worte nur noch mit Bedacht und versuchen dabei noch gebildet zu klingen. Es ist amüsant einem Tier dabei zu sehen, wie es dazu gehören will. „Gut, dann verrate mir, wo meine Tochter ist.“ „In meinem Dorf, einige Stunden nördlich von hier. Sie lebt bei unserem Dorfaufseher und hat eine intime Beziehung zu ihm.“ Der letzte Teil dieser Aussage löst Entsetzen bei dem Fürsten auf, der ihn regelrecht herumwirbeln lässt. Er schnappt nach Luft, während Neji in seiner Position erstarrt zu sein scheint. Eine Fürstentochter die sich auf das Niveau eines Bauern herablässt und eine Liebesbeziehung mit ihm unterhält. Das ist eine Endwürdigung für die gesamte Familie. Hiashi tut sich schwer damit die Fassung zu bewahren, wobei sein Blick schließlich auf seinen Neffen richtet. „Kennst du das Dorf?“ „Ja. Wir haben es bereits mehrmals kontrolliert, aber nie eine Hinweis bekommen, dass sie da ist.“ „Weil die Dorfbewohner aus Treue schweigen. Sie halten große Stücke auf unseren Dorfaufseher und würden ihn nie verraten.“ Mit einem erneut musternden Blick betrachtet der Fürst seinen niederen Gast. Er ist demnach der Einzige im ganzen Dorf, der zu diesem schwerwiegenden Verrat bereit ist, aber mit Sicherheit tut er das nicht aus reinem Pflichtgefühl heraus. Das tun nur törichte Menschen. Lohnenswert ist ein solches Handeln nur dann, wenn sie sich davon etwas Größeres erhoffen. Hiashi unterdrückt ein Schmunzeln und ruft stattdessen mit fester Stimme nach seinem Diener Hans, der keinen Augenblick später gehorsam in der Tür erscheint. „Lass mein Pferd satteln und gib meinem Gast eine entsprechende Belohnung für seine Mühe. Drei Taler sollten dafür genügen.“ Melchior hat mit bedeutend mehr gerechnet. Um die zehn bis zwanzig Taler hat er sich erhofft, doch zu widersprechen wagt er nicht. Er senkt nur dankbar den Kopf und mahlt dabei wütend mit den Zähnen. Er bleibt in dieser Haltung, bis die zwei Adelsleute an ihm vorbei gegangen sind und Hans ihn darum bittet, ihn zu begleiten. „Drei Taler?“ Neji zieht die Augenbrauen in die Höhe, wobei ein spöttisches Lächeln sein Gesicht ziert, während sich die Herrschaften in Richtung Stall auf machen. Drei Taler ist wenig. Es ist sogar sehr wenig und entspricht so gar nicht dem, was Hiashi bereit gewesen wäre zu zahlen, doch der Fürst nickt nur ernst. „Der Hund soll nicht denken, dass Verrat sich lohnen würde.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)