Zwei Leben ... von Pretty_Crazy (eine Liebe) ================================================================================ Kapitel 6: Die Wahrheit ----------------------- Hinata schlägt sich gar nicht mal so schlecht. Sie ist lernwillig, engagiert und robuster als es den Anschein macht. Teilweise könnte er sogar den Eindruck gewinnen, dass sie nie etwas anderes gemacht hat. Sie kümmert sich um die Tiere, hilft bei der Feld-, und Hausarbeit und beklagt sich nicht einmal über die Arbeitsbedingungen. Naruto muss sich eingestehen, dass er sie völlig falsch eingeschätzt hat und ebenso muss er zugeben, dass er von ihrer Leistung ziemlich beeindruckt ist. Eine Adlige, die wie selbstverständlich bei Sonnenaufgang aufsteht, dass Frühstück zubereitet und direkt im Anschluss das Vieh füttert. Wenn sich Naruto das nur vorstellt, muss er ungläubig den Kopf schütteln, aber da er es jeden Tag aufs Neue zu sehen bekommt, macht es ihn beinahe fassungslos. Um es möglichst vereinfacht und umfassend auszudrücken: Er ist von ihr im höchsten Maße beeindruckt. Mit einer Axt in der Hand und mit festen Schritten geht Naruto in die Richtung des Schweinestalls, gefolgt von einer ziemlich blass aussehenden Fürstentochter, die äußert zögerlich einen Schritt vor den anderen setzt und nervös ihre Hände knetet. Die Schlachtung eines Schweines musste sie sich in ihrem wohlbehüteten Stadtleben noch nie ansehen, aber hier muss sie dabei sogar helfen und obwohl sie bereits einige Monate im Dorf ist und sich eingelebt hat, ist das eine Arbeit auf die sie verzichten kann. Den ganzen Sommer hat sie mit der Feldarbeit verbracht und nun, mit Einbruch der kalten Jahreszeit, geht es plötzlich um das Schlachten des Nutzviehs. Natürlich ist ihr klar, dass das Fleisch nicht auf Bäumen oder Feldern wächst und das Tiere dafür sterben müssen, aber sie hat nicht unbedingt das Verlangen danach, sich das anzusehen. Nach einem Jahr der Mast muss nun eines der Schweine dran glauben. Die Tiere werden den Sommer über in die Wälder getrieben, damit sie sich da das nötige Fett auf die Rippen futtern und mit Einbruch des Winters, werden die Tiere dann zurück in ihre Behausung getrieben, wo eines schließlich die Ehre hat in gekochten Scheiben auf dem Teller zu laden. Im ganzen Dorf schlachten die Familien wenigstens ein Schwein, da es bereits sehr kalt ist und keinerlei Fliegen mehr umher schwirren, die das Fleisch verunreinigen könnten. Für die ganze Gemeinde ist es ein Schlachtfest, auf das sich jeder freut. Eine Freude die Hinata nicht nachvollziehen kann. Sie kann den Gedanken ein Schwein zu töten und zu zerlegen nicht belächeln. Ihr wird ganz anders, wenn sie daran denkt. „Warte.“ Trotz der Tatsache, dass ihre Stimme sehr leise klingt und einen äußert unsicheren Grundton beinhaltet, hat Naruto ihre Aufforderung verstanden und stoppt daher seine Schritte, wobei er sich zu ihr umdreht. Mit der wärmenden Weste aus Schafwolle und dem Gugel, macht er einen ziemlich rustikalen Eindruck. Der Gugel verdeckt beinahe sein Gesicht, so das Hinata Mühe hat, seine Augen zu sehen. Er wirkt ohnehin sehr viel kräftiger und vor allem größer als die meisten Männer im Dorf und auch aus der Stadt. Mit seiner Körpergröße und Körperbau sticht er deutlich aus der Menge heraus. Er ist schon eine sehr beeindruckende Persönlichkeit. Das stellt sie immer wieder fest. Unsicher blickt Hinata zu Boden und nestelt nervös am Saum ihres Umhanges herum, wobei sie sich kaum traut ihn anzusehen. Sie verstehen sich inzwischen ganz gut und sie befürchtet, dass sie dieses angenehme Verhältnis mit ihrer Verweigerung aufs Spiel setzen könnte. Für ihn ist die Schlachtung etwas Normales. Etwas, was immer mal wieder getan werden muss und deswegen macht es ihm auch nichts aus. Sie glaubt, er habe für ihre Gedanken kein Verständnis und wird nur wieder genervt reagieren. Was die Arbeit angeht, so ist Naruto tatsächlich äußert streng. Geduld hat er zwar für sie entwickelt, aber von Arbeitsverweigerung hält er überhaupt nichts. Ein niedergeschlagenes Seufzend verlässt ihre Lippen. „Ich kann das nicht.“ „Was denn?“ „Das Schlachten. Ich kann das nicht.“ Er seufzt und innerlich rechnet sie damit, dass er die Fassung verliert und sie kritisiert. Er ist kein brutaler Mensch. Von körperlicher Gewalt distanziert er sich, aber er kann mit seinen Worten schon sehr ausfallend und verletzend werden. Zu ihrer Überraschung reagiert er jedoch völlig anders. Er zieht sich die Kapuze von seinem Gugel herunter und geht schließlich auf sie zu. Er wirkt verständnisvoll und ganz und gar nicht genervt. Hinata glaubt dennoch, dass sie sich vor dieser Aufgabe nicht drücken können wird. Bisher musste sie immer mit helfen und da wird er auch in diesem Fall keine Ausnahme machen. „Das geht vielen so, beim ersten Mal. Man gewöhnt sich dran. Betrachte es als eine Art Ausgleich. Wir kümmern uns um die Tiere und die Tiere versorgen uns. Von einem geschlachteten Schwein, können wir ein Jahr leben.“ „Ich weiß ja, aber ich... ich will das nicht sehen.“ „So lernst du die Vorgänge kennen und weißt woher das Fleisch kommt. Der Adel macht solche Arbeiten nicht. Ihr wisst nicht ob euer Fleisch von einem Wildtier, von einem Schwein, Schaf oder Rind stammt. Du weißt es viel besser zu würdigen, wenn du weißt, was getan werden muss, um es zu kriegen.“ Hinata beginnt etwas schief zu lächeln und blickt ihm bittend in die Augen, von denen sie erneut ganz fasziniert ist. Dieses Blau wirkt so unglaublich rein und tief. Es kommt ihr vor als könnte sie in seinem Blick abtauchen. Jedoch hält sich die aufkommende Faszination nur für den Bruchteil eines Augenblickes, denn dank seiner Worte ist ihr bewusst, dass sie dieser Arbeit nicht entkommen kann. Egal wie bittend sie ihn auch anschauen mag und wie viel Verständnis er auch für sie übrig hat, er wird sie nicht davon frei sprechen. „Ich muss dir helfen, oder?“ „Ja, aber ich mache dir einen Vorschlag. Bei den grausamen Sachen, sage ich dir Bescheid und du schaust weg.“ Ist eine Schlachtung im Allgemein nicht grausam? Obwohl die Fürstentochter ihre Zweifel hat, ist sie mit diesem Kompromiss schon einverstanden und nickt schließlich zustimmend. Eine Geste die Naruto zufrieden stellt, wobei er sich die Kapuze wieder aufsetzt und sich erneut in Bewegung setzt. Bei den aktuellen Temperaturen ist es äußerst wichtig, sich entsprechend zu kleiden. Die Bauern ziehen einfach nur möglichst viele Teile ihre Kleidung übereinander an, um sich warm zu halten. So trägt der Bauernsohn unter der Weste zwei seiner Hemden und seine Füße stecken in Schuhen, die Kushina mit Schafwolle gefüllt hat. Hinata hingegen trägt über ihrem Kleid nur einen Wollumhang, dessen Kapuzensaum ihr immer wieder über die Augen rutscht. Bei den ganzen Kleidungsschichten sieht Naruto sehr viel fülliger aus, als er eigentlich ist. Nach nur wenigen Metern kommen sie schließlich zu dem Schwein, welches noch sorglos mit der Schnauze im Dreck nach etwas Essbarem sucht. Wenn das Tier wüsste was ihm blüht, würde es mit Sicherheit davon rennen. Am liebsten würde Hinata es noch warnen, aber was versteht ein Schwein schon von der Sprache der Menschen? Sie bleibt zurück, mit ängstlich verzerrtem Gesicht und ineinander verkrampften Händen. Naruto dreht sich kurz zu ihr und wendet die Axt in seiner Hand, so dass er mit der stumpfen Seite zu schlägt. „Das geht zwar schnell, aber schau besser weg.“ Ein Vorschlag, den die Fürstentochter nur zu gerne an nimmt. Sie wirbelt förmlich herum und senkt den Kopf in Richtung Boden, wobei sie zusätzlich noch die Augen fest zusammen kneift. Naruto seufzt einfach nur, geht entschlossen auf das ahnungslose Schwein zu und holt aus. Alles, was Hinata zu hören bekommt, ist ein dumpf klingender Laut. Ähnlich, als würde ein schwerer Stein auf die Erde fallen. Das ist die Tötungsmethode. Ein kräftiger Schlag mit der stumpfen Seite einer Axt, direkt auf den Kopf des Tieres, um es zu betäuben. Natürlich ist es auch möglich, dass der Schlag tödlich ist, so wie in diesem Fall. Wenn es nicht zu trifft, dann sterben die Tiere beim Ausbluten. Hinata traut sich gar nicht hinzusehen, doch Naruto kennt da leider keine Erbarmen. Er fordert ihre Hilfe an und treibt sie somit immer weiter auf ihre Grenzen zu. Nach Möglichkeit versucht sie es zu vermeiden, auf den zertrümmerten Kopf des Tieres zu schauen, aber vollständig gelingt ihr das nicht. Sie knüpfen das Tier gemeinsam an den Hinterläufen auf, so das es von einem Baum baumelt. Ein Anblick bei dem die Fürstentochter hart schlucken muss. Anfangen zu würgen muss sie allerdings in dem Moment, als Naruto mit einem Dolch die Schlagader öffnet und das Tier somit ausblutet. Das Blut wird zudem in einem Behälter gesammelt. Ein ganzer Eimer voller Blut. Für Stadtmenschen, ganz besonders wenn sie aus gehobenem Stand kommen, ist das ein sehr ekelerregender Anblick. Damit ist es jedoch nicht genug. Trotz immer wieder kehrendem Würgereiz muss Hinata mit einem Stock das Blut durch rühren, bis es etwas schaumig aussieht und eine leicht hellere Farbe bekommt. Für die Fürstentochter ist das absolut grenzwertig und das Einzige was Naruto dazu einfällt ist, dass sie nach Möglichkeit nicht in den Eimer brechen soll. Ihn scheint das ganze etwas zu belustigen und vermutlich will er feststellen, wie weit Hinata selbst bereit ist zu gehen oder wie weit er sie treiben kann. Diese kleinen Sticheleien untereinander gibt es nach wie vor. Das gegenseitige Anstacheln und Provozieren, doch inzwischen ist es mehr scherzhaft, als böswillig. Der tote Tierkörper landet schließlich in einem Wassergefäß, was mit Feuer auf eine höhere Temperatur gebracht wird. Auf diese Weise ist es leichter danach die oberste Hautschicht und die Borsten zu entfernen, die schließlich anderweitig verwendet werden. Schließlich werden Augenober-, unterlider und die Ohren abgetrennt. Diese Dinge sind für den menschlichen Verzerr ungeeignet und stehen deshalb den Hunden zur Verfügung. Wenn das erledigt ist, wird die Haut abgetrennt, welche für die Lederproduktion weiter verwenden kann. Anschließend wird das Tier ausgeweidet und es gibt kaum etwas, was keine Verwendung findet. Beinahe alles von diesem Schwein wird zum Verzerr bereit gelegt und was nicht für den Menschen geeignet ist, bekommen die Hofhunde. Auch für diese Vierbeiner ist das jährliche Schlachtfest ein willkommenes Festmahl. Das Schlachten und Zerlegen dauert bis in den späten Abend hinein und erst als das Fleisch gut gelagert und konserviert ist, ist der Tag beendet. Hinata hat sich an die langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten längst gewöhnt, aber am heutigen Abend fühlt sie sich gar nicht gut. Sie ist blass und hat keinerlei Appetit. Der heutige Arbeitstag ist ihr auf den Magen geschlagen, weswegen Naruto Mühe hat sich ein Grinsen zu verkneifen. Er schmunzelt das ganze Abendessen über, wobei das nicht als Provokation gemeint ist. Manchmal hat er einen sehr seltsamen Sinn für Humor. Es ist ja allein schon eine enorme Erleichterung, dass die Mahlzeiten, nicht ständig mit eisernem Schweigen und wütenden Blicken vollzogen werden. Inzwischen haben sie Spaß beim Essen und unterhalten sich. Das macht die gesamte Situation um einiges angenehmer. Die Familie hat sich an die adlige Gesellschaft gewöhnt und fest im Tagesgeschehen eingefügt. Momentan scheint niemand daran zu denken, dass ihr Aufenthalt nicht für immer ist. Hinata gehört inzwischen zu ihnen und hat sich als eine große Bereicherung erwiesen. Obwohl Naruto sie möglichst schnell wieder aus dem Haus haben wollte, hat er nun keinerlei Einwände mehr, was einen langfristigen Aufenthalt der Fürstentochter angeht. Es ist mitten in der Nacht, als der Schlaf eines jeden Dorfbewohners jäh unterbrochen wird. Erst blinzelt Naruto nur müde, ehe er auch schon aus dem Bett springt, in seine Hose schlüpft, sich hastig sein Hemd überstreift und in die Schuhe springt. In Windeseile klettert er auch schon die Leiter runter und wirft schnell einen Blick zu seinen Eltern und zu Hinata, die ebenfalls alle wach sind und vollkommen verwirrt in ihren Betten sitzen. Die lauten Rufe sind also keine Einbildung, weswegen Naruto schnell das Haus verlässt. Nicht nur der blonde Bauernsohn kommt aus seiner ärmlichen wirkenden Behausung, sondern auch jeder andere Mann und einige Frauen und Kinder, die in Erfahrung bringen wollen, was denn die Unruhe für eine Ursache hat. Eine Gruppe von Reitern, mit dicken Umhängen, Pelzkragen und Fackeln in der Hand stehen im Zentrum des Dorfes und verlangen lauthals den Dorfaufseher zu sprechen. Mit ihren strammen Haltungen, den glanzvollen Kleidern, edlen Pferden und ausstrahlender Arroganz, hat Naruto wieder ein prachtvolles Beispiel, für seine bisherige Meinung über die Adligen. „Wer von euch Bauerntölpeln ist der Dorfaufseher?“ Kopfschüttelnd, mit wenig Begeisterung und noch weniger Erwartung, drängt sich Naruto durch die kleine Ansammlung von Menschen und bleibt vor dem Reiter schließlich stehen. Ein sehr hager wirkender Mann, mit spitzen Kinn, schiefer Nase und Brandnarbe an der linken Wange, der seine dunklen Augen voller Abscheu auf Naruto richtet. Ja, auch dieser Mensch hält die Bauern für nutzloses Gesindel. Für dumme Menschen, deren Existenz gleichbedeutend ist, mit der einer Ratte. „Ich bin der Dorfaufseher. Was wollt ihr hier, zu so später Stunde?“ „Ich stelle hier die Fragen, du Schweinehirte. Hält sich in diesem Dorf eine junge Frau auf? Schwarze lange Haare, helle Augen? Sie trug ein rötliches Kleid, als sie verschwunden ist. Wir suchen sie. Ist sie hier?“ Allerdings, aber dass muss dieser Kerl ja nicht erfahren. Naruto wird ihm nicht auf die Nase binden, dass er sie in einem recht erbärmlichen Zustand, in mitten seiner Schafe, zwischen Kot und Urin gefunden hat. Der Bauer verschränkt nur die Arme vor der Brust und verzieht sein Gesicht zu einer recht ungläubig wirkenden Miene. Was soll denn auch eine Frau adliger Abstammung bei solchen Schweinehirten, wie sie es sind? Das klingt doch völlig abwegig. „Eine Adlige in unserem Dorf? Ihr glaubt nicht wirklich, dass sich jemand Eures Standes freiwillig zu uns herablässt?“ Er könnte Hinata allerdings auch auf einem Silbertablett servieren. Warum er es nicht tut, kann er in diesem Moment nicht beantworten. Vielleicht, weil er ihr helfen will. Vielleicht, weil er nicht auf ihre Arbeitskraft verzichten will oder vielleicht, weil er diesen Menschen den Erfolg verweigern will. Diese bewusste Lüge empfinden die Reiter aber als Wahrheit. Sie blicken mürrisch drein und schauen sich die versammelten Dorfbewohner an, als wollen sie ganz sicher gehen sie wirklich nicht unter ihnen zu finden. Normalerweise lässt sich der Adel ja auch nicht zu solch Gesindel herab. Narutos Worte ergeben also auch Sinn, weswegen der Reiter seine Begleiter schließlich anweist weiter zu reiten ohne auch noch ein weitere Wort an die Bauerngemeinde zu verschwenden. Zurück bleiben die aufgeschreckten Bewohner des Dorfes, die nun alle ihre Blicke auf Naruto richten. Auch sie dürften alle wissen, wer eigentlich gesucht wird. Jeder von ihnen kennt Hinata und jeder weiß die Frau inzwischen zu schätzen, weswegen wohl auch sie alle geschwiegen haben. Niemand will sie ausliefern und noch bevor jemand sich fragend an Naruto wendet, streicht sich er Bauer durch die Haare und wendet sich an seine Gemeinde. „Sammelt euch im Gemeindehaus. Ich muss euch da wohl etwas erklären.“ Es geht ein Raunen durch die Runde und plötzlich herrscht reges Treiben, während Naruto wieder zurück zu seinem Haus geht, wo seine Eltern und Hinata auf die Berichterstattung seinerseits warten. Auch sie scheinen zu ahnen, um wen es sich bei den nächtlichen Besuchern gehandelt hat. Während seine Eltern bereits das Bett verlassen haben und ungeduldig auf seine Heimkehr warten, hockt Hinata noch immer auf ihrem Bett, die Beine dicht an den Körper gezogen und die Arme fest um diese geschlungen. Ihr Blick ist vollkommen starr und nahezu panisch auf die Bettdecke gerichtet. Sie registriert überhaupt nicht, wie Naruto zurück kommt und wie sich seine Eltern gleich wissbegierig auf ihn stürzen. „Wer war das? Was wollten sie?“ „Das waren Reiter aus der Stadt und du darfst raten, was sie wollten. Sie haben nach ihr gesucht.“ Bestimmt nickt der Bauer in Hinatas Richtung, die sich noch immer nicht rührt. Mit einem solchen Besuch haben sie ja alle irgendwann gerechnet und es ist ohnehin ziemlich viel Zeit verstrichen, bevor überhaupt jemand zu ihnen gekommen ist. Trotzdem ist es beunruhigend nun die Gewissheit zu haben, dass eine Gruppe von Reitern die Umgebung und umliegenden Dörfer nach ihr durchkämmt. Ab jetzt wird das Eis verdammt dünn. „Niemand hat sie verraten, aber alle wissen das sie gemeint ist. Ich habe alle angewiesen sich im Gemeindehaus zu treffen. Ich muss mit den Leuten sprechen und es muss entschieden werden, was wir tun sollen.“ Das Gemeindehaus ist gleichzeitig die Scheune, in der das Getreide gelagert wird. Es ist das größte Gebäude im ganzen Dorf und somit groß genug um alle Dorfbewohner zu beherbergen. Jede Art der Versammlung findet in diesem Gebäude statt und ist somit ein unverzichtbares Zentrum, für die gesamte Gemeinde. Als Dorfaufseher hat er dafür zu sorgen, das wichtige Gesetzesänderungen oder anderweitig entsprechende Nachrichten weiter gegeben werden. Die wöchentlichen Pflichtversammlungen finden zusätzlich statt und diese befassen sich nur mit Anliegen die innerhalb der Gemeinde eine wichtige Rolle spielen. Bei dieser Versammlung geht auch um die Gemeinde und um die Frage, ob Hinata bleiben soll oder nicht. Seine Eltern nicken verstehend und machen sich im nächsten Moment auch schon daran ihre Schlafkleidung gegen die Alltagskleidung zu tauschen. Naruto hingegen, geht zu der völlig erstarrten Hinata und lässt sich am Fußendes des Bettes nieder, ehe er ihren Blick sucht. Zögernd streckt er die Hand nach ihr aus und sie zuckt wie unter einem Schlag zusammen, was ihn dazu veranlasst seine Hand wieder zurück zu ziehen. Jetzt jedoch hat er ihre Aufmerksamkeit. „Du kannst hier warten. Ich bekomme das alleine hin.“ Er lächelt aufmunternd. Er hat nicht vor sie zu verraten und vermittelt ihr eine Art der Sicherheit und Zuversicht, die sie vorher noch nie empfunden hat. Sie braucht keine Angst zu haben, so lange er in ihrer Nähe ist. Das ist es, was seine gesamte Erscheinung bei ihr auslöst und der ehrliche, fest entschlossene Ausdruck in seinen Augen, lässt dieses Empfinden um ein vielfaches wachsen. Sie nickt nur schweigend, aber dankbar und Naruto verlässt schließlich erneut das Haus. Im Gemeindehaus hat sich bereits jeder Bewohner des Dorfes eingefunden und wilde Diskussionen sind bereits entbrannt. Die Gerüchteküche brodelt und die wildesten Fantasien werden gesponnen, doch alles findet schlagartig ein Ende als Naruto den Raum betritt und die Stufen der kleinen Empore hoch steigt. Der Bauer stellt sich jedoch nicht an ein Rednerpult oder baut sich in seiner Pracht vor seinen Gemeindemitgliedern auf. Er lässt sich auf der obersten Stufe nieder, lagert die Arme auf seinen Beinen und blickt kurz durch die versammelte Runde. „Gut. Wie euch sicherlich bewusst ist, haben diese Männer nach Hinata gesucht. Sie ist keine Bäuerin aus einem benachbarten Dorf, sondern die Tochter eines Fürsten aus Nürnberg. Ich habe sie verletzt und schlafend bei meinen Schafen gefunden.“ Fassungsloses Gemurmel setzt und für kurze Zeit scheint eine regelrechte Unruhe zu herrschen. Sie stellen sich alle die Frage, was eine Tochter aus gutem Haus freiwillig bei ihnen macht und wieso niemand etwas bemerkt hat. Es erschien vielleicht ein wenig seltsam, dass sie von den ganzen Arbeiten nicht viel oder gar nichts wusste, dafür dass sie angeblich eine Bäuerin war, aber das sie adliger Abstammung ist, hat niemand in Betracht gezogen. Es war einfach viel zu abwegig, als das es den Tatsachen hätte entsprechen können. „Aber, was macht sie denn hier bei uns?“ Vollkommen verwirrt tritt ein Mann nach vorne, dessen braune Haare wild abstehen und in alle Himmelsrichtungen zeigen. Diese Frage dürfte sich wohl ebenfalls jeder stellen, obwohl die Antwort ja ziemlich einfach ist. Sie versteckt sich hier und würde alles tun, nur um nicht wieder zurück zu müssen. Sie ist bereit ihr gewohntes Leben gegen ein einfaches und ärmliches einzutauschen. „Wieso sie von Zuhause weg gelaufen ist, weiß ich nicht. Sie hat jedenfalls große Angst davor wieder zurück zu müssen und da ich das nicht alleine entscheiden will, will ich von euch wissen, was ihr für das Beste haltet. Soll sie bleiben und wir leben mit einem gewissen Risiko oder soll ich sie fortschicken?“ Nachdenkliches Schweigen legt sich wie ein Schleier über die Menschenansammlung, die einander fragende und gleichzeitig ratlose Blicke zu werfen. Kaum hörbares Flüstern und Gemurmel setzt schließlich ein. Die Konsequenzen werden aufgezählt, denn wenn heraus kommt dass Hinata von Bauern versteckt wird, könnte man ihnen Entführung und Rufschädigung anhängen. Speziell für Naruto und seine Eltern könnte das mit dem Tod oder zumindest einem langen Aufenthalt im Kerker enden. Auf der anderen Seite jedoch hat sich jeder an Hinata gewöhnt. Irgendwie hat sie jeder gern gewonnen und sie zu verraten und damit in ein Unglück zu stürzen, wäre nur schwer mit dem Gewissen vereinbar. „Was hältst du denn für das Beste?“ Eine Frage die irgendwo aus den hinteren Reihen ertönt und sich an Naruto richtet. Er hat das Sagen im Dorf und bestimmt über richtig oder falsch. Bisher hat er immer zum Wohle der Gemeinschaft entschieden und nie aus rein egoistisch motivierten Motiven gehandelt. Das Allgemeinwohl liegt ihm am Herzen, weswegen er nur ergeben seufzt und ratlos mit den Schultern zuckt. „Das Beste wäre, sie würde das Dorf verlassen. Sie hier zu behalten birgt ein großes Risiko. Gerade für mich könnte es ziemlich eng werden.“ „Was würde mit uns passieren, wenn man sie hier findet?“ „Das weiß ich nicht. Ihr könntet euch in Ausreden flüchten, dass ihr zum Beispiel nichts davon wusstet oder ich sie entführt und eingesperrt habe. Auf diese Weise würden euch keine Strafen erwarten.“ „Aber auf dich würde der Henker warten.“ „Das würde ich aber nicht zu lassen.“ Überrascht richten alle Anwesenden ihre Aufmerksamkeit zur Tür, in der Hinata zu sehen ist, die unsicher ihren Blick durch die Runde gleiten lässt und schließlich zu Naruto schaut, der mit ihrem Erscheinen nicht wirklich gerechnet hat. Er hat sie immer noch vollkommen starr auf dem Bett sitzend vermutet. Ängstlich wirkt sie jedoch nicht mehr. Obwohl ihre Körperhaltung eine gewisse Unsicherheit ausstrahlt, so wirkt sie trotzdem entschlossen. Ihr Blick ist fest auf ihn gerichtet, während die Augenpaare aller anderen zwischen der Fürstentochter und dem Bauernsohn hin und her wandern. „Ich würde nie jemanden einen von euch in Gefahr bringen. Sollte es auch nur die geringsten Anzeichen dafür geben, werde ich aufgeben und zurück nach Nürnberg gehen. Euch droht keine Gefahr, aber gebt mir Zeit. Ich will dieses Leben kennenlernen. Ich will euch kennenlernen.“ Nun richten sich alle Blicke ausschließlich auf Naruto, der nach wenigen Augenblicken abermals seufzt und sich durch über den Nacken streicht. Ihre Bereitschaft sich zum Wohl eines jeden einzelnen zu opfern, lässt das Risiko sinken und sie alle haben die Chance einer Adligen zu zeigen, dass dieses Leben nicht so schlimm ist, wie sie es vielleicht gelernt hat. Es ist hart, aber durchaus lebenswert „Wer damit einverstanden ist, dass sie bleibt und wir sie, so gut es geht, verstecken und beschützen, hebt die Hand.“ Zahlreiche Hände werden ohne erkennbares Zögern in die Luft gestreckt. Andere wiederum nur langsam und etwas unsicher. Auch einige kleine Kinder strecken ihre Hände hoch, aber wohl eher aus Loyalität zu ihren Eltern und auch Naruto selbst hebt schließlich die Hand, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Ein Großteil der Bewohner ist damit einverstanden, wenn sie bleibt und nur eine kaum nennenswerte Minderheit dagegen. Damit ist die Entscheidung gefallen und diese hat eine eindeutige Mehrheit der Dorfbewohner gefällt. Zufrieden stemmt sich Naruto in die Höhe und obwohl er sich anfangs von seiner schlechten Seite gezeigt hat, zeigt er nun deutlich dass er wohlerzogen ist und Anstatt besitzt. Eine Hand auf dem Rücken, die andere vor der Brust verneigt er sich anständig und nicht wie üblich, übertrieben tief vor Hinata, die trotz allem weiß, dass er das nicht ernst meint und es eher als scherzhafte Provokation gedacht ist. Die darauf folgenden Worte jedoch sind ernst gemeint und zaubern ein äußerst dankbares Lächeln auf die Lippen der Fürstentochter. „Willkommen in unserer Gemeinde, Fräulein Hinata.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)