Gin x Whiskey von Shoot_the_puppy (written by crazypark & me) ================================================================================ Kapitel 20: Life Sucks ---------------------- Kapitel 20 - Life Sucks Jin Etwas stimmte nicht. Das war das Erste, was mir bewusst wurde, als ich Montagmorgen das Schulgelände betrat. Verhaltenes Gemurmel war zu vernehmen und es war, als schwebe eine riesige Gewitterwolke über den Köpfen der Schüler. Zweifelsohne machte mal wieder ein Gerücht die Runde, doch diesmal schien es sich um mehr als belanglosen Tratsch zu handeln. Jemand wichtiges musste das Thema sein, andernfalls wäre die Stimmung eine bessere. Zu meinem Unmut schnappte ich des Öfteren den Namen unseres Schulsprechers auf. Ich ahnte Schlimmes. Ich beschleunigte meine Schritte, um ins Gebäude zu gelangen, als mir etwas von einer gefälschten Schulakte zu Ohren kam. Scheiße! Miura konnte doch unmöglich von unserem Vorhaben Wind bekommen haben und den Spieß nun umdrehen wollen. Fieberhaft suchte ich nach ihm, bis ich ihn endlich entdeckte. Der Botschaftersohn stand von einigen seiner Anhänger umringt und sonnte sich in deren Aufmerksamkeit. Sein selbstgefälliges Lächeln genügte mir, um mich in dem Verdacht zu bestärken, dass er Schuld an der brodelnden Gerüchteküche hatte. Er hatte schließlich davon gesprochen, Kamenashi von seiner Position stürzen zu wollen. Offenbar war dies sein erster Zug. Aber solange ich als König auf dem Schachfeld regierte, würde ich niemanden dulden, der solch unüberlegte Angriffe startete. Die Fanboys schob ich einfach beiseite und blieb nur eine Armlänge entfernt vor Miura stehen. „Hi“, sagte ich und grinste ihn verschmitzt an. Seine Schergen verdünnisierten sich glücklicherweise nach einer kurzen Geste des Jüngeren. „Hey“, lächelte auch er und schien sich wahrhaft über meine Anwesenheit zu freuen, während ich der Versuchung widerstand, ihm den Hals umzudrehen. „Darf ich gratulieren?“, kam ich direkt zum Thema. „Die Spiele haben begonnen.“ „Was hast du dir ausgedacht?“, fragte ich anerkennend und bemühte mich, ihm Wohlwollen statt Verachtung entgegen zu bringen. „Nichts“, strahlte er noch immer begeistert. „Nur die Wahrheit.“ Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. „Wovon sprichst du?“ „Dass Kamenashis Akte nicht so weiß ist, wie sie den Anschein macht. Er hat Dreck am Stecken und das nicht zu knapp.“ „Was genau?“, fragte ich schleppend. Diese Information erwischte mich eiskalt. „Keine Ahnung“, lachte er. „Aber diese Bekanntmachung hat schon gereicht, um alle zu verunsichern. Den Rest übernehmen die Gerüchte.“ Miura hatte verdammt perfide Methoden, um an seine Ziele zu gelangen. Leider funktionierten sie hervorragend, da Kamenashi nicht zu den sozialfähigsten Mitschülern gehörte und Zweifel damit schnell gesät waren. Es wurde höchste Zeit, die Petze loszuwerden, bevor sie noch mehr Schaden anrichtete. „Miura!“, ertönte plötzlich eine zornige Stimme und wir drehten uns zur Person, welche sich energisch durch die anderen Schüler schob. Ein wutschnaubender Schulsprecher baute sich vor uns auf, sodass ich es fast mit der Angst zu tun bekam. Noch nie hatte ich solch eine pure Emotion auf seinem Gesicht ausgemacht. Nicht einmal sein Ausdruck beim Sex konnte dabei mithalten. „Ich habe dich gewarnt“, erwiderte Miura seelenruhig und grinste überheblich. Kamenashi schien Worte für sinnlos zu befinden, als er einen weiteren Schritt auf uns zu kam und mit seiner Rechten ausholte. Reflexartig reagierte ich und fing seinen Arm im letzten Moment ab. Ein Raunen ging durch das Publikum, welches die Szene mit unverhohlener Neugier verfolgte. „Bist du völlig übergeschnappt?“, zischte ich mit gesenkter Stimme und versuchte, an seine Vernunft zu appellieren. Offensichtlich hatte ich nur mäßigen Erfolg, da er mich einfach von sich stieß. Die nächste Amtshandlung passierte zu schnell, als dass ich fähig gewesen wäre, in irgendeiner Weise zu reagieren. Seine Faust kollidierte mit solcher Wucht mit meinem Gesicht, dass ich eine formvollendete Pirouette drehte und nur mit Mühe einen Sturz verhinderte. Verdammt, konnte das Gerippe fest zuschlagen! Gedanklich machte ich mir eine Notiz, mich niemals wieder in den Weg eines erzürnten Pitchers zu stellen. „Jin“, rief Miura bestürzt aus und eilte an meine Seite. Skeptisch betrachtete er meine Gesicht und murmelte: „Das sieht gar nicht gut aus.“ Klasse! Genau solche Worte wollte ein gefragtes Model hören. Die Schmerzen würde ich noch mindestens eine Woche spüren, so wie sich Kamenashi an mir ausgelassen hatte. Besagte Person schien selbst etwas überrascht von seinem Ausbruch zu sein und stand verloren und mit halb erhobenem Arm am Ort seiner Missetat. Die anderen Schüler schienen in Schockstarre verfallen zu sein. Offenbar konnte keiner so recht glauben, was gerade passiert war. 'Du siehst, wozu er fähig ist' hallten mir Uedas Worte durch meinen Kopf und ich grinste schief, während ich meinen malträtierten Kiefer massierte. „Ich hoffe, meine Zähne fallen nicht demnächst aus, sonst schicke ich dir die Arztrechnung“, brummte ich und spuckte das Blut aus, was sich in meinem Mund sammelte. „Damit hast du dir den ersten Schandfleck auf deiner weißen Weste gesichert“, kicherte das Bonzenkind. Nur allmählich schien sich Kamenashi der Konsequenzen für seine Tat bewusst zu werden. „Johnny wird begeistert sein“, sagte ich und hatte die zündende Idee. „Mitkommen“, befahl ich so fest ich mit meinen Blessuren konnte und packte den Schulsprecher am Arm, um ihn in Richtung Sekretariat zu zerren. Miura nickte mir zum Abschied verständnisvoll zu und vermutete wohl, dass ich den Vorfall umgehend melden würde. Das war das reinste Desaster. Für so hitzköpfig hatte ich den Knirps gar nicht gehalten. Ich wusste offenbar so vieles nicht von ihm. Dass er den Musterschüler nur spielte, war mir von Anfang an klar gewesen, aber dass er das komplette Gegenteil war, hatte ich mir nicht träumen lassen. Um uns herum bildete sich eine Gasse und ich fühlte mich wie beim Spießrutenlauf. „Geht in eure Klassenzimmer!“, schnappte ich erbost und die Gaffer taten widerwillig wie geheißen. Wenigstens meine Reputation hatte unter der Szene nicht gelitten. Oder aber ich stellte sie in diesem Moment wieder her. Als es zum Unterricht klingelte, verschwanden auch die letzten Schaulustigen und ich bog kurz vorm Sekretariat ab, um Kamenashi in den Keller zu schleifen. „Lass mich los“, giftete er und war wohl aus seiner Trance erwacht. „Damit du mich noch mal schlagen kannst? Vergiss es.“ Entnervt erreichte ich unser Verlies und bugsierte den Kleineren in den Heizungsraum. Mit verschränkten Armen lehnte ich mich gegen die Tür, sodass ich hoffentlich jegliche Fluchtversuche im Keim erstickte. Kamenashi funkelte mich noch immer böse an. Wäre ich nicht ebenfalls verdammt sauer gewesen, hätte ich mich über sein ausdrucksstarkes Gesicht gefreut. Unser Blickduell hielt noch eine ganze Weile stand, bei dem keiner von uns beiden das Wort ergriff. Kamenashi erinnerte mich an einen Stier in der Arena und ich war das rote Tuch, das ihn zum Durchdrehen brachte. Schließlich seufzte ich verdrossen und gab auf. Es war zwecklos mit diesem störrischen Kerl. „Willst du mir noch mal eine reinhauen?“, fragte ich schelmisch. „Was?“ Kamenashi war so perplex, dass er seine Wut für den Augenblick vergaß. „Vielleicht geht’s dir danach besser.“ Ein Schnauben ertönte, gefolgt von einem fassungslosen Kopfschütteln. Dabei war ich in der Position für solche Reaktionen. „Warum hast du dich gegen mich gestellt?“ Der verletzte Ausdruck in seiner Stimme irritierte mich. „Das fragst du noch? Du kannst dem Typen doch nicht öffentlich den Krieg erklären! Hast du vergessen, was er gedroht hat?“ „Ich lass mich nicht von so einem Wichtigtuer einschüchtern!“ „Das ist so was von vorbei am Thema“, stöhnte ich frustriert. „Wir sind ihn bald wieder los und du reißt so eine Aktion.“ „Mein Ruf ist eh schon geschädigt“, erklang es bitter. „Nach deiner Gewaltbereitschaft definitiv. Vorher waren es nur Gerüchte, nun haben alle den Beweis“, führte ich ihm vor Augen. „Hätten wir Miura nach Plan gekickt, hätte keiner mehr seinen Worten geglaubt.“ Daraufhin hatte Kamenashi nichts mehr entgegenzusetzen. Stattdessen starrte er mich schuldbewusst an. Ich war vielleicht eine Null im Spinnen von Intrigen, aber ich konnte die Reaktionen meiner Bauern durchaus einschätzen. „Wir müssten eigentlich längst im Unterricht sitzen“, murmelte ich und wandte mich zum Gehen. Soweit sollte ich allerdings nicht kommen, als mich Kamenashi nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag anfiel – diesmal jedoch nicht mit seiner Faust sondern seinem Mund. Verblüfft ließ ich mich von ihm gegen die Tür drücken und versuchte den stürmischen Kuss trotz schmerzendem Kiefer zu erwidern. Hätte ich geahnt, dass ich dem Jüngeren solch eine Resonanz entlocken konnte, hätte ich ihn schon längst zum Ausrasten gebracht. Nur die Tracht Prügel hätte ich gestrichen. „Au“, nuschelte ich nach einer Weile gegen seine Lippen, als ich mich nur schweren Herzens von ihnen gelöst hatte. Zungenakrobatik war mit meiner Verletzung nicht gerade die klügste Aktivität. „Wunden lecken hatte ich mir schmerzfreier vorgestellt.“ Kame schaute mich nur aus großen Augen an und erwiderte nichts. Behutsam nahm er meinen Kopf in seine Hände und drehte ihn zur Seite, um sein Werk eingehend zu betrachten. „Sorry“, flüsterte er. „Hm“, brummte ich nur. Eine Entschuldigung machte es nicht rückgängig. Mein Gesicht begann mit Sicherheit bereits anzuschwellen, zumindest fühlte es sich an, als würde es sich auf die Größe eines Medizinballs ausdehnen wollen. Hoffentlich konnten die Stylisten da etwas hin modellieren. Noch immer standen wir uns verdammt nah gegenüber und Kamenashi schien nicht von mir abrücken zu wollen, auch wenn er seine Hände inzwischen aus der Gefahrenzone entfernt hatte. Seine forschenden Augen betrachteten mich weiterhin. Die Situation begann, seltsam intim zu werden. „Wir sollten...“ Ein Knacken gefolgt von einem Rauschen ertönte über unseren Köpfen und ich blickte erschrocken auf, um einen Lautsprecher zu entdecken. „Was zum...?“ „Akanishi Jin, bitte unverzüglich im Sekretariat einfinden!“ „Wieso zum Teufel haben wir im Keller Lautsprecher für Durchsagen?“ Widerwillig begab ich mich in die Höhle des Löwen. Der Grund für den Appell konnte ja nur das vorangegangene Ereignis sein, was sich wie ein Lauffeuer verbreitet haben musste und auf die Diskussion hatte ich absolut keine Lust. Ich kam mir langsam vor wie in einem Theater ohne vorherige Proben und elend ausgestattet. Puppenspieler Johnny zog die Fäden und brachte mich gegen meinen Willen näher an den verhassten Schreibtisch, hinter dem er thronte. „Hallo Jin, setz dich doch bitte“, süßholzraspelte er und versuchte wohl, dadurch eine angenehme Atmosphäre zu erzeugen. Ich leistete der Aufforderung Folge und erwiderte nichts. Mein pochendes Gesicht sprach mit Sicherheit Bände. „Mir ist zugetragen worden, dass du einer Gewalttat innerhalb des Schulgeländes zum Opfer gefallen bist.“ Das Wort Opfer klang aus seinem Mund wie Spott und Schadenfreude zugleich. Für den Sack war es wahrscheinlich eine Genugtuung, dass mich jemand in meine Schranken verwiesen hatte, wozu er selbst nur bedingt fähig war. Ich schwieg weiterhin beharrlich und war gespannt, wann dem Alten der Geduldsfaden reißen würde. „Magst du mir erzählen, wer dafür verantwortlich ist?“, fragte er, nachdem er vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte und fuchtelte sich dabei mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Wollen Sie nicht viel lieber von mir hören, dass eine gewisse Person nicht dafür die Verantwortung trägt? Immerhin scheint er wichtig zu sein, sonst hätten Sie ihn wohl kaum so bereitwillig aufgenommen und seine Akte gelöscht.“ Etwas bewegte sich in Johnnys Gesicht. Vielleicht war er überrascht, dass ich bereit war, Kamenashi zu decken oder aber, dass ich überhaupt Bescheid wusste. Dass ich mit dem Feuer spielte, war mir bewusst. Ich konnte jedoch nicht länger zulassen, dass Johnny mir das Wasser abgrub und mehr und mehr seine Macht zurückerlangte. Es war Zeit für einen neuen Deal. „Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.“ Sein lauernder Tonfall würde mich einschüchtern, wüsste ich nicht, dass ich sein Interesse geweckt hatte. „Entgegen aller Annahmen und Behauptungen bin ich nicht dumm. Ich weiß, dass ihr eine Abmachung habt und ich weiß ebenso, dass Kamenashi die perfekte Besetzung für den Posten des Schulsprechers ist. Wäre doch schade, wenn ich ihn wegen eines kleinen Ausrutschers an den Pranger stelle und er deswegen ersetzt werden muss. Stattdessen könnte ich dafür sorgen, dass sein Ruf wiederhergestellt wird – gegen eine kleine Gegenleistung, versteht sich.“ Johnny lehnte sich in seinem Sessel zurück und faltete die Hände auf seinem Schoß zusammen. „Was willst du also?“ „Ich will meine Freiheiten zurück und nicht länger mit Aufgaben belästigt werden, für die ich nicht geschaffen bin. Und ich will, dass unser kleines Abkommen bezüglich Kamenashi hinfällig ist und zwar ohne, dass unser ursprünglicher Deal davon in Mitleidenschaft gezogen wird.“ Der Alte nickte entlang meiner Forderungen und überlegte nicht lange. „Das klingt fair.“ Ich wusste, dass er so entgegenkommend war, weil er vorhatte, den Handel platzen zu lassen, sobald er Miura in Sack und Tüten hatte. Was er nicht wusste war, dass wir dagegen spielten. „Gut“, sagte ich und musste mich zurückhalten, um nicht freudig durch das Büro zu hüpfen. Ich hatte meinen Freifahrtschein zum Vögeln des Schulsprechers bekommen und gleichzeitig Pis Sicherheit gewährleistet. Der Tag wurde allmählich besser. „Für’s Protokoll: Die Verletzung in meinem Gesicht wurde nicht mutwillig herbeigeführt“, brachte ich die Farce zum Abschluss. „Möchtest du das Ganze als Unfall deklarieren?“ „Ganz genau das möchte ich.“ Formalitäten, Formalitäten. Für den Rektor war es nur noch von Belang, die Vorkommnisse zu Papier zu bringen. Jetzt musste ich mir allerdings einfallen lassen, wie ich Kamenashi wieder in einem guten Licht dastehen ließ ohne, dass Miura mich dafür steinigte. Das alles wurde wahrhaftig zu anstrengend. Wir mussten das Bonzenkind loswerden und zwar so schnell wie möglich. „Das geht so nicht weiter. Wir brauchen Ergebnisse!“ „Ohhh, hast du etwa Angst um deinen Kazuya?“ Ich atmete tief durch und zählte in Gedanken langsam bis drei, um Kokis überhebliches Grinsen nicht mit Gewalt zu vertreiben. Ich hatte schon genug Schmerzen im Gesicht, da musste ich meine Hand nicht noch auf der Liste hinzufügen. „Ich glaube eher um sein Porzellangesicht. Kamenashi hat ihn doch vermöbelt.“ Ich schloss die Augen und massierte meine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Zwei gaben mir irgendwann noch den Rest. In der Mittagspause hatte ich sie um ein Gespräch gebeten, um die neuesten Erkenntnisse in Erfahrung zu bringen und wenn nötig Druck zu machen. „Leute“, quengelte ich eher untypisch. „Mir tut so schon alles weh. Kopfschmerzen brauch ich nicht zusätzlich.“ „Sieht ziemlich übel aus“, bestätigte Junno, was ich auch ohne Spiegel wusste. „Dem Jungen scheint der Sport gut zu tun. Wenn du ihn im Bett niederringen willst, solltest du langsam anfangen zu trainieren“, riet mir unser Drogendealer. Wie viel Kraft in unserem Schulsprecher wirklich steckte, hatte ich bereits am Donnerstag zu spüren bekommen. Der bloße Gedanke daran sandte ein Kribbeln direkt in meine Lendengegend. „Was hast du dir eigentlich wegen Kamenashi überlegt?“ „Wieso?“ „Na, jetzt wäre doch die perfekte Gelegenheit, ihn zu erpressen, nachdem er dich geschlagen hat.“ Mir fiel es erst nach Junnos Worten wie Schuppen von den Augen, dass mir diese Option nicht im entferntesten in den Sinn gekommen war. Ich hatte ihn ohne zu Zögern vor Johnny in Schutz genommen und ihn damit vor einem Eintrag gerettet. Was war mit mir los? Lag es daran, dass ich mein Ziel, ihn ins Bett zu bekommen, bereits mehrfach erreicht hatte? Oder schlimmer noch: Hatte ich ihn wirklich schon so sehr ins Herz geschlossen, dass ich solche Gefälligkeiten als selbstverständlich betrachtete? Mein Herz krampfte sich unangenehm zusammen. Solche Gedankengänge waren wirklich nichts für mich. Nicht, dass ich am Ende unter postsexuellen Hormonen litt wie eine Frau. „Ich hatte noch keine Zeit, mir etwas einfallen zu lassen...“, erwiderte ich lahm. „Hast du bei deinem Vorsatz überhaupt schon Fortschritte gemacht?“, wurde ich weiter gelöchert. „Ich arbeite daran“, murmelte ich ausweichend. Die Neugier meiner Freunde brachte mich allmählich in eine Zwickmühle. Wollte ich weiterhin die Abmachung einhalten, würde ich mich Ende des Jahres geschlagen geben müssen und wie der letzte Depp dastehen. Mein Stolz war jetzt schon angeknackst. Die Abmachung in den Wind zu schlagen, kam allerdings erst recht nicht in Frage. Koki und Junno schauten mich skeptisch an und wunderten sich wahrscheinlich, warum ich Kamenashi nicht 24 Stunden am Tag an den Hacken klebte, wenn ich ihn wirklich so sehr wollte, wie ich zum Jahreswechsel behauptet hatte. „Wir haben übrigens den Grund für Miuras Verweis herausgefunden“, grinste Blondie wie eine 60-Watt-Birne und wechselte zum Glück endlich das Thema, als keine gescheite Reaktion mehr von mir folgte. „Hättet ihr das nicht gleich sagen können?“ Ich war erleichtert und frustriert zugleich und ich hatte den Drang, ihre Köpfe zu nehmen und gegeneinander zu schlagen. „Es macht viel mehr Spaß, dich erst zur Weißglut zu treiben.“ „Manchmal glaube ich, dass ich in meinem früheren Leben ein Verbrecher war und nun mit euch beiden bestraft werde.“ „So dankst du unsere Hilfe also.“ Junno verschränkte gespielt beleidigt seine Arme vor der Hühnerbrust. „Echt mal“, ereiferte sich Giftzwerg Koki auch gleich. „Wenn wir bei Misserfolg des Plans nicht ebenfalls benachteiligt wären, könntest du jetzt zusehen, wo du Hilfe herbekommst.“ Ich rollte zur Antwort mit den Augen. Schließlich wusste ich, dass sie ihre Worte nicht ernst meinten und nur das letzte Wort haben wollten. „Fein, fein, ihr hattet euren Spaß. Wärt ihr also so gütig, mich einzuweihen?“ Die beiden lächelten triumphal und ich hatte einmal mehr den Eindruck, dass sie Zwillinge waren, die im Kreißsaal aus Versehen getrennt wurden. „Unser Botschaftersöhnchen hat es faustdick hinter den Ohren und könnte sogar Koki Konkurrenz machen.“ „Drogen?“, ächzte ich fassungslos. „Der Kandidat hat 100 Punkte.“ „Er hat so einiges in Umlauf gebracht. In der Schule hätte er das wohl unterlassen sollen. Offenbar hatte er sich etwas zu sicher aufgrund seiner Stellung gefühlt. Dem Rektor seiner alten Schule war das aber scheißegal.“ „Als ihn jemand verpfiffen hatte, konnte auch Papi nichts mehr richten“, führte Junno fort. „Ich habe ihn noch nicht mit Drogen handeln sehen“, lenkte ich ein. „Wahrscheinlich wird er das in der Schule nicht mehr machen. Aber du weißt, was man sagt: Alte Laster wird man nur schwer los.“ „Ich fürchte, du musst noch mal ran, Jin.“ Koki und Junno schauten mich mitleidig an. „Klasse“, seufzte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Kame Es dauerte nicht lange, da hatte auch meine Zeit geschlagen. Kaum dröhnte mein Name durch die Flure, verstummten alle Gespräche und es herrschte eine beängstigende Stille. Mitleidige Blicke folgten mir auf meinem Weg. Ich wusste, was sie sich fragten. Waren seine Tage als Schulsprecher gezählt? Höchstwahrscheinlich, denn ein tätlicher Übergriff einer Autoritätsperson war keinesfalls zu dulden. Was noch? Ein Verweis oder direkt eine Suspendierung? Das hing wohl davon ab, was Akanishi dem Rektor aufgetischt hatte. Wenn er mich ein für alle Mal loswerden wollte, war jetzt seine Stunde gekommen. Meine Hand pulsierte schmerzvoll, als ich sie ballte. Jedes Mal, wenn ich auch nur für einen kleinen Moment die Kontrolle verlor, endete es in einem Desaster. Es war auf eine groteske Art belustigend, sich zum zweiten Mal vor einem Scherbenhaufen vorzufinden, der meine Zukunft sein sollte. Damals war ich so verzweifelt gewesen, dass ich alles getan hätte, nur um wieder in die Normalität zurückkehren zu dürfen. Komischerweise fehlte diese Angst nun völlig. Vielleicht war es einfacher, bereits zu wissen, was auf einem zukam. Egal, wie mein Leben nach diesem Gespräch aussah, ich hatte es selbst zu verantworten. Dieses Mal würde es niemanden geben, der die Schuld auf sich nahm. Ich musste nicht einmal warten, sondern durfte direkt eintreten. Nach der obligatorischen Begrüßung ließ ich mich auf dem mir zu gewiesenen Stuhl nieder. Kitagawa nahm sich Zeit, mich eindringlich zu mustern. Viele Schüler knickten bereits jetzt nach wenigen Augenblicken ein, weil sie den anklagenden Blick nicht ertrugen oder sich vor Angst in die Hosen machten. Ich ließ die Tortur schweigend über mich ergehen und erwiderte störrisch den Blick des Alten. Wenn er glaubte, dass ich es ihm so leicht machen würde, hatte er sich getäuscht. Zu dem gleichen Schluss kam dieser wohl auch und lehnte sich nun entspannt zurück. „Ich stehe vor einem Problem und würde gern deine Meinung hören", fing er ruhig an und musterte mich aufmerksam. „Mir wurde durch einen Lehrer zugetragen, dass es auf dem Schulgelände zu einem tätlichen Zwischenfall kam. Involviert sollen ausgerechnet zwei Schüler in nicht ganz unbedeutenden Positionen sein. Doch keiner des Kollegiums hat etwas gesehen. Das vermeintliche Opfer behauptet, seine Verletzungen resultieren aus einem Unfall. Was würdest du an meiner Stelle tun?" Ich hatte arge Probleme, weiterhin alle Regungen aus meinem Gesicht zu verbannen. Unfall? Wollte der mich verarschen? Ich hatte mit allem gerechnet, aber das traf mich völlig unvorbereitet. Wenn das eine Falle war, wusste ich nicht, was Kitagawa damit bezwecken wollte. Ein vollumfängliches Geständnis bekam er so jedenfalls nicht. Die andere Möglichkeit war, dass Akanishi tatsächlich diesen Unfug von sich gegeben hatte. Aber warum sollte er mich decken? „Ich denke nicht, dass ich in der Position bin, das zu beurteilen", wich ich schließlich einer konkreten Antwort aus. „Mhh, wie heißt es noch: wo kein Kläger, da kein Beklagter. Ohne Beweise kann ich schwerlich eine solche Anschuldigung in die Akte aufnehmen, nicht wahr?" Unschlüssig starrte ich den Rektor an und versuchte zu ergründen, ob das Ganze sein Ernst oder nur eines seiner Spielchen war. „Oder möchtest du noch etwas hinzufügen, Kamenashi?" „Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß und konnte beobachten, wie daraufhin ein zufriedenes Lächeln auf dem runzligen Gesicht zum Vorschein kam. „Gut, dann wäre das erledigt", verkündete der Alte und schloss die vor ihm liegende Akte. Fassungslos war wohl die treffendste Beschreibung meines Zustandes. Mein Hirn versuchte krampfhaft das Geschehene zu verarbeiten. Definitiv hatte ich diese Begnadigung nicht Kitagawa zu verdanken. Ich verpasste Akanishi also eine, nachdem ich ihn quasi beschuldigt hatte, mich erwartungsgemäß verraten zu haben und als Dank sorgte mein Mitschüler dafür, dass ich ungeschoren davonkam. Entweder ich war besser im Bett als ich selbst dachte oder aber Akanishi spielte sein eigenes Spiel. So oder so, Johnny schien äußerst zufrieden mit dem Ergebnis. „Wir sollten nur sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholt", holte mich dieser aus meinem Gedankenkarussell „Selbstverständlich." „Etwas anderes bereitet mir noch Sorgen", fuhr der Rektor fort. „Diese Gerüchte über dich können zu einem Problem werden. Man könnte fast meinen, jemand hat es auf dich abgesehen. Hast du jemanden in Verdacht?" „Nein", log ich ohne zu zögern, „aber ich werde es in Erfahrung bringen.“ „Gut, ich gebe dir zwei Wochen. Wenn bis dahin das Gerede nicht aufhört, bin ich gezwungen, dem nachzugehen. Und das wollen wir beide nicht." Was er eigentlich damit sagen wollte, war, dass ich am Arsch war und er aus dem Schlamassel fein rauskam, indem er den Unwissenden mimte. Darauf konnte ich gut und gern verzichten, was ich auch überschwänglich versicherte. „Verhalte dich am besten ruhig und geh Akanishi aus dem Weg. Mehr Unfälle wären nicht gerade hilfreich." Was er nicht sagte. Als ich zum ersten Mal an diesem Tag das Klassenzimmer betrat, verstummten jegliche Geräusche. Alle Blicke waren auf mich gerichtet und ließen mich das Ausmaß meiner Torheit erst richtig realisieren. Selbst der Lehrer unterbrach seinen Vortrag und musterte mich durchdringend. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen, wie ich dieses Desaster wieder gerade biegen konnte. Mit meiner hart trainierten, gleichgültigen Miene ging ich zu meinem Platz. Ich spürte, wie mich alle mit angehaltenem Atem anstarrten. Auch unser Lehrer brauchte einige Augenblicke, um aus seiner Starre zu erwachen, bis er sich letztendlich räusperte und mit dem Unterricht fortfuhr. Die Grabesstille wandelte sich allmählich in leises Tuscheln. Ich wusste nicht zu sagen, was schlimmer war. Als die Stunde endlich zu Ende war, wartete ich, bis sich alle bequemten, endlich den Raum zu verlassen. Alle bis auf zwei. Ohne Umschweife baute sich Yamapi vor meinem Tisch auf und funkelte mich wütend an. „Du hast ihn geschlagen", konfrontierte er mich entrüstet, während sich Tatsuya gegen den benachbarten Tisch lehnte und die Szene interessiert beobachtete. „Warum zur Hölle?" „Ich weiß es nicht", erwiderte ich ehrlich, da ich tatsächlich keine Antwort auf diese Frage hatte. Irgendetwas war in meinem Hirn durchgeraucht, als ich ihn mit Miura stehen sah. Der triumphale Blick des Botschaftersohns hatte mir den Rest gegeben. Ich war der festen Überzeugung gewesen, dass Akanishi mich verraten hatte, auch wenn es im Nachhinein betrachtet keinen Sinn ergab. Ich neigte weder zu voreiligen Schlüssen noch zur Gewalt. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. „Ich wollte ihn nicht schlagen, aber irgendwie ist es passiert", fügte ich zerknirscht hinzu. Yamapis Züge wurden etwas freundlicher, auch wenn seine Mimik mir zu verstehen gab, dass er mir noch lange nicht verziehen hatte. „Hmpf, das passt überhaupt nicht zu dir“, stellte er ruhig fest und suchte wohl selbst nach einer besseren Erklärung. „Es tut mir Leid, Pi“, versicherte ich und senkte betroffen den Kopf. Ein wenig Läuterung zu zeigen, konnte immerhin nicht schaden. Ich bedauerte es wirklich, die Kontrolle verloren zu haben, vielleicht sogar ein wenig, dass es Akanishi getroffen hatte. „Ich werde mal nachsehen, wie es ihm geht“, seufzte mein Klassenkamerad und ließ mich mit Ueda allein. Damit begann wohl das eigentliche Verhör. „Du hattest wirklich nicht vor, Jin zu schlagen?“, fragte dieser sogleich ungläubig. Natürlich war es nicht ebenso einfach, Ueda von meiner Unschuld zu überzeugen. „Wirklich nicht.“ „Miura dann also“, schlussfolgerte er sofort. „Verdient hätte er es.“ „Was hat Kitagawa gesagt?“ „Ich stehe unter Beobachtung." Akanishis Part ließ ich lieber unter den Tisch fallen. Ich konnte mir selbst darauf keinen Reim machen, wie sollte ich es dann anderen erklären? „Und das ist alles?", hakte mein Klassenkamerad berechtigterweise nach. Kitagawa schonte grundsätzlich niemanden, der gegen seine schönen Regeln verstieß. „Vielleicht hatte er einen guten Tag", zuckte ich mit den Schultern. „Es wird nur nicht lange so bleiben, wenn wir nicht langsam etwas gegen Miura unternehmen.“ Noch so eine Aktion und ich war weg vom Fenster. Zwei Wochen waren ebenfalls ein knappes Zeitfenster. Ich wurde allmählich von allen Seiten an die Wand gedrängt und dieses Gefühl gefiel mir gar nicht. Bei der Erwähnung unseres Feindes grinste zumindest Tatsuyas siegessicher. „Koki und Junno haben etwas gefunden.“ „Wenigstens eine gute Nachricht.“ Das Treffen wurde auf Dienstagabend gelegt, sodass sich die Aufregung des Tages etwas legen konnte. Vielleicht hatten die anderen Angst, die Situation könnte eskalieren, wenn Akanishi und ich am selben Tag nochmals aufeinander trafen. Ich hatte nichts dagegen, da ich nur noch nach Hause und meine Ruhe wollte. Ein oder zwei Gläser Whisky und eine Menge Selbstmitleid klangen nach dem perfekten Plan. Vorher jedoch bedankte ich mich mit einer kurzen, sehr sachlichen Nachricht bei Akanishi. So viel Anstand musste sein, auch wenn mir seine Intention immer noch Rätsel aufgab. Am nächsten Tag war ich zwar wieder geistig auf der Höhe, jedoch machte das die Gesamtsituation auch nicht besser. Eine zufriedenstellende Erklärung für mein Verhalten hatte ich bisher nicht gefunden. Ich hatte gelernt, mein Temperament zu kontrollieren, wenn es drauf ankam. Die Angst, alles noch einmal zu verlieren und der damit verbundene Druck haben mich wohl meine Vernunft vergessen lassen. Es brachte aber nichts, sich ewig darüber den Kopf zu zerbrechen. Nach vorn blicken und Miura loswerden, hieß die Devise. Dieser Gedanke brachte mich durch den Tag. Die Entrüstung hatte sich gelegt und machte langsam einem ungesunden Misstrauen Platz. Jeder fragte sich, warum Kitagawa nichts unternahm. Die Gerüchte brodelten so hoch, dass ich mir beinahe wünschte, der alte Knacker hätte mich abgesägt. Da ich mich nirgendwohin bewegen konnte, ohne dass mich unzählige Blicke verfolgten, verschanzte ich mich bereits eine Stunde vor der vereinbarten Zeit in der Bibliothek und suchte Ablenkung in dem einen oder anderen Schulbuch. „Oi Kamenashi, was macht die Hand?", begrüßte mich Tanaka, welcher sich gefolgt von dem Rest zur vereinbarten Zeit in unserer abgeschiedenen Ecke einfand. Wenigstens war die Meute pünktlich. Ich nickte nur zur Begrüßung und sparte mir einen weiteren Kommentar, da dieser schon von Junnosuke übernommen wurde: „Sieht zumindest besser aus als Jins Visage.“ „Sehr witzig“, zischte dieser und ließ sich auf einen der freien Plätze mir gegenüber nieder. Schuldbewusst senkte ich den Blick und verstaute lieber meine Bücher. Er hatte zwar das Gröbste ganz gut abdecken können, jedoch war die Schwellung deutlich zu erkennen. Okay, ich hatte oft darüber nachgedacht, Akanishi etwas Verstand einzuprügeln, aber die tatsächlichen Ausmaße meiner Handlung zu sehen, stand auf einem ganz anderen Blatt. Ich hatte wirklich gute Arbeit geleistet und war nicht gerade stolz darauf. Die Präsentation der „Errungenschaften“ unserer neuesten Gruppenmitglieder folgte auf dem Fuße. Ich wollte gar nicht wissen, wie die beiden an derartige Informationen gelangten, aber es brachte uns definitiv einen gewaltigen Schritt nach vorn. Im Gegensatz zu unserem Freund war ich ja ein unschuldiger Chorknabe. Nur hätte ich ihn nie für so dumm gehalten, öffentlich in einer Schule Drogen zu verkaufen. Ich hatte mit etwas weniger spektakulärem gerechnet, überrascht war ich dennoch nicht. In wenigen Worten erörterte Tanaka anschließend den beknacktesten Plan, den ich jemals gehört hatte. Ueda schien ebenfalls noch nicht eingeweiht, denn in seinem Gesicht spiegelte sich völliges Unverständnis. „Das kann nicht euer Ernst sein", sagte er fassungslos und ersparte mir somit die Arbeit. „Hast du vielleicht eine bessere Idee? Immerhin sticht Jin ja in bekanntes Gewässer", gab Taguchi zu bedenken. „Darum geht es nicht. Miura wird wohl kaum das Zeug allein nehmen. Was willst du machen, wenn er dir etwas anbietet?" „Es nehmen", antwortete Akanishi ruhig. „Hast du sie noch alle? Wer weiß, was der für eine Scheiße anbringt.“ Neugierig beobachtete ich die Szene. Tatsuya hatte plötzlich eine beängstigende Ähnlichkeit mit unserer Glucke Pi. Ich nahm nicht an, dass es sich um Akanishis ersten Drogenrausch und gewiss auch nicht um den letzten handelte, jedoch war der Plan nicht gerade ein Meisterstück. Jemanden zu ermutigen, Drogen unbekannter Herkunft zu konsumieren und ihn dann noch mit Miura allein zu lassen, war mehr, als ich von irgendjemandem verlangen konnte. Selbst wenn es sich hierbei um Akanishi handelte, welcher daran wohl auch noch seinen Spaß hätte. „Kazuya, sag doch auch mal was“, holte mich Ueda zurück ins Geschehen. Alle Blicke waren auf mich geheftet. Super! Der Plan war in der Hinsicht zum Kotzen. Allein der Gedanke, die beiden nochmals bei ihren Schäferstündchen beobachten zu dürfen, bescherte mir Magenkrämpfe. Automatisch sah ich zu der Hauptrolle in diesem Stück und traf direkt seinen abwartenden Blick. Leider half mir das nicht gerade, eine Antwort oder besser noch, eine Alternative zu finden. So wenig, wie mir die Sache gefiel, ich brauchte eine schnelle Lösung, sonst wären meine Tage endgültig gezählt. Die Frage war nur: Was war ich bereit, hierfür zu opfern? „Es könnte funktionieren, aber die Entscheidung liegt allein bei Akanishi“, antwortete ich schließlich und riss mich von den fesselnden Augen des Älteren los. „Na, dann haben wir ja alles geklärt“, verkündete dieser und der Entschluss war somit gefallen. Samstag war es soweit. Das zweite Date zwischen Akanishi und Miura würde stattfinden. Das Zimmer war gebucht und der dämliche Teddy stand bereit, damit erneut alle Beweise aufgenommen werden konnten. Ich hatte mich zwischenzeitlich noch immer nicht mit dem Plan angefreundet, aber mir blieb keine andere Wahl. Da sich keiner meiner Mitschüler erbarmte, sich umzubringen oder wenigstens eine Schülerin der Nachbarschule zu schwängern, war ich zu meinem Leidwesen noch immer Gesprächsthema Nummer 1. Ich hielt mich die Woche an Kitagawas Vorgabe und machte mich nahezu unsichtbar. Keine leichte Aufgabe, wenn man die aktuelle Situation berücksichtigte. Akanishi und Miura aus dem Weg zu gehen, bedeutete gleichzeitig, die Pausen allein in den Unterrichtsräumen zu verbringen und zentrale Plätze wie den Hof oder die Cafeteria zu meiden. Ich kam mir langsam vor wie ein Geächteter. Auch wenn ich die Ruhe ab und an vorzog, war es doch ein beschissenes Gefühl, dazu gezwungen zu sein. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, aber der gesamte Irrsinn schlug mir allmählich auf das Gemüt. Wenigstens blieb es mir erspart, Miura und Akanishi in trauter Zweisamkeit erleben zu dürfen. Kaum hatte ich das große Kaufhaus betreten, schrien mich die ersten motivierten Verkäufer nieder, welche ihre neuesten Angebote lautstark anpriesen. Ich versuchte ihre quietschigen Stimmen ebenso zu ignorieren wie die furchtbare Dudelmusik im Hintergrund. Online-Shopping war wirklich ein wahrer Segen. Kaum hatte ich mich bis zum 5. Stockwerk durchgeschlagen, nahm mich auch schon ein verzweifelter Taka in Empfang. „Gott sei Dank bist du da. Ich halte das keine Minute länger allein aus." „Das habe ich gehört." Eine entrüstete Naoko steckte ihren Kopf aus der Umkleide. Als sie mich entdeckte, fing sie jedoch an zu strahlen, wie eine 100-Watt Birne. „Hallo Kazuya." „Schon fündig geworden?", erkundigte ich mich höflich und setzte mich auf einen der Hocker neben meinem besten Kumpel. „Die engere Auswahl steht", verkündete Takas Cousine freudig und verschwand zurück in der Umkleide. „Das ist ja auch erst das dritte Kaufhaus, in das sie mich schleppt." „Du hast mein volles Mitgefühl", erwiderte ich grinsend und klopfte meinem Freund ermutigend auf die Schulter. Naokos Schule veranstaltete heute Abend einen Ball für alle Mittelstufler. Mein Kumpel wurde zu seinem Glück nicht nur als Einkaufsberater nominiert, sondern durfte zudem noch Chauffeur und Aufsichtsperson spielen. „Ihre Mutter trägt sich für den ganzen Mist ein und ich darf dann antreten", beschwerte er sich weiter. „Wie auch immer ich es schaffen soll, eine Horde pubertierender Teenager davon abzuhalten, sich gegenseitig zu bespringen.“ „Es wird schon nicht so schlimm. Wir können uns durchaus beherrschen“, versuchte ich meinen Kumpel aufzubauen, obwohl ich beim Thema „Beherrschung“ nicht das beste Paradebeispiel war. „Du vielleicht, denn du bist ein verdammtes Alien. Genau wie deine Bonzen-Freunde, aber in der realen Welt haben die Kids nichts anderes mehr im Kopf.“ „Das klingt, als wärst du 100. Lässt deine Libido etwa schon nach?“ „Sehr witzig“, murmelte Taka beleidigt, „Ich hätte mein freien Wochenende nur lieber mal zum Schlafen genutzt. Du siehst auch etwas mitgenommen aus, wenn ich das mal anmerken darf." „War einfach eine beschissene Woche“, antwortete ich schlicht und war froh, dass mir eine weitere Befragung erspart blieb, da Naoko gerade in einem knielangen, rosa Kleid mit einer beeindruckenden Menge an Glitzer aus der Umkleide trat. „Ich denke, das ist es“, verkündete sie glücklich. „Du siehst aus wie eine Hostess“, kommentierte Taka den Anblick wenig begeistert und erntete dafür einen Seitenhieb von mir. „Hör nicht auf den alten Knacker. Du siehst toll aus, Na-chan“, warf ich schmunzelnd ein und bekam zum Ausgleich einen Tritt vor das Schienbein. „Ich geb‘ dir gleich alten Knacker.“ Nachdem das Kleid gefunden war, folgte nun die Suche nach den passenden Schuhen. Gott, ich hasste einkaufen, aber was tat man nicht alles, um seinem besten Freund beizustehen. Zusammen trotteten wir Naoko und einer Verkäuferin hinterher. „Schon Pläne für heute Abend?“, fragte Taka und versuchte sich zwischen zwei Regalen durchzuquetschen. „Eigentlich nicht.“ Außer sämtliche Gedanken an Akanishi und Miura in viel Alkohol zu ertränken. „Lust mitzukommen? Ich könnte Unterstützung und Naoko in diesem Fummel einen Bodyguard gebrauchen.“ „Sie wäre sicher begeistert“, gab ich zu bedenken und hoffte, so aus der Nummer herauszukommen. Mir reichten die Veranstaltungen, zu denen ich als Schulsprecher genötigt war, völlig aus. „Ach was. NA-CHAN“, brüllte er durch den halben Laden, sodass sich alle Anwesenden entsetzt umdrehten. Ich überlegt spontan, ob ich gelenkig genug war, mich in einem der Schuhe zu verstecken. „Was denn? Hast du was Passendes entdeckt?“, kam es in der selben Lautstärke zurück. Die Verwandtschaft war wirklich nicht zu leugnen. „Ja, dein Date für heute Abend“, verkündete der Ältere stolz und schob mich vor sich. Das konnte ja was werden. Immerhin besaß Naoko so viel Anstand zu uns zu kommen und das Elend nicht weiter schreiend zu erörtern. „Ich…wollte dich eigentlich fragen, aber du bist immer so beschäftigt und…Du musst natürlich nicht!“, stammelte sie mit hochrotem Kopf, dass es mir unmöglich war jetzt noch abzusagen. Und Taka, der Arsch, wusste das genau. „Es wäre mir ein Vergnügen“, entgegnete ich charmant und setzte mein gewinnendes Lächeln ein. Dank Kitagawa lernte man schnell, jemanden um den Finger zu wickeln. Natürlich funktionierte es auch dieses Mal. Naoko gab ein begeistertes Fiepsen von sich und tobte direkt zu der Verkäuferin zurück. „Jetzt weiß ich, wie du das mit den Weibern machst. Scheiße, ist das unheimlich. Selbst ich habe gerade das Bedürfnis, dich meiner Mutter vorzustellen.“ Taka klang wahrhaftig irritiert. Bislang war es auch nicht von Nöten gewesen, diese Rolle in seiner Gegenwart zu spielen. „Ich kenne deine Mutter schon. Außerdem bin ich nun mal der perfekte Schwiegersohn“, erwiderte ich schulterzuckend „Wenn du nicht gerade besoffen strippst und deine Sachen verbrennst.“ Oder mit Akanishi in die Kiste hüpfe. „Das ist allein deinem schlechten Einfluss zu verdanken.“ „Pfft, als ob. Du warst schon davor verdorben bis ins Mark.“ Wenn er wüsste, wie recht er damit hatte. Nur war es weder der richtige Ort noch die beste Zeit dies zu vertiefen. „Wenn wir schon beim Thema sind. Gibt es dort Alkohol?“, wich ich daher aus. „Für wen hältst du mich? Der gefüllte Rucksack steht längst bereit“ Guter Mann! Hosted by Animexx e.V. 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