Gin x Whiskey von Shoot_the_puppy (written by crazypark & me) ================================================================================ Kapitel 18: F**k Titles ----------------------- Kapitel 18 - F**k Titles Jin Montagmorgen unterrichtete mich Ueda über den Umstand, dass unsere bisherigen Bemühungen im Fall Miura wichtige Erkenntnisse geliefert hatten, uns aber nicht viel nutzten. Wir hatten nun den Beweis, dass der Scheißkerl eine Abmachung mit Johnny hatte, jedoch war dies mehr als legitim. Das reichte noch lange nicht, um ihn wieder loszuwerden. Ueda und Kamenashi waren der Meinung, dass wir etwas mehr in Miuras Vergangenheit bohren mussten. Ich war jedenfalls raus. Noch eine Runde mit dem Bonzenkind würde entweder er oder ich nicht unbeschadet überstehen. Außerdem bezweifelte ich stark, dass er von seiner dunklen Vergangenheit ebenso stolz berichten würde. Von einer Schule zu fliegen und zeitgleich eine reine Weste für eine neue Bildungseinrichtung zu erlangen war schon ein starkes Stück. Zweifelsohne war sein Daddy ein hohes Tier, das mit Sicherheit extrem angepisst über Sohnemanns Missetaten gewesen war. Ein Schandfleck, den er erfolgreich vertuscht hatte. Aber ich wäre nicht Akanishi Jin, wenn ich nicht eine Möglichkeit kennen würde, Geheimnisse zutage zu fördern. „Denkst du, dass du den Schulsprecher damit herumkriegen kannst?“, grinste Koki schadenfroh und auch Junno lächelte mich zuckersüß an. Ab und an hasste ich meine Kumpel wirklich. „Hier geht es um mehr, als Kamenashi zu beeindrucken“, verdrehte ich die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Ich hatte die beiden soeben in die Mission Botschaftersohn eingeweiht und erntete wie üblich nichts als Spott und Häme. „Haben wir verstanden“, lenkte Junno ernst ein. „Wenn wir keine Möglichkeit finden, den Schaumschläger abzusägen, wird selbiges dir blühen und unsere Ära der Macht neigt sich dem Ende entgegen.“ Ich nickte auf die Zusammenfassung zustimmend. Genau so sah es aus und damit verdammt düster. „Aber du musst zugeben, dass das trotzdem eine wunderbare Gelegenheit ist, bei Kamenashi zu punkten.“ „Ja, ganz wunderbar“, zischte ich genervt. „All deine Aufmerksamkeit liegt aktuell auf dem zarten Reh, so kennen wir dich gar nicht.“ Wenn die beiden jetzt wie Pi anfingen, würde ich mir die Kugel geben. Was war an meinen Interessen nur so unterhaltsam? Ich verstand meine Freunde einfach nicht. „Zugegeben, er hat einen niedlichen Hintern. Das sieht man sogar trotz der hässlichen Uniform, aber...“, fing Koki an zu erzählen, wurde jedoch von Junno unterbrochen: „Du solltest ihn auf dem Spielfeld sehen, wenn dir sein Arsch zusagt. Dort kannst du ihn in voller Pracht begutachten.“ Jetzt ging es aber los! Waren die zwei komplett gestört oder was? „Hier wird keiner irgendwelche Ärsche beobachten“, stellte ich vehement klar. „Außer ich und zwar euch beide im Moment.“ „Ist das etwa Eifersucht?“, lachte Koki vergnügt. „Dass wir das noch erleben dürfen“, stieg Junno auf den Blödsinn ein und veranlasste mich zum neuerlichen Augenrollen. „Was ist nun?“, fragte ich ungeduldig. Ich hatte heute noch wichtigere Sachen zu erledigen, als mich verspotten zu lassen. „Du weißt, dass du auf uns zählen kannst. Wir lassen unsere Kontakte spielen und im Handumdrehen hast du die nötigen Infos, was genau Miura auf seiner alten Schule verzapft hat“, versicherte mir Koki. „Gut“, entgegnete ich erleichtert. Koki und Junno waren die richtigen für den Job. Die beiden hatten Kontakte in ganz Japan verstreut, die sie wegen krummer Geschichten befragen konnte. Irgendetwas Extremes musste vorgefallen sein, sonst wäre er nicht gleich suspendiert worden, schon gar nicht bei so einem einflussreichen Vater. Das Ganze musste ein stärkeres Vergehen gewesen sein, als Mitschüler zu beklauen. Ich war wirklich gespannt, was die zwei Experten herausfinden würden. Am Mittwoch hatten wir nach Unterrichtsschluss ein erneutes Treffen bezüglich Miura vereinbart. Ich schlüpfte ungesehen in die Bibliothek und schloss lautlos die Tür hinter mir. Niemand durfte von unserem geheimen Abkommen Wind bekommen oder wir wären alle geliefert. Ueda saß bereits auf einem der Stühle. Von Kamenashi fehlte noch jede Spur. „Hi“, grüßte ich ihn und setzte mich ihm gegenüber. „Hey Jin“, strahlte mich der Jüngere erfreut an. In den letzten Wochen hatten wir uns kaum gesehen, wie mir sträflich bewusst wurde. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, wenn ich ihn zu lange vernachlässigte. Glücklicherweise war Tatsuya kein Kind von Traurigkeit und in der Lage, sich Ersatz zu besorgen. „Sorry, dass ich momentan kaum Zeit für dich hatte“, entschuldigte ich mich trotzdem reumütig. „Kein Ding. Kamenashi lenkt dich zu sehr ab, nicht wahr?“ Fing er jetzt auch noch damit an? „Wie meinst du das?“ „Ich bin nicht blind, Jin. Pi wundert sich auch schon, was zwischen euch läuft.“ Und Koki und Junno ebenfalls. Damit wären dann wohl alle meine Freunde damit beschäftigt, sich um mein Seelenheil zu sorgen. Ich war beinahe gerührt. „Außer einer feindlichen Grundstimmung läuft nichts.“ „Das ist auch nur eine Umschreibung für eine Empfindung. Zumindest seid ihr euch nicht egal.“ Verdammt. Auf eine solche Gesprächsebene sollte ich mich wirklich nicht mit ihm begeben. Der Jüngere hatte die deutlich besseren Antennen für Gefühle. „Erzählst du mir freiwillig, was ich verpasst habe oder muss ich es auf die harte Methode herausfinden?“. Sein spitzbübisches Grinsen ließ mich in Schweiß ausbrechen. Alarmstufe Rot! Ich war ein verdammt beschissener Schauspieler aber ich würde den Teufel tun und ihm verraten, was genau ich mit dem Schulsprecher in meiner Freizeit trieb. „Es gibt nicht viel zu erzählen. Kamenashi und ich mussten gemeinsam einige Dinge für Johnny drehen. Da kommt man sich schon mal in die Quere“, erzählte ich die Halbwahrheit. „Eure Spannungen sind fast greifbar.“ Ich zuckte darauf nur mit den Schultern. Was sollte ich hierauf auch antworten? „Hallo“, erklang die Stimme des Schulsprechers und mir lief es kalt den Rücken herunter. Wie lange war er schon im Raum und noch viel wichtiger war die Frage: wie viel hatte er mitbekommen? Zumindest ließ er sich nichts anmerken, falls er etwas von unserem Gespräch vernommen hatte. Seit den letzten Wochen redete ich mich nur noch um Kopf und Kragen. Ich hasste es, zwischen den Stühlen zu sitzen. Und wofür der ganze Aufriss? Für eine gemeinsame Nacht mit dem Schulsprecher…okay, zwei. Und nun wurde ich von allen Seiten belagert. Hätte ich gewusst, was die Fickerei mit dem Knirps für Konsequenzen nach sich ziehen würde, hätte ich es vermutlich gelassen. Andererseits war es verdammt gut gewesen. Vor allem der letzte Samstag war mehr als heiß gewesen. Die Erinnerungen daran liefen des Öfteren in meinem Kopf wie ein Film ab. Kame unter mir, seine Körperhitze die auf mich übersprang, Finger, die sich an mir festklammerten, sein unregelmäßiger Atem, der die Stille des Hotelzimmers durchbrach und dieses Gesicht, so voller Emotionen, dass mir selbst die verwaschene Rückblende daran beinahe ein sichtbares Problem zwischen meinen Beinen verpasste. „Jin?“, holte mich Uedas Stimme in die Realität zurück „Hier bin ich“, reagierte ich dümmlich. „Den Eindruck habe ich nicht“, murmelte er verdrießlich. „Sorry“, meinte ich. Die Tagträume sollte ich definitiv auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. „Ihr wollt sicher den neuesten Stand der Ermittlungen wissen“, fing ich umständlich an. „Koki und Junno habe ich am Montag für die Nachforschungen mit ins Boot geholt, da ich kaum glaube, dass die Pissnelke von Botschaftersohn mir freiwillig die Details zu seinem Rausschmiss kundtun wird.“ Hierbei schaute ich zu Tatsuya, der mich gebeten hatte, dies in Erfahrung zu bringen. Ich zögerte, mehr als nötig vor Kamenashi preiszugeben. Immerhin sollte dieser nicht wissen, was meine Freunde für Verbindungen in die illegale Welt hatten. „Die beiden sind an der Sache dran. Ich denke, bis spätestens Anfang nächster Woche können wir mit brauchbaren Ergebnissen rechnen“ Ein Seitenblick von Ueda genügte und ich wusste, dass er verstanden hatte, was ich auszusprechen nicht in der Lage war. „Mittlerweile wissen recht viele Leute von unserem Vorhaben“, merkte Kamenashi mit einer guten Portion Vorwurf in seiner Stimme an. „Nur Leute, denen wir vertrauen“, sprang Ueda zur Verteidigung ein. Guter Junge. Unser Schulsprecher schien über die Entwicklung alles andere als begeistert zu sein, aber da musste er durch. Ich konnte Miura nicht noch mehr ausquetschen, ohne verdächtig zu wirken und Koki und Junno waren in der Lage, ganz ohne die Befragung des Bübchens an unser Ziel zu gelangen. Junno hatte bereits angedeutet, dass er einen Informanten gefunden hatte, dem der Name Miura Haruma ein Begriff war. Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass wir die Offenbarungen zu unserem Vorteil nutzen konnten. „Also heißt es jetzt abwarten?“, vergewisserte sich Kamenashi. „Ja, es sei denn, Maru hat noch etwas in Erfahrung gebracht?“ Kamenashi schüttelte auf Uedas Frage nur den Kopf. „Gut, dann hören wir uns, sobald es etwas Neues gibt. Ich muss jetzt auch wieder los“, sagte der Schulsprecher und stand auf. „Jin“, hielt mich Ueda mit einem ermahnenden Tonfall zurück, als auch ich mich erhob. Verdammt, ich hatte gehofft, einem neuerlichen Verhör zu entgehen. Aber meine Fickbeziehung konnte extrem hartnäckig sein. Seufzend setzte ich mich wieder hin. „Du willst nicht darüber reden, oder?“, fragte Ueda, als der Knirps außer Hörweite war. Nicht dürfen, war der passendere Ausdruck. Als Antwort schwieg ich nur. Jede weitere Erwiderung würde mich nur noch mehr verraten. „Mir ist es im Grunde egal, mit wem du deine Freizeit verbringst, aber Kamenashi? Man, sei bloß vorsichtig. Ich will nicht, dass du dich in irgendetwas verrennst.“ „Was soll das denn heißen?“, konnte ich mir die neugierige Frage nicht verkneifen. Ueda seufzte, als könne er meine Naivität nicht fassen und fuhr fort: „Kamenashi spielt in unserer Liga, okay? Ihn willst du nicht zum Feind haben. Und wenn doch, weißt du ja nun, was das für Konsequenzen nach sich zieht.“ „Ich dachte, wir arbeiten zusammen“, entgegnete ich verwirrt. Ich hieß nicht Miura und hatte nicht vor, Kamenashi in die Quere zu kommen, solange er selbiges bei mir vermied. „Ich rede nicht von dem, was in der Schule oder für Johnny passiert.“ Irritiert zog ich meine Augenbrauen zusammen. Ich schnallte nicht, was er mir mitteilen wollte und erntete ein Augenrollen. „Okay, dann erkläre ich es in deiner Sprache: Du willst ihn ficken und setzt alles daran, dies zu schaffen, richtig?“ Oh Gott, ich saß in Teufels Küche. Ich biss mir schmerzhaft auf die Lippe, was ihm Antwort genug zu sein schien. „Wusste ich es doch. Übertreib es nicht, Jin. Wenn Kamenashi sich in die Ecke gedrängt fühlt, könntest du ziemlich böse eins rein gewürgt bekommen. Du siehst, wozu er fähig ist. Ich will nicht mit ansehen, wie er all seine Register zieht und dich von der Bildfläche verschwinden lässt, wenn du ihm zu nahe trittst.“ Solche Ratschläge kamen eindeutig zu spät. Konnte ich mich jetzt glücklich schätzen, dass der Schulsprecher eine Schwäche für mich hatte? Denn wäre es nicht so gewesen, müsste ich laut Uedas Meinung längst unter der Erde liegen. Viel zu spät hatte mich der alte Knacker informiert, dass ich zu einem neuerlichen Event für die Schule geladen war. Ich würde meine Hand ins Feuer dafür legen, dass dies pure Absicht war. So senil war selbst er noch nicht. Ich hatte ihn förmlich vor mir sehen können, wie er den Stift im Anschlag gehabt hatte, mit dem er jeden Moment bereit gewesen wäre, meinen Namen auf die rote Liste zu setzen, hätte ich es gewagt, die Einladung auszuschlagen. Dank dieses Saftsacks musste ich einen wichtigen Termin canceln. Auftraggebern kurzfristig abzusagen war eine sichere Methode, sie auf ewig zu vergraulen. Das schrie nach einem Gegenschlag. Mir war bewusst, dass ich mich nicht den Sponsoren gegenüber daneben benehmen konnte, sonst wäre Pi am Arsch, aber das hieß noch lange nicht, dass ich mir alles gefallen lassen musste. Eine Vodkaflasche befand sich in meiner Tasche und ich war mehr als gewillt, heute Abend davon Gebrauch zu machen. Als ich den Kongresssaal betrat, sah ich mich einer Horde Anzugträger gegenüber, die ebenso vielversprechend aussahen wie der Name der Veranstaltung: Jugend und Sport. Die anwesenden Gäste waren von beiden Dingen weit entfernt. Lustlos schob ich mich durch die Reihen der feinen Herren im Zwirn und hielt nach Johnny Ausschau. Besser, ich brachte die übliche Ansprache gleich hinter mich und verzog mich dann, um mich wichtigen Idioten vorzustellen und so zu tun, als wäre unsere Schule eine gute Investition. Ich würde jedoch jedem hier davon abraten, den Fußballclub zu unterstützen, so viel stand fest. „Ah, Jin“, entdeckte mich der alte Krauter als erstes und lächelte mich scheinheilig an. Neben ihm stand Kamenashi in einem Armani-Anzug, wie mein geschultes Auge sofort erkannte. Der Aufzug sah an ihm wesentlich besser aus als an mir. Er schien wie gemacht für Schlips und Kragen, wohingegen ich mir mehr wie ein Pinguin vorkam, der sich auf Eierschalen bewegte. „Guten Abend“, würgte ich in einem freundlichen Ton hervor und hoffte, dass ich nicht gleich davon brechen musste. „Ihr wisst ja, was eure Aufgabe ist“, hielt sich Johnny nicht erst lange mit der Abendplanung auf. Scheinbar hatte er heute noch Großes vor, da er sich, so schnell es seine gebrechlichen Beine erlaubten, davonmachte. Konnte mir nur recht sein. Unauffällig holte ich meinen Vodka, der getarnt in einer Plastikflasche daherkam, aus meiner Tasche und genehmigte mir den ersten Schluck, sonst würde ich bald Amok laufen. Meine Gedanken drehten sich noch immer um den geplatzten Deal und Johnnys Anblick hatte es nicht gerade besser gemacht Unprofessionelles Verhalten sprach sich schneller herum als hart erarbeiteter Erfolg. Leider war das Kind bereits in den Brunnen gefallen und alles, was mir blieb, war zu hoffen, dass dies keine großen Wellen schlug. „Tag auch“, grüßte ich Kamenashi, solange ich nüchtern und anständig war. Wenn ich mir auf dieser Veranstaltung die Lichter ausknipste, konnte ich für nichts mehr garantieren. „Guten Abend“, folgte seine höfliche Entgegnung, welche mich spöttisch grinsen ließ. Nach unseren zwei Nächten und unserem Coup, Miura loszuwerden, war er immer noch in der Lage, so zu tun, als wären wir Todfeinde. Ich fragte mich, was er alles imstande war, mir vorzuspielen. „Lust, von den Wichsern hier Geld abzuzocken?“ Meine Frage löste die leiseste Regung in seinem Gesicht aus: Bedenken. Oh ja, ich war heute auf Krawall gebürstet und Gnade Gott, einem dieser Pinsel sollte es einfallen, mich zu provozieren. *** Kame Ich hatte nicht erwartet, dass es ein Leichtes sein würde, Miura loszuwerden, nur langsam waren für meinen Geschmack zu viele Mitwissende involviert. Ueda und Maru waren unabdingbar, da ich es nie und nimmer allein geschafft hätte, diesen Wichtigtuer abzusägen. Akanishi stellte ein notwendiges Übel dar, was ich zu schlucken hatte, wenn ich an mein Ziel wollte. Seine zwielichtigen Freunde jedoch, denen ich keinen Zentimeter über den Weg traute, waren definitiv nicht vorgesehen. Zu meinem Verdruss musste ich meinen Mitschülern recht geben. Ohne weitere Informationen kamen mir nicht voran. Trotzdem war ich alles andere als begeistert. In Gedanken versunken lief ich über den verlassenen Hof und nahm die dunkle Gestalt, welche am Tor lehnte, gar nicht wahr. „Hey Kame“, erschreckte mich Ryo beinahe zu Tode. Seit der Party hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Daher war ich doch verwundert, ihn hier zu sehen. „Seit wann wartest du hier?“, fragte ich irritiert und hatte keine Ahnung, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. „Vielleicht eine Stunde, könnten auch zwei gewesen sein“, antwortete er zerknirscht. Wenigstens schien er ein schlechtes Gewissen zu haben. Recht so nach der Aktion. „Du weißt schon, dass es so etwas wie Telefone gibt?“ „Ich hatte Angst, du würdest nicht rangehen“ Hast du Zeit? Wir könnten etwas trinken gehen.“ Unschlüssig blickte ich mich um. Vielleicht wurde ich wirklich paranoid, aber das letzte, was ich momentan benötigte, war es, dass mich Miura oder einer seiner Schergen in irgendeiner Bar erwischten. Lieber hielt ich den Ball für ein paar Tage flach und bot so wenig Angriffsfläche wie möglich. Wenn ich ehrlich war, hielt sich meine Lust, meine Freizeit mit Ryo zu verbringen, seit seinem Auftritt stark in Grenzen. Wer wusste schon, was sich wirklich in seinem Hirn abspielte. „Heute ist es echt schlecht. Ich hab morgen einen harten Tag vor mir“, log ich. „Okay, dann lass mich dich zumindest heimfahren“, bat mein Gegenüber geknickt. Ich wusste nicht genau, warum ich letztendlich eingewilligt hatte. Vielleicht lag es an der Ungewissheit, welche an mir nagte, ob Nishikido tatsächlich von Akanishi und mir etwas ahnte. Die kurze Fahrt würde mich nicht umbringen und wie ein Psychopath sah Ryo nun wirklich nicht aus, auch wenn er anscheinend über einige bedenkliche Tendenzen verfügte Es herrschte Stille während der Fahrt, jedoch war diese, anders als bei den Fahrten mit Akanishi, nicht angenehm, sondern eher erdrückend. „Ich hoffe, ich hab dir die Party nicht vermiest?“, brach der Ältere irgendwann sein Schweigen und sah abwechselnd auf die Straße und zu mir. Was sollte ich darauf antworten? Nein, alles war wieder bestens, nachdem ich mich von Akanishi vögeln lassen habe? Wohl eher nicht. „Nichts, was sich nicht durch ausreichend Alkohol richten ließ“, erwiderte ich und heftete meinen Blick starr auf den Verkehr. Wenigstens einer im Fahrzeug sollte dauerhaft auf die anderen Fahrzeuge achten, wenn der Fahrer schon damit beschäftigt war, einen anzugaffen. „Wow, du weißt, wie man einem ein schlechtes Gewissen machen kann“, seufzte Ryo schuldbewusst und konzentrierte sich zum Glück wieder auf das Fahren. „Kame, ich …“. „Mensch Ryo, ich bin nicht sauer, okay?“, fuhr ich ihm ins Wort und quälte mir sogar ein freundliches Lächeln ab. „Okay“, erklang es kaum überzeugt. Erneutes Schweigen folgte, während wir durch die Stadt fuhren. Nur schwerlich konnte ich mir ein Aufatmen verkneifen, als der Wagen endlich in meine Straße einbog und vor meinem Haus hielt. Gerade wollte ich mich abschnallen, als sich eine Hand auf die meine legte und mich an meinem Vorhaben hinderte. Blitzschnell hatte sich der Ältere zu mir über gebeugt und versperrte mir somit schon zum zweiten Mal in kürzester Zeit jegliche Fluchtmöglichkeit. Schwer schluckend erwiderte ich den direkten Blick des Älteren, welcher mir kalte Schauer über den Rücken jagte. Den Überraschungsmoment hatte Ryo definitiv auf seiner Seite. „Tu mir einen Gefallen“, wisperte er, „halt dich soweit es geht fern von Jin.“ „Versuche ich jeden Tag“, krächzte ich leise zurück. Sogar meine Stimme hatte mich verlassen. „Gut“, sprach er ernst und öffnete mit einer Hand meinen Gurt sowie mit der anderen die Beifahrertür, um sich anschließend wieder aufzurichten. „Ruf mich am Wochenende an, wenn du Lust hast, was zu machen.“ Verwirrt blinzelte ich und kam mir gerade vor, wie in einer der schlechten TV-Serien, welche sich meine Großmutter immer reinzog. „Klar“, stammelte ich durcheinander und suchte mein Heil lieber in der Flucht. Vielleicht war es an der Zeit, Taka auf den Geisteszustand seines Cousins anzusprechen. Einen weiteren Tag wartete ich vergebens auf Miuras Rache. Es war nicht gerade beruhigend, dass sein Gegenschlag offensichtlich reichlich Vorbereitung brauchte. Langsam kamen mir Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, den Botschaftersohn zu reizen. Ändern konnte ich es jedoch auch nicht mehr. Zum Glück hielt die Woche genügend Beschäftigungen bereit, sodass ich kaum Zeit hatte, mich meinen paranoiden Wahnvorstellungen hinzugeben. Ich warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und richtete meine Krawatte, bevor ich mich auf den Weg zu der Kongresshalle machte, wo die heutige Abendveranstaltung stattfand. Das Gebäude war nicht weit entfernt, was zumindest den Heimweg nach Betriebsschluss bei weitem erleichterte Der Saal war schon gut gefüllt, da bereits seit dem Nachmittag Vorträge über die Förderung des Sports an Schulen gehalten wurden. Zum Glück hatte Kitagawa davon abgesehen, uns auch zu diesen einschläfernden Veranstaltungen zu schicken. Johnny gehörte selbstverständlich ebenfalls zu den Anwesenden. Ich atmete nochmals tief durch, bevor ich die letzten Meter überbrückte und mich zur Begrüßung verbeugte. „Ah, zur richtigen Zeit wie immer“, begrüßte mich der Rektor mit einer übertriebenen Freundlichkeit, dass mir beinahe mein Abendessen wieder hochkam. „Hiraguchi, Sagomoto, darf ich Ihnen unseren Schulsprecher vorstellen. Kamenashi Kazuya, ein vielversprechender Schüler und zudem Kapitän des Baseball-Teams.“ „Ah, also ein perfektes Beispiel für den heutigen Abend“, sprach Sagomoto, ein älterer, dicklicher Herr, der sein Wissen über Sport wohl nur aus dem Fernsehen oder seiner Tageszeitung hatte. „Das hoffe ich doch“, erwiderte ich höflich und gab bereitwillig Auskünfte über die Organisation der Clubs an unserer Schule Keine Frage, Kitagawa war auf weitere, finanzielle Unterstützung aus und seine beiden Opfer besaßen dafür das nötige Kleingeld. Die nächste Gruppe betagter Herrschaften folgte und ich begann langsam zu befürchten, dass dies ein verflucht langer Abend werden würde. Die sonstigen Veranstaltungen wurden wenigstens durch die Töchter oder Ehefrauen der reichen Säcke aufgelockert, nur schienen diese kein sonderliches Interesse an diesem Symposium zu hegen. Daher war ich beinahe erleichtert, als Kitagawa plötzlich in seinem Satz innehielt, um kurz darauf Akanishis Namen zu rufen. „Guten Abend“, begrüßte er Johnny honigsüß, welcher ihn von oben bis unten kritisch musterte. Anscheinend war der alte Knacker zufrieden mit dem, was er erblickte, denn er verabschiedete sich mit einem gehetzten „Ihr wisst ja, was eure Aufgabe ist“ zurück in die Menge. Allein diese Geste bestätigte mir, dass der Deal mit dem Botschafter noch lange nicht spruchreif war. Kitagawa bereitete sich auf einen Fehlschlag vor, was mir insgeheim Hoffnungen machte, dass unser Plan, sollte er denn erfolgreich sein, keine zu hohen Wellen schlug. „Tag auch“, riss mich Akanishi aus meinen Gedanken. Dieser stand immer noch mir gegenüber – jetzt jedoch mit einer Flasche Wasser in der Hand. Entweder war der Herr nicht mit der hier gereichten Sorte zufrieden oder er wollte das Friedhofsgemüse begießen. Wachsen würde da nur sicher nichts mehr. „Guten Abend“, erwiderte ich seinen Gruß förmlich und erntete darauf ein spöttisches Grinsen. Was hatte er erwartet? Dass ich ihm zur Begrüßung um den Hals fallen würde? Kitagawa wäre sicher begeistert. „Lust, von den Wichsern hier Geld abzuzocken?“ „Viel Erfolg dabei“, seufzte ich resigniert. In den letzten Minuten hatte ich bereits bemerkt, dass ein Großteil der Anwesenden bereits bei dem puren Gedanken an sportliche Aktivitäten einen Herzinfarkt bekam. Nicht unbedingt der beste Ausgangspunkt etwas zu verkaufen. Höchstens Ueda im Cheerleader Kostüm hätte vielleicht eine Chance. „Klingt ja vielversprechend“, murmelte mein Mitschüler und hielt mir mit einem schiefen Lächeln die Flasche entgegen. Gerade wollte ich dankend ablehnen, da die Kellner nicht nur für die Deko bezahlt wurden, als mir der bekannte Geruch in die Nase wehte. „Vodka? Das kann doch nicht dein ernst sein“, zischte ich leise. Besaß der Kerl wirklich keine funktionierende Gehirnzelle? „Doch und wie“, bestätigte mir dieser meine Vermutung und nahm provokativ einen beachtlichen Hieb. Anscheinend war es diesem Arsch egal, dass er uns in Teufelsküche brachte. Mein Blick traf auf Johnnys, welcher uns fragend musterte, bevor er sich wieder seinem Gesprächspartner zuwandte. „Pack das Ding weg“, fluchte ich leise. Wie hatte ich nur erwarten können, dass dieser Abend langweilig werden würde. „Das hat mir auch noch keiner befohlen“, folgte sofort die süffisante Antwort, „wenn mich recht erinnere …“ „Halt die Klappe.“ Akanishi im Auge zu behalten gestaltete sich schwieriger als gedacht. Wenn er nicht gerade von einem Knacker zum anderen sprang, soff er vermutlich heimlich in einer dunklen Ecke oder direkt auf der Toilette. Während unzähliger Debatten über das Für und Wider diverser Sportarten versuchte ich, seinen ungefähren Pegel abzuschätzen. Seit ca. zehn Minuten fehlte jedoch von meinem Mitschüler jede Spur. Bei meinem Glück verging er sich gerade an einem der Kellner hinter der Theke. Die Veranstaltung neigte sich dem Ende zu, sodass auch Kitagawa bereits mit dem Gedanken spielte, nach Hause zu fahren und uns somit huldvoll aus unseren Pflichten entließ. Immerhin war morgen ein Schultag und er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass seine Schüler übermüdet im Unterricht saßen. Zumindest ließ er dies lautstark gegenüber der illustren Runde, in welcher er sich befand, verlauten. Suchend eilte ich durch den Saal in der Hoffnung Akanishi oder das, was von ihm übrig war, vor irgendwem anders zu finden. Dieser hockte auf einem der ausgelagerten Stühle im hinteren Teil des Gebäudes, welcher glücklicherweise nicht für den Kongress genutzt wurde. Die Flasche war anscheinend bereits leer, da sich in einer Hand ein gefülltes Glas befand. Sein seliger Gesichtsausdruck und die hellbraune Färbung verrieten mir, dass es sich nicht um ein Softgetränk handelte. Bevor mein Mitschüler reagieren konnte, brachte ich das Gesöff an mich, roch sicherheitshalber daran und exte den Inhalt, damit mein Gegenüber gar nicht erst auf die Idee kam, sich weiter die Lichter auszuschießen. Bei der Mischung wäre das definitiv der Fall gewesen, jedoch war dies genau das richtige nach einem solchen Abend. Bedauerlicherweise war Akanishi wenig von meiner Fürsorge begeistert und beschwerte sich lautstark. In seinem Zustand wirkte er jedoch nur halb so bedrohlich. „Wo hast du das her?“, unterbrach ich bestimmt seine Meckertiraden. „Was weiß ich. Von irgendeiner Kellnerin oder so“, muffelte er zurück und schien besagte Dame zu suchen. Ich konnte mir den Grund lebhaft vorstellen. „Die Party ist vorbei“, informierte ich ihn daher und packte kurzentschlossen seinen Arm, um ihn in die entgegengesetzte Richtung des Hauptsaals zu zerren. Es blieb nur der Hinterausgang, um den Älteren ungesehen aus dem Gebäude zu schleusen, da sich die weiteren Gäste wohl bei der Garderobe und somit direkt am Haupteingang befanden. In der Seitenstraße angekommen wartete jedoch bereits die nächste Problematik. Was nun? Ich konnte Akanishi schwerlich in seinem Zustand alleine lassen. Die Taxis sammelten sich alle an der Hauptstraße, aber die Gefahr, Kitagawa in die Hände zu laufen, war zu groß. Akanishi befreite sich indes von meinem Griff und blickte sich irritiert um. „Was hast du nun vor? Mich in der dunklen Einfahrt missbrauchen?“ „Bring mich nicht in Versuchung“, erwiderte ich trocken. Eine rasche und einfache Lösung gab es, welche mir ganz und gar nicht gefiel. Das dreckige Grinsen meines Mitschülers im Übrigen auch nicht. Fragte sich, wer hier gleich wen missbrauchen würde. „Da entlang“, gab ich mich seufzend geschlagen und marschierte los. „Und wo soll es dann hingehen?“ „Zu mir“, murmelte ich und hoffte inständig, dass das kein weiterer Fehler war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)