L'assasymphonie von Ajaka (Hand in Hand) ================================================================================ Kapitel 1: Die Mordsymphonie ---------------------------- Die letzte Note erklang und erfüllte den großen Raum, in dem sie eingesperrt war. Sicher, der Raum war groß genug, ihrer würdig, aber sie war alleine, schon viel zu lange.. Langsam öffnete sie die Augen, starrte vor sich hin, bevor sie wütend aufstand und im Zimmer hin und her lief. Irgendwann blieb sie vor dem großen Himmelbett, komplett in schwarz gehalten, stehen. Dort hatte sie bis jetzt die ganze Zeit gesessen, in die Decke gekuschelt, bis man nicht mal ihr silbernes Haar mehr sehen konnte. Gleich danach war der weiße Flügel der meistbesuchte Ort in diesem Zimmer. Dort konnte sie durch Musik ihre Verzweiflung zum Ausdruck bringen. Früher hatte sie ein Mädchen aus ihrer Umgebung dafür verspottet und aufgezogen, nachdem sie ihr gezeigt hatte, wie gut man durch Musik Gefühle zum Leben erwecken konnte. Und nun tat sie es ihr gleich. Wie tief war sie doch gesunken!! Ihr Blick fiel auf den großen Spiegel neben dem Bett. Er zeigte ihr nicht sie selbst, ihre schlanke Figur und die blasse Haut. Doch, die blasse Haut war schon da, auch ihre roten Augen und die silberne Haare. Aber sie gehörten einem jungen Mann, der sie fragend ansah. Im gleichen Augenblick, als in ihr die Wut über das gezeigte Bild erwachte, packte Zorn die Augen des Mannes und er hob mit ihr zusammen die faust und zerschmetterte den Spiegel. "So könnt ihr mein großartiges Ich nicht einschüchtern!", schrie sie, als das Knacken des Schlosses die Stille durchbrach. "Nicht mit mir! Nicht mit Julchen.." "..Beilschmidt!", brüllte er sein Gegenüber an, der den Raum betrat. Doch dieser lächelte nur still, fast wie ein kleiner Junge, was seine Wut nur noch mehr anstachelte. "Schau nicht so blöd, du elender Vodkasäufer!" "Ach Gilbert...", seufzte der Beschimpfte auf Russisch. "Zügel deine Zunge, wenn du hier mal wieder raus willst..." "Als ob du mich wirklich hier raus lassen würdest!", meinte er höhnisch lachend. "Aber deine miesen Tricks ziehen nicht, Ivan!" Drohend kam der Russe auf ihn zu. In den Scherben des Spiegels glaubte Gilbert für den Bruchteil einer Sekunde eine blonde Frau zu sehen, die, mit dem gleichen wütenden Blick wie der von Ivan, auf ihn zukam, doch er hatte kaum Zeit, sich darüber zu wundern, da der Russe plötzlich sein komplettes Gesichtsfeld einnahm und ihn am Kragen packte. "Sei froh, dass ich überhaupt mit diesem Gedanken spiele, mein kleiner Preuße...." Unnachgiebig starrte Gilbert ihn an, machte keine Anstalten seine Angst auch nur im Geringsten zu zeigen. Dann wurde er losgelassen und Ivan ging wieder aus dem Zimmer, ließ auf den kleinen Tisch nur eine Schüssel mit dampfendem Inhalt zurück. Langsam setzte Gilbert sich auf die Couch neben dem Tisch, starrte zur Türe. "Du elender Scheißkerl, du verdammtes..." "..Miststück!" Julchen sprang sofort wieder auf. Sie wollte hier raus und sie würde auch hier raus kommen! Aber zuerst musste sie sich beruhigen. Ihr Blick fiel auf viele leere Notenblätter, die sinnlos auf dem Flügel herumlagen, suchte und fand einen Bleistift. Die ersten Noten fielen ihr erst am Abend ein und so begann sie Nacht für Nacht, über Wochen hinweg, leise ein Lied zu schreiben. Anya sollte die Trauer, die Wut und die Machtlosigkeit nicht hören. Sie würde es niemals zu Ohren und die Noten niemals zu Gesicht bekommen! Julchen versteckte die Blätter daher unter ihren Kopfkissen, behütete sie. Und als die endlich gefüllt waren, dicht mit Noten beschrieben, setzte sie sich des Nachts an den Flügel, nur mit einer kleinen Kerze als Lichtquelle und fing an, das Stück in einem zu spielen. Eine leise, drohend klingende Melodie riss ihn aus dem Schlaf, erfüllte den Raum. Sofort wanderte sein Blick zu dem pechschwarzen Flügel, auf dem eine einzelne Kerze brannte und der wie von alleine zu spielen schien. Langsam wanderte seine Hand unter sein Kopfkissen, holte die zerdrückten Blätter mit der ihm bekannten und doch fremden Handschrift hervor, ging auf den Flügel zu. Langsam richtete er seinen Blick auf den Text. Als er die Blätter fand, verwundert darüber, von wem sie waren, hatte er bereits erkannt, dass der darauf zu findende Text in einer ihm bekannten Sprache stand. Er selbst sprach sie und hörte sie aus dem Mund eines guten Freundes nur zu gerne: Französisch. Erst jetzt erkannte er, dass wieder ein paar neue Blätter hinzugekommen waren. Immer wieder wiederholten sich einige Zeilen und er erkannte, was es war; ein Lied. Und die Melodie spielte der Flügel leise vor sich hin. Kurz übersetzte er den Text im Kopf ins Deutsche, musste grinsen. "Das klingt ja, als ob mein großartiges Ich das im Schlaf geschrieben hätte..." Er sah wieder zu dem Flügel, sah den Tasten zu, wie sie sich hoben und senkten. Nach einiger Zeit verlagerte er das Gewicht und von seinem neuen Blickwinkel aus konnte Gilbert das Gesicht einer jungen Frau erkennen, dass sich im schwarzen Lack des Instruments spiegelte. Er runzelte die Stirn. Das Gesicht und diese Narbe auf der rechten Wange, er hatte es schon einmal gesehen.. Vor wenigen Tagen, als er den Spiegel in winzige Stücke geschlagen hatte durch einen Faustschlag. Als sie den Kopf hob, hielt er den Atem an. Julchen schien ihn direkt anzusehen. Ihre Augen waren gefüllt mit Einsamkeit, aber auch mit Stolz und Stärke, genau wie seine. Sie unterbrach ihr Stück, drehte den Kopf und sah über die Schulter. Doch da stand niemand hinter ihr, obwohl sie in dem weißen Lack schwach die Spiegelung des jungen Mannes von neulich sehen konnte. Als sie sich wieder zu den Tasten drehte, war auch das Spiegelbild weg. Müde rieb sie sich die Augen. Träumte sie? Wäre zu der Zeit ja kein Wunder, sie sollte schon lange im Bett liegen. Als Julchen die Augen wieder öffnete lag auf ihren Noten ein großes Stück des kaputten Spiegels. Und mit ihm war Gilbert wieder aufgetaucht. "Spiel weiter.", hörte er sich sie auffordern. Leise hatte er es ihr ins Ohr gehaucht. "Ich begleite dich." Sie nickte und lächelte. Langsam fingen die Tasten wieder an, lebendig zu werden. Er hörte das Lied, hörte ihre Stimme und stimmte mit ein. Je noie mon ennuie Dans la mélomanie Je tue mes phobies Dans la désharmonie* Das Stück verstummte, hallte in dem großen Zimmer nach. Gilbert öffnete die Augen, sah in den Spiegel. Sah nur sich und das Zimmer hinter ihm. Er schluckte. Hatte er das wirklich erlebt? Diese Frau, die ihm so ähnlich sah, das Lied, dieses Lied das ausdrückte, was er fühlte? Nochmals sah er sich um. Alles war wie immer, er war alleine. Selbst der Spiegel war wieder ganz, nur das Stück, das auf dem Flügel stand, fehlte. Er nahm es in die Hand, legte es unter den Spiegel und ging wieder ins Bett. Vielleicht war es endlich Zeit, den Widerstand aufzugeben und einzusehen, dass es neue Wege für ihn gab. Mit der Melodie und Julchens Stimme im Ohr glitt er hinab in einen neuen Schlaf. *franz. : Ich ertänke meine Langeweile In Melomanie Ich töte meine krankhaften Ängste In Disharmonie Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)