Das Strahlen des atomaren Honigkuchenpferdes von Memphis (Mitbewohner sind eine Plage) ================================================================================ Kapitel 6: Energie (griech.: en »innen« und ergon »Wirken«) ----------------------------------------------------------- »Ich habe Dave schon länger nicht mehr gesehen.« Das ist der erste Satz seit zwei Wochen, der über »Morgen« und »Nacht« hinausgehen. Mirco hat sich wirklich die größte Mühe gegeben, mir aus dem Weg zu gehen. Mir und meinen bösen Notizzetteln, die ich an all den Orten in der Wohnung verteilt habe, an denen sich Mirco oft aufhält. Darauf stehen Dinge wie »Wir müssen reden.«, »Warum nimmst du meine Anrufe entgegen?« oder »Ich bin nicht deine Putzfrau!«. Großteils bin ich erbost darüber, dass ich ihn nicht zu fassen bekomme, um mit ihm zu reden. Und das ich den Abwasch immer alleine machen muss. »Daran bist du schuld«, antworte ich grummelig, starre dabei verbissen auf meine Zeitschrift. »Ich habe doch gar nichts ...« »Du weißt ganz genau, was du gemacht hast.« Ich schaue zu ihm auf. Er sieht grässlich aus. Unrasiert, irgendwie blaß, seine Haare sind verstruppelt und sein T-Shirt knittrig. Warte, ist das mein T-Shirt? Warum hat er mein T-Shirt an? Warum tut er sowas? »Ich … ich habe beschlossen auszuziehen.« Er weicht meinem Blick aus, fährt sich durch die Haare. »Hast du das?«, frage ich zurück, schaue wieder in meine Zeitschrift. »Ja, ich denke, das ist … fair.« Ich kann mir ein verächtliches Schnauben nicht verkneifen, blättere dann um. Was soll ich auch sagen? Wenn er ausziehen will. Ich bin der letzte, der ihn davon abhält. Vielleicht etwas spät. Die Sache mit Dave ist irgendwie gelaufen. Aber im Grunde will ich das einfach alles hinter mir lassen. Neues Leben. Neue Leute. Vielleicht schaffe ich mir dann einen Hund an, oder eine Katze. »Hast du … willst du nicht … Ist dir das egal?« Er wirkt wieder gekränkt. Ich seufze, schlage meine Zeitschrift zu. »Mirco, wenn du ausziehen willst, zieh aus. Ich werde dich nicht davon abhalten.« »Warum nicht?«, fragt er weinerlich. Was genau ist los mit ihm? »Soll ich dich davon abhalten? Hör mal, wenn du nicht ausziehen willst, bleib eben hier. Mach das nicht von mir abhängig.« Ehrlich, darauf habe ich keine Lust. Mirco ist fünfundzwanzig, er sollte seine Entscheidungen mittlerweile selbst treffen können. Er lässt sich schwer seufzend neben mich fallen. So müssen wir uns wenigstens nicht mehr ins Gesicht sehen. Offensichtlich weiß er nicht, was er will. Ich nehme meine Zeitschrift wieder zur Hand. Ich weiß allerdings nicht, bei welchen Artikel ich gestört wurde. Wäre es wirklich für mich in Ordnung, plötzlich alleine zu wohnen. Es stimmt schon, was ich zu Dave gesagt habe. Ich lebe nicht gerne alleine. Ich müsste mir einen neuen Mitbewohner suchen, oder doch ein Hund? Ich hatte als Kind mal einen Hund. »Ich … ich … Ist das zwischen dir und Dave … vorbei?« Ich verdrehe die Augen. Warum muss Mirco immer wieder an solchen Themen rumnagen. Er versteht einfach nicht, wenn ich nicht über etwas reden will. »Wir sind … Freunde. Aber das mit einer Beziehung haben wir … verworfen.« Ja, im Großen und Ganzen funktioniert das zwische Dave und mir. Auch wenn wir uns nur noch im Bananas treffen, um einen zu trinken und er letzte Woche mit jemand anderem abgezischt ist. War aber nicht so schlimm. Vielleicht bin ich aber auch durch Mirco abgehärtet. »Tut mir leid.« Seine Stimme klingt belegt. »Tut es nicht.« Ich blättere um. »Nein, tut es nicht«, gibt er zu, was ich schon weiß. »Du … du bist nicht mehr in mich verliebt, oder?« »Müssen wir darüber reden?« Ich lasse meinen Blick auf den Artikel gerichtet. »Ja, schon.« Hm, das Gespräch kommt mir bekannt vor. Wird es diesmal wieder auf ein häßliches Hemd hinauslaufen? Oder Krokodilsschuhe, oder er will sich die Haare doch schneiden lassen? »Also wenn du einen neuen Look ausprobieren willst. Penner steht dir auch nicht.« Ich lächle ihn an. Er küsst mich. Sein Bart kratzt etwas auf meiner Haut und irgendwie schmeckt der Kuss nach … Verzweiflung. Tränen. Regen. Einer tragischen Liebesgeschichte. Ich kralle meine Hand in seine Haare, presse meine Lippen fester auf seine. Seine Hand in meinem Nacken verstärkt sich. Unsere Zähne klacken aneinander. Seine andere Hand fährt unter mein Hemd. Ich keuche auf. Davon animiert streichelt er weiter über meine Haut. Ich breche in Gelächter aus, halte seine Hand fest. »Sorry, ich bin furchtbar kitzelig am Bauch«, erkläre ich ihm. Atemlos und mit verklärten Blick sieht er mich an. Hm … netter Anblick. Ohne auf das Gesagte einzugehen, schubst er mich nach hinten auf das Sofa, zerrt sich das T-Shirt über den Kopf. Mit zittrigen Händen fängt er an, mein Hemd aufzuknöpfen, während er mich wieder küsst. Nur mit Mühe, kann ich seine Hand einfangen. Ich mein, ich habe mir seit Jahren genau das gewünscht, aber irgendwie … »Mirco, halt mal, dass … wir müssen erst … reden.« »Reden?«, fragt er. Seine Wangen sind gerötet. Etwas verwirrt schaut er mich an. Ich seufze. »Ja, Reden«, erwidere ich mit Nachdruck. Wusste gar nicht, dass ich soviel Willenskraft habe. »Über was?« Er zieht dabei einen Schmollmund, sieht aber immer noch aus wie ein Kind, das nicht versteht, was gerade vor sich geht. »Weiß nicht … über uns vielleicht? Das hier.« Ich mache eine Geste, die uns beide mit einbezieht. »Was müssen wir denn reden?« Er lässt die Schultern hängen. Offensichtlich ist er nicht mehr bereit, sich erwachsen zu verhalten. »Ich werde nicht mit dir schlafen.« »Nicht?« Gott, muss er so … so gut aussehen. Auch noch ohne T-Shirt. Mistkerl. »Nein, nicht bevor wir einiges geklärt haben. Ich mach mich hier nicht zum Vollidiot.« »Ich … was willst du hören?« Er runzelt die Stirn. »Keine Ahnung.« Ich weiß es wirklich nicht genau. Laut Mary und Dave müsste er mir jetzt sagen, dass er die gleichen Gefühle für mich hegt, wie ich seit Jahren für ihn. Aber ich weiß nicht, ob es das irgendwie besser macht. »Okay, dass du tatsächlich mal jemand anders lieben könntest, als mich, hat mich rasend gemacht. Ich weiß gar nicht, was dir an diesem Dave gefällt. Ich mein, er ist vielleicht ganz niedlich, aber so langweilig. Nie gibt er Kontra. Immer nett und so.« »Ich mag nette Menschen«, merke ich an. »Aber er ist so anders wie ich!« »Genau deshalb mochte ich ihn. Außerdem nimmt er Beziehungen ernst.« »Ich nehme Beziehungen auch ernst.« »Nur mit Frauen. Du willst doch später mal Kinder. Ständig erzählst du davon. Und immer machst du irgendwelche absurden Hochzeitspläne, wenn du eine Frau kennen lernst.« »Aber das ist was … anderes.« »Mirco, du kennst mich jetzt schon eine ganze Weile. Du musst doch mittlerweile wissen, dass ich keine halben Sachen mache. Ich gehe keine Beziehung ein – schon gar nicht mit dir – wenn ich schon von vorne rein weiß, dass das keine Zukunft hat.« »Ich weiß nur, dass du immer mal wieder irgendwelche fremden Kerle gevögelt hast. Bei mir hast du plötzlich Hemmungen?« Er verschränkt seine Arme. So sieht er mich? Ein Typ, der sich durch die Gegend vögelt. Wütend stoße ich ihn von mir runter. Mit einem schmerzhaften Aufschrei landet er am Boden, sieht mich entsetzt an. Wie kann bei uns nur immer alles so schrecklich falsch laufen? Mirco greift nach seinem T-Shirt, das neben ihm auf den Boden liegt und flüchtet aus dem Raum. Mit einem Seufzen lass ich mich nach hinten sinken. Ich glaube, ich muss mir einen neuen Mitbewohner suchen. -------- So, ich saß da und dachte mir: "WTF?! Warum ... was ... ich hab doch alles perfekt arrangiert. Warum haben die keinen Sex?!" Ich bin es immer wieder durch gegangen, um zu schauen, ob da nicht doch noch was zu machen ist. Weil, dann wäre die Geschichte einfach zu ende und alle glücklich! Aber nein, Lennard - ja, er hat einen Namen - bleibt stur. Sturer, sturer Esel. Ich als Autorin finde, er hat es nach der Sache verdient, einsam und sexlos zu sterben. Ts ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)