Fire von Earu (... in a world of Black Hearts & Dollar Signs) ================================================================================ Kapitel 11: Let down -------------------- „Dein Problem. Lass mich in Ruhe.“ Tut. Tut. Tut. Das war Gackts Antwort gewesen, nachdem ich mich selbst noch weiter erniedrigt hatte, als ich es ohnehin schon war, und ihn um Hilfe angefleht hatte. Und er hatte aufgelegt, obwohl ich ihm gesagt hatte … obwohl er doch selbst gehört haben musste …! Doch ich hasste ihn in diesem Moment dafür nicht – ich empfand nicht das kleinste Bisschen Abscheu für ihn und sein Tun. Nein, ganz im Gegenteil: Es verletzte mich nur noch mehr, es gab mir den Rest. Und obgleich ich die ganze Tortur eben überstanden hatte, ohne auch nur eine richtige Träne zu vergießen, brachen bei mir jetzt alle Dämme. Meine Augen waren zwar schon feucht geworden, aber ich hatte das Weinen irgendwie noch zurückhalten können. Jetzt jedoch nicht mehr, jetzt nicht mehr. Ich beendete die Telefonverbindung nun auch von meiner Seite und legte das Handy auf meinem Bauch ab, ehe ich mein Gesicht mit beiden Händen bedeckte und geräuschvoll ein- und ausatmete. Immer wieder. Es ging so weit, dass es mich heftig schüttelte und mir und meinem geschundenen Körper noch mehr Schmerzen bereitete. Es tat so verflucht weh – alles! Gott, oh Gott … Ich heulte und heulte … bis ich irgendwann das Gefühl hatte, als würde ein großer Ball in meiner Kehle stecken und mich am Atmen hindern. Mein Hals – der einzige Körperteil, den Emikos Mann nicht erwischt hatte, hatte jetzt also auch seinen Teil abbekommen. Und noch während ich daran dachte, dass mich noch nie jemand so sehr durch die Mangel gedreht hatte, kam mir ein neuer Gedanke, der meinen Körper wie eine Welle aus Eis durchfuhr: „Hau ab“ hatte sie in ihrem Verrat mir gegenüber gesagt und ihr Mann hatte mir gedroht, dass ich nicht so glimpflich davonkommen würde, wenn er mich nochmal hier erwischte … Ich bezweifelte nicht, dass er zu seinem Wort stehen würde, ich hatte ja eben am eigenen Leibe erfahren, zu was er fähig war. Aber … würde er seine Drohung auch wahrmachen, wenn er mich hier fand, wie ich mich seit unserer letzten 'Begegnung' kein Stück vom Fleck gerührt hatte? Ich war mir zumindest sicher, dass ich es nicht darauf ankommen lassen wollte. Ich musste hier weg, so schnell ich konnte. Aber wohin? Zu Gackt konnte ich nicht, er hatte mich eiskalt abgewiesen … Aki … er war mein Freund, ein echter Freund. Ja, genau! Ich tastete nach meinem Handy, dass ich eben auf meinem Bauch abgelegt hatte, öffnete den Kontaktspeicher und suchte Akis Nummer heraus. Doch schon, als ich den kleinen, grünen Hörer drückte und damit die Verbindung herstellte, machte sich auf einmal eine Art … Abneigung in mir breit. Als ob ich gar nicht wollte, was ich da tat; als ob ich Angst davor hatte, dass Aki ranging. Und als er nach ein paar Freizeichen tatsächlich abnahm, war das Gefühl so stark, dass ich beinahe wieder aufgelegt hätte. „Hallo? Hallooo?“, rief Aki in den Hörer, „Hyde, bist du dran?“ Zu spät, er hatte meine Nummer gesehen. Ich war verraten. Es würde seltsam aussehen, wenn ich jetzt einfach wieder auflegte, und Aki würde sich Sorgen machen und dann saß ich noch mehr in der Tinte. „Hi, Aki“, meldete ich mich schließlich, „ich …“ Ich räusperte mich, um meine Stimme zu stärken, auch wenn mein Hals sich dafür mit einer weiteren Ladung Schmerzen revanchierte. „Sorry, dass ich anrufe.“ „Kein Problem. Was liegt denn an?“ „Weißt du … eigentlich gar nichts“, log ich – und auch das tat mir weh, wenn auch nicht körperlich, „ich hab die falsche Nummer gewählt.“ „Aha“, lautete die Antwort, „das trifft mich jetzt wirklich schwer, Hyde. Dass du nichts mehr von mir wissen willst.“ Im Normalfall hätte ich jetzt gelacht und etwas ähnlich scherzhaft Gemeintes erwidert. Aber nicht heute. Heute beschränkte ich mich auf ein einfaches „Du hast mich erwischt.“ und sah dann zu, dass ich das Gespräch so schnell wie möglich abwürgte: „Okay, also ich muss dann. Hab noch zu tun.“ „Ich versteh schon“, kam es glucksend zurück, „viel Spaß noch.“ „Danke.“ Dann legte ich auf … und fühlte mich schrecklich, noch schrecklicher als eben schon. Aki war mein Freund und ich log ihn an. Aber die Erklärung war simpel: Ich wollte schlichtweg nicht zu ihm … ich wollte zu Gackt. Und dies machte die Tatsache, dass er mich hatte fallen lassen, nur noch unerträglicher. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als allein nach Hause zu gehen, irgendwie nach Hause zu kommen. Es gab da zwar noch ein paar andere Leute, mit denen ich ganz gut klarkam und die mich vermutlich jetzt auch abholen und mich nach Hause bringen würden, aber wenn ich noch nicht mal Aki um Hilfe bitten wollte … Ich wischte mir noch einmal mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, ehe ich mich unter Schmerzen in eine sitzende Position quälte. Dabei rutschte mir das Handy vom Bauch in den Schoß. Aber ich würde es sowieso gleich brauchen, wenn ich mir ein Taxi rufen wollte. Viel Geld hatte ich nicht mehr – weder bei mir noch auf meinem Konto – doch für die Fahrt nach Hause würde es schon noch reichen. Es war vielleicht ganz gut, wenn ich allein nach Hause ging … mit diesem Gedanken versuchte ich zumindest, mich wieder etwas aufzubauen. Jeder meiner Freunde und Bekannten, die mich abgeholt hätten, hätten mich sicherlich dazu gezwungen, ins Krankenhaus zu gehen. Und so berechtigt es auch war, ich konnte mir eine erneute Behandlung nicht leisten. Ich hatte Aki noch nicht mal die letzte Rechnung zurückzahlen können, weil es in letzter Zeit einfach schlecht gelaufen war. Zwar saß er mir nicht im Nacken wie mein Vermieter mittlerweile, aber im Gegensatz zu diesem, wollte ich meine Schulden bei Aki wirklich so schnell wie möglich begleichen. Ich gab die Kurzwahl des Taxiunternehmens ein, das ich auch sonst immer benutzte, wenn ich schnell von A nach B kommen musste, orderte ein Taxi und bat darum, dass es möglichst schnell da sein sollte. Die Dame aus der Zentrale konnte mir zwar nichts versprechen, sagte aber, dass sie das Taxi, das mir am nächsten war, sofort benachrichtigen würde. Sie wünschte mir noch einen guten Abend, legte auf und ich tat es ihr gleich. Und dann ließ ich mich wieder komplett auf den Bürgersteig sinken, schloss die Augen und wartete darauf, dass das Taxi kam. Währenddessen bemühte ich mich, nicht an Gackt oder meine Schmerzen zu denken, was auch mehr oder weniger funktionierte. Gackt konnte ich erfolgreich ausblenden, aber das lag daran, dass es an meinen Schläfen mittlerweile so stark pochte, dass ich mir nur noch wünschte, dass es endlich aufhörte. Am liebsten hätte ich mir den Kopf abgeschraubt oder die Gesichtshaut samt der darunterliegenden Blutbahnen herausgerissen … wenn es doch nur endlich aufhörte! Gott, ein Kater war nichts dagegen! Aber auch diese Kopfschmerzen waren nichts gegen die lähmende Leere und die Trauer, die mich in der Folgezeit noch einnehmen würden. Ich mochte Gackt im Moment verdrängt haben, aber das würde nicht immer so leicht sein. Er würde mich noch lange, lange verfolgen. Ich wusste nicht, wie lange ich auf dem kalten Asphalt gelegen hatte, als direkt neben mir ein Auto zum Stehen kam, quietschend ein Fenster heruntergekurbelt wurde und mich ein Mann mit einer rauen Art und Weise ansprach: „Hallo? Hallo, Sie, sind Sie wach?“ Ich öffnete die Augen und blickte nach oben, wo ein Mann mittleren Alters aus dem Fenster lehnte und mich leicht verwundert musterte. Dann erst nahm ich das Auto in Augenschein und erblickte die Nummer des Taxiunternehmens, das ich angerufen hatte, auf der Fahrertür. Leise ächzend setzte ich mich wieder auf und antwortete: „Ja, bin ich. Warten Sie nur einen … kleinen Moment …“ „Sie haben das Taxi bestellt?“, hakte der Fahrer darauf in einem Ton nach, der nicht wirklich nach einer Antwort fragte. Ich war sowieso der Einzige weit und breit, der auf ein Taxi hätte warten können. Trotzdem nickte ich. Dann griff ich nach meiner Jacke, die natürlich immer noch neben mir lag, und nach meinem Handy und stand langsam auf, um nicht gleich wieder umzukippen, falls auch mein Kreislauf etwas abbekommen haben sollte. Und so war es scheinbar auch, denn kaum stand ich halbwegs aufrecht, drehte sich die Umgebung – zwar nicht sehr schnell, aber ideal war das auch nicht. „Geht es Ihnen gut? Soll ich Ihnen helfen?“, kam es darauf gleich von dem Taxifahrer – vermutlich schwankte ich auch noch. Doch ich nahm sein Angebot nicht an. Dazu blieb einfach keine Zeit, denn kaum, dass er es ausgesprochen hatte, hatte ich die zwei Schritte zum Taxi – wenn auch tatsächlich etwas wackelig auf den Beinen – zurückgelegt und mich gegen das Auto gelehnt, direkt gegen die hintere Tür auf der Fahrerseite. Ich stützte mich auf dem Dach ab und hielt mir eine Hand über Augen und Stirn, drückte fest dagegen, in der Illusion, dass es dadurch schneller zu drehen aufhören würde. „Geht es Ihnen gut?“, wiederholte der Fahrer seine Frage, „soll ich Sie ins Krankenhaus bringen?“ „Nein“, antwortete ich schließlich und tastete nach dem Türgriff, um mich endlich ins Taxi zu setzen und der Fragerei damit hoffentlich ein Ende zu machen, „bitte nur nach Hause.“ Als ich die Tür öffnete, hielt ich mich mit zitternden Händen an ihrem Rahmen und auch weiter am Dach fest, um nicht im letzten Moment doch noch umzukippen. Erleichtert, es geschafft zu haben, ließ ich mich dann auf den Rücksitz sinken und lehnte mich zurück. Ich nannte dem Fahrer noch meine Adresse und schloss abermals die Augen – einerseits, um nicht noch mehr Reize der Außenwelt wie das ungewöhnlich grelle Licht der Straßenlaternen ertragen zu müssen, und andererseits würde es dem Fahrer unmissverständlich sagen, dass ich nicht weiter mit ihm reden wollte. Und es erfüllte seinen Zweck: Meine Kopfschmerzen nahmen nicht zu und, bis auf die Anmerkung, dass wir das Ziel erreicht hätten, sagte der Fahrer kein einiges Wort mehr. Sicher machte er sich seine eigenen Gedanken zu mir und meiner Verfassung, aber das konnte mir egal sein. Ich konnte ihm nur bis vor die Stirn schauen und alles dahinter ging mich nichts an. Er nannte mir noch die Summe, die ich ihm schuldete, ich beglich sie und stieg dann aus. Kalte Nachtluft wehte mir um die Nase und ich konnte auch fühlen, wie dicke Regentropfen auf meinem Gesicht landeten. Es hatte unterwegs zu regnen angefangen … ich hatte absolut nichts davon mitbekommen. Schon wieder etwas besser unterwegs legte ich den Weg zur Haustür zurück und konnte dabei sogar den Schlüssel aus meiner Jackentasche wühlen. Das Öffnen der Haustür machte mir allerdings schon ein wenig mehr Probleme, da ich dazu einen Code eingeben musste und die kleinen Zahlen auf dem Nummernfeld immer wieder verschwammen. Wie gesagt: Ich war wieder etwas besser unterwegs. Ich musste mich wirklich konzentrieren, um Code richtig eingeben zu können. Drinnen angekommen schlug ich zwar wie automatisch den Weg zur Treppen ein, auf der es wesentlich schneller ging, entschied mich dann aber doch für den Fahrstuhl. In meinem Zustand wäre ich sicherlich auf halbem Weg in den vierten Stock zusammengebrochen. Die Warterei auf den und im Fahrstuhl war mir heute viel willkommener als der Gedanke, das Bewusstsein zu verlieren, von der Treppe zu stürzen und mir dabei noch mehr Blessuren zuzuziehen. Ich rief den Aufzug herunter, der laut Anzeige ganz oben im fünften Stock steckte und so eine ganze Weile brauchen würde. Schon gut … das hielt ich aus … Hauptsache nicht- „Takarai-san!“, wurde ich auf einmal gerufen. „Da sind Sie ja! Ich hatte schon befürchtet, ich würde Sie gar nicht mehr erwischen.“ Es war mein Vermieter, wie ich an der Stimme hören konnte. Und er musste auch gerade erst nach Hause gekommen sein, denn als ich mich umwandte, sah ich, dass er sogar noch die Hand an der Klinke der Haustür hatte. 'Gerade jetzt', schoss es mir augenblicklich durch den Kopf. Dicht gefolgt von der Hoffnung, dass der Aufzug in der nächsten Sekunde das Geräusch einer Glocke von sich geben würde, um zu signalisieren, dass er angekommen war. Aber der Gefallen wurde mir nicht getan. Ein rascher Blick auf die Anzeige sagte mir, dass er erst im dritten Stock war. Und selbst, wenn er da gewesen wäre, hätte ich nicht mehr einfach einsteigen können. Ich hatte meinen Vermieter bereits gesehen und er hatte das bemerkt – unsere Blicke hatten sich getroffen. Mir blieb also nichts anderes übrig, auch wenn ich im Moment noch weniger Nerven dazu hatte als sonst. „Guten Abend, Hayashi-san“, grüßte ich ihn höflich zurück. „Ebenfalls, ebenfalls! Auch wenn 'Gute Nacht' treffender wäre“, erwiderte mein Vermieter auf den letzten zwei Metern, die er auf mich zueilte. „Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie zu so später Stunde noch aufhalte; ich versuche seit Wochen, Sie zu erreichen. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss mit Ihnen über Ihre Mitzahlungen sprechen. Sie sind leider im Rückstand.“ „Ich weiß, ich weiß“, gab ich schlicht zu. „Es läuft im Moment nicht so gut.“ „Sie sehen tatsächlich nicht sehr fit aus. Es ist mir daher wirklich überaus unangenehm, dass ich Sie belästigen muss …“ Dann machte er eine Pause, in der man ihm tatsächlich ansehen konnte, dass er mit sich selbst rang. Im Grunde war Hayashi-san ein wirklich netter Mensch. Aber auch der freundlichste Vermieter wird zum ungeliebten Gast, wenn man mit der Miete in der Kreide stand. Und wenn ich sein Verhalten richtig deutete, dann musste ich ihn gar nicht erst fragen, um zu wissen, dass es schlecht um mich stand. Er machte allerdings eine Anmerkung, die mir mehr als genug verriet, wie schlecht es war: „Takarai-san, Sie erinnern sich sicher, dass es in den Mietverträgen für die Wohnung in diesem Gebäude eine Klausel gibt, die besagt, dass die Mieter nicht mehr als drei Monatsmieten im Rückstand sein dürfen, da sie uns sonst leider verlassen müssen.“ „Ich verstehe“, sagte ich nickend, obwohl ich rein gar nichts verstand, wie sich später herausstellen sollte. Leere Worte, mehr war es nicht. Und gleichzeitig war es meine Chance, aus dieser Situation zu fliehen – und ich würde noch nicht einmal etwas inszenieren müssen. „Aber das sollten wir ein andermal klären. Bitte entschuldigen Sie, Hayashi-san, aber ich fühle mich jetzt nicht dazu in der Lage. Ich hatte einen schwierigen Abend.“ Ich war in diesem Moment ziemlich froh und sogar ein wenig stolz auf mich, dass ich diese Sätze so gerade herausbekommen hatte. Viel länger würde ich es nämlich nicht mehr aushalten und dann würde ich am Ende doch noch im Krankenhaus aufwachen. „Natürlich, natürlich!“, beeilte Hayashi, sich abermals zu entschuldigen, und verbeugte sich dabei, „ich werde Sie morgen Nachmittag noch einmal aufsuchen. Insofern es Ihnen dann besser geht, versteht sich.“ „Mit Sicherheit“, bestätigte ich ihm, was ich ihm eigentlich gar nicht bestätigen konnte … etwas, von dem ich sogar glaubte, dass es mit Sicherheit eher nicht eintreten würde. „Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und gute Besserung.“ „Danke, Ihnen auch eine gute Nacht“, erwiderte ich mit einem aufgesetzten Lächeln, darauf wartend, dass Hayashi wieder ging. Er wohnte im ersten Stock, da würde er kaum den Fahrstuhl nehmen. Und nach einer weiteren Verbeugung, diesmal von uns beiden, ging er dann wirklich seines Weges. Ich konnte endlich wieder aufatmen und mich aus meiner steifen Haltung lösen. Ein Blick auf die Anzeige über dem Fahrstuhl sagte mir auch, dass er bereits unten angekommen war … und dass ich es irgendwie geschafft hatte, das vollkommen zu ignorieren, während ich meine gesamte Konzentration auf Hayashi hatte richten müssen. Auf diese Entdeckung hin drückte ich noch einmal auf den Knopf, stieg in den Fahrstuhl und fuhr nach oben zu meiner Wohnung, wo ich ähnliche Probleme hatte wie an der Haustür, diesmal nur mit dem Schlüssel, den ich nicht auf Anhieb ins Schloss bekam. Endlich drinnen angekommen pfiff ich dann auch auf jegliche Abendrituale, die zum Bettfertigmachen gehörten. Ich streifte mir lediglich die Schuhe ab, ließ sie achtlos liegen und ging dann gleich in mein Schlafzimmer, um mich auszuziehen und mich sofort ins Bett zu legen. Bei einem kurzen Blick in den Spiegel, der in die Garderobe im Flur integriert war, konnte ich sehen, dass zumindest mein Gesicht normal aussah. Deshalb hatten der Taxifahrer und Hayashi also auch nur wissen wollen, ob es mir nicht gut ginge, anstatt mich direkt zu fragen, ob man mich verprügelt hatte. Aber im Augenblick war das zweitrangig. Ich hatte, weiß Gott, andere Sorgen und wollte diesen nur noch entkommen, indem ich einschlief. * Doch auch der Schlaf konnte mir nicht helfen, wie ich am nächsten Tag beim Aufwachen feststellte. Ich konnte mich nicht an alles erinnern, aber ich wusste noch ganz genau, dass ich von dem Ereignis des gestrigen Abends geträumt hatte. Und von Gackt. Und dann hatte sich beides vermischt und am Ende hatte ich winselnd am Boden gelegen, während Gackt mich grün und blau schlug. Es war schrecklich gewesen. Ich hatte ihn angefleht und versprochen, dass ich alles für ihn tun würde, wenn er nur aufhörte. Ich hatte darum gebettelt, dass er mir verzieh, weil ich es nicht aushielt, dass er mich so strafte. Ich hatte ihm geschworen, dass ich mich ändern würde. Es hatte nichts gebracht, er hatte mir nicht geantwortet, sondern nur weiter auf mich eingeschlagen, bis ich mit tränennassen Augen und Wangen aus dem Schlaf aufgeschreckt war. Meine Atmung war zwar vollkommen ruhig gewesen, aber die Angst hatte mir in den Knochen gesteckt. Das tat sie im Grunde jetzt auch noch. Als ich aufgewacht war, hatte mein Wecker drei Uhr irgendwas angezeigt, und ich hatte mich nach ein paar Minuten wieder beruhigt. Die Schläge, die ich durch Emikos Mann eingesteckt hatte, waren schlimm gewesen, aber dieser Traum hatte mir die Hölle auf Erden gezeigt. Und ich hatte ihn letzte Nacht nicht nur einmal durchleben müssen – jedes Mal, wenn ich es geschafft hatte, wieder einzuschlafen, war er von vorne losgegangen, hatte mich verfolgt, bis ich es um kurz nach acht Uhr aufgegeben hatte, noch etwas 'normalen' Schlaf zu finden. Ich lag nur noch in meinem Bett herum und … tat nichts. Das Nichtstun brachte mich allerdings dazu, genauer nachzudenken, was gestern passiert war. Und die Träume waren der Schlüssel dazu: Ich hatte nicht nur heftige Prügel bezogen, ich war auch fallengelassen worden. Das Wörtchen 'Verrat' schlich sich unwillkürlich in meine Gedanken ein und sorgte für neue Tränen. Gackt hatte mich verraten … er hatte einfach aufgelegt, obwohl ich gesagt hatte, dass ich dringend seine Hilfe brauchte. Ich hatte doch nur bei ihm sein wollen und es war das einzige gewesen, was ich gewollt hatte … ich wollte es immer noch … aber ihm war egal gewesen, dass es mir so dreckig ging. Womit hatte ich das nur verdient? Ich hatte mein zufriedenes, kleines Leben gelebt. Natürlich hatte ich gewisse Ansprüche, aber wer hatte die nicht? Meine waren eben ein bisschen größer als die von anderen … als die vom sonst ach so edlen und bescheidenen Gackt in seiner Winzwohnung. Ach, er konnte mich mal mit seinem … mit seinem schelmischen Grinsen und seiner Offenheit und seiner Art, mich auf die Palme zu treiben und zum Lachen zu bringen und glücklich zu machen. Oh Gott, ich wusste absolut nicht mehr, was ich tun sollte! Mein Kopf schwirrte – beinahe noch schlimmer als gestern Abend. Der Klos in meinem Hals war auch wieder da und tat sogar noch mehr weh, schnürte alles ab. Ich konnte kaum atmen. Ich war sauer auf Gackt und enttäuscht und verletzt und gleichzeitig wollte ich ihn wie nichts anderes und alles vergessen, was vorgefallen war. In welcher Hölle war ich da nur gelandet? tbc. ~~~ ** + ** ~~~ Wenn einer am Boden liegt, dann kann es trotzdem immer noch weiter runtergehen. Ich hab kürzlich bei ein paar Schreibtips geleen, dass es die Aufgabe des Autors ist, seinen Protagonisten zu quälen - und je mehr er das tut, desto besser wird sein Werk. Ich denke, in dieser HInsicht mache ich doch einen ganz guten Job, oder? ;3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)