Fire von Earu (... in a world of Black Hearts & Dollar Signs) ================================================================================ Kapitel 1: So, you do have a personality? ----------------------------------------- „Da bist du ja wieder. Steht das nächste Date an?“ „Ich wüsste zwar nicht, was dich das angeht, aber ja, ich warte auf jemanden. Er müsste gleich da sein.“ „Darf es derweil irgendwas sein?“ „Na, wenigstens das funktioniert noch! Sake On The Rocks.“ „Kommt sofort“, sagte Gackt und verschwand unter dem Tresen, nur um kurz darauf mit einer großen Schlüssel zerstoßenem Eis wieder aufzutauchen. Ich stützte das Kinn in meine Hände und sah interessiert zu, wie er meinen Drink fertig machte. Ich beobachtete Gackt allerdings nicht so aufmerksam, weil er mir mittlerweile doch sympathisch geworden war, sondern weil ich mich am Zustand seines Gesichtes so erfreute. „Und? Tut's denn weh?“, fragte ich ihn spöttisch. Gackt blickte kurz auf und sah mich aus einem Auge an; über dem anderen trug er eine schwarze Augenklappe. Das blaue Auge tat mir auch kein bisschen leid, weil er es schließlich einfach nicht anders verdient hatte. Wer dachte, dass er mit mir einfach so seine Spielchen treiben konnte, musste eben auf die harte Tour lernen, dass man so nicht mit mir umspringen konnte. Und Gackt war einfach zu weit gegangen mit seiner Fragerei. „Reicht es dir, wenn ich dir sage, dass ich die letzte Nacht mit einem Eisbeutel verbracht habe?“, stellte er mir zur Gegenfrage und konzentrierte sich dann wieder auf seine Arbeit. Ich ließ jedoch nicht locker. Das hier würde die Retourkutsche zu gestern werden. „Mit einem Eisbeutel, oh du Armer …“, gab ich mich mitleidig, grinste dann aber, weil ich einfach nicht anders konnte. Bei ihm war es zum Glück nicht so wichtig, wenn die Maske ein wenig bröckelte. „War er wenigstens sexy? Oder gut im Bett? Komm schon, erzähl mir alles. Ich will absolut jedes Detail wissen, Gacchan.“ „Wir sind also wieder bei den Spitznamen angekommen. War das gestern also dein Ernst vor … wie hieß er doch gleich? Taishin? Lässt du ihn heute auch wieder warten?“ Mit diesen Worten stellte er meinen Sake On The Rocks vor mich und stützte sich dann auf seiner Arbeitsfläche ab, wartend. Ich nahm jedoch erst einmal einen Schluck, bevor ich antwortete: „Der kommt gleich, zerbrich dir darüber mal nicht den Kopf. Und was den Namen angeht … ich nenne dich, wie ich will. Ob nun Gackt, Gacchan, Idiot oder Saftschubse, komm damit klar oder du musst mich leider, leider in Ruhe lassen.“ „Keiner hat gesagt, dass ich damit nicht klarkommen würde, Hy-chan“, frotzelte er gleich darauf und sein Lächeln konnte auch dadurch nicht geschmälert werden, dass er nur noch ein Auge zur Verfügung hatte. Mich beeindruckte es nicht im Geringsten, hatte ich doch eindeutig die schlagkräftigeren Argumente. „Und du glaubst wirklich, dass mich das jetzt irgendwie kratzt?“, fragte ich ihn, ohne wirklich eine Antwort zu wollen. „Ich darf dich auch daran erinnern, was dir blüht, wenn du mich zu sehr nervst.“ „Unser kleiner Hau-drauf“, kommentierte Gackt dazu. „Hast du eigentlich noch andere Hobbies als fremden Leuten eins aufs Auge zu geben?“ „Ziemlich viele sogar“, gab ich offen zu. Ich schien im Moment einfach in Hochstimmung zu sein – selbst wenn das verschobene Date von gestern anstand und mich diese Tatsache eigentlich, ebenso wie gestern, auf die Palme hätte bringen müssen. Aber ich hatte ein neues Spiel gefunden, dem ich mich widmen konnte. Und wenn diese Laune noch bis später anhielt, würde das Treffen mit Taishin auch gar nicht so unangenehm werden, weil ich ihn vielleicht mal wieder zu etwas überreden konnte, was in erster Linie mir Spaß machte. „Ich lese ziemlich viel. Eigentlich alles, was mir in die Finger kommt, so lange es nicht zu langweilig oder abgedroschen klingt. Wird aber immer schwieriger, wirklich gutes Zeug zu finden. Ich mag Anime und Horrorfilme und ich versuche mich auch selbst im Zeichnen. Reicht dir das?“ „Da scheint ja doch ein normaler Mensch in dir zu stecken“, war Gackts erstes Wort dazu. „Ach, und wieso sollte ich das nicht sein?“ „Was würdest du denn denken, wenn ich dir sagen würde, dass ich mich mit Reichen abgebe, um ihnen die Kohle aus der Tasche zu ziehen.“ „Dass du es vollkommen richtig machst.“ „Ach, komm schon, das kann-“ „Entschuldigung?“, rief in dem Moment ein Mann, der sich wohl gerade erst ein paar Plätze weiter an die Bar gesetzt hatte. Gackt blickte hinüber, wartete einen Moment und setzte sich dann in Bewegung, als er sah, dass sein Kollege bereits beschäftigt war. „Komme sofort!“, rief er dabei zurück. Ich nippte währenddessen immer wieder an meinem Sake On The Rocks oder bediente mich an den Salzstangen, die in einem Glas auf dem Tresen standen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich noch mindestens zehn Minuten hatte, ehe Taishin hier aufkreuzen und mich in Beschlag nehmen würde. Ein wenig gelangweilt drehte ich mich auf meinem Barhocker um und lehnte mich gegen die Bar, ließ den Blick über die Menge schweifen. Nicht auf der Suche nach Taishin, sondern nach anderen, die meine Kragenweite sein könnten. Ich hielt immer Ausschau nach potentiellen Gönnern, immer in der Hoffnung, dass mal einer unter 35 dabei war. Aber meistens lief unter 45 nichts, auch wenn es leichter war, jemanden in der Midlife Crisis an die Angel zu kriegen – dann konnte man ihnen nicht jung und fidel genug sein, damit sie sich selbst nicht so alt fühlten. Es dauerte ein paar Minuten und ich warf währenddessen ab und an einen Blick zu Gackt hinüber, um zu sehen, dass er noch andere Gäste bedienen musste. Nun, dazu war er schließlich Barkeeper geworden. Ab und zu gab es dabei auch einen netten Ausblick auf seinen Hintern, wenn er sich bückte, um etwas unter dem Tresen hervorzuholen. Mehr aber auch nicht. „Darf es noch was sein?“, sprach mich dann plötzlich Gackts Kollege an, weil er wohl bemerkt hatte, dass mein Glas leer war. Ich musterte ihn kurz über die Schulter, lehnte dann aber ab. „Nein, erst mal nichts“, antwortete ich und drehte mich wieder um, als ich merkte, wie unbequem diese Haltung wurde. „Ach, Sie sind das!“, kam es dann auf einmal von meinem Gegenüber. „Bitte?“ Verwirrt zog ich beide Augenbrauen nach oben. Ich hatte den Typen zwar schon gestern hier gesehen, aber kein Wort mit ihm gewechselt. „Sie sind derjenige, der für Gackts blaues Auge gesorgt hat.“ … Ach so. „Ja, der bin ich. Gibt’s dafür denn irgendwelche Prämien oder Freigetränke?“ Der Barkeeper lachte: „Das nicht, aber Sie haben damit die ganze Belegschaft unterhalten.“ „Vor allen Dingen habe ich mich selbst unterhalten. Und das reicht mir schon aus.“ „Was reicht dir aus?“, fragte auf einmal jemand dazwischen: Gackt, wie sich nur Sekunden später herausstellte. „Dein dummes Gesicht, als du die Faust auf dich zukommen sahst“, antwortete ich ihm prompt, „einfach unbezahlbar, wenn du mich fragst.“ „Und verdient“, mischte sich der andere Kerl wieder ein. „Seit wann kannst du das beurteilen, Haru?“ Irrte ich mich oder sah Gackts Miene ein klein wenig säuerlich aus? „Wer ständig Gäste angräbt muss irgendwann damit rechnen. Wundert mich nur, dass du dir diesmal jemanden aus dem eigenen Lager ausgesucht hast.“ „Ich hab ihn nicht angegraben“, verteidigte sich Gackt in einer Art, die eine gewisse Genervtheit bezüglich dieses Themas nicht verleugnen konnte. „Und ich kann fliegen“, konterte Gackts Kollege darauf sofort. Es sah so aus, als würden sie dieses Gespräch öfter führen. „Ja, kannst du gleich, wenn du deine Arbeit nicht machst. Da hinten winkt jemand.“ Während die beiden ihre Diskussion austrugen saß ich nur daneben, aß die ein oder andere Salzstange und beobachtete alles mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Gackts Ton wurde immer ärgerlicher und je schlechter seine Laune wurde, desto mehr freute es mich. Leider war das Gezänk mit dem Hinweis auf Kundschaft auch schon beendet. „Schon klar. Aber lass dich doch nicht gleich so ärgern, Gackii, das ist man sonst auch nicht von dir gewohnt“, gab dieser Haru darauf noch zurück, ehe er sich verzog. Und kaum, dass er weg war, brach ich in Gelächter aus. „Gackii? Gackii?! Gott, du bist wirklich 'ne arme Sau“, prustete ich. „So witzig ist das gar nicht“, wandte Gackt ein, „der Personalabteilung ist zwar klar, dass wir hier alle den einen oder anderen Gast abschleppen – machen wir uns da nichts vor –, aber die da oben sollten das möglichst nicht mitkriegen. Haru ist einfach das schlimmste Plappermaul in dieser Gegend. Er macht das nicht mit Absicht, aber er gibt ständig irgendwelchen Bullshit von sich, der nicht oder nur zur Hälfte stimmt. Die Sache mit dir gestern hätte mich auch den Job kosten können und ich will ihn echt nicht verlieren.“ „Solche Probleme hab ich nicht“, wusste ich darauf nur zu sagen. „Dafür andere. Da kommt übrigens dein Lover.“ „Pünktlich wie immer.“ Ich seufzte kurz und warf einen Blick über meine Schulter. Taishin schien mich schon gefunden zu haben, denn er kam direkt auf mich zu. Ich setzte ein Lächeln auf, winkte ihm kurz zu und begrüßte ich ihn, als er nahe genug gekommen war. „Hyde, schön dich hier zu sehen“, lautete Taishins freudige Entgegnung. „Wir waren schließlich verabredet“, gab ich zurück, schenkte ihm noch einmal ein besonderes Lächeln und wandte mich dann wieder Gackt zu, „noch einen Sake On The Rocks als Absacker.“ „Na na na“, funkte mein 'Lover' mir allerdings dazwischen, „wozu ein Absacker, wenn der Abend doch erst begonnen hat? Aber ich nehme eine Flasche Champagner und zwei Gläser. In einem Kühler, bitte.“ „Eine sehr gute Wahl, mein Herr“, komplimentierte Gackt der Höflichkeit halber (wie ich annahm) und holte sofort eine aus dem Kühlschrank. Die zwei langstieligen Gläser nahm er aus der Glasvitrine an der Rückwand der Bar und richtete beides direkt vor unseren Augen in einem edlen Sektkühler voller Eis an. Dann präsentierte er die Rechnung, wo neben dem Schampus auch mein Sake draufstand. „Vielen Dank“, sagte Taishin, als er bezahlte. „Ich habe zu danken“, erwiderte Gackt darauf, immer nett und freundlich. Wie hielt der Kerl das nur aus? „Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.“ „Den werden wir haben. Nicht wahr, Hyde?“ „Klar.“ Das war das Signal zum Gehen. Ich rutschte von dem Hocker und ließ mich, mit Taishins freiem Arm um die Schultern, aus der Bar führen. Weit war unser Weg nicht – nur ins Foyer, an der 'Rezeption' vorbei und von da aus ins dritte Stockwerk, wo wieder ein Privatzimmer für uns reserviert war. Meine eigene Wohnung bekamen meine Gönner eher selten zu Gesicht, denn ich wollte nicht zu viele fremde Leute dort haben und außerdem würde es sowieso keiner von ihnen lange genug machen, um sich dort häuslich einzurichten oder auch nur annähernd wohlzufühlen. Und bei ihnen ging es wiederum meist nicht, da sie verheiratet waren und es dann besser nicht rauskam, dass sie sich mit einem jungen Kerl trafen, der im Bett eindeutig mehr leisten konnte als das, was zu Hause saß und schon am Vertrocknen war. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sehr viel offener war, was Sex anging und meinen eigenen Willen in solchen Situationen ganz einfach hinten anstellte. Ja, mein Ego war groß, aber das hieß noch lange nicht, dass ich nicht wusste, wann ich die Klappe zu halten und mich zu fügen hatte. Oben angekommen ließ ich mich auf die einladende Couch fallen, während Taishin die Champagnerflasche öffnete, beide Gläser etwa zur Hälfte füllte und mir dann eins davon reichte. Als er sich dann seines Jacketts entledigt hatte, gesellte er sich – ebenfalls mit einem Glas in der Hand – zu mir und legte erneut einen Arm um mich. „Du hast deinen Schulfreund ja ziemlich schnell wiedergesehen“, merkte er an. „Hm“, gab ich erst einmal nur von mir, weil ich gerade einen Schluck vom Champagner genommen hatte. Das war auch ganz gut so, denn so hatte ich Zeit, mich wieder richtig an die Lüge von gestern zu erinnern, ehe ich ergänzte: „Ich wusste nicht, dass er hier an der Bar arbeitet.“ „Ihr werdet euch jetzt also öfter sehen?“ Ich wusste ganz genau, worauf seine Frage abzielte, und das wollte mir so gar nicht gefallen. Ich sah mein Vorhaben in Gefahr, er hatte schließlich gestern schon so komisch gefragt. „Weiß nicht“, antwortete ich, „ich werde ihn natürlich sehen, wenn wir uns hier treffen. Ansonsten nicht.“ Und dann startete ich auch schon ein Ablenkungsmanöver, stellte das Glas bei Seite und sah Taishin aus großen Augen an, während ich scheinbar mit den Knöpfen seines Hemds spielte. „Aber wieso ist dir das jetzt so wichtig? Ich bin hier und du bist hier und Gackt steht hinter der Bar. Lass uns einfach zusammen sein.“ Und meine Worte, meine Mimik und Gestik verfehlten ihre Wirkung nicht. Sie zauberten ein Lächeln auf Taishins Gesicht und ich konnte mir sicher sein, dass er zumindest diese Nacht keine unangenehmen Fragen mehr stellen würde. Jedenfalls nicht solche, die in Richtung Gackt und Eifersucht und sonstigem Mist gingen. Ist es gut so? Willst du etwas anderes? Kannst du das spüren? Liebst du mich? und dergleichen würden die einzigen Fragen sein. Und ich würde ihn bei jeder einzelnen anlügen, während ich versuchte, ihn mir sexy vorzustellen. * „Warum langweilst du dich eigentlich mit diesen alten Säckchen?“, fragte mich dieser Witzbold von Barkeeper geradeheraus, „das ist jetzt schon der vierte, mit dem ich dich sehe.“ „Hab ich dir doch schon erklärt: Sie zahlen gut“, sagte ich schlicht, griff nach einer weiteren Salzstange und knabberte an ihr. „Ich dachte, du prostituierst dich nicht. Und dabei lässt du dich dafür bezahlen, dass du Zeit mit ihnen verbringst und hinterher auch noch mit ihnen schläfst.“ „Sie zahlen gut für meinen Lebensunterhalt, du Intelligenzbestie! Das blaue Auge neulich war dir also echt keine Lehre“, stellte ich kopfschüttelnd fest. Es war knappe anderthalb Monate her, dass ich es ihm verpasst hatte, und er schien schon wieder scharf auf ein neues zu sein. Natürlich war das Veilchen längst wieder verheilt, sodass er mittlerweile keine Maßnahmen mehr ergreifen musste, die es verdeckten. Die Augenklappe hatte es nicht lange gemacht, da er sich damit wohl zu sehr wie ein Pirat vorgekommen war. Jedenfalls, die paar Abende darauf – ja, ich war wiedergekommen, um mein 'Werk' noch ein bisschen mehr zu begutachten – hatte er es dann mit einer dicken Schicht MakeUp, was er sich wohl von seiner Freundin, Mutter, Schwester oder weiß der Henker wem geliehen hatte, versucht, es aber nicht vollständig verdecken können. Auch hatte er sich dann erst einmal merklich zurückgehalten und sich darauf beschränkt, mir meine Drinks zu bringen und ein bisschen Smalltalk zu führen. Seit ungefähr zwei Wochen war Gackt jedoch wieder ganz der Alte und versuchte, mir im beiläufigen Ton irgendwelches Zeug aus der Nase zu ziehen. Ich sah es mittlerweile ein wenig lockerer und schwieg ihn an, wenn ich ihm nicht antworten wollte – das half für gewöhnlich. Trotzdem hatte ich unfreiwilligerweise mittlerweile einiges über ihn erfahren, da er immer mit irgendwelchem Zeug aus seinem Alltag ankam, um mir ein Gespräch aus dem Kreuz zu leiern, wobei sich bei mir der verdacht breitmachte, dass er irgendeinen Narren an mir gefressen haben musste, um wirklich so hartnäckig sein zu können. Nicht, dass es mich wunderte – ich war eben ein Naturtalent und eine Ausgeburt des Charmes – und so langsam gewöhnte ich mich auch tatsächlich an ihn, aber auf der anderen Seite waren mir das auch schon wieder zu viele Informationen. Zum Beispiel band er mir auf die Nase, dass er Sport sehr mochte – besonders Kampfsportarten, worin er in seiner Teenagerzeit einmal so gut gewesen war, dass er bei Schulwettbewerben ziemlich gut abgeschnitten hatte. Dann hatte er noch vom Fahrrad fahren gesprochen, weil er wohl kein Auto besaß und außerdem von … irgendwas anderem. Ich wusste es nicht mehr, denn ich hatte an dem Abend abgeschalten, als er das nicht-vorhandene Auto erwähnt hatte. Denn ich musste zwar zugeben, dass ich Gackt an sich noch immer attraktiv fand, aber die Tatsache, dass er nichts war und nichts hatte, war absolut unsexy. Klavier konnte er auch spielen, das hatte er noch gesagt, was es wieder ein bisschen rausriss, aber immer noch nicht wettmachte. Ich mochte Klavierspieler und ich mochte es, ihnen dabei zuzusehen, wie ihre Hände über die Tasten flogen und Melodien aus dem Instrument herauskitzelten. Ich stellte mir dann immer vor, was solche Hände mit mir anstellen würden. Und Gackts Hände waren schön, das musste man zugeben – ich hatte einen ausgiebigen Blick darauf werfen können, als er vor mir gestanden und mir einen Cocktail gemacht hatte. Solche Abende waren dann die weitaus besten. Ansonsten war Gackt ein ziemlicher Durchschnittsmensch. Er mochte Filme, Videospiele, lesen – aber alles in einem normalen Maß und nichts davon von so obsessiv wie ich es oft an den Tag legte. Zeitvertreib und Allerweltsbeschäftigungen eben. Heute war Gackt allerdings mal wieder besonders hartnäckig, wenn es um meine Person ging: „Sag mal, bei diesen ganzen Affären, die dir dein Leben finanzieren, hast du da überhaupt noch Zeit, eine richtige Beziehung zu führen?“ „Nein“, antwortete ich schlicht, „brauch ich auch gar nicht.“ „Hm … genug Sex hast du ja zumindest, aber am Rest mangelt es sicherlich. Ich würde da was vermissen.“ Ich schnaubte kurz, ehe ich mich zu einer umfassenderen Antwort herabließ – in der Hoffnung, dass er dann endlich mit seiner Fragerei aufhören würde: „Also gut, nur für dich und zum Mitschreiben. Es. Geht. Mir. Gut. Mein Leben gefällt mir so, wie es ist. Richtige Beziehungen machen nur Arbeit und halten tun sie trotzdem nicht ewig – du hast hinterher also nur mehr Ärger als Spaß an der Sache. Und bevor du mir mit noch mehr Einwänden kommst: Ich weiß wovon ich rede, ich hab es schon durch. Affären sind viel ungebundener und einfacher. Wenn du keinen Bock mehr hast, schießt du den anderen ab und gut ist, weil keiner wirklich was drauf gibt. Und wenn für mich dabei noch ein bisschen Kohle rausspringt, ist das sogar noch besser.“ „Aha“, lautete erst einmal Gackts Antwort, die leicht trocken klang und bei der er ziemlich überrascht die Augenbrauen nach oben zog. Und dann mischte er noch etwas Sarkasmus mit hinein: „Das heißt also, dass du auch uneigennützig Leute abschleppst?“ „Klar, wieso nicht? Andere haben schließlich auch mal etwas Nettes verdient. Bringt ein bisschen Abwechslung rein.“ Ich wusste, wie er seine Worte gemeint hatte und er wusste, dass ich nicht so dumm war, es nicht zu bemerken. Wieso also nicht auch etwas frotzeln, wenn es denn solchen Spaß machte? Besonders, wenn ich dabei war, gegen ihn zu gewinnen. Siegesgewiss nahm ich mir einen Erdnussflip aus der Schale und warf ihn mir locker in den Mund. Und entweder roch Gackt, dass er gerade verlor, oder er hatte eben in den Moralapostel-Modus geschalten: „Hast du denn noch nie daran gedacht, dein Geld mal selbst zu verdienen? Oder nicht ganz so hohe Ansprüche an deinen Lebensstandard zu stellen?“ „Jep, beides. Hat nicht funktioniert.“ „Und wie sehr hast du es tatsächlich versucht?“ „Nur kurz, reichte aber schon.“ „Wenn das so ist … wie wäre es, wenn ich dir zeige, dass man als 'armseliger Saftmischer' auch seinen Spaß haben kann?“ Ich zog verblüfft die Augenbrauen hoch. Das hatte er jetzt nicht wirklich gefragt, oder? Ich hatte ihm doch schon oft genug erzählt – Mein Gott, wieso ging ich jetzt überhaupt noch an die Bar, wenn er da war? – dass mir mein Leben gefiel, wie es war, und ich nichts daran ändern wollte. Mal ganz davon abgesehen, dass … „Schaffst du sowieso nicht“, vollendete ich meinen Gedanken und stellte diesen hoffnungslosen Gutmenschen vor vollendete Tatsachen. „Und jetzt mach mir noch 'nen Cuba Libre, ich hab Durst!“ Gackt ging jedoch nicht auf meine Bestellung ein: „Ich bezahl auch dafür, wenn ich es nicht schaffe.“ Ich blinzelte. Einmal, zweimal und brach dann einfach nur in haltloses Gelächter aus, was dafür sorgte, dass sich etliche Leute zu uns umdrehten. Ich scherte mich jedoch nicht darum. „Du?“, prustete ich und klopfte mit der flachen hand mehrmals auf den Tresen, „als ob, hahaha … als ob du dir das leisten könntest, hahaha!“ „Das Trinkgeld hier ist nicht schlecht“, wandte er ein. „Reichen wird es trotzdem nicht“, hielt ich dagegen, als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, „und ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du dich in den Ruin stürzt.“ „Du hast ja nur Angst, dass es dir tatsächlich gefallen könnte.“ „Wie bitte?“, fragte ich nach und wischte mir dabei ein paar Lachtränchen aus den Augen. Natürlich nahm ich ihn immer noch nicht für voll. „Du hast Angst, auch auf einfache Weise Spaß zu haben“, wiederholte Gackt brav und sah mich durchaus ernst an. „Ich hab dich schon verstanden, ich bin schließlich nicht blöd. Aber was glaubst du eigentlich, wer du bist, dass du mich einschätzen könntest?“ Ein schelmisches Grinsen breitete sich sogar nun auf seinen Lippen aus: „Ich bin Barkeeper. Ich sehe mir die Menschen an, während ich ihnen Drinks serviere. Und du, mein Lieber, siehst generell gelangweilt aus. Außer, wenn du der Meinung bist, mich ein bisschen piesacken zu können.“ Ich seufzte und rollte mit den Augen, um ihm zu zeigen, was ich von seiner Ansage hielt: „Was weißt du schon?“ „Dann beweis mir doch einfach, dass ich falsch liege, indem du die Sache mitmachst. Wenn ich mich so irre, kannst du doch nur gewinnen. Und ich zahle.“ Dabei stützte er sich auf den Tresen und beugte sich ganz nah an mich heran. Ich seufzte erneut, konnte aber nicht wirklich sagen, dass mir diese Herausforderung komplett am Allerwertesten vorbeiging. „Na? Oder bist du so ein Feigling?“ „Ich muss dir gar nichts beweisen.“ „Feeeiiigliiing~“, flötete Gackt. „Du kannst mich mal.“ „Feeeeeiiiiigliiiiing~~, so ein kleiner Feigling.“ „Ach, halt endlich die Klappe!“ Es war wie neulich: Je schlechter Gackts Laune war, desto besser war meine. So auch jetzt, nur dass es diesmal umgekehrt verlief und ich merklich biestiger wurde, je mehr er sich nach außen hin freute. „Seht ihn euch nur an, wie sehr er sich vor ein bisschen Spaß fürchtet. Ich hab noch nie so einen verstockten, halsstarrigen, prüden und-“ „Moment! Wer ist hier prüde?!“ So langsam wurde mir das tatsächlich ein bisschen zu blöd. „Du. Und langweilig bist du auch. Du weißt ja gar nicht, wie sich wirklicher Spaß anfühlt.“ „Aber du, oder was?!“ „Jep, durchaus.“ „Na, das will ich sehen! … Oh.“ Zu spät merkte ich, was ich da gesagt hatte. „Nein, das hab ich nicht-“ „Tja, Pech gehabt“, zwitscherte dieser Idiot jedoch nur, vom einen bis zum anderen Ohr grinsend, „und was wolltest du doch gleich? Cuba Libre, oder? Kriegst du! Und der geht aufs Haus.“ Ich sagte darauf nichts mehr, sondern lehnte mich nur zurück und verzog missgelaunt die Lippen, presste sie zu einer schmalen Linie zusammen. Gott, wie mich das gerade ankotzte! tbc. ~~~ ++ * ++ ~~~ So viel wie hier hab ich noch nie an einer Fic rumeditiert. Hier Szenen einfügen, dort wieder rausnehmen und woander platzieren. Kapitel treffen und die Lücken füllen, Kapitel aufgrund der Kürze zusammenfügen und so flüssig wie möglich verbinden. Es war eine Tortur und zwischendurch lag das Ungetüm teils Monate rum, weil sich meine Muse grundsätzlich nur meldet, um eine Idee bei mir abzuladen und dann direkt wieder zu verschwinden. Ich seh das Ding in seiner Gesamtheit mittlerweile mit gemischten Gefühlen - wie sieht's bei euch bisher aus? :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)