Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 43: 43. Kapitel: Mord im Labor -------------------------------------- 43. Kapitel: Unheil   Es war ein kalter, grauer Morgen an diesem zwölften Januar. Reif hatte bis vor wenigen Minuten noch die Dächer der Stadt mit einer knisternden Schicht aus gefrorenem Wasser bedeckt. Es war gar so kalt gewesen, dass Dampf aus der Themse aufgestiegen und der Nebel, wie ein langsames Monster, durch die Straßen kroch. Etwas Unheilvolles lag in der Luft. Sherlock Holmes konnte es förmlich riechen. Adrenalin floss durch seine Adern und ließ eine Gedanken schneller rasen als jedes Karussell. Er wusste noch nicht einmal, woher genau diese unheilvolle, dunkle Vorahnung in seinem Magen kam, doch etwas sagte ihm, dass Gefahr vor ihm lag. Einst hatte ihn dieser Geruch nach Abenteuer gereizt. Er hatte ihm förmlich hinterhergejagt, doch jetzt verhielt es sich anders. Er hatte gesehen, was geschah, wenn er ein zu großes Risiko einging und dadurch jagte er dem Kick nicht mehr hinterher wie der Junkie seinem nächsten Schuss. Natürlich lechzte er noch immer nach dem Adrenalin und wollte der Langweile des Alltages entfliehen, doch diesmal war es anders und er konnte einfach nicht greifen weshalb. „Und nun sag mir nochmal,“ gähnte John und blinzelte ihn verschlafen an. „Warum um Himmelswillen du mich um 5 Uhr morgen wächst? Nach dazu an meinem ersten freien Tag nach 2 Wochen.“ Sherlock Holmes löste quälend langsam seinen Blick von dem dunklen Nichts, dass London zu verschlingen schien. Als er in die Augen seines besten Freundes blickte, hing ein undurchdringlicher Schleier über seinen graublauen Augen. „Lestrade rief mich an,“ erklärte Sherlock mit ungewohnt weit entfernter Stimme. John spürte, dass sein Freund gedanklich bereits bei dem Fall war. „und sagte, dass es einen Mord gegeben habe.“ „Eine 8 mindestens nehme ich an, ansonsten würdest du nicht so früh aufstehen.“ John gähnte erneut und betrachtete seinen Freund träge.  Sherlock hingegen wandte sich wieder von seinem Freund ab und biss sich unbewusst in seine Unterlippe. „Das weiß ich nicht,“ gab er zurück und nun blinzelte John verblüfft. „Nicht? Warum dann die Eile? Wo fahren wir überhaupt hin?“ Die ungewohnte Wortkargheit, die Sherlock zeigte, stimmte John unruhig. Klammheimlich beschlichen nun auch ihn die Gefühle, die Sherlock bereits seit einiger Zeit verspürte und er begann unruhig auf den Sitz hin und her zu rutschen. „Zur Universität.“ Die Worte von Sherlock trafen John wie ein Hammerschlag. Er schluckte schwer und spürte wie sein Herzschlag sich für einige Augenblicke verlangsamte. Nun verstand er wahrlich die Stille seitens Sherlock und er wusste auch wo seine Gedanken hingen. Allein der Gedanken, dass es Catherine getroffen haben könnte, ließ ihm ganz flau werden. Aber wie wahrscheinlich war das? „Hör mal, Sherlock, Catherine geht es gut. Sie hat heute keine Frühschicht, “ sagte John hastig, vermutlich mehr um seine aufkommende Unruhe zu verdrängen, als die Sherlocks. „Da irrst du dich, John.“ Wieder diese ruhige Stimme. John schluckte schwer. „Catherine hat heute um fünf Uhr früh das Haus verlassen. Ich habe sie gesehen.“ Unglücklich rieb Sherlock sich über die Augenbrauen und starrte dann wieder beharrlich raus. Seit dem Moment an dem ihn Lestrade angerufen hatte, tobte ein Sturm in seinem Inneren. Aus irgendeinem Grund hatte er ihm nicht mitteilen wollen, wer das Opfer war und warum sonst hätte er es Sherlock nicht sagen sollen, wenn nicht Catherine irgendwie involviert war. Diese Vermutung war nur noch mehr bestätigt worden durch den vorsichtigen, zögerlichen Tonfall, den Lestrade Sherlock gegenüber angestimmt hatte. Er blinzelte als Johns leicht zittrige, aber kontrollierte Stimme ihn aus den Gedanken riss. Manchmal verfluchte sich Sherlock um seine Gabe des Gedankenpalastes, denn sein Geist fing an unerlässlich mögliche Szenarien zu entwerfen und jedes davon hielt ein grausiges Ende für seine Ziehtochter bereit. Die Flut der Bilder war derart erdrückend, dass selbst er nicht mehr in der Lage war sie wie sonst beiseite zu schieben. Generell war er dazu nicht mehr in der Lage seitdem er Catherine näher gekommen war. Er hasste es, denn es machte ihn nervös. Wohin sollte es führen, wohin würde es führen, wenn er diese Fähigkeit verlor? Er musste in der Lage zu sein es auszublenden, den Abstand zu wahren um seiner Arbeit nachzugehen. Er war stets der Soziopat gewesen, doch zu was wurde er nun? Wurde er gar zu einem Menschen? Vermutlich zu einem äußerst schlechten und er wäre dazu verdammt in dieser Zwischenwelt zu wandeln. Weder das eine noch das andere zu sein. Er mochte es ein Sozipath zu sein, er hatte es stets genossen sich niemals regeln beugen zu müssen, selbst zu bestimmen was für ihn die Grenze war, doch seit einiger Zeit erschien das beinahe nicht mehr genug und es jagte ihm beinahe Angst ein. „Sherlock!“, sagte John noch einmal, dieses Mal lauter. Sherlock fuhr beinahe zusammen und wischte mit seiner Hand  über das Glas in einer symbolischen Geste um auch seine Gedanken zunächst fortzuwischen. Er musste neutral an die Sache herangehen. Unvoreingenommen, sonst könnten ihm Fehler unterlaufen. „Nur weil Catherine heute an der Universität ist, heißt es noch lange nicht, dass ihr etwas zugestoßen ist.“ Sherlock seufzte innerlich. Manchmal konnte John wahrlich töricht sein. Natürlich wusste er genau, dass Catherine nicht unweigerlich etwas passiert sein müsste. Dies allein reichte für diese Annahme nicht aus. Rund 22.000 Menschen lehrten, studierten oder arbeiteten in dieser Universität. Da war ohne weitere Anhaltspunkte die Wahrscheinlichkeit zu gering. Einfache  Mathematik, doch was, wenn man der eine von den 22.000 war? Schnell schloss er die Augen und holte tief Luft. „Nein, das alleine nicht, John, das ist wohl wahr.“ Sherlock kramte in seiner Tasche und zeigte sein Mobiltelefon vor. John nahm es vorsichtig entgegen und sah sich den Verlauf zwischen Catherine und Sherlock an: Fünf SMS und er hatte sogar drei Mal versucht sie anzurufen. Das Display seines Smartphones zeigte jedoch, dass es keinerlei Reaktion ihrerseits gegeben hatte. „Du weißt wie Catherine ist, wenn sie Frühschicht hat: gelangweilt und beinah anstrengend  kommunikativ. Ausgerechnet heute ist sie nicht zu erreichen und Lestrade wollte auch nicht richtig mit der Sprache herausrücken, worum es in dem Fall ging.“ John schluckte und holte tief Luft. Er war sichtlich blasser geworden. Selbst Sherlock empfand es nicht als verwunderlich. Diese beiden verband eine solch enge Verbundenheit wie Sherlock es noch nie erlebt hatte. „Wir sollten ruhig bleiben, John, und sehen was uns erwartet. Nichts ist schlimmer, als Annahmen und Mutmaßungen ohne jegliche Grundlage zu treffen. Wir wissen nichts von dem was vorgefallen ist, also sollten wir auch keine Gedanken an mögliche Szenarien verschwenden.“ „Du hast ja Recht, Sherlock, aber…“ „Ich weiß, John.“, seufzte Sherlock schwer und sah wieder in die Nacht hinaus, die langsam zum Morgen wurde, bevor er flüsterte: „Ich weiß.“ Die Universität fühlte sich an wie eine Geisterstadt, als John und Sherlock das Taxi verließen und den vertrauten Weg entlangschritten. Der Regen hatte zwar mittlerweile aufgehört, dafür hing nun feuchter Nebel über dem Pflaster, der bis in ihre Knochen kroch und sie frösteln ließ. Sherlock steckte seine behandschuhten Hände tiefer in die Taschen und schlug den Kragen hoch um sich gegen die Nässe zu rüsten. John stapfte neben ihn durch die Pfützen und ging dabei ein wenig schief. Offensichtlich mochte seine verwundete Schulter die Nässe nicht. Sherlock hingegen fragte sich, ob ihm ein Weg jemals so lang vorgekommen war. Fühlte sich so ein Schuldiger, der zu seinem Henker ging? Zumindest wollte auch Sherlock nun endlich Gewissheit, also beschleunigte er seine Schritte und steuerte zielstrebig den Seitenweg hinauf. Er achtete weder um den Weg, noch dass es selbst für diese Stunde erschreckend ruhig war. Innerlich peitschte ihn seine Sorge bloß immer weiter an. Schließlich bog er- etliche Schritte vor John- um die Ecke und blieb stehen. Er stand auf einer  Weggabelung. Vor ihm befand sich das schlichte Gebäude mit der schwarzen Schmuckfassade, indem sich das Institut für mikrobielle Genomik befand. Er schluckte, als er Polizeibeamten vom Scotland Yard sahen, welche Gruppen von zwei bis drei Personen befragten. Einige von ihnen kannte er. Es waren Kollegen von Catherine. Sein Herz begann zu rasen und er wirbelte herum in der Suche nach Lestrade. Es dauerte einige Momente, bis er ihn unter einer Straßenlaterne ausfindig machte. Das gelbe Licht erstrahlte die Luft und der Nebel ließ sie flackern, sodass es einige Momente dauerte, bis er die Szenario genau erkannt, doch dann atmete er erleichtert auf. Neben Lestrade, der eifrig etwas auf einen Notizblock schrieb, stand Catherine. Ihre Arme waren um ihren Körper geschlungen und sie biss sich auf ihrer Unterlippe, doch sie schien wohlauf zu sein. In diesem Moment kam auch John neben ihm zu stehen. Sherlock hörte wie er erst den Atem anhielt, doch dann erleichtert ausstieß als er Catherine erkannte. Zu diesem Zeitpunkt war Sherlock jedoch bereits auf den Weg zu ihnen. Beim Erklingen des Klapperns auf dem Pflaster drehten sich sowohl Lestrade, als auch Catherine um. „Sherlock…“, flüsterte Catherine leise mit erleichterter und zeitgleich matter Stimme, als Sherlock vor ihnen stoppte. Er umarmte sie kurz, bevor er ihr Gesicht in die Hände nahm und sie genauer ansah. Was er sah, ließ schlimmes vermuten. In den Weiten ihrer Pupillen fand er die Leere des Schockes. Sein Blick glitt nach unten und er erkannte, dass sie fahl geworden war. Beinah schien es, als wäre sämtliches Blut aus ihrem Körper gewichen. Kein Wunder, dass sie fröstelte. Ohne zu zögern, und zur Verwunderung aller Anwesenden, zog er in einer geschmeidigen Bewegung seinen Mantel aus und legte ihn ihr um. Catherine registrierte das angebotene Geschenk von Wärme, behielt den Kopf aber weiterhin gesenkt, als sie den schweren Stoff enger um sich zog und die Knöpfe schloss. Der Mantel war ihr bei weitem zu lang und fiel auf dem Boden, doch es kümmerte Sherlock nicht. Nun erreichte auch John den Inspektor und die Biologin und umarmte diese. „Catherine! Gott sei Dank ist dir nichts passiert! Was ist pa…“ „Du hast die Leiche gefunden, nicht wahr?“, unterbrach Sherlock seinen besten Freund zuvor. Als Catherine erschauderte, den Kopf wegdrehte und nickte, konnte Sherlock förmlich spüren wie John ein kalter Schauer über den Rücken jagte. Der Doktor wurde schlagartig bleich. Kein Wunder. Schließlich wusste er als ehemaliger Soldat wie es war, wenn man zum ersten Mal einen toten Menschen erblickte und er war sensibler als es ihm oft gut tat. Catherine war von diesem Schrecken bisher jedoch gänzlich unberührt geblieben- zu ihrem Glück. Zwar hatte sie gesehen wie Sherlock die Serben damals getötet hatte, doch das waren ihre Feinde und Folterer gewesen, wodurch ihr Dahinscheiden für sie eine Erleichterung dargestellt hatte. Jetzt jedoch war davon auszugehen, dass Catherine das Opfer gut kannte, vielleicht sogar schätzte und diese Erfahrung würde sie für immer prägen. So jedenfalls würde John es sehen. Sherlock verstand noch immer nicht, warum Menschen solch starke Gefühle entwickelten, wenn sie den kalten- oder manchmal noch warmen- Körper erblickten, dessen Geist und Gedanken erloschen waren. Es war doch schließlich nichts weiter dabei. Sterben musste jeder Mensch und irgendwann würde jeder auf die eine oder andere Weise umkommen. Was daran jetzt erschreckend war, erschloss sich ihm wahrlich nicht, aber er hatte mittlerweile akzeptiert, dass dies wohl wieder eine seiner Anomalitäten war und durchaus nicht im Normbereich lag. Also ging er nun davon aus, dass es Catherine bis in die Tiefen ihrer Seele erschüttert hatte, was ihr Anblick durchausbestätigte. Selbst als Biologin war sie bisher mit solchen Dingen nicht konfrontiert worden. Nun gut, er sah mittlerweile auch ein, dass er wohl einer der wenigen Erlesenen war, die die Schönheit eines meisterhaft begangenen Verbrechens darstellte, erkannte. Kaum einer war in der Lage zu verstehen wie schön der Anblick eines neuen Rätsels ist, welches es zu lösen galt. Für ihn gehörte es zur Absurdität wie man beim Anblick nicht eines wohlausgeführten Mordes nicht völlig aus dem Häuschen sein konnte, aber er hatte mittlerweile gelernt, dass dies für die normalen, bemitleidenswerten Menschen an Verrücktheit grenzte. „Catherine,“ sagte Sherlock mit dieser ruhigen Tonlage von der er wusste, dass es sie beruhigte und half den Horror zu verarbeiten. Er umfasste ihre Wange erneut, damit sie ihm direkt in die Augen sah. „Erzähl mir, was passiert ist!“ Catherine zögerte und senkte erneut ihren Blick. Dieses Mal ließ er sie gewähren, da er wusste, dass sie ihm antworten würde. Die Worte mussten nur noch ihren Weg aus der Starre zu ihrem Mund finden. „Nate ist tot,“ flüsterte sie schließlich. Nur im letzten Moment schaffte Sherlock ein ‚Wer?‘ zu unterdrücken. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihm dieser Name etwas sagen sollte. Aber bei aller Überlegung, er hatte keine Ahnung. „Dein Arbeitskollege, der dich ständig nach einem Date gefragt hatte?“, fragte John überrascht. „Er war das Opfer? „Ach der!“ Nun machte es Klick in Sherlocks Kopf und die Bilder von jenem Abend, der schon dreieinhalb Jahre zurücklag, spielten sich wie ein Kinofilm vor seinen Augen ab. Er musste grinsen. Es war ein heidenspaß gewesen diesen Nichtsnutz zu erschrecken. Diesen Abend hätte er wahrlich niemals gelöscht. Sherlock hatte es bloß nicht als nötig erachtet diesen Namen zu bewahren. Für Sherlock war er ohnehin nichts weiter, als eine bedauernswerte, gesichtslose Gestalt, die den Speicherplatz auf der Festplatte, die sich sein Gehirn nannte, nicht wert gewesen wäre, wäre eben nicht jener Abend mit Catherine vorgefallen. An jenem Abend hatte Sherlock beschlossen, dass sie wahrlich brauchbar war und nun, tja, wohin hatte dieser Entschluss bloß geführt. Ironischerweise dazu, dass gerade er eine Ziehtochter hatte, aber er sorgte sich nun einmal wirklich um ihr Wohlergehen. Auch wenn das die meisten Menschen nicht erkennen konnten und ihn als ungehobelt betrachtete. Zu seinem Glück- oder Unglück?- jedoch verstand Catherine seine bemühten, manchmal unbeholfenen Gesten. „Sherlock, John, wenn es Ihnen nicht ausmacht…“, setzte Lestrade an und machte eine unbeholfene Geste mit der Hand. In diesem Moment riss sich Sherlock aus seinen Gedanken und drehte sich zu Catherine um. Er sah ihre Angst, er konnte sie beinahe tief in sich selbst spüren, so tief war mittlerweile was sie beide verband. Langsam ging er auf sie zu und legte seine Hand in einer beruhigenden Geste auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Cath, ich werde schon herausfinden was vorgefallen ist. Du wirst wieder sicher sein.“ Sie nickte nur als Antwort, wich aber seinem Blick aus und drückte sich wieder in John, der sie sicher hielt. Sherlock nutzte diese Chance um Lestrade außer Hörweite zu ziehen. „Was ist passiert?“, fragte er ernst. Dies war nicht einer seiner üblichen Rätsel, dies ahnte er bereits. Der Detective hingegen seufzte erneut und rieb sich über die Nasenflügel. „Es gab einen Notruf um sechs Uhr morgens, dass in dem Biochemischen Labor der Universität eine Leiche gefunden wurde- in einem Hochsicherheitslabor um genau zu sein.“ „Todesursache?“ „Keine bekannt bisher. Möglicherweise ein biologischer Kampfmittelangriff.“ Lestrade zögerte und biss sich auf die Lippen. „Catherine hatte die Leiche gefunden.“ „Das weiß ich bereits.“ „Ich war gerade dabei das Verhör zu beginnen.“ „Verhör?“, fragte Sherlock todernst und starrte Lestrade vernichtend und ungläubig an. Eine Befragung, das hätte er noch verstanden, aber ein Verhör? Catherine würde niemals auch nur einer Fliege ein Haar krümmen. Sie schätzte das Leben aller- selbst seines, welches so viel unrecht über sie gebracht hatte. „Ja, Sherlock, ein Verhör.“, wiederholte Lestrade, als wäre er schwer von Begriff. Sherlock schnaubte erbost. „Nicht ohne meine und John Anwesenheit.“ „Sherlock, werden Sie uns Schwierigkeiten bereiten?“, fragte der Detective. „Nicht mehr als sonst.“, erwiderte er mit seinem breitesten Grinsen. Lestrade seufzte müde und fuhr sich durch die Haare. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das nicht der Wahrheit entsprach. „Also gut, wollen wir dann?“ Noch ehe Lestrade den Satz beendet hatte, war Sherlock bereits umgekehrt und eilte mit schnellen Schritten auf Catherine zu. Diese blickte nur kurz zu ihm auf, senkte dann jedoch den Blick. Sherlock wusste, dass er diesen Fall schnell und dennoch gründlich behandeln musste. Nach Catherines Vorgeschichte könnte die Situation ihrer Psyche weiteren Schaden anrichten und er wusste wahrlich nicht wie viel diese noch ertragen konnte. „Cath, wir müssen dir einige Fragen stellen.“ Er sah aus den Augenwinkeln, wie Lestrade eine Augenbraue hochzog auf Grund von Sherlocks sanfter Tonlage. „Ich weiß,“ flüsterte Catherine und nickte nur schlapp. „Komm, wir setzen uns erst einmal.“ John legte ihr sacht einen Arm um die Schulter und führte sie zu einer nahegelegenen Bank. „Du hattest immerhin einen massiven Schock und du zitterst. Habt ihr keine Decke?“ Dunkle Augen blickten Lestrade an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. John seufzte, sagte aber nichts weiter dazu und sah nur wie Catherine den Mantel enger um sich zog, als sie sich setzte. „Ist sie überhaupt in der Verfassung für eine Befragung, John?“ Sherlock blickte seinen besten Freund an, der den Kopf kurz hin und her wog, dann jedoch nickte.  Sherlock nickte ebenfalls und ließ sich dann neben Catherine nieder. „Okay, Catherine. Erzähl mir was passiert ist.“ Seine Ziehtochter holte zitternd Luft, biss sich kurz auf die Lippe und krallte ihre Hände in die feste Baumwolle von dem geliehen Mantel. „Ich hatte Frühschicht, also bin ich um vier aufgebrochen um die Bakterien auf frische Nährböden zu impfen und noch weiteren Kleinkram. Kathy sollte später vorbei kommen und mir mit der Probenanalyse helfen. Als ich das Büro betrat, wunderte ich mich, warum das Licht noch immer brannte. Die Universität hat uns angewiesen möglichst Geld zu sparen und soweit ich wusste, musste auch Niemand sonst über Nacht arbeiten. Es war also verwunderlich, ich dachte mir aber nichts weiter dabei und wollte es ausschalten. Dann entdeckte ich Nate mit dem Kopf auf dem Labortisch. Ich dachte, er wäre vielleicht eingeschlafen.“ „Sie dachten?“, frage Lestrade verwundert und sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Nate ist in einer anderen Arbeitsgruppe als Kathy, Daniel und ich. Ich kenne nur grob sein Projekt mehr aber auch nicht.“ „Warum war er dann in Ihrem Labor?“ „Die Labore sind nicht gleich ausgestattet. Somit ist es nicht unüblich, dass wir in anderen Laboren arbeiten.“ Lestrade runzelte die Stirn, während er Notizen auf einen Block schrieb. „Und wie ist er in Ihr Labor gelangt?“ „Unser Labor ist abgeriegelt, aber die ID-Karten gewähren Zutritt zu allen Laboren. Bloß das Labor in dem ich arbeite nicht. Da es sich bloß um ein S1 Labor handelt, ist dieses nicht Zugangsbeschränkt. Wir arbeiten lediglich mit E. coli und Hefe. Diese stellen keine Umweltgefahr da.“ „Verstehe.“ „Was ist dann passiert, Catherine?“ „Ich bin zu ihm gegangen und habe sanft an ihm geruckelt um ihn aufzuwecken.“ Sie brach mitten in der Schilderung ab und ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken hinab. Schon war John zur Stelle, der ihr beruhigend eine Hand auf die Schultern legte. Sherlock hingegen sah das Grauen, welche die Erinnerungen in ihr hervorriefen. „Dann habe ich ihn geschüttelt, aber er rührte sich nicht, also habe ich nach seinem Puls gefühlt und erschrak als ich keinen fand. Nachdem ich sofort per Nottelefon den Krankenwagen verständigte, versuchte ich noch ihn wiederzubeleben, jedoch ohne Erfolg. Wenige Minuten später- ich habe bei Gott keine Ahnung wie viele es gewesen sind- kam Kathy hinzu und half mir bei meinen Reanimationsversuchen.“ Traurig senkte Catherine ihren Blick und kämpfte mit den Tränen, während sich ihre Hände verzweifelt in den Mantel krallten. Sie kämpfte gegen eine Übelkeit, die seit dem Fund in ihrem Magen wütete, und versuchte alles so sachlich wie möglich zu sehen. Sie war der momentan wichtigste Anhaltspunkt von Scotland Yard und sie musste sich verdammt noch mal erinnern. Jedes Detail konnte wichtig sein- das hatte Sherlock schließlich oft genug bewiesen. Doch ihre Gedanken waren wie erstarrt. Das Bild von Nates erstarrtem Körper ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren und sie versuchte es zu verscheuchen, doch es schien, als hinge es dort fest. Als wäre Gehirn gleich einer Festplatte genau an diesem Punkt hängen geblieben. Es wollte einfach nicht vergehen und ihr Körper begann unwirklich zu zittern. Sie hasste sich dafür in diesem Moment so nutzlos gewesen zu sein und auch nun war sie keine besondere Hilfe. John schien zu spüren, was in ihren Gedanken vorging, denn er lehnte sich vor und flüsterte: „Du hast alles richtig gemacht, Catherine.“ „Dennoch konnte ich ihm nicht helfen.“, erwiderte sie geknickt. „Sein Tod ist dennoch nicht deine Schuld.“ Das wusste sie ja. Wahrlich, das tat sie, aber dennoch wurde sie dieses Gefühl nicht los, welches sich wie ein Schraubstock um ihr Herz legte. „Und woher kennen Sie das Opfer?“, fragte Lestrade plötzlich zu ihrer aller Überraschung. Sherlock blinzelte überrascht, als der DI sich zu ihm wandte und blinzelte. „Ich? Das sollten Sie besser Catherine fragen.“ „Beantworten Sie einfach die verdammte Frage.“, knurrte Lestrade sichtlich genervt. „Nun ja, es gab da mal einen Vorfall.“, erklärte Sherlock gelassen mit einem Schulterzucken. „Vorfall ist wohl ein wenig untertrieben, Sherlock.“, brummelte John. Der Inspektor zog nur eine Augenbraue hoch. „Ich glaube, ich will es gar nicht wissen, aber ich muss es dennoch fragen. Was ist vorgefallen?“ Seine dunklen Augen wandten sich an Catherine, welche unruhig an einem Knopf seines Mantels fummelte und noch immer beschämt zu Boden blickte. Sherlock schüttelte darüber nur den Kopf. Sie hatten nun wahrlich nichts Unrechtes getan. Sie hatten schlicht einem nervigen, beschränkten Kleingeist gezeigt, wo sein Platz war. Nichts weiter. Wieso schämte sich Catherine nun deswegen? Damals hatte sie doch wahrlich Spaß an diesem Spiel gefunden. „Unwichtige Geschichte, Lestrade.“, wiegelte Sherlock ab. Für normale Menschen mochte es hart klingen, aber es war wahrlich kein Verlust für die Menschheit, dass dieser Blödmann dahingeschieden ist. „Gar nichts ist hier unwichtig, Sherlock.“, entgegnete Lestrade entschieden und in einem betont professionellen Ton. „Warum ging es dabei?“ Sherlock warf ihm einen vernichtenden Blick und knirschte leicht mit den Zähnen. Von wegen professionell, Lestrade war schlicht neugierig, dennoch beschloss zu antworten. Je mehr er kooperierte, desto eher konnte Catherine gehen und sie musste dringend hier weg. Vermutlich dachte sie gerade etwas Dummes wie sich die Schuld geben. Dieses aufopfernde Mädchen. Als ob sie einen Toten wiederbeleben könnte. Also seufzte Sherlock und gab schließlich nach. „Ich habe ihn getroffen, als er mit Catherine ausging, und ich- ich- den eifersüchtigen Liebhaber spielen musste, damit sie…wie war sein Name noch gleich?...endlich los wurde.“ „Was?“, entfuhr es Lestrade geschockt und John seufzte nur tief. „Lüg nicht, Sherlock.“, sagte Catherine mit leblosen Ausdruck in den Augen, doch etwas von ihrem alten Witz und Scharfzüngigkeit war doch zurückgekehrt. „Den Geliebten zu geben war schließlich deine Idee gewesen und du hast es genossen.“ „Ich hätte das überhaupt nicht tun müssen.“, brummelte Sherlock verstimmt und verzog angewidert das Gesicht. Dass er seine Zeit überhaupt mit solch einem Nichtsnutz von Mensch hatte verschwenden müssen, waren nun wirklich eine Unverfrorenheit und ein Frevel gegen die Natur. „Warum du dem Date überhaupt zugestimmt hast, werde ich nie verstehen.“ Catherine hingegen zuckte nur mit den Schultern und verfiel beinahe wieder in ihr übliches Gehabe, was sie hatte, wenn sie mit Sherlock diskutierte. „Ich dachte, er würde bemerken wie schrecklich meine Gegenwart ist und dann von mir ablassen. Ich war verzweifelt, Sherlock.“, entfuhr es ihr und warf die Hände in die Luft. „Du hast keine Ahnung wie sexistisch die Naturwissenschaften noch immer sein können. Ich wollte einfach nur, dass er aufhörte mich ständig zu fragen und mir Avancen zu machen und da keine Art von Ablehnung Wirkung zeigte, war ich gezwungen etwas anderes zu tun.“ Sie seufzte erneut tief. „Denn nichts anderes hat geholfen und glaube mir, ich hasse mich dafür.“ „Sie wollten also, dass er endlich aufhörte? Dass er endlich verschwand?“, fragte Lestrade nun hellhörig. In diesem Moment schrillten auch in Sherlocks Kopf sämtliche Alarmglocken und sein Kopf ruckte hoch. Er sah Lestrade mit einem verblüfften Blick an. „Sie hat ihn nicht getötet.“, erwiderte er entschieden. Wie konnte Lestrade so etwas überhaupt glauben? Catherine war viel zu herzensgut um irgendjemand überhaupt etwas zu Leide zu tun. Lieber hätte sie ihren Job aufgegeben und sich langwierig eine andere Stelle gesucht, als Jemand anderem sein Leben zu ruinieren. Zu einem Toten gehörten schließlich immer auch Angehörige, die, so sagte man zumindest, um ihn trauern würden und Niemand konnte dies besser verstehen als Catherine. Nein, sie hätte noch nicht einmal Beschwerde gegen Nate eingereicht. Sie wäre geflohen, ausgewichen. Die einzige Überlebensstrategie, die sie bisher in ihrem Leben kennengelernt hatte. Sherlock versuchte zwar mittlerweile ihr beizubringen, dass es auch andere Mittel und Wege gab, doch in manchen Dingen konnte sie wirklich eine langsame Schülerin sein. Es dauerte immer so ermüdend lange Moralvorstellungen zu überwinden. Einer der Gründe, warum Sherlock Holmes keine besaß. Was getan werden musste, musste eben getan werden. Manchmal konnte man sich das Leben wahrlich verkomplizieren. Auch Catherines Kopf fuhr hoch. „Was?“ Sie sah Lestrade geschockt mit weit geöffnetem Mund an und schüttelte nur langsam den Kopf. „Greg, ich habe das nicht getan.“ „Ich habe das auch nicht behauptet, aber es hat sich ja zu Ihren Gunsten entschieden, Catherine.“ „Ebenso wie für jede andere Frau, die er belästigt hat. Warum verdächtigen Sie sie nicht? „Geben Sie mir die Namen und ich fang sofort damit an.“ „Ich habe keine!“, schrie Catherine beinahe verzweifelt und sie hörte ihr Herz in ihren Ohren hämmern. Greg konnte das doch nun wirklich nicht glauben oder annehmen, oder? Traute er ihr wirklich einen Mord zu? „Aber er hat mich nicht mehr nach Sherlocks Auftrifft belästigt. Er hat sich sogar in eine andere Arbeitsgruppe versetzen lassen, während ich in den USA war.“ „Sie haben also in all der Zeit nicht mehr mit ihm gesprochen?“ Catherine schüttelte entschieden den Kopf. „Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, ich wollte, dass er aufhörte. Warum sollte ich dann mit ihm reden, als ich endlich einen verdammten Ozean zwischen uns hatte? Ich habe mit Niemand Kontakt gehabt, außer mit Kathy, Daniel, John und Sherlock.“ „Sie hat es nicht getan, Greg. Catherine wäre nie dazu in der Lage gewesen.“, mischte sich nun John ein, als er das nachdenkliche Stirnrunzeln auf Lestrades Gesicht sah. Es schien, als würde sich diese Idee immer fester in dem Kopf des Detectives verankern. Genau in diesem Moment kam Donovan zu ihnen hinüber, reichte Lestrade einige Berichte und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dieser nickte und las die Informationen, während Donovan Catherine und Sherlock einen verärgerten Blick zuwarf, bevor sie sich umdrehte und verschwand. „Und wie ist es dann zu erklären, dass Ihr Mitarbeiterausweich um Mitternacht aktiviert und um zwei Uhr sieben wieder deaktiviert wurde, bevor Sie angeblich erst um vier Uhr wieder zurückgekehrt sind. Außerdem ist es schon ein bemerkenswerter Zufall, dass Nates Karte um 12:15 eingelesen worden ist.“ „Was?“ Catherine blinzelte irritiert, als sie verstand, was diese Information bedeutete. „Ich habe zu diesem Zeitpunkt geschlafen! Ich bin erst um halb 3 aufgestanden.“ „Haben Sie jemanden, der das bezeugen kann?“ „Natürlich nicht!“ „Ich kann das bezeugen.“, sagte Sherlock ruhig und plötzlich verharrten alle Augen auf ihr. Er hingegen zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe gesehen wie sie um drei Uhr fünfundvierzig ihre Wohnung verlassen hat.“ „Hast du?“, fragten John und Catherine gleichzeitig. Sherlock sah sie verständnislos an. Was war daran so überraschend? „ja, habe ich.“, antwortete er deshalb etwas verstimmt. Lestrade seufzte und starrte zu ihm herüber. „Gibt es jemand anderen, der das bestätigen kann? John?“ Ein Kopfschütteln schüttelte den Kopf. „Nein. Im Gegensatz zu allen anderen, habe ich noch einen normalen Schlafrhythmus.“ Catherine hingegen begann allmählich zu verzweifeln. Wie konnte das nur möglich sein? War sie nun wirklich eine Verdächtige? Wie konnten sie nur glauben, dass sie jemand umbringen könnte? Was aber viel schwerer wog und sie förmlich erdrückte, war: Wie konnte sie ihre Unschuld beweisen? Was, wenn selbst Sherlock nichts finden würde? Nein! Catherine zwang sich genau an dieser Stelle aufzuhören zu denken. Sie durfte sich nicht verrückt machen. Sherlock würde den wahren Mörder schnell finden- wenn es denn überhaupt Mord war. „Da muss ein Fehler vorliegen. Ich wäre nie im Leben so dumm meine eigene Karte zu verwenden, wenn ich denn vorgehabt hätte- *hätte*- einen Mord zu begehen.“ „Hat irgendjemand sonst Zugriff auf Ihre Karte?“ „Nun ja, Sherlock, John, Kathy, Daniel und…“ Sie zögerte und rutschte unruhig auf der Bank hin und her. Sherlock runzelte verwundert die Stirn. Warum zögerte sie? Beinah schien es, als wolle sie den Namen nicht nennen, aber aus welchen Grund? Er betrachtete sie näher. Es war ihr offensichtlich unangenehm. Es schien, als wollte die Identität des anderen noch geheim. Aber wer könnte denn noch Zugriff auf ihre Karte gehabt haben? Sherlocks Wissenstands nach, hatte sie bereits jeden benannt. Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Oder hatte es Catherine wirklich geschafft eine weitere Bekanntschaft vor ihm geheim zu halten? Ihm, Sherlock Holmes? In letzter Zeit hatte sich an ihr doch nichts verändert. Ihm war absolut nichts aufgefallen. Ließ er etwa nach? Obwohl, er hatte sich ja fest vorgenommen, seine Freunde nicht mehr bis ins kleinste Detail zu deduzieren, da es ihnen wohl unangenehm war. Dadurch war ihm vielleicht ein Detail entgangen. Sherlock schloss kurz die Augen und dachte zurück, doch Lestrade unterbrach zugleich seine Wanderung durch seinen Gedankenpalast. „Ja?“ Catherine schluckte und biss sich dann die Unterlippe. Nun war es eindeutig, sie fühlte sich unwohl und wollte eigentlich den Namen nicht preisgeben. Sie wusste aber auch, dass sie es tun musste. Sherlock hatte ja keine Ahnung wie unangenehm es ihr war. Sie wollte eigentlich nicht, dass ihre Ziehväter es auf diese Art und Weise erfuhren, aber anscheinend hatte sie zu lange auf den richtigen Moment gewartet und das hatte sie nun davon. „Sean Michaelis. Er…“ Noch einmal holte sie tief Luft. „Er ist mein fester Freund.“ Nein, das war nun wirklich nicht wie sie sich vorgestellt hatte, dass John und Sherlock von ihrem festen Freund erfuhren. Ehrlich gesagt hatten sie noch gar nicht davon erfahren sollen und deren Reaktion gab ihr Recht. Die Köpfe beider Männer ruckten abrupt nach oben und starrten sie völlig überrascht an. „Was?“, entkam es ihrer beiden Münder gleichzeitig. Catherine zuckte schlagartig zusammen und presste ihre Hände zwischen die Knie. Sie war der Inbegriff der Demut und Unsicherheit in diesem Moment. Schließlich geriet ihr Leben wieder einmal aus den Fugen. Sie hatte das Gefühl, dass sich erneut alles veränderte und nie wieder zum Alten zusammenfügen würde. Vermutlich hatte sie damit sogar Recht und sie glaubte, dass das neue Geflecht schlechter sein würde, als das Alte. „Warum weiß ich nichts von diesem…“ Sherlock verzog angewidert das Gesicht und stieß das Wort hervor, als wäre etwas ätzendes, dass es nicht wert war auch nur einem Moment im Mund oder gar in den Gedanken aufbewahrt zu werden. „Individuum?“ Catherine blinzelte und sah dann zu ihm hoch. Sherlock war wahrlich brüskiert davon, dass sie ihm nichts erzählt hatte. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Das war doch wohl nicht sein ernst, oder? „Soll das ein Scherz sein? So wie du mit all den Freundinnen von John umgegangen bist, wenn du sie getroffen hattest, ist es ja wohl kein Wunder, dass ich ihn noch nicht vorgestellt habe?“ Zumindest sorgte es dafür, dass Catherine etwas von ihrem Trotz wiederfand.  Sie reckte ihr Kinn leicht vor, obwohl sie noch immer ihre Hände zwischen ihre Oberschenkel geklemmt hatte. John nickte nur zustimmend und verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich gegen die Lehne zurücklehnte. „Guter Punkt. Schlauer Zug, Catherine.“ „Nein, kein guter Zug.“, erwiderte Sherlock wütend und funkelte seinen besten Freund an. „Es könnte hunderte von Dingen geben, die er verbirgt. Die Verderben bringen könnten.“ „Die ich selbst herausfinden werde und nicht du, Sherlock, denn ich werde ihn euch auch noch nicht vorstellen. Ich möchte noch länger etwas von ihm haben.“ „Und wie lange kennst du diesen Sean schon?“ Sherlock starrte zu ihr hinab und erwiderte das entschlossene Funkeln in ihren Augen. In diesem Moment war der Mord und alles um sie herum wieder einmal vergessen. „Seit…seitdem ich in Amerika war.“ „Wirklich?“, fragte John erstaunt. „Nun ja, um genau zu sein, habe ich ihn schon vorher getroffen. Wobei, das ist zu viel gesagt. Ich habe ihn einige Male in der Mensa gesehen, aber ich kannte weder seinen Namen noch sonst etwas. Er ist ein Doktorand der organischen Chemie an der Universität und ist ebenfalls als Austausch Doktorand in die USA geschickt worden. Richtig ins Gespräch gekommen sind wir dann auf einer Willkommensparty, als wir beide etwas abseits standen. Wir haben uns beide nicht sonderlich wohl gefühlt. Danach haben wir uns ab und an unterhalten. Als wir dann wiedergekehrt  sind, hatten wir ein paar Dates und nun ja, nun sind wir seit zwei Wochen zusammen.“ „Oh, nur zwei Wochen. Also ist er noch nicht dein fester Freund.“, stieß Sherlock erleichtert aus. Fassungslos darüber wie sehr er ihre Beziehung herabstufte auf Grund ihrer Dauer. Die Dauer sagte doch nichts über die Qualität aus und über diesen Ärger vergaß sie sogar die Verwunderung über seine offenkundige Erleichterung. Stattdessen intensivierte sich das wütende Funkeln in ihren blauen Augen nur. „Sherlock, wir hatten dieses Gespräch schon, also doch, ist er.“ „Aber…“, setzte Sherlock an, doch er wurde von Lestrade unterbrochen, dem das allmählich wahrlich zu bunt wurde. Nun fuhr Sherlock zu ihm herum und starrte ihn an. „Was?“ „Sherlock, wenn Sie nicht bei der Sache bleiben, muss ich dafür sorgen, dass Sie von Donovan fortgeschickt werden.“ „Ooooh…“, sagte Sherlock in seinem gewohnt arroganten Ton und seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Den Versuch würde ich gerne sehen.“ „Sherlock…“, versuchte Lestrade es in einem versehentlicheren Ton, doch das änderte nichts an Sherlocks verhalten. „War irgendjemand von diesen Personen gestern bei Ihnen?“, fuhr der Detective ungerührt mit seiner Befragung fort. Catherine schüttelte nur den Kopf. „Nein, nicht während der Nacht und auch nicht in meiner Wohnung.  Ich habe gestern Abend zusammen mit John zu Abend gegessen, nachdem ich das Büro so gegen sechs Uhr verlassen hatte. Nachdem dem Abendessen bin ich dann gegen neun wieder in meine Wohnung gegangen, um noch etwas Schlaf zu bekommen.“ „Sie haben weder diesen Sean, John, Sherlock oder irgendjemand sonst kontaktiert? Keine Anrufe oder Textnachrichten?“ „Nein. Ich habe gestern ausversehen mein Handy in meinem Schließfach vergessen. Also habe ich nur schnell geduscht und bin dann ins Bett gekrochen.“ Lestrade brummte nur und schrieb sich seine Notizen auf dem Block nieder. Sherlock hingegen runzelte die Stirn auf Grund des Tons, den die Fragen mittlerweile angenommen hatten. Er warf John einen besorgten Blick zu, der ebenfalls Lestrade verwundert anstarrte. Nur Catherine schien die leichte Veränderung in Lestrades Unterton zu entgehen. „Wissen Sie überhaupt…was ihn getötet hat?“ „Noch nicht, leider.“ Sherlock hingegen starrte Lestrade nur weiterhin unverwandt an, während er einen Arm um Catherine legte und sie beschützend an seine Seite zog. „Haben Sie Catherine als Zeugin oder als Verdächtige befragt, Lestrade?“ Er verschmälerte die Augen und beobachtete den Detective ganz genau um auch jede Regung mitzubekommen. „Als Zeugin…vorerst.“ Catherine zuckte zusammen und erbleichte vor Schock. Ihre Finger zitterten, ebenso wie ihre Schultern. In diesem Moment meldete sich ihr Fluchtinstinkt wieder. „Ka…kann ich nun gehen?“ „Ja, ja.“, seufzte Lestrade ermüdet und wedelte unbestimmt mit der Hand. „Aber verweilen Sie in London für weitere Befragungen. Catherine nickte nur. Sie würde beinah alles sagen, nur damit sie endlich von diesem Ort gehen durfte. „John…“, setzte Sherlock an und drückte ihre Schulter ein wenig fester. „Bring sie nach Hause und bleibe bei ihr, während ich mich umsehe.“ „Ich kann Ihnen das nicht erlauben.“, erklärte Lestrade streng. „Warum nicht verdammt?“ „Sie haben Beziehungen zu unserer Kronzeugin. Ich kann es Ihnen nicht erlauben.“, erwiderte Lestrade ernst. „Das hat Sie zuvor auch nie davon abgehalten.“, sagte Sherlock ruhig- gefährlich ruhig.“ „Nicht dieses Mal, Sherlock. Nicht dieses Mal. Wir müssen hier streng nach Regeln vorgehen. Dieses Mal werde ich sie nicht ermitteln lassen.“ Sherlock knurrte wütend und schüttelte seinen Kopf. „Und wenn Sie mit mir kommen? Wäre es dann möglich?“ In diesem Moment kam Donovan zurück und funkelte Sherlock an. „Nein.“ Sie wandte sich Lestrade zu. „Greg, ich habe die Befragung von Katherine beendet und lasse sie nun nach Hause gehen.“ „Haben Sie die Universität benachrichtigst?“ „Ja. Der Dekan und die Professoren wissen nun Bescheid, dass dies offiziell ein Tatort ist. Sie werden die Studenten benachrichtigen und dieses Gebäude sperren.“ „Ich bin erstaunt, dass Sie das Gebäude noch nicht evakuiert haben. Es handelt sich hierbei um ein biologisches Forschungsinstitut.“, sagte Sherlock verbittert. Lestrade starrte nur wütend zurück. Sherlock schüttelte nur missbilligend den Kopf und wandte sich dann John zu. „Du bringst sie besser nach Hause. Ich werde wohl eine Weile hier sein.“ „Einverstanden.“ Er nickte nur und zog Catherine sanft aus Sherlocks Armen. „Komm, Catherine. Du bleibst bei uns bis das alles vorbei ist.“ „Aber…“ „Nein, jetzt, Catherine.“ Mit diesen Worten zog er sie auf die Beine und führte sie zur Straße. Catherine war noch ziemlich wackelig auf den Beinen und klammerte sich mehr schlecht als recht an John. Sherlock starrte ihnen nur nach und wartete bis sie außer Hörweite waren, bevor er Lestrade anpflaumte: „Wenn Sie mich nicht den Tatort untersuchen lassen, warum zum Teufel haben Sie mich dann gerufen?“ „Weil diese Frau Ihre Freundin ist- wie auch immer das möglich ist- und sie brauchte jemanden, der sie abholte und für sie da ist.“, gab Donovan barsch zurück und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. In diesem Moment wirbelte Sherlock zu der Frau herum und starrte sie mit einen vernichtenden Blick an. Beinahe so als würde seinen eisblauen Augen wahrlich Eis kommen. „Mit Ihnen habe ich nicht geredet.“, erwiderte nur kalt und drehte sich wieder zu Lestrade um. „Lestrade, ich muss mir das ansehen.“ „Warum? Damit Sie Beweise manipulieren könnten, die möglicherweise zu ihr führen könnten?“ „Haben Sie nicht jemand anderen, den Sie belästigen können, Sally? Die Erwachsenen wollen sich unterhalten.“ „Nein. Das hier macht viel zu viel Spaß.“ Nun sprühten Funken aus Sherlocks Augen. Die Frau begann allmählich ihm noch mehr auf die Nerven zu gehen als sonst. Er wollte doch nur seiner Tochter helfen und sie kam ihr immer wieder dazwischen. Bei Lestrade wusste er, dass er zumindest logischen Argumenten zugetan war, wusste er, dass Donovan es nicht war. Sie wollte einfach nur Sherlock einen reindrücken und Catherine sollte dafür leiden. „Okay, okay, genug ihr zwei.“, seufzte Lestrade und rieb sich die Schläfen. Wieso hatte er nur so eine Ahnung, dass dieser Kopf ihm weit mehr als nur Kopfschmerzen bereiten würde? „Sherlock, Donovan hat Recht. Sie haben eine Verbindung zu der Zeugin. Sie können dort nicht rein.“ „Sie brauchen mich hierbei, Lestrade.“ Sherlock unterdrückte ein Knurren. Lestrade zu verstimmen würde die Dinge nur verkomplizieren. Er musste nun ruhig bleiben und ihn schlicht überzeugen. Also trat er etwas näher an ihn heran und legte eine Hand auf seinen Arm. „Niemand in Ihrem Team hat die Erfahrung mit biologischen Waffen wie ich sie habe. Beobachten Sie mich, weisen Sie mich an, wenn es das ist was Donovan und Sie wollen, zeichnen Sie alles auf. Verdammt, lassen Sie Molly mir assistieren? Tun Sie alles was nötig ist, aber lassen Sie mich den Tatort sehen.“ „Ich kann nicht.“, zischte Lestrade. Sherlock malmte mit den Zähnen und wechselte seine Strategie. „Lestrade, wir können es auf die einfache oder harte Tour machen. Welche bevorzugen Sie? Ich werde mir den Tatort ansehen und Sie können mich nicht davon abhalten.“, flüsterte er mit einer bedrohlichen, dunklen Stimme und es entsprach vollkommen der Wahrheit. Diese Idioten würden Fehler machen, die zu einer Katastrophe führen könnten und er würde das nicht zulassen. Lestrade hingegen seufzte und ließ sich schließlich darauf ein. Er wusste, dass Sherlock es ernst meinte. Keiner von ihnen ahnte, was ihnen noch bevorstand.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)