Unverhoffte Nachbarn von Jeanne-Kamikaze- (Wenn Nachbarn interessant werden) ================================================================================ Kapitel 41: Die einzige Erwachsene ----------------------------------   Schnee fiel in kleinen, sanften Flocken vom grauen Himmel Londons und die ganze Stadt hielt für eine Weile inne um diesen seltenen Anblick zu bestaunen, bevor sie sich wieder ihren Einkäufen widmeten. Es war eine Woche vor Heiligabend und alle waren geschäftig damit Geschenke für ihre Liebsten zu besorgen. Auch Catherine hielt kurz inne, als sie die Tür ihres Wohnhauses hinter ihr schloss und lächelte als die Schneeflocken auf sie niederfielen. Doch da sie fröstelte, zog sie den Reißverschluss ihres Mantels höher und vergrub die Hände in den Taschen. Seit nunmehr fünf Tagen war sie aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekehrt und hatte die letzten Tage damit verbracht sich wieder einen normalen Schlafrhythmus anzueignen, sich zu erholen und aufzuräumen. Selbst zu ihrer Ersatzfamilie war sie nicht gegangen. Sie hatte einfach Zeit für sich selbst gebraucht um über die Erfahrungen, die sie gesammelt hatte, nachzudenken, doch nun wollte sie mal wieder vorbeischauen. Schließlich hatte sich auch keiner der beiden bei ihr gemeldet, was durchaus ungewöhnlich war. Ein paar Minuten später betrat sie schließlich die Wohnung von Sherlock und John. Wenn sie gewusst hätte, was sie da erwartete, wäre sie sicher auf dem Absatz wieder umgedreht und gegangen, doch so betrat sie schließlich das Wohnzimmer und hing ihre Jacke an den Haken. Der Anblick, der sie erwartete, überraschte sie. John saß vollkommen fertig auf der Couch und fuhr sich gerade mit den Händen durch das kurze Haar. Seine Augen lagen tief versunken in dunklen Schatten und Catherine runzelte verwirrt die Stirn. „John, was ist los?“ Der Arzt zuckte beinahe erschrocken zusammen und drehte sich zu ihr um. Plötzlich begannen seine Augen zu strahlen und er sprang förmlich auf. „Catherine! Gott sei Dank! Ich bin so froh, dass du da bist.“, rief er aus. Catherine blinzelte irritiert. Sie freute sich zwar auch ihn wieder zu sehen, aber mit solch einem überschwänglichen Empfang hatte sie wahrlich nicht gerechnet. „Ähm…ich…freue mich auch dich zu sehen.“, sagte sie zögerlich, beinahe schon misstrauisch und runzelte nur noch mehr die Stirn. Langsam ging sie auf ihn zu. „Was ist passiert?“ John seufzte schwer, umarmte sie und legte seinen Kopf erschöpft gegen ihre Schulter. „Sherlock…er…“, sagte er zögerlich und stoppte.  Catherine hielt innerlich den Atem an und fühlte wie ihr Herz schneller schlug. War etwas Schlimmes mit Sherlock passiert? War er vielleicht wieder verschwunden? Zumindest Johns Pause und der tiefen Atemzug, den er nahm, beunruhigten sie. „Was ist mit ihm?“, fragte sie beinahe ängstlich. „Er ist krank.“, vollendete er schließlich seinen Satz und Catherine ließ erleichtert die Luft frei, die sie bis eben in ihren Lungen gefangen gehalten hatte. Sie löste sich von ihm und haute ihm vorwurfsvoll gegen die Schulter. „Man, John! Jag mir doch nicht solch einen Schrecken ein! Ich dachte es wäre wer weiß was passiert.“ Nun blinzelte John sie irritiert an und legte den Kopf schief. „Wieso sollte was passiert sein?“ „Ach, keine Ahnung.“, stöhnte sie genervt. Was hatte es auch für einen Sinn, also beschloss sie, die gegebenen Informationen weiter zu ergründen. „Also Sherlock ist krank?“ „Ja.“, grummelte John. „Erkältet.“ „Er kann also wirklich krank werden?“ „Anscheinend ist selbst ein Sherlock Holmes nicht davon befreit.“, schmunzelte John ein wenig amüsiert, doch dann seufzte er wieder und rieb sich über die Augenbrauen. „Er musste ja unbedingt mitten in der Nacht in einem See tauchen gehen um Hinweise zu suchen.“ Skeptisch zog Catherine eine Augenbraue hoch und sah John eingehend an. „Ich weiß, ich weiß. Ich habe ihn ja noch gewarnt, aber was hat er gesagt?“ Er murrte wieder und äffte Sherlocks Stimme in seinem überheblichsten Tonfall nach. „John, ich werde nicht krank.“ Er schnaubte, warf sich völlig frustriert zurück in die Couch und verschränkte die Arme. „Und nun sitze ich hier seit drei Tagen mit einem schwer erkälteten, gelangweilten und übellaunigen Sherlock Holmes fest.“ „Oh weh…“, antwortete Catherine mitleidig. Sie wollte sich gar nicht vorstellen wie Sherlock in solch einen Zustand verhielt. Männer waren sowieso Mimosen, wenn sie krank waren, doch ein hochfunktioneller Soziopath war vermutlich die reinste Hölle. „Und du hast ihm nicht…?“ „Er verweigert jegliche Medizin.“, knurrte er und schüttelte fassungslos den Kopf. „Stattdessen mosert er die ganze Zeit.“ „Natürlich tut der das.“ Catherine ließ sich neben ihm auf die Couch fallen und schloss die Augen. „Ich bin total erledigt. Ich habe kaum geschlafen und er braucht seine verdammte Medizin, Catherine, oder er wird noch drei Wochen damit zu kämpfen haben und ich schwöre dir, ich bin kurz davor Mycro….“ „JOOOOOOHN!“, drang Sherlocks verschnupfte, genervte Stimme durch die Tür seines Schlafzimmers. John schloss nur die Augen und vergrub den Kopf in den Händen. Mitfühlend legte Catherine ihm eine Hand auf die Schulter und tätschelte diese leicht. „Leg dich hin, John! Ich kümmere mich um ihn.“, bot sie ihm mitleidig an. Er hob den Kopf und ein kleines Funkeln rann durch seine dunklen Augen. „Wirklich? Oh danke, Catherine, du bist meine Rettung.“ „Schon in Ordnung. Na los, ab mit dir, bevor er dich mit einem Lasso einfängt.“ „JOOOOOOOHN!“ „Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Viel Glück, vielleicht hört er ja auf dich“, sagte er und stand auf. Bevor er  sich zu seinem Schlafzimmer begab, drehte er sich noch einmal zu ihr um. „Ach, und Catherine.“ „Ja?“ Blinzelnd sah sie ihn an. „Wenn es dir zu viel wird, scheu dich nicht Mycroft anzurufen.“ „Glaubst du wirklich, dass solch drastische Maßnahmen notwendig sein werden? Du weißt doch, dass Mycroft Rache dann sonst unerträglich wird.“ „Das wird es wert sein, glaube mir.“ Noch einmal lächelte er Catherine an, bevor er sich beeilte in sein Schlafzimmer zu gehen und die Tür zu verschließen. Sie seufzte und starrte ihm eine zeitlang nach. Sie konnte sich zwar wirklich vorstellen, dass Sherlock anstrengend war, wenn er krank war, aber dass gleich solch drastische Maßnahmen notwendig sein würden, konnte sie sich nicht vorstellen. Schließlich stand sie auf, klopfte den Schnee von ihren Schultern, nahm eine Kanne Tee, die John gekocht hatte, und eine Flasche Wasser, bevor sie ins Schlafzimmer ging. „Hey, Sherlock.“, flüsterte sie leise um ihn auf sich aufmerksam. Sherlock drehte langsam den Kopf zu ihr um. Er lag in zwei Decke gewickelt in seinem Bett. Die dunklen Locken klebten verschwitzt auf seiner Stirn, seine Haut war fahl und seine Augenringe mindestens ebenso dunkel wie die von John. „Cath?“, flüsterte er schwach und seine Stimme zitterte. Beinahe hätte Catherine mit den Augen gerollt. Seine Stimme klang so wehleidig und schwach, dass man meine könnte er läge im Sterben, doch sie ersparte es sich ihm darauf aufmerksam zu machen. Was würde es auch bringen? „Wo ist John?“ „Er hat sich hingelegt.“, erklärte sie ihm stattdessen ruhig. Sie erblickte einen Berg von Taschentüchern, die sich neben seinem Bett türmte und seine rote Nase. Sie zog kurz die Augenbraue hoch, lächelte und konnte sich das witzeln doch nicht ganz verkneifen. „Ich hab gehört du hast nach Atlantis gesucht?“ Während sie das sagte, drehte sie sich um und griff sich einen Stuhl, welchen sie neben sein Bett schob, ließ sich darauf nieder und goss ihm eine warme, dampfende Tasse Kamillentee ein. „Es war für einen Fall, Catherine!“, murrte er schlecht gelaunt und drehte sich wieder in seinem Bett um. „Und Atlantis ist nur eine dumme Legende von idiotischen Fanatikern, die…“ „Ich weiß, Sherlock.“, lächelte Catherine und unterbrach ihn damit. „Ich wollte dich nur necken.“ Sie stand langsam auf, ging zu ihm und setzte sich auf dem Bettrand neben ihm. Erst jetzt erkannte sie den fiebrigen Glanz in seinen Augen und ernsthafte Besorgnis ersetzte ihr Amüsement. Vorsichtig hielt sie ihm die Tasse hin. „Hier, trink das!“, forderte sie ihm sanft auf. „Das wird dir gut tun.“ „Nein!“, stieß Sherlock entschlossen aus und drückte seinen Kopf tiefer in die Kissen. „Sherlock…“, sagte Catherine ein wenig resignierter und strich ihm kurz über den zugedeckten Arm. „Das ist nur Kamillentee.“ „Als ob.“ „Sherlock…“ „John hat da sicher Medikamente reingemischt.“ „Warum willst du denn keine Medizin nehmen? So bleibst du doch nur länger krank und John weiß was er tut…“ „Prinzip.“, nuschelte er leise, bevor ein heftiges Niesen in erzittern ließ. Er schniefte und kuschelte sich tiefer in seine Decken. Catherine schüttelte kurz den Kopf, doch sie konnte sich nicht erwehren, dass sie Mitgefühl für ihn empfand. „Gesundheit.“ Kurz drehte sie sich um und reichte ihm ein Taschentuch, welches er blind ergriff und sich die Nase putzte. Danach ließ er sich stöhnend wieder in seinem Kissen nieder. „Aber ich betone noch einmal, dass du dann umso länger an dieses Bett gefesselt sein wirst und keine Fälle lösen kannst.“ „Mir egal.“, schnaufte er. Seine Nase war sichtlich verstopft und er konnte nur noch durch den Mund atmen. „Keine Medizin.“ Catherine seufzte und rieb sich nachdenklich über die Augenbrauen. Offensichtlich kam sie mit dieser Strategie bei Sherlock nicht weiter. Sie musste sich eine andere überlegen um ihm zu seinem Glück zu verhelfen. „Sherlock, würdest du mir denn glauben, wenn ich dir eine neue Kanne koche, dass ich dir nichts unterjubeln werde? Du weißt, dass du viel trinken musst, da du durch das Fieber viel ausschwitzt.“ Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und fühlte seine Stirn. „Oh weh, du glühst ja förmlich.“ Einige Zeit schwieg Sherlock und starrte bloß auf die gegenüber liegende Wand, während Catherine ihre Hand zurückzog. „Von mir aus.“, flüsterte er, als sie schon gar nicht mehr damit rechnete und ihr Herz machte einen Sprung. Obwohl es sich nur um eine Kleinigkeit handelte, wusste sie, was es bedeutete. Er vertraute ihr. Sie lächelte sanft und strich ihm nach einigem Zögern die verklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht und legte ihm einen kalten Waschlappen auf die Stirn. Die Kühle musste so gut tun, dass selbst Sherlock sich einen wohligen Seufzer nicht mehr verkneifen konnte. Sie wusste, dass sie ihm eigentlich noch Wadenwickel umlegen sollte um das Fieber zu senken, doch er würde das niemals zulassen. Also stand sie stattdessen auf und ging in die Küche und kochte eine weitere Kanne Tee, während sie einen Schluck von Johns nahm. Kurz spielte sie wirklich mit dem Gedanken ihm Medizin in den Tee zu tun, doch sie entschied sich dann dagegen. Sie wusste, dass er es bemerken würde und sie wollte sein Vertrauen nicht missbrauchen. Also kehrte sie schließlich in das verdunkelte Zimmer zurück und setzte sich wieder an sein Bett. „Woher soll ich wissen, dass dort nichts drin ist?“, fragte Sherlock missmutig und sah sie aus eindringlichen Augen an, bevor ein starker Hustanfall ihn davon abbrachte. „Das kannst du nicht.“, sagte Catherine ruhig, während sie eine erneute Tasse einschüttete. „Du musst mir dann schon vertrauen.“ Sherlock grummelte nur und schniefte. „Komm…trink! Nur einen Schluck, Sherlock, bitte!“ Ihre Stimme zitterte leicht, als sie ihn darum bat. Sherlock schwieg und zog die Decke höher, dennoch schielte er leicht zu ihr herüber. Er hasste es, dass sie ihm vorschrieb was gut für ihn war und was er tun sollte, doch ihre Augen funkelten so besorgt, dass er schließlich all seine Kraft zusammennahm, sich aufsetzte und einen winzigen Schluck trank. „Bäh, was ist das?“, fragte er und streckte die Zunge heraus, während er beinahe die Tasse davon warf. Gerade noch rechtzeitig konnte Catherine ihm die Tasse entwenden und auf den Nachttisch retten. „Kamillentee.“, antwortete sie irritiert. „Ganz normaler Kamillentee. Du schmeckst vermutlich nur wegen deiner verstopften Nasen…“ „Das ist kein Tee!“, stieß Sherlock aus und legte sich auf seinen Rücken. „Das ist Schmierwasser!“ Catherine zuckte kurz zusammen und schloss traurig die Augen. Sie wollte ihm nicht zeigen wie sehr sie diese Worte verletzt hatten. Ihr war bewusst, dass er einfach schlecht gelaunt war und es ihm herausgerutscht war. Sherlock hatte es sicherlich nicht so gemeint. Warum hatte sie auch Dankbarkeit von ihm erwartet? „Möchtest du lieber Wasser?“, bot sie ihm stattdessen an, konnte aber wohl ihre Trauer nicht ganz in ihrer Stimme verbergen. „…“ Sherlock zögerte, dachte kurz danach und schüttelte den Kopf. „Nein.“ „Kann ich sonst etwas für dich tun?“ „Nicht, dass ich wüsste.“, sagte er lustlos und drehte sich von ihr ab. Catherine seufzte leise und sackte ein wenig zusammen. Es war hoffnungslos. Er wollte sich einfach nicht helfen lassen und das musste sie respektieren. „Gut, dann versuch zu schlafen.“ Sie stand auf und sah auf den weißen Haufen in Sherlocks Bett. „Sherlock, bitte, überleg es dir mit der Medizin noch einmal.“ Leise kniete sie sich neben sein Bett und strich über seinen Arm. Gerne würde sie für ihn da sein, doch er wollte es offensichtlich nicht. „Ich nehme keine Medizin, Cath.“, grummelte Sherlock verstimmt und versteckte sich nun vollends unter den Decken. „Also gut…“, seufzte Catherine traurig und stand auf. Sie wartete noch einige Augenblicke, ob er ihr noch antworten würde, doch er blieb stumm. Ihre Hoffnung, dass er sie zurückhalten würde, ging verloren. Also gab sie auf. „Ruh dich aus und versuch zu schlafen.“ Damit verließ sie das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Nachdenklich ließ sie sich auf eben jenen Punkt fallen auf dem John vor einer halben Stunde verzweifelt gesessen hatte. Nun verstand sie auch warum. Dieses ständige Abblocken über mehrere Tage konnte wahrlich an den Nerven zehren. Wollte sie auch so abgekämpft und erschöpft enden wie John oder war es vielleicht wirklich an der Zeit sich Hilfe zu holen? Sie kramte in ihrer Hosentasche und zog ihr Smartphone hervor. Noch immer zögerte sie, doch dann wurde ihr bewusst, dass es wohl keinen anderen Weg gab. Schließlich wählte sie die Nummer, deren Konsequenzen weit reichend seien würden, und lehnte sich zurück. Das schlechte Gewissen, das ein wenig an ihr nagte, ignorierte sie geflissentlich. Nach wenigen Augenblicken hörte sie das Knacken, welches signalisierte, dass der andere Teilnehmer abgenommen hatte und die vertraut ruhige, leicht arrogante Stimme sprach: „Miss Amell, was verschafft mir das Vergnügen?“ „Guten Tag, Mr. Holmes.“, grüßte Catherine so höflich und unverfänglich wie möglich. „Ich hoffe doch, ich störe Sie nicht gerade bei der Weltvernichtung.“ „Sehr amüsant.“, konterte Mycroft mit der gewohnt ruhigen Stimme, die keinerlei Gefühlsregung erahnen ließ. „Aber ich muss Sie leider enttäuschen. Allerdings kann ich auch nicht sagen, dass ich nicht beschäftigt wäre. Also, wenn Sie…“ „Hinweis verstanden.“, unterbrach Catherine ihn. Sie wusste, dass ihr Anruf ungelegen kam. Wann kam er bei der Britischen Regierung in Person auch jemals gelegen? Also beschloss sie direkt zur Sache zukommen und ihr übliches Geplänkel beiseite zu schieben. „Ich bräuchte einen Rat von Ihnen, Mr. Holmes. Es geht um Sherlock.“ Sie konnte förmlich hören wie Mycroft die Stirn runzelte und sich vermutlich etwas gerader in seinem Ledersessel im Diogenes Club setzte. „Sherlock?“, fragte er nun doch leicht irritiert und Catherine schmunzelte. Natürlich war er verwundert, denn eigentlich rief sie ihn nie an. Um genau zu sein hatte sie sich nur seine Nummer besorgt um vorgewarnt zu sein, sollte er sie mal anrufen. Sie war gern vorbereitet, wenn in der nächsten Sekunde das komplette Waffenarsenal des Vereinigten Königreichs auf sie zielen könnte und nein, sie war nicht paranoid. „John und ich…nun…“, zögerte sie spielerisch und seufzte gespielt erschöpft. „Wir sind gerade etwas ratlos. Er ist krank.“ Einige Momente herrschte irritiertes Schweigen am anderen Ende der Leitung, doch dann zeigte ihre Taktik doch Wirkung. Leise drang ein Lachen von Mycroft an ihr Ohr und sie lächelte zufrieden. Zugegebenermaßen sie hatte einen großen Respekt vor Mycroft und wusste, dass man ihm mit Vorsicht genießen musste, doch andererseits konnte sie sich nicht dagegen wehren, dass ihr diese Spiele Spaß machen. Sie beide spielten, wenn sie miteinander sprachen. Zumindest glaubte sie dies. „Krank…“, wiederholte Mycroft leise und noch immer war ein leises Glucksen in seiner Stimme versteckt. „Mein liebster Bruder ist krank. Ja, ich glaube, ich verstehe, warum Sie anrufen. Er weigert sich wahrscheinlich aus Prinzip seine Medizin zu nehmen und ist zeitgleich mit nichts zufrieden zu stellen, nehme ich an.“ „Ziemlich genau das.“, bestätigte sie und seufzte erneut. „Ich habe ihn mit Müh und Not dazu bewogen einen Schluck Tee zu trinken. Allerdings musste ich ihm eine neue Kanne kochen, weil er glaubte, dass John ihm Medizin untergejubelt hatte.“ „Hatte er?“, hakte Mycroft skeptisch nach. „Keine Ahnung. Zuzutrauen wäre es ihm ja, so erschöpft wie der Arme war.“, erklärte Catherine rasch. Hoffentlich hatte sie damit Mycroft nicht Munition geliefert. „Aber trinken wollte er den Tee noch immer nicht. Er würde wie Schmierwasser schmecken, hatte er gesagt.“ „Oh, Schmierwasser? Das ist neu.“, sagte Mycroft amüsiert und er schien kurz in Erinnerungen zu hängen. „Früher war es immer Seifenlauge.“ Catherine konnte gerade noch ein Prusten abwehren und hielt sich vorsichtshalber die Hand vor dem Mund um das erstickte Geräusch zum Schweigen zu bringen. „Ich glaube Schmierwasser ist besser als Seifenlauge. Nicht ganz so giftig.“ „Tja, das liegt wohl wahrscheinlich an der Person, die ihn gemacht hat.“, erwiderte Mycroft gelassen und ging wieder einmal überhaupt nicht auf ihren Witz ein. Wie frustrierend! Er durfte immer sarkastisch sein, aber bei ihr blieb er staubtrocken und völlig unbeeindruckt. Sie war witzig, verdammt! Catherine schüttelte den Kopf. Diese Gedanken waren in dieser Situation wohl völlig unangebracht. „Also, Miss Amell…“, fuhr er zu ihrem Glück fort. „Sie wollen also ein paar Wie-handhabe-ich-ein-exzentrisches-gelangweiltes-Genie-wenn-es-krank-ist Ratschläge.“ „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie einige Ihrer geheimen Britische-Regierung-und-großer- Bruder Tipps preisgeben könnten.“, pflichtete sie ihm bei und wartete. Einige Zeit herrschte Ruhe von Mycrofts Seite. „Das wird Ihnen nicht gefallen.“, warnte er sie schließlich. „Ich werde es auf einen Versuch ankommen lassen.“, erklärte sie nun doch ein wenig beunruhigt, aber sie zeigte es nicht. „Also gut.“, seufzte Mycroft und holte tief Luft. „Sie müssen ihn verhätscheln.“ Catherine zog eine Augenbraue hoch und sie könnte schwören, dass Mycroft es irgendwie bemerken müsste, denn sie meinte ihn beinahe Lächeln zu sehen. Aber gut, sie ließ sich auf sein Spiel ein. „Noch mehr als sonst? Ist das überhaupt möglich? Ich mein, dass er gern umsorgt wird und das sich am besten die ganze Welt um ihn drehen sollte, ist ja nicht unbedingt neu.“ „Nein, nicht so wie normal.“, widersprach Mycroft sanft, als wäre sie ein kleines Kind, das einfach nicht begreifen wollte. „Was ich meine ist, dass Sie ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen müssen und am besten noch einen Knicks dabei machen.“ Wie bitte was? Das sollte sie tun? Catherine schnaubte genervt. Sollte sie sich vollkommen devot vor ihm geben und förmlich darum betteln und flehen, dass er ihr erlaubte, ihm zu helfen? Einen Augenblick mal, sie sprach hier von Sherlock Holmes. Natürlich sollte sie das. Frustriert rollte sie mit den Augen. Warum musste bei ihm immer alles mit Selbsterniedrigung zu tun haben? „Soll ich mir gleich noch ein Maidkostüm anziehen?“, fragte sie sarkastisch und ihre Stimme konnte ihren Missmut nicht verbergen. Zu allem Überfluss hörte sie Mycroft erneut auf diese Art und Weise lachen, die zeigte, dass er sie keinesfalls ernst nahm. Dabei sollte Mycroft Holmes Catherine Amell sehr ernst nehmen, denn sie besaß eine ganz eigene Macht, deren sie sich selbst ebenso wenig bewusst war wie er, die er aber noch kennenlernen sollte. „Jetzt haben Sie es erfasst.“ „Kurz gesagt…“ Und Catherine rollte erneut mit den Augen. „Ich soll mich in jeglicher Hinsicht demütigen und ihn noch mehr vergöttern als sonst?“ „Absolut richtig.“ Gott, sie verfluchte Mycroft für dieses amüsierte Grinsen, welches sie in seiner Stimme hörte. Sie wusste, dass er das Spektakel in der Bakerstreet nur zu gerne sehen würde, wenn es nicht bedeuten würde, dass er sich selbst dieser Lächerlichkeit preisgeben müsste. „Am besten sagen Sie ihm noch ein paar Mal wie genial er ist, welch Bereicherung er für die Menschheit darstellt und Sie werden sehen, er wird ganz handzahm.“ „Der wird niemals handzahm.“, erwiderte sie nüchtern, doch diesmal konnte sie ihr prusten nicht verhindern. Was war das nur? Warum fühlte sich Catherine bloß in der Welt von Sherlock Holmes richtig wohl? Warum war sie selbst im Telefongespräch mit der Britischen Regierung mehr sie selbst, als sie es je in der realen Welt war? Das hier war ein Schein. Eine dunkle Welt in die sie unter normalen Umständen niemals hätte hineingeraten sollen und doch fühlte sie sich in der Unterwelt Londons, weit jenseits des Styx, der hier die Themse war, wohler und sicherer, als in der Helligkeit des Lichtes. „Ich denke bei Ihnen wohl eher als bei mir, Miss Amell. Sie haben da so einen Vorteil.“ „Oh ja, richtig. Mein Dackelblick, den hätte ich beinahe vergessen.“, grinste sie. Wieder lachte Mycroft, doch es war wieder dieses ein wenig überhebliche. „Den meinte ich zwar nicht, aber von mir aus auch den.“ Catherine blinzelte und erst jetzt bemerkte Catherine, dass Mycroft bereits so etwas in der Art gesagt hatte. Sicherlich, Sherlock hielt nicht besonders viel von seinem Bruder und somit war dies keine Ungewöhnlichkeit, doch dass Mycroft es gerade jetzt sagte, und die Art wie er es sagte, stimmten sie etwas stutzig. „Was meinten Sie dann?“, fragte sie ihn irritiert. Nun schien auch Mycroft verwundert und sich zu fragen, ob sie es wahrlich noch immer nicht bemerkt hätte, denn es blieb einige Zeit lang ruhig. Dann hörte sie wie er tief Luft holte und beinahe ehrlich sanft sprach: „Er kann es nicht ausstehen Sie traurig zu sehen, Miss Amell. Sie sagten, Sie hätten es geschafft ihn zu einem kleinem Schluck Tee zu überreden? Das ist mehr, als die meisten je erreicht hatten und jetzt denken sie mal nach, was Sie dafür getan haben.“ Catherine spürte wie ihr Herz stockte, bevor dieses dumme Organ zu rasen begann. Doch statt wie meist sonst in Verwirrung zu versinken und sich lange den Kopf darüber zu zerbrechen, was dies bedeuten könnte, klammerte sie sich an Mycrofts Befehl. Wie er es ihr befohlen hatte, begann sie darüber nachzudenken, was sie getan hatte, was Sherlock dazu veranlasst haben könnte, den Tee zu trinken. „Ihn bittend angesehen.“, stellte sie dann plötzlich fest. „Das habe ich mir schon fast gedacht. Hier also mein Rat: Verhätscheln Sie ihn und wenn er sich weigert, dann seien Sie betroffener als Sie wirklich sind.“ „Ich werde es versuchen. Vielen Dank, Mr. Holmes. Gibt es noch irgendetwas…vielleicht etwas, was er in solch Situationen gerne isst? Ich würde ihn gern ernst etwas milder stimmen. Vielleicht eine Suppe oder ähnliches?“ „Nun ja, auch wenn Sherlock es vermutlich bis zu seinem Tod abstreiten würde, er mag die Lutschpastillen mit Honiggeschmack und die selbstgemachte Hühnersuppe unserer Mutter, allerdings ohne Sellerie. Ich denke eine von Mrs. Hudson dürfte aber auch ihren Zweck erfüllen.“ „Gut, ich werde sehen was sich organisieren lässt.“ Catherine lächelte. „Vielen Dank noch einmal, Mr. Holmes. Ich glaube ich sollte nun wieder nach ihm sehen. Er schläft nicht. Ich kann förmlich hören wie er denkt.“ „Selbstverständlich. Ich würde Ihnen ja sagen Sie sollen ihm gute Besserung von mir wünschen, aber dann würde er wahrscheinlich einen Tobsuchtanfall bekommen.“ „Ich glaube, dann können wir uns eine neue Einrichtung kaufen.“, seufzte sie. „Und dann kippt er wegen seinem Fieber um. Nein, das können wir nicht gebrauchen.“ Sie schnalzte und schüttelte den Kopf. „Zum Glück wird er zu benebelt sein um zu merken, dass ich Tipps von Ihnen bekommen haben.“ „Das sollten Sie wohl hoffen.“, lachte Mycroft. „Sonst werde ich sein nächster Studienfall.“, grinste sie. „Das dürfte dann ziemlich nervenaufreiben für Sie werden.“ „Vermutlich.“, lächelte sie. „Auf Wiederhören, Mr. Holmes.“ „Auf Wiederhören, Miss Amell. Hoffentlich nicht so bald und über meine Belohnung sprechen wir, wenn Sie erfolgreich waren. Viel Erfolg.“ Mit diesen Worten legte sie auf und stand auf um nach Sherlock zu sehen. ~*~ In dem nicht unweit entfernten Diogenes Club legte auch die Britische Regierung ihr Handy beiseite und lehnte sich tiefer in den gemütlichen Sessel, der vor dem knisternden Kamin stand. „Wer war das, Sir?“, fragte Anthea, die sich während des gesamten Telefonats neben ihn gestanden hatte und blickte ihn mit einem kleinen Funken Neugierde an auch wenn dieser sich in ihrem Beruf nicht geziemte. „Nun, das ist eine gute Frage.“, antworte Mycroft ominös, während er in die Flammen starrte. Anthea blinzelte verwirrt. „Wie meinen Sie das, Sir?“ „Ich meine damit, dass ich ihren Status noch nicht definiert habe.“, erklärte Mycroft mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen. Es reizte ihn, dass er Catherines Position in diesem Geflecht noch nicht einordnen konnte. Sonst war er es gewohnt alles zu wissen, doch Catherine blieb eine Unbekannte, die völlig unvorhersehbar war und eben das gefiel ihm. „Verstehe.“, sagte Anthea nun beinahe gelangweilt und sah in ihren Terminplaner. „Wollen wir dann mit der Krim Kriese fortfahren? Die CIA will einen Informationsaustausch mit Ihnen durchführen.“ „So, so.“, sagte Mycroft. „Dann werden wir wohl eine Videokonferenz mit dem Präsidenten abhalten, nehme ich an.“ „Die Verbindung ist bereits im Konferenzraum aufgebaut.“ Sie zögerte kurz und sah Mycroft mit einem unbehaglichen Blick an. „Bereits seit einer Viertelstunde.“ Mycroft wedelte abwehrend mit seiner Hand, dann stand er auf. „Man muss seine Prioritäten kennen.“, sagte er ruhig, lächelte Anthea mysteriös an und verschwand dann. ~*~ Catherine unterdessen trat erneut in Sherlocks Schlafzimmer ein, nachdem sie bei Mrs. Hudson eine Hühnersuppe bestellt hatte. Sie lächelte freundlich, als er ihr einen missmutigen Blick zuwarf und setzte sich an seinen Bettrand um ihn den Schweiß von der Stirn zu wischen. Zu ihrer Erleichterung ließ er sie gewähren und schloss sogar wieder die Augen, als sie mit dem kühlen Waschlappen über seine Stirn strich. „Falls du wiedergekommen bist…“ Er musste husten und murrte. „…um mit mir über Medizin zu diskutieren, kannst du gleich wieder gehen.“ Catherines Lächeln verblasste trotz seines angreifenden Tons nicht. Stattdessen schüttelte sie nur ihren Kopf. „Nein, bin ich nicht. Ich respektiere deine Meinung. Ich bin hier weil ich dachte, dass du vielleicht...“ Sie zögerte kurz und lächelte unsicher. „..etwas Gesellschaft gebrauchen könntest.“ Sherlock blinzelte irritiert. Er hätte damit gerechnet, dass Catherine ihn erneut dazu drängen wollte seine Medizin zu nehmen, doch sie tat es nicht. „Das…ist nett.“ Catherine lächelte und kramte dann ihrer Tasche um ein Bonbon herauszuholen. „Bonbon?“, fragte sie und begann leicht an dem Silberpapier zu ziehen. „Ich mag keine…“, setzte er murrend an, doch dann hielt er inne, da er die Verpackung erkannte. Catherine schmunzelte. Zum Glück hatte sie noch eine Packung von dem empfohlen Bonbons gefunden und hatte sie eingesteckt. „Nun gut. Bleibt mehr für mich.“, sagte sie grinsend und begann das Papier zu entpacken. Sherlock beobachtete jede Bewegung ihrer Finger, biss sich leicht auf die Unterlippe, hielt es dann aber nicht mehr aus. „Nein!“, rief er ein wenig zu heftig aus. Catherine hielt inne und sah ihm mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Er bemerkte ihren Blick und hustete um seinen Ausruf zu überspielen. „Ich meine, ich könnte ja mal eines probieren.“ Sie lächelte, wickelte das gelbe Bonbon endgültig aus und reichte es ihm. Vorsichtig nahm er es von ihr und steckte es sich in den Mund. Catherine lächelte als sie sah wie er genüsslich darauf rumlutschte.  Also beschloss sie diesen Moment zu nutzen, um ihn zum Trinken zu bewegen. Mit Bedacht schüttete sie ihm noch eine halbe Tasse des wohlig duftenden Tee ein. „Hier, trink bitte noch einen Schluck!“ „Ich will nicht, Catherine.“  Sie blinzelte und sah ihn traurig an. „Bitte, Sherlock. Du brauchst Flüssigkeit. Du bist bereits schon ein wenig dehydriert.“ Sherlock ignorierte erst ihren Blick, drehte bewusst den Kopf weg um ihn nicht sehen zu müssen. Stattdessen zog er eine Schnute und schmollte wie ein kleines Kind, dass etwas alleine erledigten wollte. „Ich möchte doch einfach nur, dass es dir besser geht.“ Traurig schlug sie die Augen nieder und flüsterte leise: „Bitte.“ Er drehte sich wieder zu ihr um und konnte sich dann nicht mehr von diesem flehenden, besorgten Blick lösen, obwohl er wusste, dass er es musste, sonst würde er nachgeben. Schließlich stieß er ein genervtes Stöhnen aus. „Na schön!“, stieß er mit ruppiger Stimme aus, aber er beugte sich vor und nahm die Tasse. „Aber danach lässt du mich mit diesem Unsinn in Ruhe!“ Schnell leerte er die Tasse bis auf die Hälfte, hustete als er sich beinahe verschluckte und stellte die Tasse geräuschvoll auf den Nachttisch zurück. Zu seiner Überraschung begann Catherine bis über beide Mundwinkeln zu strahlen. So allmählich bekam er das Gefühl, dass sie ihn manipulierte. „Vielen Dank, Sherlock.“ „Schon gut.“, nuschelte er. Dieses freudige Lächeln machte ihn wirklich weich. Catherine hingegen setzte sich zu ihm auf die Bettkannte und nahm einfach seine Hand, welche sie zaghaft drückte. Sherlock blinzelte verwirrt und starrte zu ihr hinauf. Er versuchte sie zu lesen, doch durch die Erkältung war sein Verstand schrecklich langsam geworden und er gab schließlich auf. Besonders als er sah wie ihr Lächeln zu flackern begann. In diesem Moment beschloss er ihre Hilfe zumindest in einem gewissen Maß zu akzeptieren. Deshalb lächelte er leicht zurück um sie zu beruhigen, schloss dann aber wieder die Augen. Verdammte Erkältung. Sie raubte ihm sämtliche Kraft. Fast so als würde Catherine es spüren, begann sie von ihrer Arbeit zu erzählen um ihn abzulenken. Sherlocks Lächeln wurde etwas größer, als er hörte mit welcher Begeisterung sie davon sprach. Ihre Stimme war eine halbe Oktave höher, sie sprach schnell, was auf Aufregung hindeutete. Es freute ihn, dass sie glücklich dabei war, auch wenn er das niemals zugeben würde. Sie erzählte von einem neuen Mikroorganismus, den sie entdeckt hatten und den sie gerade charakterisierten. Dafür hatte sie nun eine eigene Forschungsgruppe zugeteilt bekommen und Sherlock musste zugeben, dass er sich für sie freute. Sie verdiente diese Chance. Er hatte wahrlich selten eine solch fähige Wissenschaftlerin gefunden wie sie. Vor allem nicht in diesem jungen Alter. Sherlock musste sich öfters daran erinnern, dass sie erst sechsundzwanzig Jahre alt war. „Du wirst einen tollen Job machen, Catherine.“, lächelte er und sah beinahe schon stolz zu ihr hoch. Catherine hingegen blinzelte und lehnte sich etwas vor. „Woran hast du gerade gedacht, Sherlock?“ Dieser runzelte die Stirn und zog eine Augenbraue hoch. „Du hast so ausgesehen, als hättest du dich an etwas erinnert.“ „Nun, ich habe nur gesehen, was aus meiner nicht ganz so dummen Biologie Studentin geworden ist.“ Er lächelte zufrieden, als Catherine ein wenig errötete und scheu seinem Blick auswich. „Kein Grund rot zu werden, Cath.“, flüsterte er sanft und hob sachte ihr Kinn an, sodass sie in seine Augen sah. „Und was ist aus mir geworden?“ „Eine wunderschöne, liebenswerte, starke, junge Frau mit einem Verstand auf den sie sehr stolz seien kann. Eine Frau mit einem äußerst angenehmen Sarkasmus und mit einer Geduld mit der sie sogar Sherlock Holmes aushält.“ Catherine starrte ihn aus großen Augen an. Es war das erste Mal, dass Sherlock so etwas zu ihr sagte und wieder begann ihr Herz zu rasen. Er hatte sie wahrlich gelobt und er meinte es ernst, dass konnte sie in seinen Augen sehen. „Sherlock…“, stotterte sie völlig überfordert. War es das Fieber, was da aus ihm sprach? Catherine wusste es nicht, doch sie konnte sich nicht erwehren, dass es sich gut anfühlte, dass er sie wertschätzte und offensichtlich als wertvoll erachtete. „Es ist doch nur die Wahrheit, Cath.“, lächelte er. „Das heißt aber nicht, dass du sie auch aussprichst. Du verteilst ja wahrlich selten Komplimente.“ „Ich gebe den Leuten immer eine Antwort auf ihre Frage, wenn sie nicht langweilig sind und sie die Antwort verdient haben. So einfach ist das.“ „Sherlock…“, flüsterte sie sanft. Sie konnte kaum glauben mit wie viel Glück sie diese Worte erfüllten. Sie fing sich allerdings schnell wieder auch wenn der glückliche Ausdruck auf ihrem Gesicht blieb. „Kann ich noch irgendetwas für dich tun?“ „Nein.“, sagte er, doch plötzlich knurrte sein Magen und strafte ihn Lügen. Catherine lachte leise und tätschelte sanft seine Hand. „Ich komme gleich wieder.“ Wenige Augenblicke später kehrte sie tatsächlich mit einer dampfenden Schale deftig duftender Hühnersuppe zurück, die Mrs. Hudson zum warmhalten in die Küche gestellt hatte. Vorsichtig stellte sie die Keramikschale ab, half Sherlock sich aufzusetzen und reichte ihm schließlich die Suppe, welche er begierig leerte. Catherine beobachtete das Schauspiel amüsiert und konnte sich nicht erwehren ihn ein wenig zu necken. „Da war aber einer kurz vorm Verhungern. Warum hast du nicht eher etwas gesagt?“, fragte sie, während sie die Schale auf dem Nachttisch abstellte. „Ich war nicht hungrig!“, widersprach Sherlock entschieden. „Wem willst du das denn weismachen?“, fragte sie augenrollend. „Sherlock, ich kenne dich mittlerweile.“ Sherlock grummelte verstimmt, widersprach dieses Mal allerdings nicht, weshalb Catherine schmunzelte. Sie verschwand kurz in die Küche um die Schale abzuwaschen, kam dann aber wieder. „Du solltest versuchen zu schlafen, Sherlock.“ „Schlafen ist langweilig.“, quengelte er. „Krank sein auch.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Pff…“ Catherine holte tief Luft und versuchte ruhig zu bleiben. „Was willst du dann tun? Aus dem Bett lasse ich dich in deinem Zustand nicht und wenn ich dich fesseln muss.“ „Als ob du das könntest, Catherine.“, schnaubte er. „In deinem jetzigen Zustand rechne ich mir bei diesem Kampf sogar reelle Chancen aus, Sherlock. Ich würde es aber zu gerne vermeiden.“, erklärte Catherine gelassen und ließ sich neben seinem Bett nieder. Dabei ignorierte sie geflissentlich wie er mit den Augen rollte. „Ach Sherlock…“ Sie seufzte leise und traurig. „Sag mir einfach, was ich tun kann, damit es dir besser geht. Ich tu alles, was  ich kann.“ Sherlock drehte sich wieder zu ihr herum und starrte sie einige Zeit lang. Es war für sie nicht schwer zu erkennen, dass er mit sich rang, doch sie wollte ihm wirklich helfen und wartete deshalb geduldig, bis er endlich mit ihr sprach. „Warum tust du das, Catherine?“, fragte Sherlock schließlich und sah sie an, doch sah sich nur mit einem verwirrten Blick konfrontiert. „Ich meine, meine Launen aushalten und…“ „Immer noch nicht verstanden?“, seufzte sie und schüttelte ihren Kopf. Musste man dem brillanten Detektiv wirklich jede Kleinigkeit erklären? Zumindest in dieser Beziehung war er den Menschen um sich herum nicht im Geringsten überlegen, aber es störe ihn nicht und sie ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Es wäre ehrlich gesagt noch frustrierender gewesen, wenn er selbst darin besser wäre.  „Ich tue es, weil ihr beide mir wichtig seid. Das Wichtigste, wenn ich ehrlich bin, und man kümmert sich um die Menschen, die einem wichtig sind, wenn sie krank sind.“ „Trotzdem…“, flüsterte er leise und sah sie beinah mit quälenden Augen an. Catherine lächelte nur sanft auf ihn herab. Er wollte so gerne verstehen, doch wie erklärte man etwas, dass so natürlich wie atmen? Wie erklärte man Gefühle und menschliche Gepflogenheiten, die man seit jüngster Kindheit eingeimpft bekommen hatte? „War das früher bei dir nicht so, als du jung warst?“, fragte sie ruhig und sah einfach zu ihm hinab. „Nun…Mycroft…er…“ Plötzlich verstummte er und blickte zur Seite. Catherine sah ihn einfach nur an und wartete, denn er war gerade dabei etwas preiszugeben, was er wohl noch Niemanden gesagt hatte. Nach einigen Augenblicken jedoch kam es einfach aus ihr heraus. Sie konnte nicht mehr warten, bis er sich endlich durchgerungen hatte. „Hat er sich um dich gekümmert?“ Beinah schien es als würde die offensichtliche Antwort ihm beinahe physische Schmerzen bereitete und sich wie ein Aal wand.  „Schon gut. Du musst nicht antworten.“ Sanft tätschelte sie seine Hand und lächelte. Ihr entging nicht wie er trotz seiner Krankheit sie genau beobachtete und versuchte ihre Gefühlsregungen zu deduzieren. Mittlerweile hatte sie zumindest einigermaßen gelernt die wichtigsten von ihnen zu verstecken. „Ja, er hat sich um mich gekümmert.“, nuschelte er dann schließlich so hastig, dass sie ihn beinah kaum verstand, aber sie tat es dennoch, weil sie ihren Ziehvater mittlerweile gut genug kannte. Sie wusste auch, dass sie besser nichts weiter dazu sagen sollte. „Sogar ziemlich gut.“ //Krankenschwester Mycroft Holmes, na das muss ich mir merken.//, dachte Catherine vergnügt. Nun hatte sie ihre Verteidigung gegen Mycrofts Rache oder Preis- was immer besser passte. Sie grinste in sich hinein und freute sich darauf sich wieder mit ihm duellieren zu können, auch wenn diese doch ziemlich unfair waren. Plötzlich hörte sie wie Sherlock leise lachte und sie blinzelte irritiert. „Was ist so lustig, Sherlock?“ „Man konnte dir ansehen, was du gedacht hast.“, grinste er. „So?“ Sie lächelte ihn verschmitzt an. „Hat man das? Nun, ich glaube das war auch nicht sonderlich schwer zu erraten.“ Die beiden so unterschiedlichen und doch so gleichen Menschen sahen sich an und schmunzelten einfach. So fremd sie sich doch manchmal waren in den Grunddingen verstanden sie sich doch blind. ~*~ Drei Stunden später erwachte John auf seinem erholsamen, wenn auch kurzen Nickerchen. Als er schließlich erneut angekleidet und gewachsen herunterkam, fand er Catherine erledigt, aber zufrieden auf der Couch vor. Sie hörte ihn hereinkommen und drehte den Kopf zu ihm um. Ein kleines Lächeln lag auf ihren Lippen. „Pssst! Unser kleines Sorgenkind schläft.“ „Er schläft?“, wiederholte John ungläubig und starrte sie beinahe wie einen Geist an. Catherine nickte nur, stand kurz auf und schloss leise die Tür, die zu Sherlocks Schlafzimmer führte. „Er ist vor drei Stunden eingeschlafen.“, erklärte sie und erdreistete sich sogar in seinem Sessel Platz zu nehmen. John starrte sie mit offenem Mund an als wäre sie ein Geist oder eine heilige Erscheinung- kam auf den Blickwinkel an. Catherine kicherte amüsiert und nickte. „Wie um Himmels Willen hast du das hinbekommen? Verrate mir dein Geheimnis!“ „Eigentlich habe ich gar kein Geheimnis.“, erklärte sie. „Wir wollten Karten spielen und ich war kurz drüben um die Karten zu holen, weil wohl Sherlock eure für irgendein Experiment gebraucht hatte. Ich habe mich nicht getraut zu fragen was für eine Art von Experiment Spielkarten benötigt.“ John runzelte irritiert die Stirn, beschloss aber nicht weiter nachzufragen. Er konnte sich ebenfalls nicht vorstellen für was für eine Art von Zaubertrick Sherlock Holmes Spielkarten benötigte und wirklich wissen wollte er es auch nicht. Wer weiß wie man diese harmlosen Gegenstände in tödliche Werkzeuge verwandeln kann. „Das kann doch nicht alles sein.“ „Na ja, im Prinzip schon.“ Catherine zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns unterhalten, ich habe ihm von meiner Arbeit erzählt, er hat eine Hühnersuppe gegessen und dann wollten wir halt Karten spielen. Als ich von meiner Wohnung zurückkehrte, schlief er aber bereits schon.“ „Moment, Moment, Moment!“ John hob die Hände und starrte sie an. „Er hat gegessen und sich mit dir unterhalten? Catherine Amell, wo ist Sherlock Holmes und was hast du mit ihm gemacht? Mich hat er nur angeschnauzt und vermutlich gedanklich mit mehreren Voodoo-Flüchen belegt, wenn er daran glauben würde.“ Catherine kicherte amüsiert. „Ich hatte Hilfe.“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche und zeigte John ihre Anruferliste.  „Bei solch prekären Angelegenheiten braucht man jegliche Informationen, die man kriegen kann.“ „Du hast tatsächlich Mycroft angerufen.“, lachte er und lehnte sich näher zu ihr heran. „Gut, erzähl es mir.“ „Neugierig?“, grinste sie. „Und wie!“ „Nun…“, setzte sie an, zog ihre Beine an den Körper, griff anschließend nach einer Wasserflasche und trank einen tiefen Schluck. „Ich solle ein Maidkostüm anziehen.“ „Wie bitte?“ „Nur ein Scherz.“, lachte Catherine. „Das war nur ein Spruch von mir. Mycroft meinte, man müsse Sherlock noch mehr verhätscheln und vergöttern. Die Wünsche von den Augen ablesen, ihn anhimmeln und mich selber demütigen. Da meinte ich bloß, dass ich mir wohl am besten gleich ein Maidkostüm anziehe.“ „Ah ja…und wie hat er darauf reagiert?“ „Bloß gelacht.“ „Oh man, aber ich werde sicherlich keines tragen.“ „Ich auch nicht. Ist mir zu kurz.“, lachte Catherine. „Nun ja, hier ist die wahre Geheimwaffe.“ Erneut kramte sie in ihrer Hose rum, bis sie eine kleine Flippbox hervorzog und sie John zuwarf. Dieser fing sie locker auf und sah sich mit einem Stirnrunzeln das Etikett an. „Sherlock mag Honig-Lutschpastillen?“ „Zumindest hat er es verleugnet, aber als ich es wagen wollte eines zu essen…“ „Hat er Nein geschrien?“, grinste John und seine Augen funkelten. „Genau.“, lachte Catherine und schüttelte nur den Kopf. „Und dann ganz schnell so getan, als würde er sich erbarmen eines zu probieren. Als ob wir ihn nicht durchschauen würden.“ Sie rollte mit den Augen. „Ganz so dumm sind wir nun auch nicht.“ „Nein, aber vertraut darauf, dass wir zumindest so tun, als würden wir sein Spiel nicht erkennen.“ Entspannt lehnte sich Catherine zurück und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. „Das sollten wir auch besser.“, lachte sie und John stimmte mit ein. „Er ist in so vielen Dingen wie ein Kleinkind. Manchmal ist das schon beinahe süß.“ „Ja, er ist wie ein Schuljunge, der rebellieren will.“, grinste ihr Ziehvater und beide versuchten einfach den missmutigen, kranken Sherlock mit Humor zu ertragen. Also nicht viel anders als an normalen Tagen. Plötzlich lief John und Catherine zeitgleich ein kalter Schauer über dem Rücken. Es war als würde die Luft stillstehen und sich kleine Eiskristalle wie Reif über die Möbel ihm Wohnzimmer ziehen. Die beiden Anwesenden erstarrten in ihren Bewegungen und John starrte auf den Türrahmen zu Sherlocks Schlafzimmer. Darunter stand der einzige Consulting Detective. Seine dunklen Locken standen wild zerzaust vom Kopf ab, sodass sie beinahe wie der Schädel Medusa wirkte um den ihre Schädel tanzten. Seine Augen unterstrichen dieses Bild, da sie seine beiden Freunde böse anfunkelten und diese versteinerte. Um seine Schultern hatte er ein weißes Bettlaken wie ein Cape geschlungen. Catherine schluckte schwer. Allein diese eisige, flackernde Aura um Sherlock zeigte, dass er sichtlich verärgert war und ein verärgerter, kranker Sherlock bedeutete die Apokalypse. „Oh…oh…“, murmelte sie nur und beeilte sich schnellst möglich seinen Sessel zu verlassen. Sie spürte förmlich die messerscharfen Blicke von Sherlock in ihrem Rücken. Dann wanderten seine Augen weiter und der Blick purer Vernichtung traf dann John, welcher sich instinktiv zurücklehnte. „Schuljunge, der rebellieren will und…“ Nun hing sein Blick wieder auf ihr und seine Augenbrauen verdeckten beinahe komplett seine Augen. „…Kleinkind.“ „Ähähähä…“, lachte sie verlegen und kratzte sich hinterm Kopf, bevor sie die Hand zum Gruß hob. „Hallo, Sherlock.“ „Oh ja, als ob das funktionieren würde, Catherine.“ Verdammt. Warum muss er auch immer in den unpassendsten Momenten kommen? „Und John…“, fuhr mit gefährlich ruhiger Stimme fort und seine Augen wanderten nach rechts. „Du brauchst gar nicht versuchen dich davonzuschleichen.“ Wie ertappt verharrte John in der fließenden Bewegung.  Er schluckte und drehte sich dann unauffällig wieder in eine normale Sitzposition. „Hatte ich auch nicht vor.“, versicherte er hastig. „Natürlich…“ Sherlock hustete und zog dann theatralisch die Nase hoch. „…nicht.“ „Es war ehrlich nicht so gemeint.“, versuchte Catherine ihn gnädig zustimmen, doch er schnaubte nur missbilligend. „Mhm, schon klar. Genauso wie ignorant positiv gemeint sein kann.“ Seine Augen starrten nun John an. „Himmel Herrgott, das war vor drei Jahren, Sherlock. Hör auf darauf ständig rumzureiten!“ Catherine hingegen war in der Zwischenzeit  aufgestanden, denn sie machte sich sorgen. Sherlock war noch blasser als sie ihn verlassen hatte, seine Augen waren dumpf und er schien äußerst fiebrig zu sein. „Warum bist du aufgestanden, Sherlock?“, fragte sie, als sie vor ihm stehen blieb. „Du hast immer noch hohes Fieber. Du könntest umkippen.“ Er seufzte leise und drehte den Kopf weg. Selbst fürs Diskutieren und Rumnörgeln war er zur schwach. Schöne Bescherung. „Es war langweilig.“, nuschelte er erschöpft. Catherine sah ihn mitfühlend an und strich mit ihrer Hand über sein Gesicht, bis sie schließlich seine Stirn erreichte. Erschrocken zuckte sie zurück und sah ihn mit großen Augen an. „Du glühst ja förmlich, du Vollidiot!“, stieß sie aus und unbewusst klammerten sie sich in die Ärmel seines Seidenpyjamas. „Da kannst du doch nicht einfach aufstehen!“ „Lass mich!“, zischte Sherlock und riss sich los, musste sich dann aber an der Wand abstützten, als sich die Welt zu drehen begann. „Sherlock…“, flüsterte sie bekümmert. Ehe sie es selbst bemerkte, lehnte ihr Kopf gegen seine Brust und sie zitterte. Bewusst war ihr klar, dass sie übertrieb, doch innerlich steckte das Trauma ihrer eigenen Grippe noch in den Knochen und sie machte sich unglaubliche Sorgen um Sherlock. Sie sorgte sich, dass das Fieber ihn schwächen und er umkippen könnte. Sherlock merkte natürlich sofort, dass sie zitterte und plötzlich war all sein Ärger über ihre Späße vergessen. „Cath?“ Hilflos sah er zu John und stand vollkommen steif da. “John, sie zittert.” Der Arzt hingegen seufzte nur und lächelte sanft. „Catherine, so schlimm ist es nicht. Mach dir keine Sorgen!“ Sherlock hingegen blickte verwirrt seinen besten Freund, doch die junge Frau drückte sich nur fester gegen ihn. John hingegen lächelte noch immer sanft und schüttelte den Kopf. „Nicht bemerkt? Sie ist sehr besorgt um dich, Sherlock.“ „Oh…“, flüsterte Sherlock nur, obwohl er noch immer nicht vollkommen verstand. Er stand völlig hilflos im Raum. John puffte ihm leicht gegen den Arm.  „Entweder du umarmst sie jetzt, Sherlock, oder gehst zurück ins Bett.  Catherine hat Angst, dass die Anstrengung und dein Fieber schlimme Konsequenzen haben könnten.“ Sherlock nickte nur abwesend. „Cath…“, flüsterte er sanft und legte etwas ungeschickt die Arme um sie. Vorsichtig lehnte sie sich zu ihr herab und flüsterte in ihr Ohr: „Alles ist in Ordnung. Ich habe nur eine Erkältung.“ „So hat es bei mir auch angefangen.“, protestierte sie. „Cath, das war doch etwas völlig anderes.“, entgegnete er sanft und stupste gegen ihre Stirn. Sie nickte nur geistesabwesend und löste sich von ihm. „Entschuldige.“ Hastig wischte sie sich die Tränen aus den Augen. „Ich weiß, das ist alles dummes Geschwätz. Ich geh nach Hause, bevor ich vollkommenen Schwachsinn rede.“ Gerade als sie sich umdrehte, ergriff Sherlock ihr Handgelenk und hielt sie fest. Irritiert drehte sie sich zu ihm um und er sah ihr tief in die Augen, als wollte er in ihre Seele blicken. „Cath, du bist doch zu Hause.“ Überrascht starrte sie ihn an. Auch John starrte ihn mit derselben Situation an. „Sherlock?“ „Zu Hause ist doch, wo die Menschen sind, die zur Familie gehören, oder, John?“, fragte Sherlock, während er noch immer Catherine mit seinem durchdringenden Blick auf der Stelle fesselte. „So wird es gesagt, ja.“, schmunzelte John amüsiert, als er sah wie Catherine vollkommen erstarrt da stand und Sherlock einfach ungläubig ansah. Dies war so typisch für ihn. Feingefühl kannte Sherlock Holmes nicht. Er kam mit solchen Dingen immer genau dann, wenn man am wenigsten damit rechnete. „Dann ist doch logisch anzunehmen, dass dies hier Catherines Zuhause ist, nicht wahr?“ „Sieht wohl so aus.“, schmunzelte der Arzt und seufzte. „Aber musst du sie gleich überfordern, Sherlock?“ Der Angesprochene lächelte jedoch nur zufrieden und ließ schließlich ihre Hand aus. Catherine jedoch rührte sich noch immer nicht. Sie spürte wie ihr Herz bis in ihrem Halse schlug, doch ansonsten war ihr Gedanken wie leergefegt. „Mei---Mein Zuhause?“, stotterte sie ihm deshalb völlig irritiert nach. „Wirklich?“ „Aber natürlich, Cath.“ Catherine starrte ihn einfach nur an. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sherlock Holmes sah sie wirklich als Teil seiner Familie. Sie war angekommen. Sie war akzeptiert. Salzige Tränen stiegen in ihre Augen und schnell wandte sie sich ab um sie wegzuwischen. Sherlock hingegen starrte sie leicht panisch an, als er ihre Tränen sah und fühlte sich überfordert. Warum weinte sie? War es nicht das, was sie sich wünschte? Sonst hatte er keinerlei Probleme alles was in ihrem Leben vorging zu deduzieren, doch was wirklich in ihr vorging konnte er wahrlich nicht verstehen. Hilfesuchend wandte er sich an seinen besten Freund. „Freudentränen?“ John schmunzelte nur amüsiert, nahm ein Stück Zeitung und begann zu lesen. „Jepp.“ Erleichtert atmete Sherlock aus und wandte sich wieder Catherine zu, die ihn noch immer verdattert anstarrte. „Sherlock…“, flüsterte sie leise mit gesenktem Blick. „Ja?“ „Bitte, leg dich wieder hin!“ Vorsichtig legte sie eine Hand auf seine Brust und war erleichtert, als er nicht zurückzuckte. „Bitte, du musst dich ausruhen.“ Für einige Momente wollte Sherlock widersprechen. Er hasste es im Bett zu liegen und nichts tun zu können, doch als er Catherines bittende Augen sah, seufzte er und gab schließlich nach. Sofort begannen ihre Augen wieder zu strahlen und sie flüsterte nur ein erleichtertes Danke. Sherlock nickte ihr nur zu und ging dann langsam in sein Zimmer zurück. Catherine sah ihm nach und atmete erleichtert aus. John hingegen schmunzelte noch immer amüsiert hinter seiner Tageszeitung. „Alles gut?“ „Ich bin…“ Sie stand noch eine ganze Weile da, blinzelte irritiert und seufzte. Schließlich ließ sie sich wieder in den Sessel fallen. „Nur noch ein wenig überfordert um ehrlich zu sein.“ „Du warst wirklich besorgt wegen Sherlock?“ Gelassen faltete John seine Zeitung wieder zusammen, legte sie beiseite und sah Catherine musternd an, die diesmal seinem Blick standhielt. Sie nickte und rieb sich die Hände zwischen ihren Knien. „Ich weiß, dass es übertrieben war, aber in dem Moment hatte ich Angst ihn wieder zu verlieren und…“ Sie schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. John indessen hob eine Augenbraue und betrachtete sie eingehender. Er kannte seine kleine Tochter gut genug um zu wissen, dass dies Anzeichen eines inneren Kampfes waren. „…wieder allein zu sein.“ Diese Worte trafen ihn wie ein Schlag und ihm wurde plötzlich kalt. Jetzt erst verstand er das Verhalten von ihr, was er vorhin eher mit Amüsement betrachtet hatte. Nie hätte er gedacht, dass diese Befürchtungen weit tiefer reichten, als er vermutet hatte und ihm wurde erst jetzt bewusst wie sehr sie unter dem Traumata dieser Jahre noch immer litt, obwohl schon drei Jahre vergangen waren. „Du wirst nie wieder alleine sein, Catherine.“, flüsterte er schnell. Seine Kleine blickte schließlich auf und in ihre Augen spiegelten sich eine unendliche Traurigkeit und eine zerbrechliche Verletzlichkeit. Sein Hals schnürte sich bei diesem Anblick zu und er musste schwer schlucken. Plötzlich fühlte er sich schuldig. „Es tut mir so unendlich leid, dass ich für dich nicht da war als Sherlock…nun, tot, war, aber das wird nie wieder passieren. Du wirst nie mehr allein sein, Catherine, das verspreche ich dir.“ Für quälend lange Sekunden starrte sie ihn an. Er hoffte inständig, dass sie ihm vergeben würde. Er hatte sie damals wahrlich nicht vergessen wollen. Es war schlichtweg passiert und er schämte sich dafür. Während er sich vor Schmerz verkrochen hatte, hatte er ganz vergessen, dass auch andere unter dem Verlust von dem größten Detektiv der Welt litten. „John…“ Leise stand sie auf, ging zu ihm und umarmte ihn. „Ich habe doch gesagt, du sollst dich deswegen nicht grämen. Wir haben es beide nicht gekonnt. Er hat uns zu sehr beeinflusst.“ Diese sanft geflüsterten Worte überraschten John und berührten sein Herz, dennoch nagte die Schuldgefühle an ihm. Er hätte für sie da sein sollen und nun hatte sie ihm sogar verziehen. Manchmal war Vergebung schwerer zu verkraften als Wut. „Das ist trotzdem keine Entschuldigung.“ Er sah sie aus seinen dunklen Augen an, doch die Trauer war aus Catherines Augen verschwunden. Stattdessen blickte er in den heiligen Glanz von Güte, die ein Mädchen in diesem Alter noch nicht besitzen sollte. „Ich könnte dir genau dasselbe vorwerfen.“, flüsterte sie leise, während sie ihren Kopf auf seiner Schulter bettete. „Ich war auch nicht für dich da.“ „Catherine…“ „Damals…“, fuhr sie ungerührt fort. „…wollte ich am liebsten wegrennen. Ich wollte die Wahrheit nicht hören. Ich hatte solche Angst, dabei hätte ich für dich da sein müssen.“ „Catherine, es war schon in Ordnung.“ „Siehst du?“ Catherine hob ihren Kopf und sah ihn ernst an. „Das, was ich getan habe, war in Ordnung, aber nicht was du getan hast? Obwohl es genau das Gleiche war?“ „Nein, war es nicht.“, widersprach er ihr. „Ich hatte meinen Glauben an unsere Freundschaft. Aber was war mit dir Catherine? Er hatte dich zu deinem Schutz verstoßen und du warst völlig auf dich alleine gestellt.“ „Ich weiß, aber das hatte nichts mit dir zu tun und es war notwendig.“ Was keiner von den beiden ahnte war, dass Sherlock die Tür zu seinem Zimmer nur angelehnt hatte und jedes einzelne Wort mit anhören konnte. Erschrocken von diesen Worten drehte er sich um, zog sich die Decke über seinen Kopf und starrte an die Wand. „Natürlich…“, sagte unterdessen John. „…aber ich hätte gerade deshalb für dich da sein müssen. Ich habe gewusst, weshalb er dich verlassen hatte, aber du nicht. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es für dich gewesen sein muss.“ „Du hast es mir doch erzählt, John.“, beschwichtigte sie ihn sanft und umarmte ihn fester. Sie wollte wirklich nicht, dass John sich wegen ihr grämte. Ihn traf keinerlei Schuld an dem, was passiert war. Sie liebte ihren Ziehvater viel zu sehr dafür. „…und ich habe immer geahnt, dass etwas hinter diesem Verhalten steckte. Dafür wart ihr alle zu merkwürdig. Ganz so dumm bin ich nicht, John.“ John seufzte nur und lächelte sie sanft an. „Nein, das bist du wahrlich nicht.“ Catherine erwiderte sein Lächeln und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke, John. Für alles.“ „Jederzeit.“ „Ich geh wieder nach dem Patienten sehen. Du kannst dich noch etwas von deiner  drei Tage Schicht erholen.“ Vergnügt lächelte sie ihn an und stand auf um ihre Arme zu strecken. „Und lustiger Weise würde ich wieder freiwillig drei Tage übernehmen, wenn du nicht wärest. Du scheinst ihn ja eh besser im Griff zu haben.“ Amüsiert lächelnd stützte er die Hände auf seinen gefalteten Händen ab. „Tja, kannst du mal sehen.“ Sie schnalzte und drehte sich um. „Ach, Catherine?“ „Ja?“ „Herzlich willkommen in der Familie.“, grinste er sie an und sie rollte nur mit den Augen als Antwort, lachte dann aber. „Ich weiß nicht, ob ich mich auf die Familienfeste freuen soll.“ „Warte bloß das Weihnachtsessen ab.“ Vergnügt zwinkerte John ihr zu und Catherine kicherte. „Ja, ich habe die Geschichten vom letzten gehört.“ Noch einmal lächelte sie John aufmunternd zu, doch dann ging sie schließlich in das Schlafzimmer von Sherlock. Es war erst das zweite Mal, dass sie in seinem Zimmer war und da er sie nun nicht gerufen hatte, nahm sie sich kurz die Zeit im Türrahmen stehen zu bleiben und das Zimmer eingehend zu betrachten. Die Abendsonne drang durch das Fenster, welches in den Innenhof schaute und bloß den Blick auf Stille preisgab. Ein Baum wog sich in der scharfen Brise eines winterlichen Sturms. Catherine kam nicht umher zu bemerken, dass der Raum sehr praktisch und für Sherlocks Verhältnisse aufgeräumt war. Es enthielt einen Schrank, einen Sessel, ein Bücherregal, welches von alten Büchern nur so überquoll. Sie lächelte. Sie liebte solche alten Bücher und vor allem deren Geruch. Generell hatte dieser Raum etwas Uriges und Altes. Die Möbel, der Teppich, der Geruch und die Atmosphäre als herrschte hier eine andere Zeit, eine andere Epoche. Sein gerahmtes Exemplar des Periodensystems war das einzige Kunstwerk in diesem Raum. Sie blickte nach links zu dem großen Bett in dem sich Sherlock unter seinem weißen Laken verkrochen hatte. Über dem Kopfende hing sein Diplom für einen asiatischen Kampfkurs. Catherine war nicht hundertprozentig sicher, ob die Schrift chinesisch oder koreanisch war und sie konnte somit nicht sagen, ob es sich um Taekwondo, Judo oder Karate handelte. Seine Urkunde über seinen Uniabschluss war vermutlich irgendwo zwischen den Seiten dieser Bücher und vergraben unter den unzähligen Dokumentenstapeln. Catherine vermutete, dass Sherlock sich nicht viel aus diesem Abschluss machte, da dieser nur mittel zum Zweck war um seiner wahren Berufung nachzugehen. Sie lächelte leicht. Ja, dieses Zimmer passte wahrlich zu Sherlock. Leise ging sie zu seinem Bett und kniete sich davor nieder. Sie schloss die Augen und lauschte auf seine Atmung um herauszufinden, ob er schlief. Stattdessen schlug er seine Augen auf, doch er sah sie noch immer nicht an. „Oh, du bist wach.“, flüsterte sie und legte eine Hand auf das Laken hinter seinen Rücken. Langsam drehte er sich um und starrte ihr tief in die Augen. Seine grau-blauen Augen hingen auf ihr und es lag einen Schimmer in ihnen, die sie bisher selten zuvor gesehen hatte. Er irritierte sie, da sie nicht genau wusste, was er bedeutete. „Ist etwas?“, fragte sie deshalb leise und irritiert. Sherlock hingegen schloss wieder die Augen und flüsterte mit schwacher Stimme: „Was habe ich euch nur angetan?“ Catherine sah ihn überrascht an. Solch einen Tonfall hatte sie noch nie gehört. Seine sonst so gefasste, ruhige Stimme, die sie immer beruhigte, sobald er mit ihr sprach, klang so weit entfernt und beschämt. Sie blinzelte und starrte weiterhin in seine Augen. Sie wusste, dass Sherlock es nicht gefallen hatte, was er hatte tun müssen, doch sie hatte stets gedacht, dass er rational damit umging. Es war notwendig gewesen und somit richtig. Dass er darunter litt, hätte sie nie gedacht. Vielleicht lag es aber auch nur an seiner Krankheit. Männer wurden da ja bekanntlich gerne wehleidig. Schließlich seufzte sie dennoch leise, als er ihrem Blick auswich. Sie lehnte sich mit den Rücken gegen sein Bett und rann sich durch die Haare. „Das ist jetzt doof.“, stieß sie aus. Sherlock lachte nur bitter und ließ sich schnaufend auf seinen Rücken nieder. „Untertreibung des Jahrhunderts.“ „Sherlock, du hast es getan um uns zu beschützen.“ Musste sie heute wirklich alle beruhigen und beschwichtigen? Manchmal kam es Catherine so vor, als wäre sie die einzige Erwachsene in dieser verdammten Straße. „Ohne dich wären wir tot.“ „Alles nur wegen mir. Ich habe euch noch in diese Welt gebracht.“ „Nein, Sherlock.“, widersprach sie ihm streng. „Ich wäre auch tot, selbst wenn ich dich niemals kennengelernt hätte.“ Sherlock erstarrte vor Schock und auch Catherine hielt inne. Sie hatte nie darüber nachgedacht, auch jetzt nicht, doch jetzt bemerkte sie wohl, dass ihr das unterbewusst längst klar gewesen war. War sie vielleicht deshalb nur so loyal? Schnell schüttelte sie ihren Kopf. Darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Verdammt, diese seltsame Stimmung in dieser Wohnung machten sie krank. Wann würde dieser grausame Schatten sie jemals allein lassen? Die Antwort lag in der Frage. Es war ein Schatten und diese verschwanden nie. Diese unbeschwerte Fröhlichkeit war für immer verschwunden. „Es ist doch so…“, fuhr sie den Gedankengang fort. „Selbst wenn ich dich nie kennengelernt hätte...Irgendwann hätte ich die Dokumente von Jeffrey gefunden und dann wäre ich für die Serben nicht mehr von Nutzen gewesen und hätte mich der Bioangriff nicht umgebracht, so hätten sie mich während der Entführung getötet.“ Sherlock schwieg weiterhin. Er wusste nicht was er sagen sollte. Ehrlich gesagt hatte er das nie bedacht und das wurmte ihn.  Catherine drehte sich um und lächelte ihn leicht an. Somit verdankte sie Sherlock gleich mehrfach ihr Leben. „Trotzdem…“ Sie seufzte und schüttelte ihren Kopf. Immer dieses Selbstmitleid. „Du hättest einfach gehen können. Er hätte dich nicht gehindert. Du hättest einfach vom Dach gehen können und sie wären alle gestorben. Nicht hätte dich daran gehindert außer die Bindung, die ihr zueinander hatte. Welcher Soziopath hätte das getan, Sherlock?“ „Schon, aber…“ Nun drehte sich Catherine endgültig um und legte den Kopf auf das Laken, wo sich sein Profil abzeichnete. Sie schloss die Augen, doch Sherlock rührte sie nicht. Schließlich zog sie sich zurück und gab auf. Offensichtlich wollte er keine Vergebung, ebenso wenig wie John, obwohl dieser es besser versuchte zu verbergen. Als ob Catherine sie zwingen könnte und wollte. Sie hatte keine Vergebung zu verschenken und wer sie nicht wollte, sollte sie auch nicht bekommen. „Ich könnte dich eh nicht überzeugen, egal was ich sagen würde.“ „Nein, wahrscheinlich nicht.“, antwortete Sherlock langsam. Zumindest war er ehrlich. „Ich kann dir nur sagen, dass ich dir dankbar dafür bin. Im Nachhinein zumindest. Danke, dass du mein Leben gerettet hast, Sherlock. Zwei Mal…“ Sherlock nickte nur, sprach aber ansonsten nicht. Sie stand auf und ignorierte den leichten Schmerz, der ihre Eingeweide verkrampfen ließ. Sie wollte nicht wieder grübeln. „Ich lasse dich dann in Ruhe.“ „Bis nachher, Cath.“, flüsterte er nur, als Catherine ging und das Licht in seinem Zimmer löschte. Auch dieses Mal fühlte es sich für Sherlock an, als würde sie sich mit diesem Schritt aus seinem Zimmer weiter von ihm distanzierte. Generell erschien es ihm so, als hätte sie sich seitdem sie von ihrem Auslandsaufenthalt erfahren hatte, immer weiter von ihm distanziert. Hatte sie vielleicht doch das normale Leben schätzen gelernt und wollte von seinem gefährlichen nichts mehr wissen? Er schloss die Augen und drückte seinen Kopf tiefer in das Kissen. Er musste sich etwas einfallen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)