Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 39: Gefunden -------------------- Hi. Wow. 13 Kommis auf einen Teil. Neuer Rekord! Danke euch allen für die lieben Rückmeldungen. ^.~ @Liirah: Danke für alles. ^^ Tja, die Frau ist eben einem Joey Wheeler und seinem schnellen frechen Mundwerk nicht gewachsen. Kaiba hatte immerhin schon einige Jahre, um sich daran zu gewöhnen. Man sollte es der armen Dame also verzeihen, wenn sie sich von ihm so an die Wand reden lässt. Mit Sicherheit ist sie so ein Verhalten von den sonstigen Besuchern in diesem gediegenen Unternehmen auch nicht gewohnt - das macht es dann nochmal so schwer, entsprechend darauf zu reagieren. @Primavera: Inzwischen habe ich dir die Kapis ja geschickt. Ich hoffe, du wurdest für die Wartezeit entsprechend entschädigt. ^^ Gewehrt? Gegen wen? Gegen den netten Herrn mit Sake? Oder gegen Seto? Aber siehst du, dann haben Joey und du ja was gemeinsam. So kleine 'Ticks' wie das Wippen o.ä. wird man eben nur schwer los, da es meist unterbewusst passiert. @hammamoto: Jup. Die Konfrontation folgt nun auf dem Fuße. ^.~ @KC8: Ich sehe schon, alle Leser kennen mich inzwischen und wissen, dass es nur Seto sein kann, der in eine solche prekäre Situation hereinplatzt. @LeyGreywolf: ^_^ Ertappt. Hier wäre ich auch gern schon weiter, aber ich freue mich eben über Kommis und es ist auch eine sehr gute Gelegenheit, alle Kapis nochmal auf Fehler durchzusehen, bevor ich sie hier veröffentliche. ^.~ Außerdem veröffentliche ich hier schneller. Wenn wir ff eingeholt haben, wird es hier auch nur noch wöchentlich sein. Was die Rechner in Setos Büro anbelangt kann ich nur von mir sprechen... mein Notebook ist immer nur auf Standby und geht sofort an, samt Desktop etc., sobald ich den Deckel wieder hochklappe. Immerhin will ich nicht immer ewig warten, bis alles startet. Und auch in dem Büro, in dem ich drei Jahre gearbeitet habe, wurden die Rechner nur einmal am Tag hochgefahren und zwischendurch nicht wieder runtergefahren, wenn man mal den Raum verlassen hat. *schulternzuck* @Lunata: Da liegst du in jedem Fall richtig. Joey IST ein guter Schauspieler. Immerhin: 5000 Jahre und viele Leben Übung. Da wird man das wohl zwangsläufig. Obwohl er diese Fähigkeiten ja auch schon in Ägypten hatte. Bin gespannt, was du vom nun folgenden Vorhaben von Seto hältst. ^_^ @Rockryu: Streiterei? Meinst du? Wo doch beide so vernunftbegabte Menschen sind. *G* @KFutagoh89: Mal sehen, ob du dir das Folgende auch denken konntest. *g* @Closer: Tjaja... manchmal muss man gemein sein. ^_^ Aber immerhin ist das kommende Kapitel ja auch eines der Wichtigsten. ^.~ Da verzeihst du mir den kleinen Cliffhanger doch sicherlich. *liebguck* @PenzenMiura: *g* Du hattest mir deinen Kommi gleich 5mal veröffentlicht. Ich hoffe, du bist mir nicht bös, dass ich die anderen vier gelöscht habe. ^.~ Interessant, dass es noch mehr Menschen gibt, die mit einem 'Ich hasse dich' mehr anfangen können als mit einem 'Ich liebe dich'. Aber du hast Recht. Auch in meiner Umgebung... Meine beste Freundin, als sie meinen Freund und mich das erste Mal zusammen erlebte, reagierte sehr ... irritiert. ^.^* Arme Sekretärin. Gleich feuern? Hab Erbarmen. Die hatte noch nie mit Joey zu tun. ^.~ @Shakti-san: *GGG* Schmerzensgeld? Klage? Die Klage nehme ich gern in Kauf. Außerdem ist lachen doch angeblich so gesund. Da solltest du mir eher Geld zahlen - das spart zahlreiche Arztbesuche und Therapiestunden auf der Couch. ^.~ Was für eine Frage: Streiten natürlich. Immerhin sind das Seto und Joey. @Anju: *grübel* Wenn du mich so fragst... ich denke, was nun folgt, ist ein bisschen was von beidem. _______________________________________________________________________________ Sein Gesicht wurde kalkweiß, während er auf die Gestalt sah, die soeben das Büro betreten hatte. Langsam, mit ruhigen, gelassenen Schritten, kam Kaiba auf ihn zu. Sein Gesichtsausdruck war für Joey schwer zu deuten. Bar jeder Emotionen sah er auf den Blonden hinter seinem Schreibtisch. Was mochte er von ihm denken? Das Bild, das er abgeben musste – hier, im Büro von Kaiba, an seinem Laptop, ohne sein Einverständnis – war eindeutig miss zu verstehen. Joey dachte nach. Beim letzten Mal, als Kaiba ihn für einen Saboteur gehalten hatte, hatte er unter anderem einen derben Schlag in die Magengrube erhalten. Es war eindeutig besser, sich vorerst außerhalb der Reichweite des Firmenchefs aufzuhalten – zumindest für die nächsten zwei bis drei Monate. Mit jedem Schritt, mit dem Kaiba sich ihm näherte, versuchte er, gleich einem Spiegelbild, in die entgegengesetzte Richtung auszuweichen. Auf diese Weise drehten sie sich einmal um den Schreibtisch. Nur wenige Sekunden nach seinem Eintreffen, stand Kaiba an derselben Stelle, an der Joey kurz zuvor noch gehockt hatte. Ohne ein Wort zu sagen, tippte der Computerbesitzer sein Passwort in den Rechner, ehe er sich aufrichtete und fordernd seine Hand ausstreckte. „Die Festplatte.“ Stocksteif stehend, holte Joey die Festplatte wieder aus seinem Rucksack. Noch immer arbeitete sein Verstand fieberhaft und versuchte, eine Lösung für das ganze Dilemma zu finden, in das er sich selbst hineinmanövriert hatte. Immerhin bestand noch immer die geringe Möglichkeit, dass Kaiba ihm vielleicht doch zuhörte und ihm glaubte, dass seine Absichten ehrlicher Natur waren. Der Blonde schluckte. Er hatte schlichtweg nicht damit gerechnet, dass Kaiba hier auftauchen würde. /Ja. Warum sollte er auch hier auftauchen? Immerhin ist das hier ja nur sein Büro. Quasi sein zweiter Wohnsitz. Wie oft kommt er da schon hin?/, konnte er sich, in einem Anflug von Galgenhumor, des sarkastischen Gedankens nicht erwehren. Der Kern des Ganzen war allerdings, dass Kaiba sich um diese Uhrzeit eigentlich vier Etagen weiter unten im Besprechungsraum aufhalten müsste. Das zumindest hatte sein Informant ihn wissen lassen. Weiterhin hielt Joey seinen Rucksack fest umklammert. Zögernd setzte er einen halben Fuß vor den anderen, setzte zum Sprechen an… Konnte er es überhaupt erklären? Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er sich durch sein eigenes Verhalten in den letzten Wochen bereits so in Widersprüche verstrickt hatte, dass der Größere ihm schwerlich glauben würde. Im Gegenteil untermauerte diese Aktion von ihm eher seine vorgefasste Meinung, ein Saboteur zu sein. Was auch immer für ein Grund hinter seinem plötzlichen Überfall auf dem Galaabend gesteckt haben mochte – nach dieser Aktion würde so etwas sicher nicht noch einmal vorkommen. Selbst wenn er versuchen würde, es ihm zu erklären, wie wahrscheinlich war es, dass Kaiba ihm jetzt noch glaubte? Sein Mund schloss sich wieder. Der rechte Fuß, welcher sich eben noch in die Richtung von Kaiba bewegt hatte, schlug nun die entgegengesetzte Richtung ein. Es war besser, hier zu verschwinden. Der Firmenchef hatte inzwischen die Festplatte angeschlossen und durchsuchte die kopierten Dateien. Der rechte Fuß wechselte sich mit dem linken ab, während Joey Schritt für Schritt das Weite suchte. Den Braunhaarigen ließ er dabei keine Sekunde aus den Augen. Dieser sah nicht auf, bemerkte aber seinen Fluchtversuch. „Wo willst du hin?“, erkundigte er sich beiläufig, während er weiter interessiert die Daten durchsah. Augenblicklich blieb Joey stehen. „Du bist mir eine Erklärung schuldig, denkst du nicht?“ Kaiba sah auf. Seine eisblauen Augen durchbohrten den Blonden mit unerschütterlicher Entschlossenheit. Entschlossenheit für was? Joeys Interesse daran, das unbedingt in diesem auf einmal sehr viel kleiner wirkenden Büro herausfinden zu wollen, hielt sich in Grenzen. Ein weiterer kleiner Schritt. Die Tür kam näher. Er musste Zeit gewinnen. Kaibas deplatzierte Bemerkung bot ihm eine entsprechende Angriffsfläche. „Seit wann interessieren dich meine Erklärungen?“, erkundigte er sich sarkastisch in Gedenk an ihre letzte Begegnung in seiner Firma. Das Gespräch und sein angriffslustiger Unterton sollten Kaiba ablenken, doch er konnte spüren, dass sein unterschwelliger Ärger über die damalige Situation sich ungewollt in seinen Worten widerspiegelte. Ein Stich fuhr durch die Brust des Braunhaarigen. Ein Punkt für Joey. Doch dieser bekam von seinem kleinen Sieg nichts mit, denn Kaiba ließ nicht locker. „Versuch es.“ Nur noch zwei Meter bis zur Tür. „Als wenn du mir glauben würdest.“ Höhnisch sah Joey in seine Richtung. Angriff war die beste Verteidigung. Die Klinke war in greifbarer Nähe. Kaiba richtete sich auf und musterte den Anderen. Die Tür in seinem Rücken würde ihm nichts nützen. Er hatte heute nicht den ganzen Tag auf Joey gewartet, um ihn jetzt einfach entkommen zu lassen. Für den Fall, dass Joey sich schon am Vormittag auf den Weg machte, hatte er sich die meiste Zeit des Tages im Überwachungsraum aufgehalten. Da Tome inzwischen ungeduldig wurde, wie der Blonde es ‚Ryuu‘ berichtet hatte, war ihm klar, dass Joey diese Chance nicht ohne Weiteres verstreichen lassen konnte. Er musste zugeben, dass er sich nicht entgehen lassen wollte, wie Joey in sein Büro zu gelangen gedachte. Immerhin war er bisher immer davon ausgegangen, dass niemand so einfach in der Lage war, bis zu ihm vorzudringen. Zahlreiche Sicherheitssysteme riegelten das Gebäude bei Nacht hermetisch ab. Am Tage musste man zunächst am Sicherheitspersonal, an der Empfangsdame und an seiner Sekretärin vorbei. Ganz zu schweigen davon, dass es nur einen einzigen Fahrstuhl in diesem Gebäude gab, der direkt mit seiner Etage in Verbindung stand. Ein, wie er dachte, nahezu unüberwindbares System. Mit spielender Leichtigkeit und zwei Pizzen in der Hand, hatte Joey ihn eines Besseren belehrt. Wieder einmal. ‘Die einfachen Ideen sind oft die besten‘, hatte Jono einmal zu ihm gesagt. /Offenbar/, stellte Seto fest, /lebt er noch immer nach diesem Prinzip./ Und er hatte Recht behalten. Immerhin waren es simple Kleinigkeiten und eine gehörige Portion Dreistigkeit, mit denen es ihm gelungen war, sich nahezu ungesehen Zutritt zu verschaffen. Die Kappe mit dem Aufdruck irgendeines Pizzalieferanten hatte sein Gesicht vor den Kameras verborgen. In Anbetracht dessen, dass wohl in jeder Firma zu dieser Zeit der ein oder andere Lieferservice ein und ausging, war die Verkleidung gut gewählt. Weder der Wachmann noch er selbst konnten den Pizzaboten zunächst auf den Bildschirmen entdecken. Obwohl vorbereitet auf sein Kommen, hatte er ihn erst im Aufzug erkannt – und auch das nur durch eine winzige Kleinigkeit. Joeys Angewohnheit, im Sportunterricht leicht mit den Füßen zu wippen, bevor das Startsignal gegeben wurde, war ihm schon früher aufgefallen. Es erstaunte ihn selbst, dass er Joey anscheinend schon damals unbewusst so genau beobachtet und jede kleine Besonderheit registriert hatte. Wie er allerdings darüber hinaus in den vierten Stock gelangen konnte, ohne von seinem Sicherheitspersonal oder der Empfangsdame aufgehalten zu werden, galt es erst noch in Erfahrung zu bringen. Eine Idee hatte er jedoch auch diesbezüglich bereits im Hinterkopf. Belustigt und mit zugleich stetig wachsendem Respekt, hörte er über die Lautsprecher, wie der Blonde Frau Ishimizu vollständig aus dem Konzept brachte und sie erfolgreich mit den zwei Pizzen ablenkte. Zwischen dem Eintritt Joeys und dem Verlassen des Büros, um Pizzen zu erwärmen stand kurz die Überlegung im Raum, ob er der Frau kündigen sollte. Letztlich wäre das allerdings kontraproduktiv. Seine Sekretärin hatte einen Fehler gemacht. Er würde sie zu gegebener Zeit noch einmal an ihren hauptsächlichen Arbeitsauftrag erinnern – ihm lästige Leute vom Hals halten – und ihr zu verstehen geben, dass sie ihren Job demnächst wieder gründlicher zu machen hatte. Jede neue Sekretärin könnte ohne diese Erfahrung schlichtweg erneut überrumpelt werden. Zudem spielte sie mit ihrer Unaufmerksamkeit heute nicht nur Joey in die Hände, sondern auch ihm. Mit dem Betreten seines Büros, löste Kaiba sich von dem Bildschirm und machte sich selbst auf den Weg. Kurz zuvor hatte er die Kameraüberwachung in seinem Büro eigenhändig abgeschaltet. Er brauchte keine ungewollten Zuschauer oder Zuhörer bei dem, was er mit Joey besprechen würde. Niemand sonst hatte Zugriff auf das Sicherheitssystem in seinen Räumen innerhalb der Kaiba Corporation. Umso ärgerlicher war es, dass erst ein kleiner blonder Streuner ihm vor Augen führte, dass er das Sicherheitssystem in Zukunft besser auch tagsüber aktivierte, um ungebetene Besucher jedweder Art zu vermeiden. Nur ein paar Minuten, nachdem der Blonde es betreten hatte, erreichte er selbst die entsprechende Tür. Gerade noch rechtzeitig, wie er bemerkte, nachdem er einen ersten Blick auf die kleine Gestalt hinter seinem Schreibtisch geworfen hatte. Diese verstaute bei seiner Ankunft gerade seine Festplatte. Noch wenige Sekunden zuvor hatte sein Kopf bereits alle möglichen nun kommenden Szenarien durchgespielt. Wie würde er es ihm sagen? Wie würde er reagieren? Waren seine Schlussfolgerungen wirklich richtig – liebte er ihn noch? Er hatte ganze Firmen übernommen und Verhandlungen mit den wichtigsten Wirtschaftsgrößen Japans geführt noch bevor er 16 war. Dennoch konnte er ohne Zweifel sagen, dass dies das schwerste Gespräch werden würde, das er je geführt hatte. Nie zuvor war er so nervös gewesen. Doch sobald er Joey dort auf dem Boden hatte knien sehen, war all das verflogen, trat in den Hintergrund. Mit dem Klicken des Schlosses breitete sich eine tiefe innere Ruhe in ihm aus und er glaubte, WUSSTE, dass er das Richtige tat. Nur ein Rest Unsicherheit, wie er anfangen wollte, war geblieben. Daher gab er zunächst seiner Neugierde den Vorzug. Ihn interessierte, ob Joey tatsächlich seine Passwörter geknackt hatte – letztlich eine reine Formsache, da er dem Blonden inzwischen alles zutraute, sei es auch noch so abwegig. Eine kurze Überprüfung der Festplatte bestätigte seine Vermutung. Hätte es sich anders verhalten, wäre er vermutlich enttäuscht gewesen. Er musste unbedingt ein ernstes Wort mit seinen Technikern reden. Von wegen, eine 16stellige Buchstaben-, Zahlen- und Zeichenkombination würde seinen Rechner schützen! Mit ein paar einfachen Befehlen beendete er die Datensuche wieder und fuhr seinen Rechner herunter. Nachdem seine Neugierde befriedigt war, atmete er ein letztes Mal tief durch. Nun kam der schwierige und hoffentlich auch erfreuliche Teil. Jono war schon früher nicht leicht aus der Reserve zu locken gewesen. In seinem Leben als Joey schien sich das, so viele Geheimnisse wie der Blonde unausgesprochen mit sich herumtrug, noch gesteigert zu haben. /Hündchen, eigentlich hast du dich kaum verändert. Wenn ich es recht bedenke, musste man dir schon früher alles aus der Nase ziehen – zumindest solange es um dich selbst ging. Wenn man überhaupt etwas über dich erfahren hat, dann nur über Umwege./ Zufrieden dachte er an Herrn Shimata, Herrn Sakumoto, Herrn Harumoto und seinen kleinen Bruder, welche ihm vieles verraten hatten, was Joey selbst lieber für sich behalten hätte. Selbst Haiko Kirian hatte seinen Beitrag geleistet, indem er ihm von der Anwesenheit Joeys erzählt hatte. Vielleicht sollte er ihm ein paar Blumen in das Krankenhaus schicken? Weiße Lilien sollten ja am Bett eines Kranken wunderschön aussehen. /Nein. Um Kirian werde ich mich später kümmern. Jetzt gibt es Wichtigeres./ Sein Herz machte einen für einen Kaiba sehr unangemessenen kleinen Sprung, als er daran dachte, sein Hündchen endlich wieder in die Arme schließen zu können. Heute würde er ihn nicht mehr entkommen lassen. Belustigt bemerkte er, dass Joey inzwischen die Tür erreicht hatte. Den für den Bruchteil eines Augenblicks entgleisendem Gesichtsausdruck des Blonden nach zu schließen, hatte er auch schon erkannt, dass er sorgfältig abgeschlossen hatte. Frustriert und deutlich auf der Suche, ihm zu entkommen, sah Joey sich um, ließ sich aber nichts weiter anmerken. Offenbar wollte er um alles auf der Welt ein Gespräch mit ihm vermeiden. Ungesehen von Joey, griff Kaiba tastend in die zweite Ablage auf seinem Schreibtisch, ehe er hinter dem Schreibtisch hervortrat. Gekonnt fing er den suchenden Blick des Blonden mit seinen eigenen Augen ein und verhinderte so, dass Joey das kleine Buch in seiner Hand bemerkte. „Weißt du, Joey…“ Der Angesprochene zuckte kaum sichtbar zusammen, als die Stille, die zwischen ihnen entstanden war, so plötzlich unterbrochen wurde. „… du bist ziemlich schlau.“ Der Firmenchef beobachtete den Anderen genau. „Ach? Woher die plötzliche Erkenntnis?“, wollte dieser spöttisch wissen. Kaiba war zufrieden. Genau, was er erwartet hatte. Ein Hund, den man in die Ecke getrieben hatte, würde ebenfalls anfangen zu bellen. Der Blonde war da keine Ausnahme. /Aber Hunde, die bellen, beißen ja bekanntlich nicht./ Immerhin - mit einem Joey im Angriffsmodus konnte er umgehen. „Nun, fangen wir damit an, dass du dich unerkannt in meine Firma schleichen konntest. Wobei ich immer noch überlege, wie du in den Nebentrakt gelangt bist.“ „Chipkarte. Dein Reinigungspersonal ist nachlässig.“ Erleichtert atmete Kaiba auf. Offenbar hatte Joey es aufgegeben, ihn täuschen zu wollen. Das war ein Anfang. „Ganz zu schweigen davon, dass du dir Zugang zu meinem Rechner verschafft hast. Du hast meine Passwörter geknackt…“ „Jedes Kind kann sich heute ein Programm dafür runterladen“, ließ Joey ihn verächtlich wissen. Inzwischen war Seto ihm gefährlich nahe gekommen. Suchend sah er sich nach links und rechts um, und probierte noch einmal, die Tür zu öffnen. Doch vergebens. Dieser Arsch hatte ihn doch tatsächlich in seinem Büro eingesperrt! „Ja“, stimmte Kaiba ihm zu, „aber diese Programme sind nicht in der Lage auch mein Sicherheitssystem zu umgehen.“ „Immerhin habe ich lange genug in der Firma gearbeitet.“ „Richtig, was mich zum nächsten Punkt bringt. Du hast meine Programmiersprachen gelernt.“ „Kunststück.“ „Kunststück, in der Tat. Für jeden anderen, der sie lernen möchte. DU hingegen, hast… wie lange dafür gebraucht?“ „5 Tage.“ Verblüfft sah Kaiba ihn an. „Ich dachte eine Woche?“, entschlüpfte es ihm unwillkürlich. „Der Mensch muss zwischendurch auch schlafen“, ließ Joey ihn mit bissigem Unterton wissen. Real gesehen hatte er tatsächlich nur 5 Tage gebraucht, um sich das erforderliche Wissen anzueignen. Dass die Sprachen in einem für ihn gut durchschaubaren logischen System aufgebaut waren, erleichterte ihm das Erlernen. Sein fotografisches Gedächtnis hatte den Rest erledigt. Aber er würde den Teufel tun, Kaiba in diesem Augenblick auch noch für seine gute Arbeit bei der Entwicklung dieser Programmiersprachen zu loben! Stattdessen sah er Kaiba abschätzend an. „Du hast dich über mich erkundigt.“ „Sicher. Immerhin hat man nicht jeden Tag einen Saboteur im Haus“, gab Seto unumwunden zu. Wenn er die Fragen von Kaiba richtig einschätzte, musste er davon ausgehen, dass er inzwischen eine ganze Menge über ihn herausgefunden hatte. Der Firmenchef war ebenfalls nicht auf den Kopf gefallen. Er war sicher, dass der Braunhaarige die richtigen Schlüsse gezogen hatte. Herausfordernd reckte er sein Kinn nach vorn. Inzwischen stand der Größere direkt vor ihm. Ungewollt strömte ihm sein einzigartiger Geruch in die Nase. Wie immer in seiner Nähe, reagierte sein Körper augenblicklich. Unsichtbar für Kaiba, begann sein Herz schneller zu schlagen. „Und? Was hast du sonst noch herausgefunden?“, scheinbar interessiert und sich selbst zur Ordnung rufend, sah er zu ihm auf. Er musste sich unbedingt ablenken. „Du meinst außer, dass du nicht so schwer von Begriff bist, wie du allen immer weismachen willst?“, erkundigte sich Kaiba. Joey stritt es nicht ab. Von allen Dingen, die bei der routinemäßigen Beschaffungen von personenbezogenen Daten am schnellsten zugänglich waren, standen Zeugnisse ganz oben auf der Liste. Kaiba war skrupellos - wenn er etwas wollte, würde er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um es zu bekommen. Unzweifelhaft hatte er den starken Einbruch seiner Noten nach der Grundschule bemerkt. Von einem Einser-Schüler zu einem konsequenten Vierer-Schüler zu werden, ohne erkennbaren Grund, war für ihn mit Sicherheit auffällig. Frau Kurami hatte immerhin bereits vor ein paar Monaten dieselben Schlüsse gezogen. Gepaart mit den Auskünften über seine Arbeit in der Firma, die er sich von Nici eingeholt haben musste, ergab sich für jeden guten Beobachter ein eindeutiges Bild. Und Seto Kaiba zählte eindeutig zu dieser Gruppe von Menschen. „Was noch?“, erkundigte er sich erneut. „Nun, unter anderem“, hypnotisierend langsam hob er seine Hand, „ist mir nicht entgangen, dass ich dich zu Unrecht beschuldigt habe.“ Noch bevor der Firmenchef wie geplant seine Handfläche auf Joeys Wange legen konnte, hielt dieser ihn mit seiner rechten Hand zurück. Noch einmal würde er einer solch sanften Berührung von Kaiba nichts entgegenzusetzen haben. Seine seit Jahren mühsam aufgebaute Immunität war seit dem Galaabend auf ein Minimum geschrumpft. Er wollte dem Firmenchef nicht noch mehr verraten, als er ohnehin schon zu wissen schien. „Welch weitreichende Erkenntnis, nachdem du mich vor allen Mitarbeitern als Saboteur bezeichnet und mich aus deiner Firma geworfen hast. Von dem Schlag in den Magen ganz zu schweigen.“ Ernst sah Kaiba ihn an, versuchte aber nicht, sein Handgelenk aus Joeys Hand zu lösen. „Es tut mir leid.“ Er war überrascht, wie leicht es ihm mit einmal fiel, diese vier kleinen Worte auszusprechen. Doch er war froh, es endlich gesagt zu haben. Nach all dem, was der Kleine für ihn getan hatte, war dies etwas, was schon lange überfällig war. Joeys Verteidigung wankte. Mit einer Entschuldigung hätte er nicht gerechnet. Nicht von Kaiba. Dennoch war er nicht glücklich darüber. Sein verletzter Stolz machte sich bemerkbar. Er wusste, dass es kindisch war, so zu reagieren, war Kaibas Glaube an ihn doch das, nach was es ihm im Innern die ganze Zeit verlangt hatte – doch er konnte sich nicht länger zurückhalten. „Das fällt dir reichlich früh ein!“ Der Firmenchef reagierte gelassen. „Was schwerlich nur meine Schuld ist. Du hättest es mir erklären können.“ „Das habe ich getan. Du wolltest meine Erklärung nicht hören.“ „Seit wann gibst du so schnell auf?“ „Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Dich anschreien?“ „Das wäre zumindest ein Anfang gewesen. Verdient hätte ich es“, gestand Kaiba zur Verwunderung Joeys ein und brachte ihn damit endgültig aus dem Konzept. Heute reagierte Kaiba an keiner Stelle so, wie er es tun sollte… Und das, obwohl er gerade so schön in Fahrt gewesen war! Es war einfach… komplett verrückt! Kaiba entschuldigte sich nicht nur bei ihm – er gab auch noch zu, dass er sich geirrt hatte. /Habe ich etwas verpasst? Den Weltuntergang vielleicht? Irgendwas stimmt hier nicht. Das geht alles zu… glatt./ Misstrauisch sah er den Anderen an. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Noch nie hatte Seto Kaiba ihm gegenüber einen Fehler eingestanden. „Ich… Du…“ Nur zusammenhanglose Worte verließen seinen Mund. „Sprachlos, Hündchen?“ Das kurz aufblitzende selbstgefällige Lächeln ließ Joeys Wut erneut hochkochen. Zähneknirschend sah er zu ihm auf. Der ganze angestaute Frust und die Enttäuschung darüber, dass Kaiba ihm dieses Verhalten überhaupt zugetraut hatte, ließen sich nicht länger zurückhalten. „Wisch dir das Grinsen aus dem Gesicht, Kaiba! FAKT ist, EGAL ob ich dich angeschrien, dir Briefchen geschrieben oder dich an einen verdammten Pfahl gebunden hätte, damit du mir zuhörst, DU hättest mir NIE geglaubt.“ „Wahrscheinlich nicht“, gab Kaiba unumwunden zu. Er hatte es inzwischen mehr als nur einmal bereut, den Jüngeren verdächtigt zu haben. Doch seiner Ansicht nach hatte Joeys Verhalten seiner Zeit auch nicht sonderlich dazu beigetragen, ihn etwas anderes glauben zu lassen. „Wie bitte sollte das deiner Meinung nach auch möglich gewesen sein? DU hast dich über MONATE in der Firma aufgehalten, OHNE mir etwas zu sagen. In der Schule streiten wir uns ANDAUERND. Außerdem hast du dich mehr als nur einmal mit mir angelegt. Wie bitte soll man da wissen, dass du einem HELFEN willst, statt zu sabotieren?!“ Joey hielt die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, zurück. Kaiba hatte Recht und er wusste es. Er hatte ihm keinen Anlass gegeben, ihm zu vertrauen – nicht in diesem Leben. Scheiße! Das war alles so verdammt… frustrierend! All diese Gefühle, die Kaiba vor vier Wochen in ihm hervorgerufen hatte, und nun nahm er ihm einfach den Wind aus den Segeln und damit auch seine einzige Möglichkeit, sich abzureagieren. Betretene Stille folgte. Ihm wurde bewusst, dass er noch immer das Handgelenk des Braunhaarigen umklammert hielt. Als hätte er sich verbrannt, ließ er den Anderen los. Schmunzelnd betrachtete Kaiba den von dem festen Griff befreiten Körperteil. Als wolle er prüfen, ob alle Glieder noch funktionsfähig waren, öffnete und schloss er die Hand mehrmals, ehe er wieder auf den Jüngeren sah. „Danke. Ich brauche meine Hand nämlich noch.“ Abschätzend besah Joey sich den roten Abdruck seiner Hand auf dessen Arm. „Man kann auch mit links schreiben.“ /Wie immer. Nie um eine Antwort verlegen/, stellte der ehemalige Hohepriester fest, während sein Blick liebevoll über das Gesicht des Kleineren glitt. „Ja, aber ich brauche zwei Hände, um dich festzuhalten, mein Hündchen.“ Diesen Spitznamen hatte der Blonde schon lange nicht mehr gehört. Doch er hatte nicht vor, darauf zu reagieren. Sich desinteressiert gebend, starrte er an Kaiba vorbei zur gegenüberliegenden Fensterfront. „Wozu? Du hast die Tür doch eh abgeschlossen? Was übrigens jeder Richter als ‚Freiheitsberaubung‘ verurteilen würde“, stellte er sachlich fest und flüchtete sich damit in ihr übliches Geplänkel. Kaibas Worte hatten ihn verunsichert. Er konnte unmöglich das meinen, was sein Herz in diesen verdammten Satz hineininterpretieren wollte – mehr als alles andere. Kaiba ging auf das Ausweichmanöver ein. Wenn auch nur kurzzeitig. „Das macht gar nichts. Das Kopieren von geheimen Firmendaten fällt unter ‚Industriespionage‘. Da macht jeder Richter eine Ausnahme, wenn der Dieb bis zum Eintreffen der Polizei an einer Flucht gehindert werden soll“, konterte Seto selbstgefällig. „Du irrst dich, ich habe nichts geklaut. Die Festplatte befindet sich noch immer in deinem Besitz“, wurde er umgehend berichtigt. „Ja. Weil du nicht schnell genug warst, um rechtzeitig zu entwischen.“ „Das ließe sich ändern“ „Die Tür ist abgeschlossen“ „Du hast den Schlüssel.“ „Um den zu bekommen, müsstest du ihn dir schon mit Gewalt holen.“ „Das lässt sich einrichten.“ Trotzig sah Joey nun doch zu ihm auf. „Das würdest du nicht tun.“ Eine Feststellung. „Lass es darauf ankommen.“ Mit blitzenden Augen ballte der Blonde seine rechte Hand zur Faust. Noch immer voller Selbstvertrauen, schüttelte Kaiba den Kopf. „Du könntest mich nie verletzen.“ Ein stechender Schmerz in der Brust. Joey zuckte zusammen. Beinahe glaubte er, den Hohepriester von damals vor sich zu sehen. Immerhin waren diese Worte… Damals, als er kaum in der Lage gewesen war, sein eigenes Wesen unter Kontrolle zu bekommen… Seine größte Angst hatte immer darin bestanden, jemanden… IHN… zu verletzen. Er hatte es Seth gesagt. Doch Seto Kaiba konnte das unmöglich wissen. War es möglich, dass… Nein. Er atmete tief ein. Beruhigte seinen Geist. 5000 Jahre Übung ließen es nicht zu, dass seine Gesichtszüge auch nur eine Regung zeigten, als er die leise Ahnung als Wunschdenken abtat und in die hinterste Ecke seiner Seele verbannte. „Was macht dich da so sicher?“, erkundigte er sich ausdruckslos. „Nun, unter anderem, dass du dann dein begehrtestes Modell verlieren würdest“, erklärte Seto. Der selbstgefällige Unterton des Größeren ließ Joey aufhorchen. Überrascht sah er auf die linke Hand des Firmenchefs, die er bis jetzt unbeachtet gelassen hatte. Mit Schrecken musste er mit ansehen, wie Kaiba damit begann, scheinbar interessiert in einem Skizzenbuch zu blättern. In SEINEM Skizzenbuch! Reflexartig sprang er vor, um es dem Größeren zu entreißen. „Wo hast du das her?!“ Kaiba hatte mit seiner Reaktion gerechnet, ließ das Buch fallen und fing Joeys Hände geschickt ein. Den Schwung ausnutzend, mit dem Joey in seine Richtung gehechtet war, zog er ihn in seine Arme. Sich mit Händen und Füßen wehrend, wollte Joey sich wieder losreißen. Ein kurzes Gerangel entstand, an dessen Ende sicher beide Kontrahenten mehr als nur einen blauen Fleck ihr eigen nennen durften. Doch es half alles nichts. Seto hatte den Kleineren fest im Griff – selbst als dieser verärgert die Zähne zusammenbiss und sich wie ein Aal in seinen Armen wandte. Ein Lachen schwoll in Kaibas Brustkorb an. Der Wunsch, Joey bis zur Weißglut zu ärgern, war offenbar eine Eigenschaft, die er erst in seinem Leben als Seto Kaiba entwickelt hatte. Und er genoss sie in vollen Zügen! Der Jono von früher war oft über die Maßen beherrscht gewesen und hatte im Gespräch mit ihm meist – es sei denn er hatte sich ihm hingegeben - einen kühlen Kopf bewahren können. Doch auch das schien sich in den letzten 5000 Jahren verändert zu haben. Seto Kaiba/Seth hatte nichts dagegen. Grinsend betrachtete er sich die Befreiungsversuche des Blonden. Nur selten in den letzten Jahren, hatte er so viel Freude verspürt, wie in diesem Moment. Er liebte ihn! Sein ganzes widerspenstiges, freches Wesen. Jetzt und für immer. Und es war an der Zeit, dass Joey das auch erkannte. „Lass mich los!“, forderte dieser aufgebracht und erhitzt von dem Versuch, sich zu befreien. Früher wäre es kein Problem für ihn gewesen, sich aus dem Griff des Größeren zu lösen. Sein Körper war allerdings längst nicht so trainiert wie damals. In dieser Position war Kaiba ihm inzwischen überlegen und konnte ihn ohne allzu große Mühe am Weggehen hindern. Heißer Atem perlte über seine Haut, als dieser ihm einen liebevollen Kuss auf seinen Nacken drückte. Inzwischen stand er mit dem Rücken an den Firmenchef gelehnt, seine Arme vor der Brust gekreuzt und von Kaiba festgehalten. Er hatte ihm jede Chance, sich zu wehren, genommen. Verschnürt wie ein Paket, gab es keine Möglichkeit der warmen Brust des Anderen zu entkommen. Warum tat Kaiba das? Hatte er seine Zeichnungen von ihm gesehen? Wollte er sich über ihn lustig machen? Tränen der Wut stiegen in seine Augen. Er wollte das alles nicht mehr! Schon vor Jahrhunderten hatte er sich damit abgefunden, dass Seth ihn niemals wiedererkennen, ihn nie mehr lieben würde – obwohl er es einst geschworen hatte. Nun so in seinen Armen zu liegen, seinen Herzschlag an seinem Rücken zu spüren, war nichts weiter als Folter, nichts weiter als Qual für ihn. „Lass mich los“, bat er leise, flüsternd. „Lass mich los!“ Doch statt seine Bitte zu erfüllen, zog Kaiba ihn noch dichter an sich. Drückte ihn an seinen Oberkörper. Atmete leise ein und aus, so dass sein Atem sanft über seine Haare strich. „Nie mehr, Joey. Nie mehr. Ich sagte dir doch: Ab jetzt werde ich dich mit beiden Händen festhalten.“ Ein weiterer liebevoller Kuss auf seinen durcheinandergewirbelten Haarschopf folgte. Die Kappe des Pizzaboten war ihm bei dem Handgemenge längst vom Kopf gerutscht. „Weißt du…“, begann Seto leise, flüsternd, „ich habe mich immer gewundert, warum du dich für Anubis als Schutzgott entschieden hast. Wo Bastet doch auch so gut zu dir gepasst hätte, meine kleine Wildkatze.“ Joeys Glieder versteiften sich. Kaiba sagte nichts. Er wartete, bis seine Worte in den Kopf des Blonden vorgedrungen waren. Da er Joey an seinen Handgelenken festhielt, konnte er spüren, wie sich dessen Puls schlagartig erhöhte. Der schmale Körper hörte auf, sich zu winden, verharrte in Bewegungslosigkeit. Seine Worte waren angekommen. Ein unkoordiniertes Zittern erfasste den Blonden. Vorsichtig löste er seinen Griff. Der Kleinere bewegte sich nicht. Ihn sicherheitshalber dennoch weiter leicht an den Schultern berührend, drehte er ihn langsam zu sich. Zärtlich nutzte er seinen Zeigefinger, um ein paar der Tränen aus Joeys schreckgeweiteten Augen zu streichen. Kein Blinzeln verriet, dass er diese Geste bewusst wahrnahm. „Ich liebe dich, Jono.“ Gleich einem Donnerschlag brachten diese Worte wieder Leben in die Augen des Anderen. Auf das, was nun kam, war Seto allerdings nicht vorbereitet. Nur einen Augenaufschlag später hatte er bereits eine Faust in seinem Magen, zwei weitere in seiner rechten Seite sowie in seinem Gesicht. „DU ARSCHLOCH!“, schrie Joey ihn aus vollem Hals an. Einen vierten, fünften und sechsten Schlag konnte er gerade noch abwehren. Nach Luft schnappend, sah Kaiba auf den zitternden Körper vor sich. Offenbar hatte der Kleinere seine Bewegungslosigkeit recht schnell überwunden. Nun, er hatte auch früher schon eine bedauernswert rasche Auffassungsgabe besessen. Die geballte Faust an der Seite, brach eine wahre Sintflut von Tränen aus dem Blonden hervor. Allein dieser Anblick ließ Seto alle eben zugefügten Schmerzen vergessen. Weder Jono noch Joey waren jemals nahe am Wasser gebaut gewesen – selten hatte er den Blonden weinen gesehen. Er gab zu, er wusste schlicht nicht, wie er sich verhalten sollte. Ein Gefühl von hilfloser Überforderung breitete sich in ihm aus. Unter allen von ihm bedachten Möglichkeiten, wie Joey auf sein ‚Ich liebe dich, Jono‘ hätte reagieren können, waren weder ‚Schläge in den Magen‘ noch ‚Kinnhaken‘ in Erwägung gezogen worden. Mit einem wütenden Joey konnte er umgehen. Auch ein weinender Joey sorgte bei ihm nur bedingt für Probleme. Aber ein wütender UND weinender Joey, der ihn obendrein auch noch verprügelte, stellte ihn vor ein wahres Rätsel. Aber wer wusste schon, auf welch merkwürdige Art der Blonde in seinem neuen Leben seine Liebe ausdrückte? Schniefend und noch immer am ganzen Körper zitternd, versuchte Joey ihn aus rot geweinten Augen nieder zu starren. „Du hast dir verdammt lange Zeit gelassen“, ließ sein Hündchen ihn endlich wissen. Seto Kaiba/Seth ging ein Licht auf. Er atmete auf. Auf Joeys Reaktion bedacht, immerhin würde eine geschwollene Wange am nächsten Morgen vollkommen ausreichen, trat er vorsichtig näher. Belustigt aufstöhnend, zog er Joey in seine Arme. Der Blonde ließ es widerstandslos geschehen. „In Ordnung. Du hast gewonnen. Ich gebe zu, in diesem Punkt habe ich mich geirrt. Du KANNST mich verletzen. Und das offenbar ohne größere Probleme.“ „Ich hasse dich“, konnte er murmelnd an seinem bereits vollkommen durchnässten Anzug vernehmen. Beruhigend strich er Joey über den Rücken. „Ich weiß.“ „Ich hasse dich.“ „Ich weiß.“ Immer wieder versicherte Joey ihm, wie wenig er ihn leiden könne und wie sehr er ihn verabscheue, während er sich zugleich zitternd an ihn klammerte. „Ich hasse dich!“, stellte Joey abermals fest. Nach dem siebenundzwanzigsten Mal wurde es Kaiba dann doch zu bunt. „Weil du nicht ohne mich leben kannst“, stellte er unumwunden klar. Mit verweinten Augen und erfolglos nach einer Möglichkeit suchend, wütend auszusehen, sah Joey auf. „Du irrst dich. Das konnte ich all die Jahre ganz ausgezeichnet.“ Ihm war egal, dass er sich gerade anhörte wie ein trotziges Kind. Breit grinsend nickte Kaiba zu dem noch immer vereinsamt am Boden liegenden Skizzenblock. „Ja, so ausgezeichnet, dass du deine Augen nicht von mir wenden konntest. Oder warum sind da so viele Zeichnungen von mir drin?“ „Zum Stressabbau. Wenn das Buch voll ist, wollte ich es in Gedenk an dich verbrennen“, klärte ihn der Blonde voller Starrsinn auf. „Das wäre aber viel zu schade. Wo ich doch in manchen deiner Bilder so überaus sexy aussehe.“ Es stimmte. Joey hatte an Tagen, an denen er allzu sehr mit der Sehnsucht zu kämpfen gehabt hatte, Seth aus seiner Erinnerung heraus auch nackt gezeichnet. Das letzte Bild dieser Art war nach ihrem gemeinsamen Bad in Kaibas Pool entstanden. Wie hätte er sich auch die Gelegenheit entgehen lassen können? Einen Seto mit einem vollkommen durchnässten und am Oberkörper klebenden T-Shirt, bekam man immerhin nicht allzu oft zu Gesicht. Und einen Fotoapparat hatte zu dem Zeitpunkt niemand zur Hand gehabt. Das einzige, was übrig blieb, war sein photographisches Gedächtnis, mit dessen Hilfe er all die Muskelstränge, die sich unter dem T-Shirt abgezeichnet hatten, später auf Papier gebannt hatte. Trotz dieser offensichtlichen Beweise, stritt er die Tatsachen weiter rundheraus ab. „Du solltest dich untersuchen lassen. Offenbar leidest du an einer besonders schweren Form der hoffnungslosen Selbstüberschätzung.“ Schniefend wischte er sich mit dem Ärmel seines T-Shirts die Augen trocken und nahm gleichzeitig dankend ein blütenweißes Stofftaschentuch von Kaiba entgegen. „Ich glaube nicht. Und ich beweise es dir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)