Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 30: Theater ------------------- @Lunata: Tjahjah... Egal, wie erwachsen Seto sich aufführt, man sollte nie vergessen, dass er körperlich gesehen noch im denkbar besten Alter steckt. Da kann so eine kleine Berührung gekoppelt mit zahlreichen Träumen, die noch weiter führen, zu diversen... Komplikationen im unteren Bereich führen. ^.~ Was die Tome Corporation angeht, dauert es (kapitelhalber gesehen) noch etwas. Alles rund um die Corporation läuft eigentlich im zeitlichen Rahmen von nur ein paar Wochen ab (so 2 oder 3), aber das vergisst man eben schnell, da meine Kapis ja nur 1-2mal die Woche neu sind. ^.~ Ich hoffe, du kannst dich noch ein wenig gedulden. *smile* @Rockryu: Jup. Der Schularzt ist der Spion, aber deshalb hat er ja auch gewartet, bis der wieder weg ist, bevor er sich Joey genähert hat. ^.~ Dumm ist Seto ja nicht. *g* Wenn auch sein Denken ansonsten, was den Kleineren anbelangt, eher dazu geneigt ist, auszusetzen. Du hast das schön beschrieben... mit dem Heiligen und so... besonders die Stelle mit dem 'nicht egoistisch' gefällt mir am besten, da es die Sache ziemlich auf den Punkt bringt. *g* Davon mal abgesehen *smile* ... wie viele Heilige kennst du denn so? Ich meine, wenn du sagst, dass sich ein Heiliger für gewöhnlich nicht prügelt etc... *GGG* @Primavera: *fragend guck* Warum rollst du denn gerade durch die Gegend? ^_^ Jono und 'Syrier' verkloppen? *lach* Na mal sehen, ob deine Vermutung stimmt. Und Seth ohne Stab hat auch Einiges drauf - bitte nicht unterschätzen! ô.o Für Atemu war es mit Sicherheit eins von Beidem. Wahrscheinlich aber eher wie Kino. Immerhin bleibt er bewusst als stiller Beobachter am Rande, was er ja beim ersten Mal nicht getan hat, indem er sie auf die Reise schickte. ^.~ Allen Lesern viel Spaß beim Weiterlesen. ________________________________________________________ ~~~~~~~~~~ Seth und die anderen vier Soldaten gingen bereits seit einer halben Stunde alle möglichen Strategien durch. Dem Hohepriester war bewusst, dass er den angedachten Sandsturm nicht lange würde aufrecht erhalten können. Sie würden es lediglich schaffen, sich unbemerkt in die Oase zu schleichen. Im Kampf selbst, würde er mit einem Sandsturm auch den eigenen Leuten die Sicht nehmen und sie so eher behindern. Zudem war er ohne seinen Milleniumsstab nicht in der Lage, den Sturm so genau zu steuern, dass am Ende das Wasser der Oase noch frei von Sand wäre. Und wenn das Wasser erst verschüttet war, stände die Karawane vor denselben Problemen wie jetzt. Dennoch wurde sein Vorschlag von den anderen dankend angenommen. Gemeinsam berieten sie über weitere Möglichkeiten, wie sie gegen dreißig Syrier bestehen könnten. Ihnen allen war klar, dass sie nicht mit der Hilfe der Frauen und Kinder rechnen konnten. Die Männer der Karawane waren jedoch durch die tägliche Arbeit stark und kräftig. Jono hatte vollkommen recht gehabt, als er behauptet hatte, dass jeder Bauer damit vertraut war, sich gegen Überfälle zur Wehr zu setzen. Vor allem in den Grenzgebieten hatte man gelernt, sich und sein Hab und Gut zu verteidigen. Lediglich die Erschöpfung durch den langen Marsch durch die Wüste hatte die Männer etwas von ihrer Kraft einbüßen lassen. „Wenn wir mit ihnen gemeinsam arbeiten, sind wir immerhin zwanzig Männer. Damit stehen die Chancen schon mal nicht mehr ganz so schlecht“, stellte Aziz fest. „Ich selbst bin mit meinen Fähigkeiten ebenfalls in der Lage, mehr als nur einen Mann zu töten. Ich muss nur nah genug an sie heran kommen“, gab Seth zu bedenken. Der Hohepriester kannte seine Macht und er würde nicht davor zurückschrecken, diese Macht auch einzusetzen. Doch sie hatte ihre Tücken. Gleichwohl der Gott der Wüste und des Todes ihm diese Kraft verliehen hatte, hatte er doch geschworen, Leben zu erhalten, statt es zu nehmen. Ein übermäßiger Missbrauch von Magie konnte einem Priester leicht zum Verhängnis werden. „Schone deine Kräfte, Priester. Einen solchen Kampf gewinnt man nicht mit Stärke.“ Alle wandten sich dem Blonden zu, welcher unvermutet wieder zu ihnen gestoßen war - in seiner Hand ein kleines Bündel tragend. „Ach, und womit dann?“, erkundigte sich Yanis bissig. „Mit Angst.“ Verblüfft über diese Antwort sah Ilai ihn an. Indes traten hinter dem Heeresführer mehrere Männer der Karawane in ihre Runde. Erklärend deutete Jono auf die entschlossen aussehenden Viehtreiber. „Diese Männer sind in der Lage eine Keule zu führen. Sie werden mit uns zusammenarbeiten. Ich habe ihnen bereits anvertraut, dass wir keine reisenden Bauern sind und uns auf die Handhabung von Waffen verstehen.“ Scharf zog Ilai die Luft ein. Das Treffen solch eigenmächtiger Entscheidungen lag nicht in Jonos Befugnissen. Doch ein einmal angerichteter Schaden konnte nun nicht wieder gut gemacht werden. „Jono, was bildet Ihr Euch…“, setzte er an, wurde aber rüde mit einer schnellen Bewegung der Hand zum Schweigen gebracht. „Uns fehlt die Zeit für den Austausch solcherlei Höflichkeiten.“ Bestimmend griff Jono in das Bündel und teilte die bisher versteckt gehaltenen Waffen an die anderen aus, ehe er fortfuhr, das Kommando zu übernehmen. „Seth, als Priester bist du in der Lage, einen Sandsturm zu erzeugen. Ich nehme an, dass es sich mit ein paar simplen Staubwolken ähnlich verhält?“ „Simpel?“ Seths rechte Augenbraue rutschte bedenklich nach oben, während er die Arme vor der Brust verschränkte. Nur für ihn sichtbar, verdrehte Jono die Augen, sagte aber nichts. Der Hoheproester ahnte, dass Jono den anderen Männern nur die Hälfte der Wahrheit erzählt hatte. Priester gab es wie Sand im Nil und nicht wenige davon waren Magiebegabt. Sein Amt öffentlich zu machen, würde zu keinem nennenswerten Schaden führen, da umherziehende Priester keine Seltenheit in Ägypten waren. „Ich denke, das müsste sich bewerkstelligen lassen“ Als hätte er nichts anderes erwartet, fuhr Jono fort. „Wir werden uns den Verlauf der Sonne zu Nutze machen. Wenn wir bald aufbrechen, haben wir die Sonne genau im Rücken. Diese Männer hier“, er deutete abermals auf die Männer der Karawane, “werden uns helfen das Vieh in Richtung der Oase zu treiben.“ „Und was bitte, soll das ganze Theater bringen?“, erkundigte sich Elias voller Skepsis. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, worauf das alles hinauslaufen sollte. „Genau das: Theater.“ Mit Unverständnis in den Augen sahen die anderen ihn an. Lediglich die Viehtreiber schienen bereits in den Plan eingeweiht worden zu sein und verzogen keine Miene. „Nun, ich drücke es mal so aus: Fünf Männer und ein wenig Vieh können die Syrier kaum dazu bringen, in Panik auf und davon zu laufen. Was aber fürchten Syrier mehr als alles andere?“ Aziz musste nicht lange nachdenken. „Die Armee des Pharaos.“ „Richtig. Und wir werden diese Armee sein.“ Zweifelnd sahen seine Weggefährten den Blonden an. Zwei von ihnen waren überzeugt, dass er in den letzten Stunden zu wenig Wasser erhalten habe. Einer hielt ihn schlicht für dumm. Die verbleibenden zwei begannen zu verstehen und dachten nach. „Das könnte klappen. Mit Hilfe meiner Kraft sollte es mir gelingen, die Staubwolken, die von den Rindern erzeugt werden, noch zu verdichten. Von weitem könnte es, wenn wir die Rinder breit laufen lassen, tatsächlich wie die Staubwolke einer Armee wirken.“ „Selbst, wenn wir sie damit nicht komplett verschrecken können, sollte die kurzzeitige Verunsicherung ausreichen, uns genügend Zeit zu verschaffen um ins Lager einzudringen. Wenn wir erst drin und die Syrier durch den Haufen aufgeschreckter Rinder auseinander getrieben sind, sollte es uns ein leichtes sein, sie zu besiegen“, ergänzte Ilai. Zweifelnd sah Aziz ihn an. „Selbst wenn Seth die Staubwolke verdichtet, werden sie doch noch immer nicht davon ausgehen, dass ein Teil der Armee des Pharaos in diesem Teil Ägyptens marschiert.“ Ein Funkeln trat in die Augen von Jono. „Das werden sie. Dafür sorge ich.“ Offensichtlich hatte Jono noch einen weiteren Schachzug geplant, welchen er den anderen jedoch vorerst nicht verraten wollte. Interessiert betrachtete Seth das zweite kleine Bündel, welches noch immer fest in der anderen Hand von Jono lag. Der Hohepriester ahnte inzwischen, wie Jono sich mit seinen jungen Jahren bereits bis zum Heerführer hatte hocharbeiten können. Offensichtlich waren ihm dabei nicht nur seine Fähigkeiten im Kampf sondern auch sein strategisches Denkvermögen zu Gute gekommen. Interessiert verfolgte er, wie indes die dritte wichtige Fähigkeit, die ein Heerführer haben musste, seine Wirkung tat: Die Kraft der Überzeugung. Selbst Yanis, welcher kurz zuvor noch nahe daran gewesen war, den Jüngeren zu ermorden, erhob keine weiteren Einwände. Seths Blick wanderte weiter zu Ilai. Offensichtlich hatte auch er, als eigentlicher Anführer ihrer Gruppe, die bezwingende Autorität Jonos, ohne es selbst zu bemerken, widerspruchslos anerkannt. Seth konnte es ihm nicht verdenken. Die gesamte Präsenz des anderen hatte sich verändert. Selbst er konnte sich der Macht seiner Worte kaum entziehen. Jono hatte offenbar eine ganz eigene Art von Magie in sich. „Wir sollten sofort losziehen. Die Frauen und Kinder lassen wir mit ein paar Männern zu ihrem Schutz und mit ein paar Nahrungsmitteln hier. Wir schicken später einen Boten aus, um sie nach zu holen.“ Mit diesen letzten Worten wandte Jono sich um. Wie Ilai wenig später bemerkte, war wohl auch der Rest der Karawane bereits mit allem einverstanden und hatte sich zum Weiterlaufen bereit gemacht. Verblüfft betrachtete er den jungen Rekruten. Erst nachdem der Blickkontakt unterbrochen war, schien ihm klar zu werden, dass der junge Mann inzwischen vollständig das Kommando übernommen hatte und den Männern der Karawane ihre Plätze zuwies. Noch während der Kommandant darüber nachgrübelte, wie es möglich war, dass ein Rekrut, der bis vor kurzem noch gegen ein Vorgehen gegen die Syrier gewesen war, nun eigenmächtig die Führungsrolle übernahm – und er sich selbst ohne Widerworte übernehmen ließ – marschierten sie los. Bereits nach der Hälfte des Weges begann Seth seine Macht zu wirken. Es dauerte, ehe er alle Wüstenwinde so weit in seine Gewalt gebracht hatte, dass sie sich seinem Willen beugten und sich lenken ließen. Besorgt sah er ein ums andere Mal zu den Rindern, welche die Gefahr des bevorstehenden Sturmes ebenfalls spürten. Ihre Triebe sagten ihnen, dass sie sich in der Nähe einiger Felsen Schutz suchen sollten. Die Treiber hatten, je mehr Sand sich unter den Wind mischte, große Schwierigkeiten, die Rinder weiter zu drängen. Dass sie einige Männer zum Schutz der Frauen zurückgelassen hatten, machte ihre Aufgabe nicht leichter. Für Seth war es schwierig, das richtige Maß zu finden. Der Sandsturm musste dicht genug sein, um die Schemen der Rinder zu verbergen, durfte diesen aber gleichzeitig nicht zu viel Angst machen. „Schaffst du es?“, erkundigte sich Jono, welcher von ihm unbemerkt an seine Seite getreten war. „Ich weiß es nicht. Die Viecher haben Angst. Es dürfte für die Treiber schwierig werden, sie weiter in die richtige Richtung zu treiben, solange ich uns mit dem Sandsturm decke.“ Nachdenklich sah Jono in Richtung des Felsgesteins. Schließlich hellte sich sein Gesicht auf. „Mach dir darüber keine Gedanken. Wir bekommen Hilfe.“ Verblüfft sah Seth sich um. Für einen Moment flaute der Wind ab, da seine Konzentration ganz von Jono in Anspruch genommen wurde. Doch dieser erklärte seine Aussage nicht weiter, sondern stellte ihm stattdessen eine Frage: „Alle Kräfte dieser Welt, lassen sich mit Angst bewegen. Vor was haben Rinder Angst?“ Bezeichnend in Richtung des dichten Sandtreibens blickend und dabei leicht die Augen schließend, widmete Seth sich wieder seiner Arbeit. „Einem Sandsturm.“ „Vor was haben sie noch mehr Angst?“ Verständnislos zuckte Seth die Schultern. Die Antwort auf diese Frage erfolgte indes aus unerwarteter Richtung. Ein Heulen ertönte und Jono erwiderte den Laut mit einem übermütigen Freudenschrei. Grinsend deutete er mit einem kurzen Nicken auf schemenhafte Gestalten, die auf einmal inmitten der Herde aufgetaucht waren. „SCHAKALEEEEE!“, erschollen die ersten panischen Rufe von der anderen Seite der Herde. So weit draußen in der Wüste, hielten sich die Tiere normalerweise nie auf. Gleichwohl die Treiber Angst hatten, wertvolle Rinder an die wilden Räuber zu verlieren, sahen sie sich doch außer Stande, in diesem dichten Treiben etwas gegen die Jäger zu tun. Diese schienen indessen wenig am Auffüllen ihrer Speisekarte interessiert zu sein. Immer wieder schnappten sie nach den Beinen einiger Tiere, bissen jedoch selten zu und brachten kein einziges der Rinder zu Fall, um es gemeinsam zu verspeisen. Erst als Jono mit einem freudigen Lachen wieder im Nebel aus Sand und Staub verschwunden war, wurde Seth sich darüber bewusst, dass die Rinder nun nicht mehr den Felsen entgegen drängten. Stattdessen suchten sie Schutz vor den Schakalen und liefen um einiges schneller – genau in Richtung der Oase. Kurz nach ihm machte Ilai, welcher ein paar Schritte vor ihm lief, dieselbe Entdeckung und starrte entsetzt das Rudel Schakale an, welches ihnen auf diese Weise – beabsichtigt oder nicht – bei der Erfüllung ihrer Aufgabe half. „Wie ist das möglich?!“, rief er Seth zu. „Habt Ihr sie gerufen?“ Verneinend schüttelte Seth den Kopf. Diese Macht hatte er nicht. „Anoubis Ano-Oobist“, murmelte er für die anderen unverständlich. „Heerführer unter dem Schutz des Anubis, du steckst voller Überraschung. Wie ich sehe ist der Einfluss deiner Verbündeten doch größer, als ich dachte.“ Indes waren sie in Sichtweite der Oase. Abermals erscholl ein lautes Heulen, diesmal nicht aus dem Maul eines Schakals. Es war das vereinbarte Signal von Jono. Auch die Schakale fielen in das Jaulen ein dem sich wenig später auch die Männer der Karawane anschlossen. Verzerrt durch den Sandsturm und zum Teil zurückgeworfen durch die Felswände zu ihrer linken, vervielfachten sich die Töne und waren fruchterregend anzuhören. Die Schakale verstärkten noch einmal die Intensität ihres Angriffs und trieben die Rinder rascher vor sich her. Sich kampfbereit machend, nahm Seth seine Axt in die rechte Hand. Auch er war inzwischen in einen Laufschritt verfallen, als er auf einmal eine sich schnell bewegende Gestalt ausmachen konnte, welche sich aus den wirbelnden Sandmassen löste und sich noch vor die falsche Armee setzte. Mit wehendem rotem Umhang saß eine kleine Gestalt auf einem der sieben Pferde der Handelsleute und war vermutlich als einziger klar von den Syriern zu erkennen. Wenn er die Schreie, die über den Sturm hinweg zu hören waren, richtig deutete, verfehlte die rote Farbe ihre Wirkung nicht. Einen Pfeil bereits mit der Sehne seines Bogens gespannt, preschte Jono direkt in die Oase. Sie selbst kamen zu Fuß nur wenig später an. Umsichtig ließ Seth den Wind abflauen, um den Männern genügend Sicht und Atem zu garantieren. Sie alle hatten sich zwar zum Schutz vor zu viel Sand in der Lunge, ein Tuch vor den Mund gebunden, dennoch wollte Seth sicher sein, dass ihnen in dem dichten Treiben keiner der Syrier entging und eine Falle stellte. Doch wie es schien, brauchte er sich darüber keine Gedanken zu machen. Bereits bei seinen ersten Schritten in das grüne Fleckchen Erde stolperte er beinahe über eine Leiche, welche vor ihm mit von einem Pfeil durchbohrter Brust am Boden lag. Jono hatte Recht behalten. Die Syrer waren zwar nicht alle geflohen, doch sie waren genügend verunsichert worden, um überall versprengt zu sein. Erst jetzt, da es zu spät war, erkannten sie, dass sich ihnen keine Armee, sondern nur eine Herde voller Rinder und einiger weniger Männer genähert hatte. Die Erkenntnis kam zu spät. Noch während er sich seinem ersten Gegner stellte, beobachtete Seth aus dem Augenwinkel, wie Jono, inzwischen wieder ohne Reittier, zwei der Syrier mit seinen zwei Krummschwertern niederstreckte. Er selbst kümmerte sich um den Mann vor ihm, welcher wesentlich besser im Axtkampf bewandert war, als er selbst. Doch das stellte für ihn, als Hohepriester, kein Hindernis dar. Geschickt wich er zwei Streichen mit der Axt aus. Die Schneide zog nur wenige Millimeter an seinem Ohr vorbei, als er sich in die Knie begab und seine Hände auf die Brust des Mannes presste. Er brauchte sich nur für den Bruchteil einer Sekunde zu konzentrieren, ehe sich genügend Energie in seinen Händen gesammelt hatte. Noch bevor die Axt erneut erhoben werden konnte, stieß Seth ihn mit beiden Händen von sich weg. Die Augen nach hinten verdrehend, schrie der Syrier noch einmal kurz auf, ehe er tot zu Boden sank. Viel Zeit zum Ruhen hatte Seth jedoch nicht, da sich bereits zwei neue Gegner näherten. Ohne lange zu zaudern griff er nach der fallengelassenen Axt seines toten Feindes, drehte sich und rammte die Schneide direkt in die Brust des ersten der zwei Gegner. Blut sickerte durch dessen Tunika und wurde zu einem breiten Strom, als er den Kopf der Axt wieder herauszog. Unbemerkt von dem zweiten Gegner, hatte er den Wüstensand unter dessen Füßen zu sich befohlen. Dadurch kurzzeitig aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel dieser fast nach hinten über, als ihn bereits die Spitze eines Chepesch die Kehle durchschnitt. Ein paar scheinbar endlose Sekunden verharrte er noch in der Luft, ehe seinen Beinen der nötige Lebenssaft fehlte und er vornüber fiel. Nun nicht mehr durch den Körper des Mannes in seiner Sicht behindert, sah Seth sich den kalten Augen von Anoubis Ano-Oobist gegenüber. Er brauchte ihn, bespritzt vom Blut der getöteten Syrier, nur anzusehen, um zu wissen, dass der Heerführer den Platz von Jono übernommen hatte. Ohne weitere Worte nahm er seine Axt wieder an sich und gemeinsam kümmerten sie sich um den nächsten Gegner. Noch während sie kämpften arbeitete sein Verstand in fieberhafter Geschwindigkeit. Sein letztes Zusammentreffen mit dem Krieger in Jono hatte ihm bewusst gemacht, wie wenig er diesem in einem ehrlichen Kampf entgegenzusetzen hatte. Er konnte nur hoffen, dass Jono noch anwesend war und er diesen auch ohne Hilfe des Milleniumsstabes zurückholen konnte, sobald der letzte Syrier tot oder verschwunden war. Wenn er gezwungen war, seine Magie unkontrolliert gegen Jono einzusetzen, war zu befürchten, dass er ebenso endete wie eben zuvor der Syrier. Wenig später hatte Anoubis bereits drei weiteren Feinden das Leben genommen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Mit jedem Tod, so schien es, ging ein weiterer winziger Teil von Jono verloren. Es war offensichtlich, dass ihn in diesem Zustand nichts mehr vom Töten würde abhalten können. Die Frage war nur, ob er noch in der Lage war, Freund von Feind zu unterscheiden… Einen Moment später hatte auch er selbst einen weiteren Gegner mit seiner Magie vernichtet. In diesem Augenblick war deutlich der Schrei einer Frau in ihrer Nähe zu hören. Pfeilschnell drehte Jono sich mit seinen blutigen Chepesch in den Händen um und rannte in die entsprechende Richtung. Seth stürmte ihm hinterher. Mit einem Blick erfasste er die ganze Szenerie. Nur wenige Schritte von einigen Palmen entfernt knieten ein paar Kinder. Drei alte Frauen hatten sich schützend über sie gebeugt. Eine weitere Frau wurde von einem der Syrier zu seinem eigenen Schutz festgehalten. Eine scharfe Klinge schwebte gefährlich nahe vor dem Hals einer der Frauen, die vermutlich aus Asyut stammten. Vor dem Mann stand Ilai, welcher die anderen beiden davon abhielt, sich weiter zu nähern. Auch er hatte seine Axt erhoben, trat jedoch nicht vor, um das Leben der Frau nicht unnütz zu gefährden. Während Seth auf die Bitte des Anderen hörte, und insgeheim damit begann, einen magischen Bann zu weben, ließ Jono ohne Umschweife seine Krummschwerter fallen und zog seinen Bogen vom Rücken im Laufen nach vorne. Wortlos schritt er der Geisel und dem Syrer entgegen, welcher ihm unentwegt auf syrisch zuschrie, wegzubleiben. Unbeeindruckt von der Gefahr für sich oder die Frau, legte Anoubis einen Pfeil auf. Ohne weiter auf die Schreie des Anderen zu hören, spannte er in einer fließenden Bewegung den Bogen, während sein Gegner mit der Frau im Arm immer weiter zurückwich und doch zu ahnen schien, dass er vor diesem Mann keine Gnade finden würde. Wenige Augenblicke später saß der Pfeil bereits direkt zwischen seinen Augen und sein Lebenslicht erlosch. Aufschreiend riss sich die Frau aus der blutigen Umklammerung los. Dumpf fiel der Körper des Mannes, seiner letzten Stütze im Todeskampf beraubt, auf den Wüstenboden. Am Hals blutend, ließ sich die Frau zitternd neben der Leiche nieder. Der Schock über dem nur knapp entronnenen Tod, war ihr ins Gesicht geschrieben. Zum Glück hatte der Mann seine Drohung nicht bis zum Ende ausführen können. Mit Tränen in den Augen stürmten zwei der Kinder auf sie zu. Noch immer wie Palmenwedel im Wind am ganzen Körper zitternd, schloss die Ägypterin ihre zwei Töchter fest in die Arme. Unentwegt murmelte sie beruhigende Worte in die schwarzen Haare der Mädchen. Seth ließ die gesammelte Magie aus seiner Hand entweichen. Ohne innezuhalten kehrte Jono zu seinen fallen gelassenen Krummschwertern zurück. Das Töten hatte noch kein Ende. In diesem Augenblick kamen zwei der Viehtreiber mit einem Syrier, dessen Arme bereits am Rücken gebunden waren, direkt auf Ilai zu. Mit grimmiger Entschlossenheit und dem Flackern von Blut in seinen Augen, ging Anoubis auf die drei Männer zu. Seth, der inzwischen bemerkt hatte, dass kein Kampfgeschrei um sie herum mehr zu hören war, ahnte, dass die Gefahr gebannt war. Der Tod des Syrers war unnötig, das wussten auch die Viehtreiber und hatten ihn daher lediglich gefesselt. Anoubis schien das anders zu sehen. Ilai, der ihn noch aufhalten wollte, wurde mit Leichtigkeit zur Seite gestoßen. „Jono! Lass ihn!“, forderte der Ältere ihn auf, doch Seth wusste bereits aus eigener Erfahrung, dass das nichts bringen würde. Seine Gedanken rasten. Ohne den Milleniumsstab war es schwer, Jono wieder zu Verstand zu bekommen. Doch er musste binnen Sekunden einen Weg finden, wollte er nicht riskieren, dass der Blutdurst von Jono sich auch gegen seine Gefährten richtete, sobald der letzte Syrier tot war. Das, so ahnte Seth, würde Jono sich nie verzeihen. In Gedenk an eine seiner ersten Begegnungen mit Anoubis Ano-Oobist traf er eine gefährliche Entscheidung. Da er noch zwischen dem gefangenen Syrer und Anoubis stand, stellte er sich schützend vor die drei Männer. Abwartend blickte er in die blutig braunen Augen des jungen Kriegers. Dieser hatte sie inzwischen erreicht und das Schwert bereits erhoben, um auch ihn aus dem Weg zu schaffen, sollte er nicht zur Seite gehen. „Nur zu. Töte mich, Jono. Du musst es tun. Denn glaube mir, anders wirst du nicht an ihn herankommen“, ließ Seth ihn mit ruhiger und fester Stimme wissen. Schreckensbleich sahen die zwei Viehtreiber und Ilai dem Geschehen zu. Aufrecht erwartete der Hohepriester den Streich von Anoubis und hoffte doch, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag. Geschmeidig erhob dieser das Chepesch erneut. Sein Handgelenk drehte sich leicht und zielte nun direkt auf seinen Hals. Ein sirrender Ton, erzeugt durch die niedergehende Waffe, ließ die zwei Viehreiber hinter ihm spürbar zusammenzucken. Seth hingegen zwang sich dazu, Anoubis weiter gerade anzusehen. Das Chepesch stoppte kurz vor seinem Hals. Ein Zittern durchlief den Körper des Kriegers. Die Waffe fiel mit einem dumpfen Ton zu Boden. Forschend sah der Braunhaarige seinen ehemaligen Freund an. Dessen Augen waren wieder in einem tiefen klaren Erdbraun gefärbt. Ein menschlich kaum fassbarer Schmerz spiegelte sich in ihnen wieder. „Als könnte ich dich je verletzen…“, flüsterte Jono – mehr zu sich, als zu einem der anderen, die um ihn herum standen. Gedanken, die er aussprach, ohne sich dessen bewusst zu sein. Seth hörte sie. Sein Herz zog sich sekundenlang zusammen, als er die kummervoll zusammengepressten Lippen von Jono vor sich sah. In diesem kurzen Moment der Schwäche strich der Blonde fahrig und doch liebevoll über die linke Brustseite Seths‘ – genau über die Stelle, an der dessen Herz noch immer voller Sorge schlug und einen Schlag aussetzte, als Jono ihn dort berührte. Doch der Moment der Schwäche verflog von den Umstehenden unbemerkt. Da Jono für Sekunden auch seine Stirn an seinen Oberkörper gepresst hatte, musste es auf die anderen wie ein kleiner Schwindelanfall gewirkt haben. Für Seth lag in diesen wenigen Gesten eine Wahrheit, über die er später mit Jono würde reden müssen. Hier war weder der richtige Ort noch der passende Moment dafür. Energisch ging Jono von Seth auf Abstand und wandte sich dem gefangenen Syrier zu. Stumm maß er dessen zusammengeschlagenes Gesicht. Er blutete aus mehreren Wunden, keine der Verletzungen war so schwer, dass er es nicht überlebt hätte. „Du kannst gehen. Doch dafür überbringst du meine Nachricht an all deine Landsleute. Richte aus, dass der Pharao stets für die Sicherheit seines Volkes sorgt und er jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in Syrien töten lassen wird, sollten sie noch einmal in seinem Land zu plündern versuchen. Hast du mich verstanden?!“ Der Mann verstand ihre Sprache besser als angenommen. Trotz der drohenden Gefahr spuckte er dem Krieger, dessen Tunika noch immer rot von Blut war, vor die Füße. Syrier zeigten keine Angst. Wer angesichts eines Feindes das Weite suchte, wurde von seinen Kampfgefährten gesteinigt. So zumindest hatte Seth es gehört. Ein dumpfes Geräusch ertönte, als Jonos Faust das Gesicht des Gegners traf. Bezeichnend deutete Jono auf Seth. „Dein Leben, Syrier, hast du allein diesem Mann zu verdanken“, hob Jono erneut an zu sprechen. Überrascht weiteten sich die Augen des Gefangenen. Der blonde Mann hatte die Sprache der Syrier gewählt, um sicher zu gehen, dass sein Gegenüber ihn verstand. „Doch bei Rah, solltest du das gerade noch einmal wiederholen, wird auch er mich nicht mehr davon abhalten können, dich draußen mit meinen eigenen Händen in der Wüste lebendig einzugraben und dabei zuzusehen wie du jämmerlich verreckst.“ Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, sah der Syrier zu Jono auf. Doch er unterließ alles, was Jono noch weiter verärgern könnte. Er schien begriffen zu haben, dass Jono keine leeren Drohungen ausstieß. „Wirst du meine Nachricht überbringen?“ Mit einem kurzen Blick auf den roten Umhang und die blutige Tunika nickte der Mann schließlich wiederwillig. Das genügte dem Heerführer. Er gab den anderen das Zeichen, den Mann loszubinden und ihn mit ein wenig Wasser und Nahrung zu versorgen, damit er sein Land auch lebend erreichen würde – immerhin hatte er eine Botschaft zu übermitteln. Seth wob zusätzlich einen kleinen Zauber, der dafür sorgen würde, dass der Mann sein Ziel mit Sicherheit erreichte. Sollte er allerdings danach ein weiteres Mal die Grenze des Landes übertreten, würde der Hohepriester es sofort wissen. Die zwei Viehtreiber wurden indes von Jono angewiesen, sich um die Frauen und Kinder zu kümmern. Wortlos hatte Ilai die ganze Prozedur beobachtet. Wie es schien, hatte er nicht vor, seine Befehlsgewalt wieder einzufordern. Stattdessen studierte er nachdenklich die noch immer rot ummantelte Gestalt des Blonden. Lange Zeit verweilte er mit seinem Blick auf dem noch jung erscheinenden Gesicht, den zwei Chepesch, die inzwischen beide wieder in die Hände des Heeresführers zurückgefunden hatten, sowie dessen gesamter Haltung und seinem langen Zopf, der ihn als Rekrut auswies. Entschlossen trat er auf Jono zu. Der Syrier und die Viehtreiber waren inzwischen außer Hörweite. Ebenso wie alle anderen. Ohne weiteres Zögern ließ er sich auf seine Knie sinken und führte seine rechte Hand erst zu seiner Stirn, dann zu seinem Herzen. „Heerführer Anoubis Ano-Ooobist, Beschützer des Landes Ägyptens. Ich fühle mich geehrt, mit Euch kämpfen zu dürfen.“ „Mist.“ Verblüfft und ein wenig verunsichert, sah Ilai zu dem Jüngeren auf. Mit dieser Antwort hatte er am wenigsten gerechnet. Hatte er sich mit seinem Verdacht doch geirrt? Stöhnend drehte Jono sich halb zu Seth um. Anklagend deutete er auf die kniende Gestalt des Truppenführers. „Genau DESHALB hasse ich es, mit diesem Namen auf der Stirn durch die Gegend zu laufen.“ Wieder an Ilai gewandt, forderte er diesen unwirsch auf, sich wieder zu erheben. „Steht gefälligst auf, Ilai. Wenn ich mich recht entsinne, war es mein Gebot, dass Titel jeglicher Art auf dieser Mission keine Bedeutung haben. Sie sind unnütz und erschweren lediglich die Kommunikation untereinander.“ Ilai erhob sich. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Ungeniert grinsend zwinkerte er seinem Heerführer zu. „Sicher. Ebenso wie es Euer Gebot war, dass ich auf dieser Reise das Kommando habe und Ihr mich als Rekrut begleitet.“ Jono musste eingestehen, dass der Andere damit nicht Unrecht hatte. „Das Kommando dürft Ihr hiernach gern wieder übernehmen, Ilai. Hätte ich kein Vertrauen in Eure Fähigkeiten gehabt, hätte ich Euch schwerlich den Schutz des Hohepriesters anvertraut.“ „Nun, offensichtlich reichte Euer Vertrauen nicht weiter als bis zur nächsten Sanddüne, da Ihr selbst dennoch an dieser Reise teilnahmt.“ „Ihr missversteht das, Ilai. Dies entsprang einem Gebot des Pharaos. Ich selbst hätte auf diese Reise nur allzu gern verzichtet. Es macht keinen Spaß, kampfunerfahrene Priester aufs Kreuz zu legen.“ Bezeichnend deutete er hinter sich auf Seth, welchem bereits ein Kommentar auf den Lippen lag. Diesen würde er sich jedoch für später aufheben, wenn Jono und er alleine wären. „Dennoch war es Eure eigene Entscheidung, das Kommando für diesen Angriff zu übernehmen.“ „Unfreiwillig. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte das Ganze hier nie stattgefunden gewesen. Doch da Ihr und Seth nun einmal beschlossen hattet, einzugreifen und meine Warnungen in den Wind zu schlagen, kam ich kaum umhin, nicht das Kommando zu übernehmen. Immerhin wäre der Pharao höchst unerfreut, brächte ich seinen Hohepriester in Einzelteilen wieder zu ihm zurück.“ „Das würde dir doch nur gelegen kommen, Jono. Dann müsstest du dich nicht mehr ständig vor den Feiern zu Ehren der Götter drücken“, merkte Seth herausfordernd an. „Ich gebe zu, die Idee ist verlockend. Doch vermutlich würde der Pharao mich als Strafe für deinen Tod für den Rest meines Lebens in einem Tempel anbinden oder vierteilen lassen.“ „Also genau das, was man mit jedem Schakal tun sollte, der nur Ärger macht.“ „Ärger? Dass ich gerade deine Haut gerettet habe, fällt wohl kaum unter Ärger! Ich habe dir einen Dienst erwiesen – unfreiwillig, wie ich betonen sollte.“ „Einen Dienst? Indem du mir fast meinen Hals aufschlitzt?“ „Fast, Seth. Die Betonung liegt auf FAST. Dass ich es letztlich nicht getan habe, war sicher kein Dienst an der Menschheit. Die wäre ohne so einen arroganten und selbstgefälligen Priester sicher besser dran, aber zumindest dir hat es ja wohl geholfen. Da dein Gebaren allerdings ein angemessenes Maß an Dankbarkeit vermissen lässt, muss ich zugestehen, dass ich es inzwischen fast schon wieder bereue, dass nicht doch ein paar Blutstropfen gefallen ist.“ „Seth?“, versuchte Ilai, das Geplänkel der beiden zu unterbrechen. „Oh, keine Sorge, Jono! Bei mir ist heute genügend Blut geflossen.“ „Ach ja? Zeig her!“ Herausfordernd maß Jono ihn von oben bis unten. Seth ließ sich nicht lange bitten und zeigte seinen rechten Arm und sein linkes Ohr, an welchen ihn die Schneide einer Axt gestreift hatte. „Da sieht man mal wieder, dass du nicht in der Lage bist, zu kämpfen.“ „Du vergisst, dass ich vier Syrier eigenhändig zu Rah geschickt habe.“ „Seth. Das Ziel beim Kampf ist es, dass die ANDEREN bluten - nicht du.“ „Jono…?“, abermals versuchte Ilai, ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. „Keine Sorge. Bei den anderen ist ebenfalls genügend Blut geflossen. Was mich zu der Frage bringt, wie es denn um deinen Körper bestellt ist?“ „Kein Kratzer, Seth. ICH weiß, wie ich mich wehren kann.“ „Weshalb deine gesamte Tunika voller Blut ist…“, stellte Seth skeptisch fest. „Es ist das Blut meiner Feinde. Ein Umstand, mit dem du dich schwerlich rühmen kannst“, berichtigte Jono ihn. Bezeichnend hielt Seth vier Finger hoch. „Vier, Jono. Ich habe vier Syrier getötet und laufe nur halb so befleckt herum.“ „Was daher kommt, dass du sie in keinem ehrlichen Kampf getötet hast. Du bist nicht einmal wirklich in ihre Nähe gekommen! Töten durch Magie zählt nicht.“ Gerade als Seth darauf abermals eine entsprechende Antwort geben wollte, spürte er auf seiner Schulter eine Hand, welche ihn vom Weitersprechen abhielt. „WAS?!“, erklang es aus zwei Mündern gleichzeitig, während Jono und Seth zu Ilai sahen. Dieser sah die zwei Männer mit geöffnetem Mund an, als wolle er etwas sagen, beließ es dann jedoch bei einem Kopfschütteln. Seufzend ließ er die Hände, die er auf je eine Schulter der zwei gelegt hatte, wieder sinken. Sein Gesicht sprach Bände. Seth hätte schwören können, dass er sich in eben diesem Moment Sorgen um Ägypten machte. Oder war es doch Bedauern für den Pharao, das in dessen Augen schimmerte? Der Hohepriester war sich nicht sicher, doch ihm und Jono wurde wieder bewusst, wo sie sich derzeit befanden und vertagten das Gespräch im stummen gegenseitigen Einvernehmen auf später. Seth atmete tief durch. Es tat gut, sich wieder so mit ihm zu streiten. Erstmals wurde sich der Hohepriester bewusst, dass er diese kleinen Gespräche, wollte man sie denn so nennen, die letzten Tage über vermisst hatte. Dass sie nun wieder auf diese Weise mit einander reden konnten, beruhigte ihn innerlich und ließ ihn zu seiner alten Stärke zurückfinden. „Woher hast du eigentlich den Umhang?“, erkundigte er sich, während Jono mit einem Zipfel seiner Tunika seine Chepesch vom Blut befreite. Um sie herum war inzwischen Ruhe eingekehrt. Während sich die Viehtreiber um die Überlebenden Asyuter kümmerten, untersuchten Aziz und Elias gemeinsam mit Yanis die Leichen. Sorgsam tasteten sie alles ab und befreiten die Körper von allen noch brauchbaren Gegenständen, ehe sie sie unter einer Palme in der Nähe aufreihten. Innerhalb der nächsten Stunden würden sich ein paar Männer darum kümmern, dass die Körper tief genug im Wüstensand verscharrt wurden, um vom Wind oder von herumstreunenden Tieren vorerst nicht wieder ausgegraben zu werden. Eine ehrenvolle Bestattung würde ihnen nicht zuteilwerden. „Der Stoff ist von einem der Händler. Er war für einen reichen Kaufmann in Asyut gedacht. Es ist ein notwendiges Provisorium. Wir haben nur ein wenig von dem Stoff abgeschnitten. Ich denke, es hat seinen Zweck erfüllt.“ Seth sah ihn zweifelnd an. Er konnte sich nicht vorstellen, auf welchen Zweck Jono anspielte. Ilai sah ihm seine Frage an und beantwortete sie ohne Aufforderung. „Jeder, der in der Armee des Pharaos schon einmal auf einem Schlachtfeld gekämpft hat, weiß um die Bedeutung des roten Umhanges. Allein Anoubis Ano-Oobist trägt diese Farbe. Seit er unser Heerführer ist, haben wir kaum eine Schlacht verloren. Das Rot ist für uns ein Symbol des Sieges geworden und für unsere Feinde das Zeichen ihres Unterganges. Selbst unter den Syriern hat sich das inzwischen herumgesprochen.“ „Daher also dein Beiname ‚Roter Schakal‘“, stellte Seth fest. Ilai berichtigte ihn. „Nein. Diesen Beinamen bekam er schon bevor er anfing, einen roten Umhang zu tragen.“ Noch bevor er es aussprach, erahnte Seth die Erklärung bereits. Stirnrunzelnd sah er auf Jono, welcher die Worte Ilais unkommentiert im Raum stehen ließ. „Wenn er kämpfte, so sagte man, sei seine Kleidung stets mit dem Blut seiner Feinde getränkt gewesen.“ Seufzend verstaute Jono den schnell zurechtgeschnittenen Umhang in einem grauen Stoffballen. „Meine Männer reden zu viel. Wenn die Abende lang und kalt sind, denken sie sich gern Geschichten über mich aus. Dabei wird einiges gern ausgeschmückt. Also hör nicht auf ihn, Seth.“ Kurz hielt er inne, ehe er in trockenem Tonfall ergänzte: „Meine Bediensteten versicherten allerdings, dass sie froh über den Umhang seien, da sie nun weniger Zeit nach einem Kampf bräuchten, um meine Kleidung zu säubern.“ Nachdem er alle sichtbaren Zeichen seiner zweiten Identität verstaut hatte, wandte er sich wieder den Wartenden zu. „Ilai, ich möchte Euch bitten, dieses Geheimnis für Euch zu behalten. Es gibt gute Gründe, weshalb nur eine Handvoll Männer in der Armee des Pharaos weiß, wie ich wirklich aussehe.“ „Sicher werde ich Euch nicht verraten, Jono. Doch ich bürge nicht für Aziz, Elias oder Yanis.“ Stirnrunzelnd sah Jono zu den drei besagten Gestalten hinüber. Er hatte Recht. Diese warfen aus einiger Entfernung immer wieder Blicke zu ihnen hinüber, während sie leise miteinander flüsternd, weiter Leichen nebeneinander legten. „Habt Ihr ihnen Euren Verdacht mitgeteilt?“ „Schwerlich, da ich es selbst bis vor kurzem nicht mit Sicherheit wusste. Doch nach Eurem Auftritt eben, haben sie sich vielleicht bereits selbst ein Bild gemacht.“ Jono nickte. „Das mag sein. Warten wir es ab. Ich hoffe nur, dass Yanis diesen Verdacht nicht auch hat…“ „Warum?“ „Ganz einfach Ilai, wenn Yanis nicht mehr sauer auf mich ist… wen kann ich dann noch dazu reizen, sich mit mir zu messen?“ Verschmitzt lachend wandte Jono sich in Richtung der Frauen, welche inzwischen damit begonnen hatten, sich um die Verletzungen der Viehtreiber zu kümmern. Jonos Antwort ließ Seth vermuten, dass genau dies einer der Gründe war, weshalb er sich ausgerechnet als Rekrut in seiner eigenen Armee ausgab. So behielt er stets den Status eines unerfahrenen Neulings. Niemand würde es je wagen, sich mit ihm anzulegen, wenn er einen höheren Rang bekleidet hätte. Durch die Verschleierung seiner Identität gelang es ihm, ohne Verdacht zu erregen, in alle Bereiche der Armee unbeachtet vorzudringen und mit fast jedem ein offenes Wort zu wechseln und eine ehrliche Meinung zu hören. Der Hohepriester wusste aus eigener lästiger Erfahrung, dass dies ab einem gewissen Status nicht mehr möglich war. Die Menschen um einen herum hatten Angst, ehrlich zu sein und neigten dazu, einem nach dem Mund zu reden. /Diese Reise scheint trotz aller Widrigkeiten den angenehmen Nebeneffekt zu haben, dass ich lerne, Jonos Beweggründe besser zu verstehen/, stellte Seth im Stillen fest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)