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Time to remember

von

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Erinnerungen an eine vergessene Kindheit

Vollkommen fertig ließ sich Joey am späten Nachmittag noch auf einen kleinen Schwatz mit seinen Freunden ein, ehe Yugi sie wenig später unterbrach.
 

„Sagt mal… was ich euch fragen wollte…“

„Was ist denn?“ Fragend blickten seine Freunde ihn an.

„Also mein Großvater macht doch bald Inventur im Laden… und da der ja in letzter Zeit doch recht gut besucht wurde… liegt da natürlich ne Menge rum und …also ich… wollte euch mal fragen…“
 

Joey schnallte es ein wenig schneller als die anderen der Gruppe und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Nun rück schon raus, Yugi! Du willst also, das wir deinem Großvater und dir bei der Inventur helfen, oder?“

„Naja… ich WILL in dem Sinne nicht. Weil wir euch auch nichts dafür zahlen können oder so. Es wäre halt einfach toll wenn wir ein bisschen Hilfe…“

„Na, das meinte Joey doch gerade, Yugi! Natürlich helfen wir euch gerne. Nicht wahr Tristan?“
 

Dieser konnte der einzigen Frau in ihrer Mitte nur zustimmen. Damit war das dann auch geklärt. Eine berechtigte Frage blieb jedoch noch:
 

„Wann soll sie denn steigen, eure Inventur?“ erkundigte sich Joey.

Kurz überlegte der Kleinste von ihnen, ehe er ihnen den nächsten Freitag als wahrscheinlichsten Termin angab. Zustimmend nickten alle, ehe sie sich weiter zum Ausgang der Schule begaben. In zügigen Schritten spazierte eine ihnen allen nur zu bekannte Person an den vieren vorbei. Kaiba.
 

„Na Köter! Hast du gleich drei Kinder gefunden, die mit dir Gassi gehen?“

Sofort sprang Joey auf die Provokation an.

„Bewegung ist gesund“ und mit einem verächtlichen Blick auf die wartende Limousine des Firmenchefs: „Das solltest du auch mal in Erwägung ziehen.“

Vielsagend sah er auf Kaibas’ Arme, Beine und Bauch ehe er sich mit einem siegessicheren Lächeln wieder seinen Freunden zuwandte. Natürlich war klar, das Kaiba DAS nicht ohne weiteres auf sich sitzen lassen konnte. Dazu liebte er es insgeheim viel zu sehr dem ‚Köter’ seine Überlegenheit zu demonstrieren.
 

Schnell schlich er sich hinter den blonden jungen Mann und drehte diesem mit einer flinken Bewegung den Arm auf den Rücken und ließ ihn somit – da Joey seinen Arm hin und wieder noch gebrauchen könnte – in die Knie gehen. Der Rest war durch diese Aktion unvermittelt stehen geblieben und auch, wenn sie die ständigen Streitereien der zwei Duellanten schon gewohnt waren, versuchte Yugi wider besserem Wissen einzugreifen.
 

„Kaiba. Lass ihn los, Kaiba. Du kugelst ihm ja sonst noch den Arm aus!“
 

Und wie immer hörte der nicht auf den Kleinen sondern hielt den Anderen lieber noch ein wenig fester – wobei er dennoch darauf achtete, ihm nicht zu sehr weh zu tun; auch wenn er nicht recht wusste, warum er darauf bitteschön überhaupt Rücksicht nahm.
 

„Kaiba!“ knirschte Joey mit den Zähnen.

Mit einem kaum sichtbaren Grinsen kam Angesprochener mit seinem Mund so nah wie möglich, ohne ihn jedoch zu berühren, an Josephs Ohr heran.
 

„Merk dir eins: Um mit einem bissigen Streuner wie dir fertig zu werden, reicht meine Kraft noch lange.“
 

Daraufhin ließ Joeys Anspannung mit einmal merklich nach und auch wenn Kaiba es nicht sehen konnte, trat ein beinahe schadenfrohes und gleichzeitig auch gefährliches Funkeln in die Augen des Festgehaltenen. Kaiba, welcher schon glaubte, gewonnen zu haben, konnte nur noch überrascht gucken, als Joey es verflixt noch einmal schaffte, sich mit einer urplötzlichen Drehung aus seinem Griff zu befreien, nur um dafür Kaiba über die Schulter zu ziehen. Wortwörtlich. Wäre Kaiba nicht, entgegen Joeys Behauptung, recht gut auf dem Damm gewesen, wäre er wohl auf dem Rücken zum Liegen gekommen. So aber konnte er sich noch in der Hocke abfangen. Kurz nur blitzte Überraschung in den Zügen des Älteren auf, ehe der flüchtige Eindruck wieder verschwand. Mit hochgezogener Augenbraue besah er sich die schwarzen Flecken auf seinem blütenweißen Mantel.
 

„Die Reinigung darfst du zahlen, Köter.“
 

Höhnisch sah Joey zu ihm hinüber, alle anderen hatten sich seit der unvermittelten Aktion seinerseits ruhig verhalten.
 

„Was Besseres fällt dir nicht ein, Kaibalein? Oh wie schaaaade. Aber ich muss dich enttäuschen. Du wirst nicht einen Yen von mir sehen.“
 

Vielsagend sah er auf seine eigene Hose hinab. Auch diese war durch das unvermittelte Erlebnis auf Mutter Erde nicht gerade sauber geblieben. Schnaufend wandte Kaiba sich ab.
 

„Du hast Recht Köter. Ich will dir schließlich nicht auch noch deinen letzten jämmerlichen Yen aus der Tasche ziehen. Immerhin wirst du den brauchen, um deine wohl einzige existente Hose zu ersetzen. Ich vergaß vorhin, dass du ja nur die eine hast.“
 

Und wieder ließ Kaiba ihm keine Zeit zum Reagieren sondern ging hocherhobenen Hauptes an dem ‚Kindergarten’ vorbei.
 

„Arschloch!“ rief Joey ihm auf Grund mangelnden Vokabulars hinterher und stellte wieder einmal fest, dass Yugi keinen guten Einfluss auf ihn hatte. Früher wären ihm gewiss noch fantasievollere Bezeichnungen eingefallen. Kopfschüttelnd machte nun auch er sich auf den Weg Richtung Stadt, wobei seine Freunde sich ihm wieder anschlossen. Etwas mehr als nur ein wenig verwirrt und überrascht sahen diese Joey an. Endlich entschloss sich dann doch einer von ihnen zum Sprechen.
 

„Sag mal Joey… seit wann kannst du denn das… mit diesem Überwurf … bzw. wie du dich aus Kaibas Griff gelöst hast… das war… wow“, erkundigte sich Tristan vollkommen verblüfft.
 

Und es stimmte. Es hatte Zeiten gegeben, da Joseph sich Kaiba nicht so leicht hätte entziehen können. Über sich selbst sinnierend schwieg Joey erst einmal dazu. Jemand anderes war jedoch weitaus weniger ruhig. Zumindest innerlich. Sobald er wieder im Laden wäre, würde er einmal ein wenig mit Atemu plaudern. Er hatte da so einen Verdacht…
 

Ein paar Ecken weiter mussten sie sich dann auch trennen.

„Und du willst wirklich nicht mit ins Spielecenter?“ erkundigte sich Tristan zum wohl 5ten Mal.

„Nein. Sorry, Alter. Aber ich muss noch ein bisschen was tun…“

Forschend sah Tea ihn an.

„Sag jetzt nicht, dass du noch lernen willst oder so…“
 

Sich verlegen am Hinterkopf kratzend sah Joey die anderen an. Es gefiel ihm nicht wirklich die anderen – seine besten Freunde – anzuflunkern. Somit war seine Verlegenheit noch nicht einmal gespielt sondern durchaus ehrlich.
 

„Warum denn nicht…“

Überrascht sog das braunhaarige Mädchen die Luft ein.

„Dann stimmt es also, was Kaiba vorhin gesagt hat!“

„Was hat er denn schon wieder von sich gegeben?“

„Na, dass du deine Abende und Nächte wohl mit Lernen verbringen würdest, um bessere Noten zu bekommen und du wahrscheinlich deswegen auch immer so müde bist.“
 

Geschickt vermied Tea die dazugehörigen Beleidigungen und den offensichtlichen Fakt, dass Kaiba auch die Note von Joey nicht wirklich preisgegeben hatte.
 

/Kaiba… wenn du wüsstest…/ dachte sich Joey, ehe er Tea und den Rest Schultern zuckend ansah. „Kann schon sein.“ /Das war nicht unbedingt gelogen…/ sinnierte er in Gedanken.

„Cool Joey! Das finde ich echt klasse von dir!“ warfen Yugi und Tea da sofort ein und auch Tristan ließ es sich nicht nehmen, ihm zu seinem ‚tapferen Entschluss’ zu gratulieren. Sich innerlich schon mal entschuldigend, wandte sich Joey daraufhin von seinen Freunden ab und gab an, es inzwischen sehr eilig zu haben. Da alle erstmal davon überzeugt waren, er würde sich auf den Weg nach Hause machen, um über seinen Büchern zu brüten, ließen sie ihn ziehen und strebten gemeinsam den Spieleladen an.
 

********** Zur gleichen Zeit in einem der höchsten Gebäude in Domino. **********
 

Grübelnd saß Kaiba über den Quellcodes für sein neuestes Projekt. Gerade war er noch einmal alles durchgegangen, nur um festzustellen, dass seine Programmierer diesmal wirklich eine recht passable Arbeit abgeliefert hatten. ‚Recht passabel’ war für ihn bereits das höchste der Gefühle, wenn er eine Arbeit mit ‚gut’ bewertete. Sich die Schläfen massierend ließ es sich nun für ein paar Minuten in seinen Sessel sinken und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen…
 

~~~~~~~~~~

„Hey Seth! Seth! Wollen wir nicht was spielen?“ Grummelnd sah der kleine braunhaarige Junge zu dem blonden Schopf über ihm.

„Jono… ich muss arbeiten.“ Ebenso verstimmt blickte benannter Jono von seinem Apfelbaum hinunter auf seinen Spielkameraden.

„Och menno… so ist es aber laaaaangeweilig.“
 

Kopfschüttelnd harkte der in ein einfaches helles Gewand gekleidete Priesteranwärter weiter. In einiger Entfernung konnte er den Tempelkomplex ausmachen, welcher gemeinsam mit diesem weitläufigen Areal von einer hohen Mauer umgeben worden war. Überall, vor allem am Rand der Mauer, wo der meiste Schatten fiel, standen Apfelbäume. Bäume mit so süßen und saftigen Früchten, wie man sie in ihrem Land nur bekommen konnte. Dieser Tempel war einer der wenigen, die die Pflanze dazu züchteten. Immerhin hatte nicht jeder Tempel Ägyptens die Möglichkeit so viel Wasser vom Nil zu zapfen, wie sie brauchten, um die Bäume blühen zu lassen.
 

Mit einmal landete Jono auf beiden Beinen neben ihm. Er war vom Ast gesprungen und hatte sich kurzerhand Seths Harke geklaut.

„Hey! Was soll das?“ empörte sich der Gleichaltrige.

„Na, was schon? Ich helfe dir und dafür spielen wir dann später was.“

„Und was, wenn dich jemand sieht?“
 

Sich nach allen Seiten versichernd, dass gerade niemand zusah, blickte Seth wieder zu Jono. Eigentlich war es Menschen außerhalb des Tempels verboten, hier zu sein. Jono hatte sich jedoch nie daran gehalten, seit er, Seth, ihn durch Zufall auf einem ihrer Apfelbäume hatte sitzen sehen. Seit damals waren sie sogar recht gute Freunde geworden. Allerdings hatte Jono sich auch schon oft verstecken müssen, da er und auch Seth eine große Strafe erwarten würde, wenn man sie hier gemeinsam erwischte. Jono würde für seine Anwesenheit im Tempelbezirk bestraft werden und Seth dafür, dass er diese Anwesenheit so offen toleriert hatte. Daher war es gefährlich für den Kleineren, sich so offen und ohne Schutz des Blätterdaches zu zeigen.
 

„Ach was! Dann klettere ich einfach wieder auf den Baum und schwups sieht er mich nicht mehr.“
 

Die Logik war kindlich einfach und simpel. Aber was sollte man auch von zwei 7jährigen erwarten? Seth war schlau und er wusste genau was er wollte. Schlau genug, um seinen Freund behalten zu wollen.
 

„Also gut“, gab er sich zähneknirschend, aber insgeheim erfreut zufrieden. Schnell stapfte er los, um sich eine neue Harke zu holen, während Jono mit der von ihm geklauten schon einmal weiterarbeitete.
 

„Vergiss den Eimer nicht und denk auch dran … die … ha … mit… n“
 

Seth sah noch einmal leise lächelnd zu seinem Kameraden zurück und… er war verschwunden.
 

~~~~~~~~~~
 

Langsam verschwammen die Konturen einfach. Garten, Tempel und Bäume und von seinem Freund, dem blonden Jungen, konnte er gerade noch einige Kleinigkeiten in sich aufnehmen… ehe er erwachte. Gähnend und sich die Augen reibend sah Kaiba auf die Uhr. Er musste eingenickt sein. Mittlerweile war etwas mehr als eine Stunde vergangen und eigentlich konnte er froh sein, dass er nicht erst am nächsten Morgen erwacht war… aber trotzdem. Schon wieder so ein seltsamer Traum und wieder konnte er sich nur noch an nichtige Kleinigkeiten erinnern. Da war der Geruch nach frischen, süßen Äpfeln, hellem Sand unter seinen Füßen und heißer Sonne auf seinem Haupt. Und dann wieder der Junge, von dem er bereits unzählige Male geträumt hatte. Heute war ihm zum ersten Mal dessen Haarfarbe im Gedächtnis geblieben. Er war blond. Seto war sich ganz sicher: Er war schon immer blond gewesen.

Strohblond.
 

Seufzend und resigniert starrte er auf seinen mittlerweile auf Standby gegangenen Laptop. Das alles half ihm immer noch nicht weiter. Alles, was er wusste, war, dass er sich dort wohl gefühlt hatte. Bei dem kleinen Jungen. Schon seit langem wusste er, dass dieser andere kleine Junge, Seth, er selbst war. In welcher Form auch immer. In einem der Träume hatte er – aus der Sicht des Jungen – in einen Teich geblickt. Klares Wasser, welches ihm mit seinem eigenen Gesicht als Kind entgegensah. Sicher nicht mit so heller Haut wie heute, sondern eher einem gesunden Braunton, aber es war unzweifelhaft er selbst gewesen.
 

/“Ich helfe dir und hinterher spielen wir…“/ erinnerte er sich an die Worte des anderen Jungen.
 

Er hatte leider seinen Namen vergessen. Er musste schmunzeln. Genau so etwas Ähnliches hatte Mokuba und… oh! auch Joseph Wheeler einmal zu ihm gesagt. Ersterer hatte ihm immer helfen wollen, wenn er einmal so viel zu tun hatte und er ihn kaum noch zu sehen bekam. Immer wieder hatte Mokuba versucht ihm zu helfen. Und auch wenn er ihm wegen seinem Tatendrang immer wieder ein wenig was zum ‚helfen’ gegeben hatte, so hatte er doch nur wenig mit ihm spielen können. Anders bei Joseph, wie er sich erinnerte.
 

Es war vor einigen Monaten gewesen. Er war gerade, beinahe wie jetzt, in der Endphase eines seiner Projekte gewesen und hatte furchtbar viel um die Ohren gehabt. Es war ein Tag wie jeder andere gewesen und er hatte sich demzufolge auch mal wieder mit dem Köter angelegt – eine von seiner Seite aus gern gesehene Abwechslung. An diesem Tag allerdings …
 

„Kaiba! Wenn du glaubst, du kannst alles besser, irrst du dich!“

„Ich irre mich nicht, Köter, glaube mir. Ich KANN nicht nur alles besser als du es jemals können wirst sondern ich BIN auch besser als du!“
 

Naserümpfend und fies grinsend sah er auf den Kleineren hinab. Dieser hatte jedoch noch eine Antwort auf Lager.
 

„Soooo? Wie wäre es dann mit einer Runde Fußball oder Basketball? Klar, in Duel Monsters bist du besser als ich, aber das ist auch das Einzige!“
 

Leicht überrascht von diesem so unangebrachten Vorschlag sah er mit verschränkten Armen auf den Köter hinab. Diese Spiele waren eindeutig unter seiner Würde und das würde er dem Köter auch sagen!

„Für solche Spielereien habe ich keine Zeit, Streuner. Mag sein dass du den ganzen Tag Fang-den-ball spielen kannst, ich hingegen habe eine Firma zu leiten und muss arbeiten.“
 

Wütend und wild entschlossen sah der Kleine zu ihm auf. Ehe er mit einmal mit einem frechen Lachen meinte: „Du würdest also spielen, wenn du weniger Arbeit hättest?“

Gelangweilt sah er ihn an. Er war sich sicher, dass er wohl für den Rest seines Lebens nicht zum Fußballspielen kommen würde … wie gesagt: Arbeit. Somit beugte er sich zischend zu seinem Kontrahenten.
 

„Wenn ich weniger Arbeit hätte, Wheeler, würde ich nicht nur spielen sondern dich auch noch besiegen!“
 

Siegessicher sah Joey ihn an. „Gut!. Dann werde ich dir bei deiner Arbeit helfen und danach spielen wir was und DU wirst verlieren!“
 

Ein beinahe schon diebisches Grinsen meißelte sich in die Züge des Blonden. Aufs Köstlichste amüsiert hatte Kaiba damals nur gemeint: „Nun gut, Hundchen! Sollte ich jemals eine Woche lang weniger als 20 Stunden am Tag arbeiten müssen, werde ich dir meine freie Zeit gerne mit einem kleinen Spiel versüßen, bei dem DU der Verlierer sein wirst.“

„Einverstanden.“
 

Mit diesen Worten hatte sich der Köter schließlich verabschiedet und hatte seitdem nie wieder etwas dazu gesagt Kopfschüttelnd dachte Kaiba an diesen Vorfall zurück. Zwar hatte er in der letzten Zeit ein wenig mehr Zeit für seinen Bruder, dennoch würde er mit Wheeler wohl nie ein Fußballmatch austragen. Obwohl das Hündchen an dem Tag damals schon recht erfreut schien über seinen Vorschlag. /Nun… Zu einer Hilfe ist es nie gekommen…nicht wahr, Hündchen?/ Sich abermals die Augen reibend sah er nach draußen. Mittlerweile war der Mond mal wieder in der Nähe und sah zu einem kurzen Plausch bei ihm herein. Es war spät geworden und während seiner Überlegungen hatte er kaum bemerkt, wie die Zeit verging. Für heute würde er Schluss machen, so dass vielleicht sein Bruder noch etwas mit ihm reden konnte. Das machten sie mittlerweile fast jeden Abend. Sich streckend und seinen Mantel überziehend schnappte er sich seine Aktentasche mit den wichtigsten Unterlagen, die er morgen während der Schulzeit würde durchsehen müssen und löschte das Licht seiner Schreibtischlampe.
 

Auch seine zwei Sekretärinnen hatten sich bereits verabschiedet, wie er beim Hinausgehen bemerken konnte. Wahrscheinlich hatte er es einfach nicht bemerkt. Zumindest hatten sie ihm bis jetzt immer auf Wiedersehen gesagt – auch wenn er ihnen nur sehr selten antwortete. Aber sie kannten ihn ja…
 

**********Etwas früher an diesem Tag**********
 

Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht tippte Joey bereits die 500dertste Zahlenkombi an diesem Tage ein, nahm das Geld der alten Dame vor ihm in Empfang, ehe er sich dem nächsten Kunden zuwandte.
 

„Guten Tag. Sie wollen nur diese eine Flasche?“

„Ja.“

„Sehr gern.“

Schnell griff der blonde junge Mann nach der Ware, um sie einzuscannen.

„Könnte ich schon mit Karte bezahlen?“ erkundigte sich der Mann mittleren Alters, der die Flasche nun in Empfang nahm.

„Selbstverständlich, wenn Sie Ausweis oder Führerschein bei sich tragen“, leierte Joey seinen Text mit angemessener Freundlichkeit herunter.

„Ja. Hier, bitte schön.“
 

Schnell nahm er Karte und Ausweis, verglich beide mit geübtem Blick miteinander, ehe er die Zahlkarte ihrer Bestimmung zuführte und sie in den Schlitz steckte. Während der alte kleine Drucker zu seiner linken noch am ackern war, sah er sich kurz nach seinen zwei Kollegen um, die irgendwo im Laden Ware auspacken mussten. Sebastian, ein netter junger Mann, der ein Austauschjahr in Japan machte, packte gerade die Flaschen ab. Um sein Taschengeld aufzubessern, hatte er, ebenso wie Joey, seit einiger Zeit als Aushilfe in dem kleinen Supermarkt angeheuert. Kari, welche die frisch gelieferten Süßigkeiten in die Regale räumte, leistete ihm Gesellschaft.
 

Der Drucker war fertig. Mit einer flinken Bewegung riss er das Papier ab und ließ den anderen Mann unterschreiben.

„Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch.“

„Ihnen auch. Tschüss.“

Damit war der nächste zufriedene Kunde verabschiedet. Nun… bestimmt 12 weitere warteten bereits in einer etwas längeren Schlange darauf, ebenfalls von ihm verabschiedet zu werden. Kassierer sein war ja zuweilen ganz lustig, dennoch schaute Joey nun immer öfter auf die Uhr. Ganz egal wie der Tag lief; ob gut oder schlecht. Ging es auf die letzte Stunde seiner Schicht zu, wurde er immer wieder zusehends hibbeliger und wollte einfach nur noch hier weg. Kein Wunder. Versteckt und unbemerkt von den Kunden beobachtete er etwas weiter hinten in der Schlange ein paar der Stammgäste des Geschäfts: Betrunkene. Überall schienen sie aus dem Boden zu sprießen und seit er hier angefangen hatte waren es immer mehr geworden. Nicht, dass er etwas gegen die Menschen an sich hatte, immerhin war sein eigener Vater lange Zeit einer von ihnen gewesen. Er wusste, dass – zumindest die Meisten von ihnen – eigentlich sehr nette Kerle waren, die einfach eine Menge hatten durchstehen müssen, ehe sie so tief sanken. Wenn sie nur jemanden hätten, der ihnen da wieder heraus half…
 

Sein eigener Vater hatte es geschafft, den Berg wieder hinaufzusteigen, nachdem er eine ganze Zeit lang eine Talfahrt gemacht hatte. Eine Entziehungskur und viel Stärke und Unterstützung seitens seines Sohnes hatten ihm schließlich geholfen. Auch Serenity hatte ihren Vater nach Kräften unterstützt. Serenity… Etwas wehmütig dachte er an seine kleine Schwester in Amerika. Sie hatte sich ihren Wunsch erfüllt und einen Ausbildungsplatz an einer renommierten Schule für Blindenhunde erhalten. Schon vor einem Jahr. Und er… Er hoffte nur, dass seiner kleinen Schwester, die bittere Wahrheit noch ein wenig länger verwehrt blieb. Grimmig schüttelte er die trüben Gedanken ab. Jetzt war nicht die Zeit dafür.
 

„Auf Wiedersehen. Einen schönen Abend wünsche ich…“

Gerade wollte er sich dem nächsten Kunden zuwenden, als ein neu eingetroffener Kollege ihn grinsend von der Seite ansah.

„Oh! Hi Yuki! Löst du mich ab?“

„Yap. Ich bin dran. Ab mit dir nach Hause.“

Der lustige Junge mit den Rasterlocken sah ihn grinsend an. Ein Amerikaner, wie Joseph wusste. Oder zumindest ein halber. Manchmal hatte er das seltsame Gefühl, dass sie bald aus jedem Kontinent einen Vertreter hier beschäftigten. Aber gut. Er mochte Yuki. Er war keine aufdringliche Persönlichkeit, auch wenn man das bei seiner seltsamen Frisur kaum annehmen konnte. Aber immer, wenn bei Joey mal Not am Mann gewesen war, war es Yuki gewesen, der für ihn einsprang. Erleichtert grinsend grüßte Joey noch kurz den nächsten Kunden und entschuldigte sich für die kurze Unterbrechung, ehe er sich seine Kasse schnappte, um seinem Nachfolger Platz zu machen. Der Wechsel ging schnell vonstatten und schon wenige Minuten später konnte Joey nach hinten in einen kleinen – für die Kunden nicht zugänglichen – Raum verschwinden, in welchem er sich mit seiner heutigen Abrechnung beschäftigte.
 

Ab und zu verweilte er in Gedanken bei Kaiba, als er die großen Geldbündel in seiner Hand zu zählen begann. /Der feine Kerl sitzt jetzt bestimmt in seinem schicken mit Leder überzogenen Chefsessel und häuft seine nächste Million an…/ Kopfschüttelnd und innerlich grinsend überreichte er die gezählte Summe seiner Chefin, welche beides, die Computerdaten und seine eigene Rechnung, miteinander verglich.

„Du hast 20 Yen minus. Aber ansonsten stimmt es. Kannst dann Feierabend machen.“ Dankend sah er zu seiner so jugendlich erscheinenden Chefin hinüber. Rosa Haare … Aber gut. Es passte zu ihr.
 

Schnell schnappte er sich seine Jacke, Schlüssel und Rucksack, ehe er sich mit einem „Bis Morgen!“ aus dem Staub machte und seine kleine Wohnung am Rande der Stadt ansteuerte. Der 24-Stunden-Laden lag nicht weit entfernt, so dass er binnen 10 Minuten ankam. Schnell holte er noch die Post, wobei er sich wohl zum tausendsten Mal darüber ereiferte, dass die Boten das Schild: ‚Bitte keine Werbung’ wohl in 100 Jahren noch nicht würden entziffern können.
 

„Ah! Herr Wheeler!“

Fragend sah Joey zu der älteren Dame, welche gerade mit ihren zwei Hunden durch die Eingangstür spaziert kam. Er mochte sie und ihre Hunde sehr. Ganz süß die beiden… die Hunde. Schmunzelnd wagte er einen kurzen Blick auf ihren neuesten Kopfschmuck. Soso… heute hatte man also mal die Schotten im Visier gehabt. Auf dem Kopf der alten Dame prangte eine riesige Schottenmütze in rot-schwarz und grün karierter Ausführung – geziert von einer kitschigen pinken Blüte, welche seine Nachbarin wohl noch zusätzlich angenäht hatte. Unbemerkt die Augen verdrehend auf Grund ihres irrsinnig seltenen und … auserlesenen Geschmackes, sah er auf die kleine Frau hinunter; sie ging ihm gerade bis zu den Schultern.
 

„Was kann ich denn für Sie tun, Frau Moki?“

„Ich wollte mich doch mal wieder erkundigen wie es Ihrer Schwester geht. Sie haben mir schon so lange nichts mehr von ihr erzählt. Sie sind ja auch immer so oft unterwegs seit ihre… nun ja… also…“
 

Mitleidig sah er die ältere Dame an. Scheinbar ging es nicht nur ihm nicht vollständig aus dem Kopf. Aber das war ja normal. Kurz mit sich ringend setzte er schließlich ein nettes Lächeln auf, ehe er ihr mit scheinbar sorgloser Stimme antwortete.
 

„Seit dem Unfall?“

„Ja also…“

„Keine Sorge Frau Moki. Sie müssen in der Hinsicht keine Rücksicht auf mich nehmen. Ich bin darüber hinweg. Und Serenity wohl auch. Ihr geht es gut in Amerika. Sie lässt Sie übrigens lieb grüßen. In einer Karte meinte sie sogar, dass ihr Ihre Plätzchen furchtbar fehlen würden.“
 

Nun wieder fröhlicher werdend nickte Frau Moki bestätigend.

„Ja ja… das liebe Mädchen hat meine Plätzchen immer in sich hinein gegessen, das war eine Freude zu sehen… Aber Sie mein lieber, waren ja um einiges schlimmer…“
 

Zwinkernd sah sie zu dem jungen Nachbarn hinauf. Sie kannte die Wheeler Kinder schon seit sie 10 waren. Oft hatte das braunhaarige Mädchen ihren Bruder hier besucht, als die Eltern der beiden sich damals getrennt hatten.

„Und dann seid ihr immer zu mir gekommen und habt die viel zu heißen Leckereien stibitzt.“

„Dass Sie sich daran noch erinnern können, Frau Moki.“

Schmunzelnd dachte Joey an diese alte Zeit zurück. Schmunzelnd und wehmütig, denn diese Zeiten waren vorbei…

„Aber natürlich!“ rief sie lachend aus und drohte ihm spielerisch mit dem Finger.

„Immer waren Sie es, der als kleiner Junge seine Finger etwas zu tief in die Keksdose steckte und als ich Ihnen damals das Backen hatte beibringen wollen!“

Lachend klatschte sie vor Übermut in die Hände und als Joey sich an das Desaster von damals erinnerte konnte er nicht mehr anders und musste einfach mitlachen.
 

Kurz sah er zwischendurch auf seine Uhr und musste feststellen, dass er durch das – zugegebenermaßen erfrischende – Gespräch, merklich an Zeit verloren hatte. Immerhin musste er noch einmal weg. Also verabschiedete er sich von der netten Dame mit dem Versprechen, ihr bald einen Besuch abzustatten und stürmte in alter Manier die Treppen hinauf. Und, wie es so seine Art war, kam er nicht umhin die letzten Stufen auch noch mit seiner Nase zu begrüßen, da er in seiner ganzen aufgestauten Energie immer drei Stufen auf einmal genommen hatte. Fluchend erhob er sich wieder, stürmte in die Wohnung und warf Post und Tasche in die nächste Ecke.
 

„Bin wieder dahaaaa!“ rief er fröhlich durch die stille Stube und sah leise lächelnd auf das Bild seiner Eltern auf dem Tisch. Eines der wenigen, auf welchem seine Eltern gemeinsam zu sehen waren. Es war vor einigen Monaten entstanden, als seine Eltern sich nach Jahren des Streites und einer Entziehungskur seines Vaters endlich ausgesöhnt hatten. Für einen kurzen Moment hielt der junge Mann inne, ehe er schließlich mit Schwung und Elan durch die Wohnung wuselte, um seine Sachen aus seinem Zimmer zu holen. Einige kleinere Ordner und ein paar CDs später, hatte er schließlich alles in seinem Rucksack verstaut und machte sich nach einem
 

„Komme heute später! Tschühüüsss!“ auch schon wieder auf den Weg in Richtung Stadt. Heute Abend war er mit einer ganz besonderen Person verabredet, und diese Verabredung würde er sich um nichts in der Welt entgehen lassen. Nach Überquerung zahlreicher Straßen und zweier Brücken kam er schließlich an seinem Ziel an. Schnell schwang er sich von seinem Rad und stellte sich vor das Eisengitter, welches ihm den Zugang zum Anwesen versperrte. Aber er wusste ja, was zu tun war…
 

Umgehend schritt er zu einer kleinen gut versteckten Klingel an der rechten Seite des Tores und konnte schon kurz darauf eine Kamera über sich surren hören. Grinsend winkte er in den Fokus derselbigen hinein.

„Hi Niles! Kann ich rein?“

Eine sonore Stimme erklang aus einem der kleinen Lautsprecher.

„Master Kaiba ist momentan nicht anwesend, Mister Wheeler.“

Mit diesen Worten öffnete sich das Tor und Joey hörte noch hinter sich die Worte:

„Also treten Sie ruhig ein, Master Mokuba erwartet Sie bereits.“

Zwar war es bei der leicht elektronisch entstellten Stimme nicht wirklich auszumachen, aber Joey war sich sicher, einen belustigten Unterton in der Stimme des wohl dienstfertigsten Butlers des Hauses Kaiba vernommen zu haben.
 

Geschwind beförderte er nun sein Rad auf das Anwesen und stellte es in einer wenig einsichtigen Nische ab, ehe er sich dem Portal – anders war der Eingang wirklich nicht zu bezeichnen – zuwandte. Kaum, dass er die ersten Stufen erreicht hatte, wurde ihm bereits geöffnet und mit einem dankenden Nicken trat er an dem ebenfalls blonden Mann mittleren Alters vorbei.
 

„JOEY!“ In rasender Geschwindigkeit kam der längst nicht mehr so kleine Mokuba die Treppe hinuntergestürmt. „Hi Winzling.“ Erfreut über soviel Begeisterung nahm Joey ihn in Empfang. Mit viel Kraft wurde er übermütig einmal in der Gegend herum gewirbelt, ehe er sanft wieder auf dem Boden abgestellt werden musste. Er war halt nicht mehr so leicht wie früher. Jeder wurde älter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
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Von:  Onlyknow3
2013-06-09T18:11:59+00:00 09.06.2013 20:11
Ja so ist das nun mal,Erinnerungen manch mal sind sie klar und deutlich,und dann wieder verschwommen und im Hintergrund um den zu schützen der sie hat diese Erinnerung.Seth wird genau wie Seto noch dahinter kommen was es zu bedeuten hat.Das Seto sich nicht wundert warum er mehr Zeit mit seinem Bruder verbringen kann ´,hm,mir würde das zu denken geben warum plötzlich alles so super läuft in den Beiden Abteilungen nach dem er vorher so viele Probleme dort hatte mit der Entwicklung.Joey kümmert sich um Mokuba,und das ohne das es Seto weiß was der wohl sagen wird wenn er es mitbekommt.Super Kapitel,mir hat es gefallen was ich gelesen habe.Weiter so.

LG
Onlyknow3
Von:  Miracel
2013-06-04T20:12:17+00:00 04.06.2013 22:12
Ui, deine Geschichte geht wirklich so interessant weiter, wie sie begonnen hatte. Du erzählst sie wirklich sehr schön, dass man sich alles gut dazu vorstellen kann. Ich fand die alte Dame lustig mit ihrem Hut. ich hab direkt geschmunzelt. Na ja, zuerst dachte ich, hui, kommt Seto jetzt etwa in den Laden? Doch ich denke, das wäre zu einfach gewesen. Nein, zuerst einmal richtig in die Geschichte eintauchen, ehe es spannend wird, gell^^ finde ich gut.
Jetzt frage ich mich allerdings, Seto ist auf dem Weg nach Hause. Und Joey ist dann doch gewiss noch da? Hm, ich werde es wohl gleich lesen können wie es weiter geht.
Aber ein schönes Kapitel^^
Von:  jyorie
2013-05-09T15:01:17+00:00 09.05.2013 17:01
Hey ^_^

Ich mag die Geschichte. Du erzählst die beiden so schön liebevoll :) ist Joey schon dabei, sein Versprechen wahr zu machen, das er kaiba bei der Arbeit hilft um mit ihm Fußball zu spielen? Bei der Szene an der Supermarktkasse hatte ich die ganze zeit darauf getippt, das jetzt etwas mit seinen Fotografischen Fähigkeiten kommt, oder er jemanden entlarvt :P ... Setos Rückblick mit dem Garten der Apfelbäume war süß.

CuCu Jyorie

Von:  Lunata79
2012-11-23T22:39:27+00:00 23.11.2012 23:39
Wieder ein viel versprechendes Kapitel.
Lass mich raten: Seto kommt heim, während Joey noch dort ist? *fiesgrins*
Freu mich schon auf die Fortsetzung.

Lg
Lunata79


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