Geheimnisse aus Malendyr von Veluna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- *** Während der letzte Schnee schmolz und der Frühling langsam auf Malendyr einzog, war eine junge Frau endlich soweit, dem Königreich zu dienen. In Flockenhain lebten nicht viele Elfen. Es war ein kleines Dorf in den Bergen und lag weit abseits vom nächsten Dorf. Im Winter war es besonders schwer dort zu überleben, da der Zugangsweg weitestgehend mit Schnee bedeckt war. Die wenigen Elfen in Flockenhain sammelten schon im Sommer die Vorräte für den Winter. Die kleinen Häuschen in Flockenhain boten gerade mal Platz für 40 Einwohner. Eine davon war Loriena. Schon als kleines Mädchen wusste sie, dass sie nicht ewig in Flockenhain bleiben würde. Ihr war bewusst, dass sie eines Tages auf eine große Reise gehen würde und möglicherweise nie wieder zurück kommen sollte. Das zumindest hatte ihr die Dorfwahrsagerin voraus gesagt. *** Loriena ging in ihrem kleinen Schlafgemach auf und ab. Sie war ein wenig nervös, konnte sich jedoch nicht erklären, woran das lag. Nun war sie 20 Jahre alt und hatte ihre Ausbildung zur Jägerin abgeschlossen. Sie war eine der Wenigen im Dorf, die überhaupt eine Kampfausbildung angestrebt hatte. Während sie ihren hölzernen Bogen in die Hand nahm und ihn zu polieren begann, hörte sie Tazal im Hintergrund schnarchen. Grinsend drehte sie sich zu ihm um. Vor drei Jahren war Tazal zu ihr gekommen. Nach einer gelungenen Mission hatte man ihn ihr geschenkt. Sie hatte sich damals gewundert, denn es war ein Geschenk vom Königreich selbst. Seitdem war der kleine Wolf ihr Gefährte und unterstützte sie im Kampf, so gut es ging. Sein Fell war am Kopf hellbraun, der Rest war dunkel. Loriena war mehr als froh, dass sie Tazal an ihrer Seite hatte, denn er war ein wirklich treuer Gefährte. Plötzlich klopfte es an der Tür und erschrocken drehte Loriena sich. »Wer ist da?«, fragte sie. Eine raue, alte Stimme antwortete ihr. »Ich bin es Loriena,Khaelon. Darf ich herein kommen?« Loriena öffnete die Tür und bat den Mann herein. Khaelon war ihr Ausbilder. Ein sehr weiser Mann, der Magier und Jäger zugleich war. Er beherrschte so viele Zauber wie kaum ein Anderer im Dorf. Während er in seiner blau schimmernden Robe hineintrat, bewunderte Loriena sein silbernes, langes Haar. Er war einer von den Elfen, die im Wald nach Bärenkraut suchten. Ein seltenes Kraut, welches sie in ihrer Pfeife rauchten. Khaelon setzte sich auf Lorienas kleines Bett und streichelte Tazal. »Was führt euch zu mir?«, fragte Loriena. »Nun, ich habe gute Nachrichten für dich.«, antwortete ihr der alte Mann. Neugierig blickte sie ihn an. »Ich habe Nachricht aus dem Königreich erhalten. Königin Vanyar hat einen ersten Auftrag für euch. Du wirst nun zum ersten Mal allein das Dorf verlassen.«, erklärte Khaelon ihr. Loriena wusste nun, was sie den ganzen Tag so nervös gemacht hatte. Sie hatte ein Art Vorahnung gehabt. Betrübt blickte sie zu Boden. »Was ist los, Loriena? Freust du dich gar nicht?«, fragte Khaelon besorgt. »Doch, aber ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin.« Dann fiel ihr Blick auf Tazal, der den Beiden nun gespannt lauschte. Khaelon stand auf und trat zu ihr herüber. Er legte ihr seine Hand auf ihre kleine Schulter und sah sie ernst an. »Du bist soweit. Wofür hast du sonst die harte Ausbildung gemacht? Außerdem kannst du dort draußen noch viel mehr lernen.« Loriena wusste, dass der alte Mann rRecht hatte. Was ihr jedoch Sorgen machte, war die Vorraussage der Wahrsagerin. »Was ist, wenn ich wirklich nie zurück komme?«, fragte sie. Khaelon lächelte sie sanft an. »Dann ist dies eben dein Schicksal. Davor kann niemand flüchten. Das Leben bestimmt, wer wir sind und wohin wir gehen, nicht wir selbst.« Tazal sprang vom Bett und schmiegte sich an Lorienas Bein. »Was ist mit meinen Eltern, ich kann sie doch nicht allein zurück lassen.«, erklärte Loriena. »Das musst du sogar. Sie wollten es von Anfang an. Du weißt, dass du hier keine Zukunft haben wirst. Du solltest die Ausbildung machen, um für das Königreich wichtig zu werden. Damit sie auch dir das ewige Leben geben, welches du verdienst.« Der alte Mann blickte sie finster an und wollte keinen Widerspruch hören. Loriena wusste, dass jenes Elexier, welches das ewige Leben versprach, nur begrenzt zur Verfügung stand und nur Jenen gegeben wurde, welche sich als hilfreich für das Königreich herausstellten. Doch das bedeutete auch für sie, dass sie ihre Eltern zurücklassen musste und sie vielleicht nie wiedersehen konnte. Dieser Gedanke behagte ihr nicht und traurig sah sie Khaelon in die Augen. »Das Leben ist eine seltsame Gabe. Manchen wird es genommen und Anderen wird es auf ewig geschenkt. Das ist nicht fair.«, murmelte sie traurig. »Im Leben ist nichts fair, Loriena. Es ist nicht fair, dass wir hier in diesem Dorf festsitzen und von der Außenwelt abgeschirmt sind. Es ist nicht fair, dass wir den Winter gerade so überstehen und kaum einer von uns zum Königreich gerufen wird. Aber du bist eine der Wenigen, und du solltest es als Ehre betrachten, nicht als Schande. Du kannst froh sein, eine der Auserwählten zu sein. Kaum jemand bekommt diese Gelegenheit. Wenn du deine Aufträge gut erledigst und dir somit einen guten Ruf aufbaust, dann wirst du vielleicht eines Tages auch von dem Elexier trinken dürfen. Dann kannst auch du ewig leben.«, erklärte er und wirkte dabei ein wenig säuerlich. Loriena glaubte, dass Khaelon nicht verstehen konnte, dass es jemanden gab, der nicht alles für ein ewiges Leben geben würde. Loriena war stets der Ansicht, dass es wichtigeres gab. Jedoch musste sie sich auch eingestehen, dass es verlockend klang, niemals gehen zu müssen. »Was ist, wenn ich das gar nicht möchte? Ewiges Leben.«, fragte sie nachdenklich. Entsetzt sah Khaelon sie an. »Diese Frage stellt sich gar nicht. Denkst du, ich habe dich umsonst ausgebildet und dir ein Grundwissen in Magie beigebracht? Außerdem gibt es einen sehr guten Grund, aus dem du es tun musst.« Nun sah Loriena ihn überrascht an und hob eine Augenbraue. Der alte Mann zeigte daraufhin auf Tazal. Loriena verstand jedoch noch immer nicht. »Tazal war ein Geschenk des Königreiches. Sie scheinen viel Hoffnung in dich zu setzen. Du solltest nicht den Fehler machen, sie zu enttäuschen. Außerdem ist Tazal kein gewöhnlicher Wolf, denn er trägt Magie in sich und wird vielleicht auch ewig leben. Willst du ihn etwa allein zurück lassen? Er ist dein Gefährte, Loriena, er wäre todunglücklich, wenn er ohne dich sein müsste.«, mahnte Khaelon sie. Loriena wusste, dass sie sich vor der Reise nicht drücken konnte. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sich auch auf die Abenteuer gefreut, die sie bestreiten würde. Sie wollte endlich einsetzten, was sie in der Ausbildung gelernt hatte. Aber ihre Eltern und Freunde verlassen, das wollte sie nicht. Malendyr war ein großer Kontinent und daher wäre nicht gewiss, ob sie je wieder nach Hause kommen würde. »Draußen steht ein Pferd für dich bereit. Das Dorf möchte es dir schenken, damit du Flockenhain damit gut repräsentieren kannst. Sie wollen dir damit gratulieren. Packe nun deine Sachen und vergiss die Wundsalbe nicht, die ich dir gemacht habe. Du wirst sie sicher noch brauchen.«, sagte der alte Mann und verließ dann Lorienas Zimmer. Nachdem sie wieder allein war, setzte sie sich eine Weile auf ihr Bett und dachte nach. Tazal legte sich zu ihr und Loriena begann ihn am Kopf zu streicheln. »Uns steht wohl eine lange Reise bevor.«, sagte sie nachdenklich. Daraufhin sah Tazal sie erwartungsfroh an und Loriena wusste, dass er sich auf die Abenteuer freuen würde. »Nun gut. Uns bleibt nichts anderes übrig. Dann werde ich wohl packen.«, sagte sie und stand auf. Während sie an ihre Kommode ging und ihre lederne Rüstung herausholte, lief Tazal schon aufgeregt im Zimmer herum. Die Rüstung war ein Geschenk von Khaelon. Er hatte sie speziell für Loriena anfertigen lassen und sie mit einigen Zaubersprüchen belegt, damit sie mehr Schutz bot. Zuerst zog Loriena sich das Brustteil und die Hose an. Anschließend streifte sie die Schuhe und Armschienen über. Nachdem sie sich den Umhang angelegt und das Kopfteil aufgesetzt hatte, zog sie sich noch ihre Handschuhe an. »Und, sehe ich aus wie eine echte Jägerin?«, fragte sie Tazal und musste dabei zugeben, sich wohl zu fühlen. Die dunkelbraune Rüstung passte gut zu ihren roten Haaren, welche sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Mit ihrer zierlichen Figur und ihrem hübschen Gesicht, sah sie aus, wie eine kleine Prinzessin. Loriena holte unter ihrem Bett ein paar alte Satteltaschen hervor und packte zwei Decken und ein kleines Kissen hinein. Außerdem verstaute sie ihr kleines Tagebuch, ihre Feder und ihr Tintenfässchen, denn sie wollte jeden Moment ihrer Reise festhalten. In die andere Tasche kamen die Wundsalben und eine Menge Zaubertränke. Sie nahm ihren Köcher und füllte ihn mit Pfeilen. Von Khaelon hatte sie gelernt, wie man die Pfeile verzaubern konnte, damit sie an der Spitze giftig waren. Danach verließ sie ihre Stube und ging in die kleine Küche. Ihre Eltern waren nicht zu Hause. Es schmerzte sie sehr, sich nicht von ihnen verabschieden zu können. Dann lief sie zu dem kleinen Ofen, nahm sich einige Fleischvorräte und Brot, füllte ihren Wasserschlauch auf und packte alles sorgfältig in ihre Satteltaschen. Tazal folgte ihr auf dem Fuße und beide verließen gemeinsam das Haus. Auf der Straße, die aus dem Dorf führte, wartete Khaelon schon mit dem Pferd auf Loriena. Rasch ging sie zu ihm. »Da bist du ja.«, sagte er fröhlich. Loriena nickte nur. Danach befestigte sie die Satteltaschen, kletterte auf das Pferd und wartete auf weitere Anweisungen. »Du siehst aus wie eine richtige Kämpferin.«, hörte sie Khaelon stolz sagen. Daraufhin grinste Loriena ihn an und bemerkte, wie die anderen Dorfbewohner bewundernd zu ihr aufsahen. »Nun, du sollst in den Toranwald reiten und einen gewissen Morek Sturmauge ausfindig machen. Meines Wissen ist er ein Zwerg. Nimm dich in acht und sei höflich zu ihm. Er ist klein, aber wahnsinnig flink und er hat Kampftechniken drauf, von denen Andere nur träumen können. Er wird dir weitere Anweisungen erteilen und dir sagen, was zu tun ist.«, erklärte ihr der alte Mann. »Wo ist der Toranwald?«, fragte Loriena ihn. »Nun, du reitest aus dem Dorf hinaus und einfach immer nach Norden. Du wirst sicherlich drei Tage brauchen, bis du dort bist. Wenn du nachts schlafen willst, dann such dir immer ein gutes Versteck. Hier oben warst du stets sicher, in der Wildnis jedoch lauern Kreaturen, von denen die Meisten noch nie etwas gehört haben. Sei stets auf der Hut.« Loriena wirkte ein wenig verzweifelt. Am liebsten hätte sie Jemanden mitgenommen, statt allein losziehen zu müssen. »Ich habe noch etwas für dich.«, sagte Khaelon und kramte in seiner Tasche herum. Er holte eine Kette hervor, an der ein wunderschönes, silbernes Amulett befestigt war. Darauf war in elfischer Schrift das Wort „Lebensweg“ eingraviert. Schließlich reichte er es Loriena. »Danke.«, sagte sie. »Dieses Amulett wird dir den Weg zeigen. Es wird dir Kraft geben und dich beschützen.«, erklärte er. Loriena sah ihn traurig an, denn ihr war bewusst, dass nun der Abschied folgen würde. »Du wirst den richtigen Weg gehen, davon bin ich überzeugt.«, hörte sie Khaelon sagen und sah dabei den Stolz der in seinen Augen funkelte. Khaelon war um die 110 Jahre alt. Elfen hatten ein langes Leben. Auch ohne das Elexier war eine Lebenserwartung von 140 Jahren möglich. Doch mit dem Elexier wurde ihnen das ewige Leben geschenkt und sie alterten nicht mehr. Man zahlte für dieses Geschenk einen großen Preis, das war auch Loriena bewusst. Khaelon strich dem Pferd über den Kopf und sah es einen Moment an. »Du musst ihm noch einen Namen geben, Loriena.«, sagte er dann. »Das werde ich machen.«, versicherte sie ihm. »Nun, dann ist es wohl an der Zeit, dass du deine Reise antrittst. Wer weiß, möglicherweise werden wir uns wieder sehen. Ich schätze, meine Zeit in Flockenhain ist so langsam abgelaufen, auch ich muss weiterziehen.« Gespannt hörte Loriena ihm zu und nickte an den passenden Stellen. Tazal hatte sich währenddessen auf den Boden gelegt und beobachtete die Beiden. »Ich werde einen Boten schicken, wenn sich die Gelegenheit bietet und euch wissen lassen ,wie es mir geht.«, sagte Loriena. Da zog Khaelon die Augenbrauen hoch und begann zu lächeln. »Da fällt mir noch etwas ein. Ich wollte dir noch etwas mit auf den Weg geben.« Khaelon kramte erneut in seiner Tasche herum und holte einen kleinen ledernen Beutel hervor, welchen er Loriena gab. »Ich habe noch ein paar Goldmünzen für dich. Du solltest immer etwas Gold bei dir haben, wenn du auf Reisen gehst. Aber teile es dir gut ein, denn du wirst anfangs nicht viel für deine Aufträge erhalten.« Dankbar sah Loriena ihren ehemaligen Lehrmeister an. Dann steckte sie rasch das Gold weg und sah zu Tazal hinab. »Hey du kleine Schlafmütze, wollen wir nun Abenteuer erleben oder willst du hier schlafen?«, fragte sie ihn mit gespieltem Entsetzen. Daraufhin sprang Tazal aufgeregt auf und hechelte. Es sah aus, als würde er lachen und vor Freude fast platzen. »Macht es gut, Khaelon. Ich verspreche euch, heute war nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben! Ich werde zurückkehren.«, verkündete Loriena ihm. Khaelon sah sie zufrieden an. »Du nimmst dir viel vor. Aber das ist das Mädchen, welches ich kenne. Du hast den Kämpfergeist in dir. Deswegen wurdest du auserwählt. Ich wünsche dir eine gute Reise und hüte dich vor den Kreaturen der Nacht. Reite stets mit Bedacht und blicke nicht zurück!« Loriena sah ihn noch einmal an und gab dem Pferd die Sporen. Das Pferd galoppierte los und sie ritt die Dorfstraße hinunter. Tazal hechtete hinter ihr und dem Pferd her. Während sie in Richtung Dorfausgang ritt, öffneten die Elfischen Soldaten das Tor, welches zum Schutz der Einwohner erbaut worden war. Sie ritt hindurch, wollte sich noch einmal umdrehen um einen letzten Blick auf Flockenhain zu werfen, befolgte jedoch den Rat von Khaelon und blickte nicht mehr zurück. Dann ritt sie den schmalen Weg entlang, der durch das Gebirge und später wieder auf ebenes Gelände führen würde. Es war kurz nach 12 Uhr mittags und sie sog die Waldluft ein. Loriena war bisher noch nicht weiter als bis zu dem Gebirgsausgang geritten. Während ihrer Ausbildung streiften sie öfter im Gebirge umher, verließen es jedoch nie. Ihr wurde ein wenig flau im Magen, als sie daran dachte, was sie erwarten würde. Gegen Abend könnten sie das Tal erreicht haben. Kapitel 2: Der alte Zausel -------------------------- *** Loriena war nun schon einige Stunden unterwegs und sie spürte, wie sich die ersten Anzeichen der Erschöpfung andeuteten. Ihr Magen fing allmählich an zu knurren und sie hoffte bald an ihrem Schlafplatz angekommen zu sein. Tazal schien das nichts auszumachen, denn er spurtete immer noch hinter den Beiden her. Langsam wurde es dämmrig in Malendyr und die Sonne verschwand am Himmel. Loriena hatte das Gefühl, als würde es allmählich frisch werden und sie trieb das Pferd an, ein wenig schneller zu laufen. Der Weg durch das Lorasagebirge war sehr steinig. Oft hatte das Pferd Mühe, dass Gleichgewicht halten zu können. In Lorienas Kopf spielte sich derweil so einiges ab. Sie fragte sich, was ihre Eltern wohl gerade machten, wie sie reagiert hatten, als sie nach Hause kamen und ihre einzige Tochter fort war. Sind sie froh gewesen, oder am Ende doch traurig? Als die Dunkelheit langsam über Malendyr hereinbrach, entdeckte Loriena endlich den Schlafplatz, den sie während ihrer Ausbildung oft aufgesucht hatte. Verborgen hinter einem großen Felsen auf der linken Seite, lag eine Höhle, die von Bäumen umgeben war und so nur schlecht zu finden gewesen ist. Loriena hatte die Höhle während einer ihrer Jagdläufe entdeckt. Nachdem sie einem großen Bären auf der Spur gewesen war, welcher den ganzen Tag von ihr verfolgt und erlegt wurde, fand die Elfe in dieser Höhle Unterschlupf. Das Dorf war mächtig stolz, als sie am Tag darauf mit so viel Fleisch zurückkam. Loriena stieg von ihrem Pferd hinab und führte es zwischen den Bäumen hindurch hinter den Felsen. Die Höhle war nicht gerade groß, jedoch reichte sie für die Nacht. Tazal kam den Beiden hinterher und nahm sofort seinen Platz in der Höhle ein. »Hey, ich würde auch ganz gern dort schlafen.«, erklärte sie ihm schmunzelnd. »Also mach dich nicht so breit!« Tazal ignorierte ihre Worte und legte sich zum Trotz voll ausgestreckt nieder. Loriena begann dem Pferd den Kopf zu streicheln. »Das hast du gut gemacht heute.«, sagte sie zu ihm. Das Pferd wieherte sie leise an und ließ sich dann ebenfalls auf den Boden sinken. Während Loriena rasch ein wenig Brennholz zusammensuchte, überlegte sie nach einem passenden Namen für ihren neugewonnenen Begleiter. Dann betrachtete sie das Pferd genauer. Das schwarze Fell und die hellgraue Mähne, ließen es sehr elegant wirken. Aus seinen treuen Augen verfolgte es jeden Schritt den sie machte. »Wie wäre es mit Argon? Würde dir das gefallen?«, fragte sie das Pferd. Dieses schnaubte und drückte damit seine Unzufriedenheit aus. Loriena sah es lange an und überlegte angestrengt. Dann kam ihr eine Idee. »Ich denke, Nadok würde dir gefallen.« Daraufhin erhob sich das Pferd und wieherte fröhlich. Nun war es beschlossene Sache. Loriena baute ein kleines Lagerfeuer und entzündete es mit zwei Feuersteinen, welche sie gegeneinander rieb. Später war sie sehr dankbar für die Wärme, die von dem Feuer ausging. Sie briet sich ein Stück Fleisch in ihrer kleinen Pfanne und warf Tazal ein rohes Stück Schweinefleisch zu. Dem Pferd gab sie Äpfel, welche sie im Wald gefunden hatte, als sie Holz sammeln war. Nachdem sie gegessen hatte, legte sie ihre Decke in der Höhle aus und legte sich darauf. Mit der anderen deckte sie sich zu und versuchte zu schlafen. »Tazal, du passt auf uns auf, ja?«, sagte sie noch, dann schlief sie ein und träumte von Flockenhain. *** Am nächsten Morgen erwachte sie ausgeruht und zufrieden. Die Sonne schien leicht in die kleine Höhle hinein. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte und aus der Höhle sah, bemerkte sie Tazal, der um das Pferd herumschlich. Loriena verdrehte die Augen und stand auf. »Tazal, hör auf damit, du machst Nadok nervös!« Tazal ließ sich nicht beirren und ging weiter seiner Beschäftigung nach. Nadok stand auf und wieherte Tazal ungeduldig an. Dann scharrte es mit den Hufen und stupste den Wolf mit seinem Kopf an. Daraufhin knurrte Tazal. Es war jedoch kein bedrohliches Knurren, sondern eher ein verspieltes. Während die Beiden sich gegenseitig neckten, räumte Loriena ihre Decken zusammen und packte ihre Satteltaschen. Sie entfernte die letzten Spuren des Lagerfeuers, um kein Aufsehen zu erregen und trank einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch. »Heute Abend sind wir an der Liane. Dort könnt ihr ausreichend trinken.«, erklärte sie ihren beiden Gefährten. Die Liane war ein kleiner Fluss, welcher vom Lorasagebirge hinunter ins Tal floss und dann in einem anderen Fluss mündete. Schließlich sattelte Loriena Nadok und stieg auf, um weiterzureiten. Tazal rannte schon mal vor. Noch früh am Morgen verließen sie das Lorasagebirge und kamen hinab in das Liliental. Dort waren viele Blumen und Wiesen zu sehen, aber weit und breit kein Dorf. Aus Erzählungen wusste Loriena aber, dass es im Tal ein kleines Dorf namens Nordernstern gab. Dieses lag jedoch zwei Reittage entfernt. Sicherlich hätte sie sich das Dorf gerne einmal angesehen, aber nun war keine Zeit für Umwege. Sie musste sehen, dass sie im Toranwald ankam und ihren nächsten Auftrag annehmen konnte. Der Weg durch das Tal war beschwerlich. Um die Mittagszeit herum machte Loriena eine kleine Pause, um etwas zu trinken und Kräuter zu sammeln. Anschließend ritt sie weiter gen Osten und fragte sich, woher sie wusste, dass dieser Weg richtig war. Ein Blick auf das Amulett ließ sie glauben, auf dem richtigen Weg zu sein. Tazal rannte nun nicht mehr vorneweg, sondern schlich nebenher. Ihm machte das viele Laufen zu schaffen, da er dieses nicht gewohnt war. Die Landschaft wirkte noch immer öde. Gegen Abend nahm Loriena am Horizont einen blauen Schimmer wahr. Nun war es nicht mehr weit bis zum Fluss. Insgeheim hoffte sie, dass sie dort eine gute Gelegenheit zum Übernachten finden würde. Da die Abenddämmerung schneller hereinbrach als erwartet, trieb sie Nadok an, schneller zu laufen. Tazal hechelte müde, rannte aber voller Vorfreude auf die Trinkquelle noch schneller. Als die Dunkelheit über sie hereinbrach, erreichten sie den Fluss und Loriena suchte nach einem geeigneten Versteck. Zwischen den Büschen und den Bäumen, die am Ufer des Flusses standen, fand sie eine verborgene Stelle, welche sie für geeignet hielt. Ohne zu zögern führte Loriena ihre Gefährten dorthin und stieg. Während sie ihre Decke ausbreitete und ein kleines Lagerfeuer machte, tranken Tazal und Nadok aus dem Fluss. Beide bekamen gar nicht genug von dem Wasser und Loriena ließ ihnen die Freude. Für sich selbst machte die Elfe in ihrem kleinen Topf eine Suppe, mit dem Rest aus ihrem Wasserschlauch, ein wenig Fleisch und den Kräutern die sie gesammelt hatte. Der Abend verging rasch. Loriena aß ihre Suppe und schrieb ihr Tagebuch. Darin erwähnte sie, wo sie entlang geritten war, wie es dort ausgesehen und wie sie sich gefühlt hatte. Danach zerkleinerte sie ein paar Kräuter und füllte sie mit dem Wasser aus dem Fluss in eine ihrer Phiolen. Während es in der Phiole brodelte, kramte sie in einer der Satteltaschen herum und holte einen kleinen Beutel hervor, in dem sich Pulver befand, welches Khaelon ihr vor langer Zeit gegeben hatte. Es war Angrispulver und man benutzte es um Zaubertränke zu verfeinern und zu verstärken. Zu finden war es jedoch nur in den Sumpföden, welche ganz oben im Norden von Malendyr lagen. Mit ihren Fingern griff sie nach einer Prise Angrispulver, gab es in die Phiole, verschloss diese und schüttelte sie einige Male kräftig, um sie schließlich in ihrer Satteltasche zu verstauen. Tazal und Nadok kamen zu ihr und legten sich an das Feuer. Loriena breitete in der Zeit ihre Decke aus und legte sich zum Schlafen hin. In dieser Nacht träumte sie das erste Mal von einem Elf, welcher in einem arkanen Gefängnis saß. *** Sein Gesicht war verschwommen und nur Umrisse waren zu erkennen. Verschwitzt erwachte Loriena und setzte sich aufrecht hin. Die Vögel zwitscherten bereits, als die Sonne langsam im Westen aufging. Rasch stand Loriena auf und streckte sich. Als sie bemerkte, wie verschwitzt sie war, beschloss sie sich im Fluss zu waschen. Sie nahm ihre andere Decke mit und ging zum Fluss. Tazal und Nadok schliefen noch friedlich und merkten gar nicht, dass Loriena verschwand. Das Wasser war kalt und ließ erkennen, dass der Winter gerade erst vorbei war. Der Frühling saß zwar in den Startlöchern, kam jedoch noch nicht richtig hervor. Nachdem Loriena ihre Rüstung abgelegt hatte, wusch sie ihren Körper und die Haare, welche schon leicht fetteten. Frierend kam sie wieder an Land und trocknete sich mit der Decke ab. Als ihre Haare durch die Luft ein wenig getrocknet waren, zog sie sich wieder an und kämmte sich mit ihrem Eisenkamm die Haare, welche sie danach wieder nach oben band. Dann füllte sie noch ihren Wasserschlauch und ging zurück zum Lager. Tazal und Nadok waren nun wach und begrüßten Loriena fröhlich. Sie warf Tazal ein Stück Fleisch hin und gab Nadok zwei Äpfel zu fressen. Während die zwei sich über ihr Fressen hermachten, räumte Loriena ihre Sachen zusammen und entfernte die Spuren des Lagerfeuers. Als sie Nadok gesattelt hatte und aufgestiegen war, ritt sie weiter. Tazal rannte hinterher. Der Tag verging nur langsam. Während Loriena auf Nadok ritt, sah sie sich die Landschaft an und dachte über ihre Zukunft nach. Sie fragte sich, welchen Auftrag sie wohl von dem Zwerg bekommen würde. Ebenfalls hoffte Loriena dort einen guten Unterschlupf zu finden, an welchem sich auch ihre Gefährten ausruhen konnten. Die Stunden vergingen sehr langsam. Ab und zu machten sie eine Pause, um sich zu stärken und auszuruhen. Tazal schnaufte fröhlich vor sich hin und drängte zum Weiterlaufen, während Nadok noch aus einem Schälchen mit Wasser trank. Gegen Abend hatten sie dann endlich den Toranwald erreicht. Loriena fand es fast gruselig, wie sich die Umgebung schlagartig veränderte. Der tristen Umgebung, die nur Wiesen zuließ, wichen Bäume und moosbedeckter Boden. Der Wald im Ganzen wirkte eher dunkel und finster. Als sie die ersten Schritte in den Wald machten, bemerkte Loriena die Luftveränderung, welche von trocken zu feucht wechselte. Auf dem Boden war ein Weg zu erkennen, welchem Loriena folgte. Nach einer Weile kam sie an eine Kreuzung. Dort war ein Wegweiser angebracht, auf dem stand "Brons Lager" und er zeigte nach links. Loriena folgte dem Weg und ritt nun schneller. Plötzlich sah sie eine kleine Gestalt auf sich zukommen. Als sie nah genug an dem Wesen war, sah sie erst, dass es sich um einen Zwerg handelte. Bis zum heutigen Tage hatte sie erst einmal einen Zwerg gesehen. Damals kam ein Händlerzwerg nach Flockenhain, als der Frühling endlich da war. Der kleine Mann hielt eine Laterne in der Hand und beleuchtete den Weg. Er hatte eine Plattenrüstung an und sein orangener Bart reichte bis zu seinem Bauch. Außerdem fiel Loriena seine unglaublich große Nase auf. »Halt!«, rief er ihr zu. Sofort brachte Loriena Nadok zum Stehen und sah den Zwerg fragend an. »Ich bin Farek Goldbräu. Was macht ihr hier zu dieser späten Stunde, Elfe?«, fragte er skeptisch. In diesem Moment begann es zu regnen und Loriena wurde nass bis auf die Haut. »Ich bin im Auftrag des Königreiches hier und suche Morek Sturmauge.« »Und wie heißt ihr?« Der Zwerg rümpfte die Nase und schaute sie grimmig an. »Mein Name ist Loriena Windsucher. Ich komme aus Flockenhain, im Lorasagebirge. Der Magier und Jäger Khaelon schickte mich hierher.«, erklärte sie. Der Zwerg musterte die Elfe lange, dann entspannten sich seine Gesichtszüge endlich. »Kommt, zum Lager geht es hier entlang.« Loriena stieg von Nadok ab und ging mit dem Zwerg zu Fuß zum Lager. Als sie dort ankamen, bemerkte sie die vielen Zwerge, die sich dort aufhielten. »Wir sollen dafür sorgen, dass der Toranwald sauber bleibt und nicht von Monstern überfallen wird.«, erklärte Farek ihr. Loriena nickte verständnisvoll. Auf dem Lagerplatz standen mehrere kleine Zelte und in der Mitte war ein großes Lagerfeuer gebaut worden, welches durch den Regen jedoch fast erloschen war. Ein paar Transportwägen aus Holz standen in der Gegend herum. Der Zwerg führte Loriena zum größten der Zelte und ließ sie eintreten. Es war spartanisch eingerichtet. Nur ein Bettgestell und ein Holzstuhl, sowie ein kleiner Tisch. Auf dem Bett saß ein Zwerg, der in ein Buch vertieft war. »Bron?«, rief Farek dem Zwerg zu. Dieser hob daraufhin den Kopf und sah zu den Beiden. Seine Augen weiteten sich und er stand plötzlich auf. »Wen haben wir denn da?«, fragte er. Seine Stimme war sehr rau und klang alt. Loriena hatte das Gefühl, dass die Zwerge alle gleich aussahen, nur das die Farbe ihres Bartes und der Haare sie voneinander unterschieden. »Das ist Loriena Windsucher aus Flockenhain. Der Magier und Jäger Khaelon schickte sie, um zu Morek zu gehen.«, erklärte Farek ihm kurz. Der Zwerg namens Bron hob die Augenbrauen. »Nun, ich bin der Leiter dieses Lagers. Wenn du etwas brauchst, wende dich ruhig an mich. Wir haben hier einen Händler, er verkauft dir Lebensmittel und sonstigen Plunder. Alles, was dein Herz begehrt. Aber nun geh zu Morek. Er mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«, erklärte ihr Bron und wedelte mit den Händen um ihr zu zeigen, dass sie gehen sollte. Loriena und Farek verließen das Zelt und gingen über den kleinen Lagerplatz zu einem anderen Zelt. »Morek?«, rief der Zwerg. »Ja?«, brummelte eine tiefe Stimme aus dem Zeltinneren. »Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.«, erklärte er weiter. Ein Moment des Schweigens. »Ich erwarte niemanden.«, brummelte er erneut. »Geh einfach hinein. Aber hüte dich, kleine Elfe. Er ist nicht der Freundlichste.« Farek hielt ihr das Zelt offen und Loriena trat herein. In Moreks Zelt war es sehr dunkel. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl standen darin und ein dunkler Teppich lag auf dem Boden. Auf dem Tisch standen eine Kerze und ein Kelch mit Wein. Morek saß auf dem Stuhl, mit dem Rücken zu Loriena. »Wer will etwas von mir?«, fragte er mit einem mürrischen Unterton. »Mein Name ist Loriena Windsucher. Khaelon schickt mich.«, erklärte sie. Nun drehte der Zwerg sich um und zeigte sich. Sein Gesicht wirkte alt und verlebt. Sein grauer Bart ließ ihn noch älter wirken und sein grimmiger Gesichtsausdruck machte ihn nicht gerade symphatisch. »Ihr seit spät dran, findet ihr nicht?«, fragte er. »Ich kam so schnell es ging.«, antwortete Loriena ihm. »Khaelon kündigte euch für heute Abend an, nun ist es bereits fast Mitternacht. Pünktlichkeit ist eine Tugend.« Während er dies sagte, funkelten seine Augen wütend. Loriena schaute verlegen und wurde ein wenig rot. »Verzeihung, aber es ging nicht schneller. Mein Pferd war müde.«, erklärte sie sich. Daraufhin begann Morek zu schnauben. »Pahh! Ausreden über Ausreden. Jeder der hier vorbeikommt, hat eine andere für mich parat. Erklärt mir eines Loriena, warum sollte ich euch einen Auftrag geben, wenn ihr nicht zuverlässig seid?« »Weil ich eine sehr gute Ausbildung gemacht habe und durchaus zuverflässig bin. Allerdings bin ich auch keine Tierqäualerin und gönne meinen Gefährten ihre verdienten Pausen! Also, gebt ihr mir nun den Auftrag, oder muss ich zurück nach Flockenhain gehen und Schande über das Dorf bringen?«, verteidigte sie sich. Der Zorn funkelte in Moreks Augen. »Ihr solltet eure Zunge hüten. Wie ihr mit mir sprecht, ist nicht gerade vorteilhaft für eure Zukunft, Mädchen. Nun, ich werde darüber nachdenken und euch morgen Bescheid geben! Diese Entscheidung will wohl überlegt sein, schließlich soll das Königreich keine unzuverlässigen Leute haben, die noch dazu unhöflich sind. Nun geht und kommt morgen früh wieder.«, sagte er grimmig. Alter Zausel, dachte Loriena und verließ das Zelt. Kapitel 3: Spurensuche ---------------------- *** Der Regen hatte aufgehört und die kalte Nachtluft ließ Loriena schwer atmen. Sie fühlte sich ausgelaugt und kaputt. Das Gespräch mit Morek hatte ihr nicht behagt, denn sie fühlte sich nun wie eine unzuverlässige und nichtskönnende Elfe, die noch dazu unerwünscht war. Farek hatte draußen auf sie gewartet und blickte betrübt zu ihr auf. »Das lief wohl nicht so gut.«, stellte er fest. Loriena schüttelte den Kopf und sah hilflos zu ihm hinab. »Ihr könnt in meinem Zelt schlafen. Hier ist genug Platz für alle. Wir werden uns um euer Pferd kümmern und es versorgen. Tazal hat es sich schon gut gehen lassen.« Während er sprach, zeigte er zur Mitte des Lagers. Dort standen zwei kleine Zwerge um Tazal herum und verwöhnten ihn mit Streicheleinheiten. Tazal genoss es und ließ sich von ihnen auch noch durchfüttern. Loriena schmunzelte, dann wandte sie ihren Blick wieder Farek zu. »Ihr sagtet etwas von einem Händler?« »Nenn mich ruhig Farek, kleine Elfe. Wir brauchen dieses Höflichkeitsgetue nicht.«, sagte er und schenkte ihr ein müdes Lächeln. Der noch eben so skeptische Zwerg verwandelte sich nun in einen freundlichen und hilfsbereiten. »Zum Händler geht es hier entlang.« Loriena folgte Farek zu einem der kleinen Zelte. Er öffnete es und beide traten hinein. Vor ihnen befand sich ein Zwerg, der ein Gewand trug und in einem Berg voller Dinge herumwühlte. Beinahe schien er darin unterzugehen. »Balduin, ich habe Kundschaft für dich.«, erklärte Farek. Der Händler drehte sich um und sah zu Loriena auf. Seine Augen wurden groß und er kraulte sich am Bart. »Welch hübsche Elfe ich vor mir sehe.«, sagte er. Balduins Stimme klang weder hart noch rau, eher weich und sanft. Sein Gewand hing ihm bis über die Schuhe und seine Haare hatte er zu einem Zopf gebunden. »Farek, warte draußen.«, befahl er dem Zwerg. Sofort verließ Farek das Zelt. Balduin ging auf Loriena zu und reichte ihr die Hand, welche sie daraufhin ergriff und schüttelte. »Was kann ich für dich tun, mein Kind?«, fragte Balduin. Seine Wortwahl gab Loriena das Gefühl ein kleines Kind zu sein, welches nach etwas Süssem verlangte. »Was könnt ihr mir denn anbieten?«, entgegnete Loriena. Grinsend drehte sich der Zwerg um und zeigte auf den Berg hinter ihm. »Hier liegt mein ganzer Plunder. Was das Herz begehrt. Brauchst du vielleicht einen Kamm?«, fragte er hoffnungsvoll. »Nein, den habe ich schon.«, gab Loriena zurück. »Nun, dann vielleicht einen ledernen Beutel? Wirklich erste Wahl, das Leder ist aus Drachenhaut und kommt aus dem Horatesgebirge. Für 3 Goldmünzen gehört er dir.«, sagte Balduin. »Leider brauche ich auch das nicht.«, antwortete Loriena ihm und sah daraufhin in die enttäuschten Augen des Zwergs. »Ich habe noch jede Menge andere Dinge.«, hörte Loriena ihn sagen. »Wisst ihr was ich wirklich gebrauchen kann?«, fragte sie ihn mit einem Lächeln auf den Lippen. Fragend sah Balduin sie an. »Ich bin eine Jägerin, wie ihr sicher seht. Meine Waffe ist mein Bogen. Im Nahkampf allerdings ist der Bogen eher nutzlos, daher brauche ich einen Dolch oder ein kurzes Schwert, oder etwas Dergleichen.«, erklärte sie. Nachdenklich sah Balduin sie an. »Ich wäre bereit, bis zu sechs Goldmünzen dafür zu zahlen unter der Bedingung, dass ihr mir etwas verkauft, was mich auch wirklich schützt.«, setzte Loriena nach. Balduin drehte sich um und kramte in seinem Berg herum. Er wühlte, suchte und verschwand nach einer Weile darin. Loriena hörte es nur noch poltern und wartete, dass er wieder zum Vorschein kam. »Ich glaube, ich habe etwas für dich gefunden, Kind.«, rief er und kletterte wieder aus seinem Plunderberg hinaus. In seinen Händen hielt er eine dunkle Holzkiste auf der schon eine dicke Schicht Staub lag. »Das hier müsste das Passende sein.«, erklärte er, während er die Kiste öffnete. Darin befand sich ein Dolch. Loriena sah ihn staunend an und betrachtete ihn. Sein Griff war aus Silber und hatte ein wunderschönes Muster eingraviert. Die Dolchspitze sah so scharf aus, als könnte sie Metall schneiden. Das Besondere an ihr war jedoch der rosa-orangene Schimmer der sie überzog. »Er sieht perfekt aus.«, sagte Loriena, während sie den Dolch noch immer bestaunte. Balduin grinste sie zufrieden an. »Nimm ihn in die Hand Kind, erst dann wirst du wissen, ob es der Richtige für dich ist.« Ohne zu zögern griff Loriena nach dem Dolch. Ein unglaubliches Gefühl der Stärke durchfuhr sie, als sie ihn in der Hand hielt. Es fühlte sich an, als würde Loriena von etwas durchströmt, einer Art Magie. Nachdem sie den Dolch wieder in die Kiste gelegt hatte, verschwand auch das Gefühl. »Ich nehme ihn.«, sagte sie entschlossen und schien sichtlich zufrieden mit ihrer Entscheidung. »Das freut mich, jedoch kann ich ihn dir nicht ohne einen Waffengürtel geben. Oder hast du einen?«, erklärte ihr der Zwerg. Nachdem Loriena den Kopf geschüttelt hatte, verschwand Balduin erneut in seinem Plunderberg und kam kurze Zeit später mit einem ledernen Gürtel zurück. »Hier, der sollte dir passen.« Als sie den Gürtel um ihre Hüfte gelegt und den Dolch in die Scheide gesteckt hatte, fühlte sie sich von einer inneren Wärme durchzogen. »Wieviel kosten mich eure Mühen?«, fragte sie ihn anschließend. »Der Dolch kostet sechs Goldmünzen und der Gürtel 80 Silbermünzen.« Während Balduin die Preise aufzählte, holte Loriena ihren kleinen Beutel mit Goldmünzen heraus, den Khaelon ihr gegeben hatte. Sie reichte dem Zwerg sieben Goldmünzen und erhielt 20 Silbermünzen zurück. »Vielen Dank.«, sagte sie zu ihm und wandte sich zum Gehen um. »Warte einen Moment.«, rief er Loriena nach und lief zu ihr hin. Fragend blickte sie ihn an. »Ich habe noch eine Kleinigkeit für dich.«, erklärte er und wühlte in den Taschen seines Gewandes herum. Dann hielt er ihr einen kleinen, türkisen Stein hin. »Das ist ein Morlion. Ich fand ihn auf meiner letzten Reise. Du kannst ihn sicher besser gebrauchen wie ich und ich überlasse ihn dir gern. Verarbeite ihn in deiner Rüstung und er wird deine Ausdauer im Kampf stärken.« Ungläubig blickte Loriena ihn an. »Warum schenkt ihr ihn mir? Er ist doch sicher viel wert.« Balduin winkte das Gesagte mit einer Handbewegung ab. »Er ist sehr klein und daher nicht mehr wert wie eine Goldmünze. Auch kommt hier nur selten jemand vorbei, der Edelsteine kaufen möchte. Deswegen überlasse ich ihn dir gern.« Dankend blickte Loriena ihn an und verließ dann das Zelt. Draußen wartete Farek schon auf sie. »Du hast dir doch keinen Firlefanz andrehen lassen, oder?«, fragte er sie besorgt. »Nein, ich habe das bekommen, was ich dringend brauchte.«, erklärte sie ihm. Dann ließ sie sich von ihm zu dem Zelt führen, in dem sie übernachten durfte. Fareks Zelt war genauso schlicht wie die anderen, nur das in seinem Zelt mehrere Stapel von Büchern lagen. »Du kannst dich hier ausruhen. Und wenn du etwas brauchst, dann sag bescheid.«, erklärte er und verließ sie dann. Als Farek weg war, sah Loriena in das Zelt und fand dort ihre Taschen. Sie holte ein kleines Tuch heraus und wickelte den Edelstein hinein. Dann ließ sie sich auf das Bett fallen. Müde und erschöpft machte sie es sich gemütlich und deckte sich zu. Als sie gerade dabei war einzuschlafen, betrat Tazal das Zelt und legte sich ans Fußende des Bettes. Gemeinsam schliefen sie ein. *** Traumlos verging die Nacht und Loriena hatte einen ruhigen Schlaf. Dies sollte sich jedoch rasch ändern. Gegen vier Uhr morgens, wurde sie von Farek geweckt. Zuerst dachte sie, es wäre nur ein Traum. Nach einer Weile wurde ihr jedoch bewusst, dass es Wirklichkeit war und sie in dem Bett eines Zwerges lag. Aus ihren verschlafenen Augen erkannte sie Farek, der mit seiner Laterne am Bett stand und sie weckte. »Du musst aufstehen, Elfenmädchen.«, sagte er. Fragend blickte sie ihn an. »Was ist denn los?« Farek senkte den Kopf und seufzte. »Morek verlangt nach dir. Er sagte, er will dich sprechen und zwar sofort.« Loriena hob die Augenbrauen. Sie war keine Elfe, die ihre Missbilligung mit Worten ausdrückte. Wenn ihr etwas nicht gefiel, hob sie die Augenbrauen und das war es. Ohne weiteres stand sie auf und streckte sich. Dann richtete Loriena sich rasch ihre Haare und folgte Farek aus dem Zelt ins Freie. Draußen war es feucht und kalt. Es dämmerte am Himmel. Am Lagerfeuer saßen ein paar Zwerge und tranken Bier. Loriena betrat Moreks Zelt und sah ihn gespannt an. Morek drehte sich augenblicklich zu ihr um. »Ah, da seid ihr ja, Elfe.«, sagte er und der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. Loriena schwieg und wartete darauf, was Morek zu sagen hatte. »Habt ihr gut geschlafen?«, fragte er sie. Loriena war eine recht geduldige Elfe, doch ließ sie sich auch nicht hinters Licht führen. »Ihr habt mich sicher nicht gerufen, um zu erfahren, ob ich gut geschlafen habe, Morek Sturmauge.«, sagte sie in ernstem Tonfall. Schnaubend blickte der grimmige Zwerg zu ihr auf. »Was ihr nicht sagt! Ich wollte das ihr zu mir kommt, damit ich euch meine Entscheidung mitteilen kann.« Erwartungsvoll sah Loriena ihn nun an und wartete auf seine Entscheidung. »Wisst ihr, da ihr mich in Punkto Pünktichkeit und Höflichkeit enttäuscht habt, habe ich mich dazu entschlossen, euch zunächst auf die Probe zu stellen.«, erklärte er ihr mit freudiger Stimme. Genervt sah Loriena ihn an, versuchte aber ruhig zu bleiben. »Und was bedeutet das nun?«, fragte sie ihn. Marek begann zu lachen. »Ihr sollt einen Auftrag für mich erledigen. Führt ihr ihn zu meiner Zufriedenheit aus, würde sich das sehr positiv auf meine Entscheidung auswirken. Danach entscheide ich, ob ich euch weiterschicke, oder ob ihr nach Flockenhain zurückkehren müsst.« Ungeduldig trat Loriena auf der Stelle. »Und was soll ich für euch tun?« »Hier in der Nähe gibt es einen Bären. Er hat nun schon öfter unser Lager angegriffen und unsere Vorräte gestohlen. Außerdem hat er zwei Zwerge schwer verletzt. Wir nennen ihn den Brummbären. Ihr sollt ihn für mich ausfindig machen und mir seinen Kadaver bringen.«, erklärte er ihr. Nachdem sie erfahren hatte, was sie tun musste, nickte sie Morek zu und drehte sich um. Als sie gerade das Zelt verlassen wollte, wurde sie von Morek zurückgerufen. »Loriena Windsucher?«, rief er. Mit gehobenen Augenbrauen drehte sie sich zu ihm um. »Ihr tragt einen schönen Dolch bei euch. Ich hoffe, ihr habt ihn auch verdient.« Seine Stimme klang ernst bei diesen Worten. Dann drehte der Zwerg sich um und Loriena verließ das Zelt. »Farek, lass doch bitte mein Pferd holen und satteln.«, murmelte Loriena zu Farek, der vor dem Zelt schon auf sie wartete. Rasch nickte er ihr zu und lief davon. Die Gastfreundschaft der Zwerge verblüffte Loriena. Sie hatte sie immer für grimmige Biertrinker gehalten. Nachdem das Pferd gesattelt und Loriena aufgesessen war,sah sie Farek dankend an. »Was hast du nun vor?«, fragte dieser. »Nun werde ich einen Bären erlegen.«, sagte sie entschlossen. Bewundernd blickte Farek zu ihr auf. »Viel Glück da draußen. Pass auf dich auf, Elfenmädchen.« Loriena grinste ihn noch einmal an, dann ritt sie los und Tazal folgte ihr. *** Als die Sonne schon am Himmel stand, befanden sich Loriena und ihre Gefährten schon in den Tiefen des Toranwaldes. Nadok trabte nur langsam durch das Dickicht, somit konnte Loriena nach möglichen Spuren Ausschau halten. Tazal hingegen schnüffelte den ganzen Wald ab und suchte ebenfalls nach einer Spur. Loriena glaubte etwas am Boden entdeckt zu haben und brachte Nadok zum Stehen. Nachdem sie abgestiegen war und Nadok an einem Baum befestigt hatte, eilte sie leise zu der Stelle, an der sie glaubte, etwas gesehen zu haben. Auf dem mossbedeckten Boden sah Loriena einen riesigen Tatzenabdruck, der unter ein paar Blättern halb versteckt war. Sie kniete nieder und legte den Abdruck frei. Dann untersuchte sie ihn eine Weile und stelle fest, dass er von einem großen Bären stammte. Der Tiefe des Abdrucks nach zu urteilen musste der Bär um die 400 Kilogramm wiegen. »Na, das kann ja lustig werden.«, murmelte Loriena vor sich hin. Schließlich winkte sie Tazal zu sich herüber und ließ ihn an dem Abdruck schnüffeln. Es dauerte eine Weile, bis Tazal die Fährte aufgenommen hatte und ihr folgte. Loriena schlich leise hinter Tazal her. Beide irrten eine Weile durch den Wald und Loriena glaubte schon, den Bären nie zu finden, bis Tazal schneller lief. Nun musste sie sich beeilen, um hinterher zu kommen. Schwanzwedelnd rannte Tazal durch den Wald und Loriena folgte ihm keuchend. Als er abrupt Halt machte, befanden sie sich unmittelbar vor einer Höhle. Stolz setzte Tazal sich an den Eingang und wartet auf Loriena. Diese zog sogleich ihren Bogen hervor und legte einen Pfeil an die Sehne. Schussbereit ging sie langsam ein paar Schritte näher. Durch die enorme Dunkelheit in der Höhle war kaum etwas zu erkennen. Loriena wandte eine ihrer gelernten magischen Fähigkeiten an. »Luna el Lumis!«, flüsterte sie. Ein kurzer Lichtschwall erhellte die Höhle und ließ sie für einen Moment sehen, was sich darin befand. Der Bär lag am Ende der Höhle, welche nur etwa fünf Meter lang war. Es schien, als würde er noch immer schlafen und hätte seinen Winterschlaf noch nicht beendet. Nun verstand Loriena auch ihren Auftrag. Morak wusste genau, dass der Brummbär bald wieder erwachen und sie dann erneuten Ärger mit ihm haben würden. Daher wollte er ihn beseitigen lassen. Loriena trat nun an den Bären heran. Zwischendurch wirkte sie immer wieder ihren Zauber um zu sehen, ob sie auch in die richtige Richtung lief. Dann stand sie über ihm und richtete ihren Pfeil auf seinen Kopf. In diesem Moment ertönte ein lautes Grollen und erschallte in der Höhle. * "Luna el Lumis" ~elfische Wörter für: "Licht erstrahle hier" Kapitel 4: Kratzspuren ---------------------- *** Erschrocken blickte Loriena zu dem Bären hinab, welcher mit lautem Brummen aufstand und verschlafen drein blickte. Ängstlich wich sie einen Meter zurück, hielt ihren Bogen aber weiter schussbereit. Sie beobachtete den Bären, der allmählich erwachte und verstand, was in seiner Höhle vor sich ging. Wütend sah er Loriena an und zeigte dabei seine scharfen Zähne. Loriena sah ihn an und sie spürte einen Funken Angst in sich aufkeimen. Nun grummelte der Bär so laut, dass es erneut durch die ganze Höhle schallte. Tazal kam in diesem Moment angerannt und wich sogleich wieder ängstlich vor dem Bären zurück. Ehe Loriena sich versah, hob der Bär seine große Pranke in die Luft, wollte nach ihr schlagen und sie ergreifen. Flink wie eine Elfe nun einmal ist, hüpfte sie beiseite und rannte sofort aus der Höhle hinaus. Brummbär war ihr jedoch auf den Fersen und verfolgte sie. Er schien noch nicht hundertprozentig wach zu sein, daher fiel ihm das Rennen nicht so leicht. Um mit Loriena und Tazal mitzuhalten, reichte es jedoch. Loriena sah sich um, während sie durch das Geäst rannte und den Bäumen auswich. Sie brauchte einen geeigneten Platz, um den Bären zuerst fixieren und dann erlegen zu können. Die hohe Kunst des Bogenschießens beherrschte sie perfekt und sie wusste stets, wie sie schießen musste. Tazal rannte vor ihr her und hechelte, während auch er sich immer wieder nach dem Bären umdrehte. Allmählich merkte Loriena, dass ihr die Luft ausging und sie nicht mehr konnte. Ihre Kräfte versagten und sie wollte sich ausruhen. Der Bär allerdings, schien noch topfit zu sein und verfolgte sie wütend, wobei er laut brummte. Schließlich sah Loriena eine Chance. Ein großer Baum, den sie aus der Ferne erblickte, hatte genug Zweige um hinaufklettern zu können. Möglicherweise würde es ihr gelingen, ihn von dort oben zu erlegen. Hoffnungsvoll spurtete sie auf den Baum zu und sprang noch im Laufen auf den ersten Ast. Loriena zog sich sofort auf den Zweiten hinauf. Als sie den fünften Ast mühelos erreichte, setzte sie sich darauf, da er ihr stabil genug erschien. Nun visierte sie den Bären an und als sie dies tat, erkannte sie erst, um welche Art von Bär es sich handelte. Der Schwarzbär blickte sie wütend an und fletschte die Zähne. »Nun habt ihr die Grenze überschritten!«, sollte sein Ausdruck bedeuten. Loriena legte erneut den Pfeil an die Sehne und spannte ihn, dann zielte sie auf den Kopf des Bären. Als sie losließ, wich der Bär ihr aus, da er geradewegs auf den Baum zurannte und ihn, mit der vollen Wucht seiner knapp 400 Kilogramm, rammte. Bestürzt nahm Loriena zur Kenntnis, dass sie ihn verfehlt hatte. Nun legte sie den zweiten Pfeil an sie Sehne. Erneut rannte der Bär gegen den Baum und Loriena musste sich gut festhalten, um nicht hinunter zu fallen. »Tazal! Lenk ihn ab!«, rief sie. Rasch kam der kleine Wolf angerannt und schlich sich von hinten an den Bären heran. Als Loriena sah, was Tazal vorhatte, schüttelte sie den Kopf. Tazal hob seine Pfote und gab dem Bären einen Schubs in den Po. Dann machte der Wolf kehrt und lief weg. Es funktionierte jedoch und Brummbär war für eine Sekunde abgelenkt. Dies war Lorienas Chance, denn als sie den Pfeil losließ, traf sie den Bären. Nur leider ging der Schuss daneben und verletzte ihn nur am Bauch, wo er genug Speck hatte. Ein kurzes Aufheulen war vom Brummbär zu hören, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle und brummte weiter laut vor sich hin. Da Loriena ihn nun noch wütender gemacht hatte, rannte er mit noch mehr Entschlossenheit gegen den Baum und brachte ihn so heftig zum Beben, dass Loriena diesmal hinunterfiel. Für einen Moment spürte sie den Schmerz des Aufpralls, dann fasste sie sich wieder und sprang auf, um davonzulaufen. Nun verfolgte der Bär sie wieder und Loriena musste sich etwas Neues einfallen lassen. Blitzschnell verschwand sie hinter den Bäumen und lief noch einmal so schnell sie konnte. Ihr war nun bewusst, dass sie es nicht mit einem einfachen Bären zu tun hatte, sondern mit einem schlauen noch dazu. Er durchschaute sie und ihre Taktik und das war schlecht. Sie glaubte ihn abgehängt zu haben und versteckte sich hinter einem der Bäume, um sich kurz auszuruhen. Keuchend stand sie dort und fragte sich, was sie nun tun sollte. Die Wichtigkeit dieses Auftrags war ihr durchaus bewusst, daher wollte sie auch alles richtig machen. Plötzlich erschrak sie, als das Gesicht des Bären um die Seite des Baumes herumblickte und sie ansah. Loriena glaubte ein Grinsen auf Brummbärs Gesicht zu erkennen. Ohne großartig darüber nachzudenken, rannte sie spontan los und flüchtete vor dem Bären. Ein Plan musste her und zwar ein verdammt guter. Gerade, als Loriena ihren Kopf umdrehte und sich nach dem Bären umsah, rutschte sie auf dem moosbedeckten Boden aus, stolperte über eine Baumwurzel und flog mit dem Gesicht nach vorne auf den Boden. Rasch drehte sie sich um und hoffte noch aufstehen zu können, jedoch stand der Bär schon über ihr und fletschte freudig seine Zähne. *** Ängstlich blickte Loriena in die großen Augen des Ungeheuers und bereitete sich darauf vor, gefressen zu werden. Für einen Moment lag sie einfach nur steif auf dem Waldboden und stand unter Schock, während sie diesen Koloss von Bären betrachtete. Der Bär hob seine vordere Pranke. Als Loriena die Krallen daran sah, wurde ihr ganz flau im Magen. Mit diesen rasiermesserscharfen und spitzen Krallen würde der Bär sie verstümmeln und das bei lebendigem Leibe. Dies war der Zeitpunkt, als sie es mit der Angst zu tun bekam und anschließend in Panik verfiel. Währenddessen versuchte sie sich immer wieder an einen Lehrsatz aus ihrer Ausbildungszeit zu erinnern. Er wollte ihr aber nicht einfallen, dabei dachte sie angestrengt nach. »Nun kommen wir zu der wichtigsten Regel, welche ihr euch merken solltet. Egal, in welch schwieriger Situation ihr euch befindet, ihr dürft nie vergessen, stets Ruhe zu bewahren.«, hörte sie Khealons Stimme endlich in ihrem Kopf sagen. Loriena versuchte die Panik von sich zu schieben und Ruhe einkehren zu lassen, damit sie nachdenken konnte. »Tazal.«, keuchte sie hervor. »Hilf mir.« Ihre Stimme klang wenig hoffnungsvoll. Loriena durchforstete ihr Gehirn und suchte nach einem möglichen, passenden Zauberspruch, welcher den Bären vorerst abwehren könnte. Dann wurde ihr Blick wieder klarer und wie in Zeitlupe, sah sie die Pranke des Brummbären auf sich zukommen. In dem Moment, als der Bär seine Pranke in Lorienas Hüfte bohrte, sprang Tazal auf seinen Rücken und biss ihn immer und immer wieder. Dies war die Chance und Loriena ergriff sie sofort. Schnell sprang sie auf und griff nach ihrem Bogen, welcher auf dem Boden lag. Sie legte gleich drei Pfeile an die Sehne und zielte auf den Platz zwischen seinen Augen. Dann spannte sie die Pfeile und ließ ihren Pfeilhagel fliegen. Ohne zu sehen was passierte, klappte sie schließlich auf dem Boden zusammen und wurde für einen Moment ohnmächtig. Als sie wenig später wieder zu sich kam und sich aufsetzte, sah sie den Bären, welcher tot am Boden lag. Die Pfeile hatten ihn genau dort getroffen, wo Loriena es beabsichtigt hatte, zwischen den Augen. Tazal kam auf sie zugerannt und leckte sie im Gesicht ab. »Schön, dass es dir gut geht.«, sollte die Geste heißen und Loriena verstand sie. Sie nahm sich die Zeit und streichelte Tazal am Kopf. »Gute Arbeit, Kleiner.«, lobte sie ihn. Dann erhob sie sich und wollte auf den Bären zugehen, als sie die riesige Schnittwunde an ihrer Hüfte bemerkte. Erst in diesem Moment übermannte sie der Schmerz, welcher ihr vorher nicht eine Sekunde aufgefallen war. Blut strömte aus der Wunde hervor und färbte ihre Rüstung rot. Loriena blickte eine Weile nachdenklich auf die Verletzung. »Den Triumpf werde ich ihm nicht lassen.«, sagte sie entschlossen und ging mit Schmerzen in der Hüfte auf Brummbärs Kadaver zu. Loriena versuchte nicht einmal, den Bären auch nur einen Millimeter zu bewegen. 400 Kilogramm ließen sich schließlich nicht einfach so tragen. Viel eher suchte sie nach einer Lösung für dieses Problem. »Wir haben doch da etwas durchgenommen...«, murmelte sie vor sich hin, während sie den Bären anstarrte. »Ich frage mich, ob das funktioniert...« Dann schwebte ihre Hand über dem leblosen Tier und Lorienas gesamte Konzentration war auf sie gerichtet. »Bei leblosen Dingen hieß es...«, gab sie erneut von sich. »Malei elen direndi!«, sagte sie mit klarer und deutlicher Stimme. Daraufhin kam eine blau schimmernde Kugel aus ihrer Hand, welche wie eine Seifenblase aussah und legte sich über den Bären. Nachdem die Kugel ihn komplett umschlossen hatte, geschah etwas Unglaubliches, was Loriena selbst staunen ließ. Der Brummbär schrumpfte zu einer kleinen Figur zusammen, die sie einfach in die Tasche stecken konnte. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht hob sie Brummbär auf und steckte ihn in die Seitentasche ihrer Rüstung. Dann gab sie Tazal ein Zeichen zum Gehen und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück zu Nadok. Sie verliefen sich eine Weile und Loriena spürte den Schmerz immer deutlicher. Als der kleine Wolf endlich die Fährte des Pferdes aufnehmen konnte, merkten sie, dass sie die ganze Zeit um das Pferd im Kreis herum gelaufen waren und nur tiefer in den Wald hätten hinein gehen müssen. Ein leises, aber fröhliches Wiehern kam von Nadok, als er Loriena erblickte. Besorgnis lag in den Augen des Pferdes, dies konnte Loriena deutlich erkennen. Mit stechendem Schmerz in der Hüfte, trottete Loriena zu Nadok und griff in die Satteltaschen. Mit einer Hand kramte sie darin herum, nahm die Wundsalbe von Khaelon sowie eine Phiole mit einer roten Flüßigkeit heraus. Danach setzte sie sich auf den Boden und zog ihren Dolch hervor. Ohne zu zögern, schnitt sie ein Stück des Leders aus der Hose hinaus, um die Wunde besser freilegen zu können. Anschließend öffnete sie das kleine Glas mit der Wundsalbe. Mit dem Finger nahm sie sich etwas heraus und strich es behutsam auf ihre Wunde. Loriena musste sich ein lautes Schreien verkneifen. Sie erinnerte sich, was Khaelon ihr über diese Salbe gesagt hatte. »Benutze sie nur wenn es wirklich nötig ist, Loriena. Sie heilt Wunden sehr schnell, aber die Schmerzen sind groß. Sie zerren an deinen Nerven und tun deinem Körper auf Dauer nicht gut. Sie ist für Notfälle mein Kind.« Möglicherweise hätte sie die Salbe nicht verwenden sollen. Allerding bezweifelte sie, ob sie es mit einer solch großen Wunde bis zu Brons Lager geschafft hätte, ohne dabei ohnmächtig zu werden. Als der Schmerz ein wenig nachließ, nahm Loriena die Phiole in die Hand und zog den Korkverschluss hinunter. Die Flüßigkeit darin hatte einen penetranten Geruch. Während Tazal und Nadok sie neugierig beobachteten, führte sie die Phiole zum Mund und ließ die Flüßigkeit in ihren Mund laufen, schluckte sie hinunter und setzte dabei einen angeekelten Gesichsausdruck auf. »Das ist ein Heiltrank.«, erklärte sie ihren beiden Gefährten. Dann ruhte Loriena sich eine Weile aus und döste, während sie sich an dem Baum anlehnte. In dieser Zeit heilte ihre Wunde. *** Als sie wieder aufwachte, fühlte sie sich zwar gesundheitlich wesentlich besser, war aber schlapp und wollte am liebsten weiterschlafen. Nadok stubste sie jedoch an und deutete mit dem Kopf gen Himmel. Entsetzt stellte sie fest, dass es bereits dämmerte und bald dunkel werden würde. Rasch sprang Loriena auf und stieg auf ihr Pferd. Tazal, der die ganze Zeit Wache gehalten hatte, stand nun wieder schwanzwedelnd neben Nadok. Loriena gab Nadok die Sporen und sie ritten zu Brons Lager zurück. Sie spürte den kalten Wind und wickelte sich ihren Umhang um, damit ihr etwas wärmer beim Reiten wurde. Es war schon dunkel, als die drei in Brons Lager eintrafen. Die Zwerge, welche am Lagerfeuer saßen, blickten neugierig zu Loriena. Nachdem sie von Nadok abgestiegen war, stand Farek schon vor ihr und sah sie angespannt an. »Wie geht es dir, Elfenmädchen?«, fragte er. »Gut.«, antwortete sie knapp. Farek betrachtete sie und suchte nach Wunden und Schrammen. Erleichtert seufzte er, als er nichts Dergleichen fand. »Schön, dich wohlauf zu sehen.«, sagte er und grinste. Loriena schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. »Hast du den Bären erlegen können?« Die Neugier in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Ja. Nun werde ich Morek aufsuchen.«, erklärte sie dem Zwerg, übergab ihm Nadoks Zügel und ging davon. Ohne um Einlass zu bitten, betrat sie Moreks Zelt. Als sie sah, dass Morek auf seinem Stuhl saß, den Bierkrug in der einen Hand, die Pfeife in der Anderen, wurde sie wütend. »Ich habe den Auftrag erfüllt.«, sagte Loriena kurz und knapp. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte Morek sich zu ihr um und sah sie grimmig an. »In Flockenhain lernt man wohl keine Manieren, sonst würdet ihr doch vorher um Einlass bitten, nicht wahr?«, sagte er. Loriena ignorierte seinen arroganten Kommentar. Morek verließ das Zelt, sah sich draußen um und kam schließlich wieder hinein. Dann nahm er einen Zug aus seiner Pfeife und sah Loriena erstaunt an. »Ich sehe keinen erlegten Bären. Somit ist der Auftrag nicht erfüllt.«, erklärte er und die Freude in seiner Stimme war nicht zu überhören. Daraufhin zog Loriena die kleine Figur aus ihrer Seitentasche, legte sie auf den Boden und hielt ihre Hand darüber. »Ladvel elen direndi!«, sagte sie und der Zauber, der auf Brummbär lag, löste sich. In Moreks Zelt lag nun ein 400 Kilogramm schwerer Schwarzbär. »Was ist das für ein elfischer Unfug?«, brüllte er, während er mit Entsetzen in den Augen auf Brummbärs Kadaver blickte. »Elfischer Unfug? Das ist ein Zauber, den ihr niemals beherrschen werdet. Nun, ich habe meinen Auftrag erledigt, wie ihr sehen könnt.« Lorienas Stimme wurde allmählich zornig. Morek spielte sich am Bart herum während er seine Pfeife rauchte. »Ihr seht kein bisschen verwundet aus. Ich nehme an, es war einfach ihn zu erlegen?« »Morek Sturmauge, haltet mich nicht zum Narren! Ihr habt mich getäuscht und das werdet ihr noch bereuen, dafür werde ich sorgen.«, mahnte sie ihn und die Wut funkelte in ihren leuchtend grünen Augen. Morek versuchte ein unschuldiges Gesicht aufzusetzen. Nach einer Sekunde jedoch wich es einem breiten und triumphierenden Grinsen. - "Malei elen direndi!" ~elfische Wörter für: "Schrumpfe diesen Gegenstand!" - "Ladvel elen direndi!" ~elfische Wörter für: "Vergrößere diesen Gegenstand!" Kapitel 5: Die Entscheidung --------------------------- *** »Was gibt es da zu lachen?«, fragte Loriena zornig. Morek sah sie belustigt an und ging zurück zu seinem Stuhl. Nachdem er sich darauf niedergelassen hatte antwortete er Loriena. »Nun, ihr müsst schon zugeben, es ist wirklich amüsant.« Loriena schnaubte wütend und ging tiefer in das Zelt hinein. »Amüsant? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was ihr daran amüsant finden könntet.« Morek drehte sich zu ihr um und nahm einen gewaltigen Schluck aus seinem Bierkrug. »Wofür regt ihr euch auf? Ihr seid unversehrt wie ich sehe.« »Ihr wolltet mich in dem Glauben lassen, dass Brummbär noch Winterschlaf halten würde.«, sagte sie zornerfüllt. »Das habe ich niemals gesagt!«, widersprach Morek mit gespieltem Entsetzen. »Natürlich nicht. Jedoch war euch bewusst, ich würde davon ausgehen.«,erklärte sie ihm. Nun begann der Zwerg erneut zu lachen. »Das könnt ihr nicht beweisen. Tatsache ist, ihr hättet mir vielleicht nicht vertrauen dürfen.« Loriena blickte wütend auf den Zwerg hinab. Leider musste sie sich eingestehen, dass Morek nicht ganz Unrecht hatte. Sie hätte nicht auf ihn vertrauen dürfen. Hätte sie den Auftrag mehr hinterfragt, wäre sie besser vorbereitet gewesen. Nun fühlte sie sich ein wenig dumm, denn hätte der Bär noch Winterschlaf gehalten, hätte ihn jeder erlegen können. »Tatsache ist, ich habe meinen Auftrag erfüllt.«, sagte sie nach einer Weile entschlossen. Das Gesicht des Zwerges veränderte sich nun und wurde wieder grimmig. Er murmelte etwas Unverständliches, dann sah er Loriena in die Augen. »Ich muss sagen, ihr habe Recht. Den Auftrag habt ihr erfüllt. Daher kann ich euch leider nicht nach Flockenhain zurückschicken. Was ich jeoch kann, ist den nächsten Auftrag für euch auszuwählen.« Es war Loriena nicht ganz klar wieso, aber bei seinen letzten Worten wurde ihr flau im Magen. So wie sie Morek einschätzte, würde er sie leiden lassen und das nicht zu knapp. »Ich denke, ich weiß wohin ihr als nächstes Reisen werdet. Der richtige Ort für euch ist der Schattenhain.«, erklärte Morek ihr und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Noch ehe er den Satz beendet hatte, fiel Loriena die Kinnlade hinunter und sie schluckte schwer. Der Schattenhain war ein verrufener Ort. Khaelon hatte ihr oft davon erzählt. »Der Schattenhain ist ein finsterer und grausamer Ort. Ich wünsche dir nicht, dass du jemals dort hingehen musst. Dieser Ort ist nicht sicher, nicht einmal für den Tod. Dort lauern Gefahren und Geheimnisse, die nicht gelüftet werden wollen.«, hört sie seine Stimme in ihrem Kopf widerhallen. »Wie ich sehe, habt ihr schon einmal vom Schattenhain gehört! Dann wisst ihr ja in etwa, was euch erwartet. Reitet an der Grenze des Lilientals entlang bis ihr die Brücke erreicht, die über den Schattensee führt. Schattenhain liegt auf einer Insel und ist nur über diese Brücke erreichbar. Geht nach Dilgas und fragt nach einem Dagril Totenschwur. Er ist ein untoter Wächter und wird euch weitere Anweisungen erteilen.«, erklärte Morek ihr ohne sie anzusehen. Nachdem Loriena ihre Informationen hatte, wandte sie sich schon zum Gehen um, als ihr noch etwas einfiel. »Wollt ihr mich für meine Mühen etwa nicht belohnen?«, fragte sie dann mit ruhiger Stimme. Der Zwerg lachte beinahe hysterisch auf. »Wieso sollte ich euch dafür bezahlen? Das haben wir nicht abgesprochen!« Zornig blickte Loriena ihn an. »Das haben wir nicht, da habt ihr Recht, aber ich habe euch immerhin diesen Bären vom Hals geschafft.«, sagte sie empört. »Wisst ihr was mich so stört an euch Elfen?«, setzte Morek an und warf ihr dabei einen grimmigen Blick zu. »Das ihr so gierig seid! Man reicht euch den kleinen Finger und ihr wollt gleich die ganze Hand! Seht zu, dass ihr verschwindet, Loriena Windsucher, bevor ich es mir noch anders überlege!« Wütend drehte Loriena sich um. »Von Ehre und Respekt habt ihr noch nie etwas gehört, nicht wahr Morek Sturmauge? Ihr seid ein alter Geizhals!«, sagte sie noch und stapfte dann aus dem Zelt. *** Draußen blickte sie wütend zum Lagerfeuer und suchte Farek. Schließlich entdeckte sie ihn und sah, dass er dabei war, Tazal von Nadok herunter zu holen. Rasch ging sie zu ihm. »Was ist denn passiert?«, fragte sie Farek ungläubig. »Nadok wollte sich ausruhen und war gerade dabei sich auf den Boden zu legen, als Tazal auf seinen Rücken sprang und es sich dort gemütlich machte. Nun versuche ich ihn herunterzubekommen.« Loriena verdrehte die Augen als sie Tazal ansah. »Was bist du nur für ein verrückter Wolf? Du stellst immer Sachen an. Du bist ja schlimmer wie ein Kind. Jetzt geh von dem Pferd runter!«, befahl sie Tazal. Einen kurzen Moment wehrte Tazal sich noch gegen den Befehl, dann gehorchte er und ging von Nadok herunter. Erleichtert begann das Pferd zu wiehern. Anschließend drehte Farek sich zu ihr um und sah sie neugierig an. »Was hat Morek gesagt, kleine Elfe?«, fragte er leise. Mit zornigem Blick antwortete Loriena ihm. »Er schickt mich in den Schattenhain. Dort soll ich einen Dagril Totenschwur aufsuchen.« Bei den Worten, begann Farek zu schlucken und sah sie empört an. »Schattenhain?«, sagte er nur. Loriena nickte ihm zu. »Wie kann er nur. Ihr solltet noch nicht an einen so grausamen Ort gehen. Es ist noch zu früh!«, setzte er nach. »Ich werde tun, was er sagt. Ich bin eine gute Jägerin und das werde ich auch beweisen. Farek, ist es möglich einen Boten loszuschicken? Ich würde gern Khaelon eine Nachricht senden.«, erklärte Loriena ihm mit leiser Stimme. »Nein, hier gibt es leider keine Fledermäuse, die im Dienste des Königreiches stehen.«, antwortete er. In Flockenhain war nur selten eine Fledermaus angekommen, um einen Brief zu überreichen. Fledermäuse verlangen nach Gold, welches sie ihrem Besitzer geben konnten. Das konnte sich in dem Dorf jedoch niemand leisten. »Hat er dich wenigstens dafür belohnt?«, fragte Farek schließlich. Loriena schüttelte nur den Kopf und sah zu Farek hinab. »Geizhals!«, schimpfte der Zwerg und setzte ein grimmiges Gesicht auf. »In Senlin gibt es soweit ich weiß, ein Fledermausnest. Der Elf, der es leitet, verlangt glaube ich ein Gold pro Botenflug. Aber Senlin liegt im Rantustal und ist schwer zu erreichen, weil es so weit unten liegt. Falls du vorhast, mit deinem Pferd dorthin zu reiten, nimm dich bloß in Acht. Die Wege sind sehr steil.«, sagte Farek mit besorgter Miene. »Ich würde mich ganz gern noch eine Nacht ausruhen und dann losreiten. Ich und meine Gefährten brauchen noch ein wenig Schlaf, wäre das in Ordnung?«, fragte Loriena ihn mit einem Lächeln auf den Lippen. »Aber sicher. Du weißt ja, wo mein Zelt ist. Ich kümmere mich um deine Gefährten.« Farek nahm Nadoks Zügel und führte ihn vom Lagerfeuer weg zu einem großen Trog in dem Futter bereitlag. Loriena ging in Fareks Zelt und legte sich in sein Bett. Während sie über Brummbär und ihre Wunde nachdachte, schlief sie ein. *** Früh am Morgen, als die Sonne noch nicht aufgegangen war, erwacht Loriena ausgeruht und setzte sich auf. Nachdem sie sich angezogen und ein wenig frisch gemacht hatte, verließ sie das Zelt. Draußen warteten Farek und ihre Gefährten bereits auf sie. Mit einem Lächeln auf den Lippen, spazierte sie zu ihnen hinüber und streichelte Nadok am Kopf. »Na, seid ihr fit?«, fragte sie leise. »Ich habe sie gefüttert und trinken lassen. Sie sollten fit für eine weitere Reise sein. Wie sieht es mit dir aus Elfenmädchen?« Farek sah mit großen Augen zu ihr auf. »Mir bleibt wohl keine Wahl.«, erklärte sie. Farek wirkte ein wenig besorgt und verzog das Gesicht. »Hüte dich nur, mehr kann ich dir nicht mit auf den Weg geben. Diese Untoten, denen ist nicht zu trauen. Viele haben sich zwar mit uns verbündet, aber es gibt immer noch welche, die aus der Reihe tanzen.« Neugierig blickte Loriena ihn an. »Du scheinst sehr viel darüber zu wissen. Ich rede von dem großen Krieg.« »Ich darf nicht darüber reden.«, sagte er leise. »In Flockenhain wurde uns auch nichts darüber gesagt.«, grummelte Loriena. »Also, wenn du im Schattenhain bist, statte Milli doch einen Besuch ab. Sie hat dort einen Hof. Zwar ist sie auch eine Untote, aber man kann ihr trauen. Wenn du Glück hast, kann sie dir ein paar deiner Fragen beantworten.«, erklärte der Zwerg in leisem Tonfall. Loriena nickte ihm zu und begann Nadok zu satteln. »Es wird Zeit für mich.«, sprach sie. Als sie Farek ansah, erkannte sie etwas in seinen Augen, dass wie Mitleid wirkte. Möglicherweise bemittleidete er sie deshalb, weil sie nun an diesen düsteren Ort gehen muste. »Schick doch mal einen Boten und sage mir wie es dir geht, kleine Elfe.« Seine Augen wurden nun ein wenig traurig. »Das werde ich machen.«, sagte Loriena, während sie auf Nadok aufstieg. Sie winkte ihm noch einmal zum Abschied, dann gab sie Nadok die Sporen und ritt davon. Tazal rannte voller Vorfreude davon und lief immer wieder zurück um zu sehen, wo sie denn blieben. Gegen Mittag hatten sie den Toranwald wieder verlassen. Loriena ritt an der Grenze des Lilientals entlang, bis es Abend war, dann machte sie Rast und suchte nach einem geeigneten Platz für ein Lager. Nachdem sie das Lager aufgeschlagen und ihre Gefährten versorgt hatte, bereitete sie sich selbst etwas zu essen. Danach schrieb sie ihr Tagebuch und begann auf der letzten Seite eine kleine Weltkarte zu zeichnen. Schließlich legte sie sich erschöpft schlafen. Am nächsten Morgen räumte sie all ihre Sachen zusammen und entfernte die letzten Spuren des Lagers. Dann ritt sie weiter. Weitere zwei Tage vergingen und am Abend des zweiten Tages hatte Loriena die Brücke erreicht, welche über den Schattensee führte. Vor der Brücke, bemerkte sie ein kleines Lager und ritt dorthin. Zwei junge Soldat saßen am Lagerfeuer und unterhielten sich. Als Loriena auf sie zukam, musterten sie die Elfe angespannt. »Guten Abend.«, sagte Loriena in freundlichem Ton. Der eine Soldaten sah sie verdutzt an. Beide trugen eine silberne Rüstung und waren wegen ihres Helms kaum zu erkennen. »Was wollt ihr, Elfe?«, fragte der eine mit tiefer Stimme. »Ich suche einen Schlafplatz für mich und meine Gefährten.«, erklärte sie ihm. Nun meldete sich der andere Soldat zu Wort. »Und wieso kommt ihr zu uns?«, fragte er neugierig. Loriena verdrehte unmerklich die Augen. »Weil ich sah, dass ihr bereits ein Lager aufgeschlagen habt und ich hoffte, eventuell heute Nacht hier bleiben zu können.«, erklärte sie. Nun begannen die Soldaten zu lachen. »Wieso sollten wir eine Elfe in unserem Lager dulden?«, fragten sie fast gleichzeitig. »Was habt ihr gegen Elfen?«, fragte Loriena die Beiden. Daraufhin nahmen beide ihre Helme ab und Loriena sah zum ersten Mal in ihrem Leben, Menschen. Sie wusste nicht viel über diese Geschöpfe. Ihr war nur bekannt, dass es einst einen Menschenkönig in Malendyr gab. »Ihr solltet euch besser einen anderen Schlafplatz suchen.«, sagte einer der Beiden. Dieser hatte kleine Augen und seine schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammen gebunden. Seine buschigen Augenbrauen ließen ihn sehr unsympatisch wirken. Der Andere dagegen war recht hübsch. Er hatte kurze blonde Haare und ein etwas kantiges Gesicht, welches seinen Augen jedoch schmeichelte. »Wollt ihr mich wirklich allein in der Dunkelheit nach einem Schlafplatz suchen lassen?«, fragte Loriena mit gespieltem Entsetzen. »Nun, dann schlaft eben hier, aber in unser Zelt lassen wir euch nicht.«, sagte der hübschere der Beiden. Loriena nickte nur stumm. Sie stieg von Nadok ab und richtete sich zwischen den beiden Zelten ihren Schlafplatz her. Während sie ihre Decke ausbreitete bemerkte sie, dass Tazal sich zwischen die beiden Soldaten gesetzt hatte und sie leise anknurrte. »Ist ja ein putziger Wolf.«, sagte der Schwarzhaarige. Daraufhin sprang Tazal auf seinen Schoß und zeigte ihm seine Zähne. Loriena ging hinüber und nahm Tazal an sich. »Hör auf damit, Tazal.«, mahnte sie ihn. Tazal jedoch dachte nicht daran und setzte sich wieder zwischen die Beiden. Nun begann er den Anderen anzustarren. Loriena holte etwas Fleisch aus ihren Satteltaschen und warf es Tazal hin, den es jedoch nicht interessierte. Während sie Nadok fütterte, hörte sie den Soldaten beim Reden zu. »Weißt du, mich regt das langsam auf. Früher durften wir am königlichen Hof arbeiten und nun sollen wir die Brücke bewachen, das ist doch lächerlich.«, sagte der Schwarzhaarige. Daraufhin seufzte der Blonde. »Hör auf, dich zu beschweren, ich denke sowieso nicht, dass Königin Vanyar noch lange auf dem Thron sitzt. Seit sie sich mit diesem Ekel verbündet hat, ist kaum noch einer gut auf sie zu sprechen.« Loriena wurde bei den Worten ein wenig zornig, auch wenn sie nicht genau verstand warum. Sie bekam in Flockenhain nie wirklich mit, was im Königreich passierte. Flockenhain lag immer so verborgen, dass sich kein König je wirklich für Elfen dort interessiert hatte. »Vielleicht wird es bald wieder einen Menschenkönig geben und dann haben wir unsere Positionen zurück. Dann müssen wir uns hier nicht mehr langweilen. Königin Vanyar hat doch sowieso keine Ahnung, wie man ein Volk zu führen hat.«, erwiderte der Andere. In diesem Moment sprang Tazal erneut auf den Schoß des Schwarzhaarigen und zwar mit solcher Wucht gegen seine Brust, dass er umfiel. Dann setzte Tazal sich auf seine Brust und knurrte laut. Loriena eilte schnell hinüber und nahm Tazal von ihm hinunter. Sie fragte sich, warum ihr Wolf sich so seltsam benahm. Tazal wehrte sich zunächst, gehorchte ihr dann aber doch. Sie nahm ihn mit zu ihrer Decke und befahl ihm dort zu bleiben. »Tut mir ehrlich leid.«, erklärt sie. »Soll ich euch vielleicht einen Heiltrank geben, oder seid ihr unverletzt?« Der Mensch sah sie abschätzig an. »Ich will von eurer dummen Elfenmedizin nichts. Seid einfach ruhig und ssht zu, dass ihr Morgen verschwindest.« Ohne noch ein Wort zu sagen, legte Loriena sich schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)