風の記憶 (Kaze no kioku) von tarantye-no (Die Erinnerung des Windes) ================================================================================ Kapitel 9: Veränderung ---------------------- Etwas veränderte sich. Kaya konnte es fühlen und sehen und dann war es offensichtlich, denn mit einem Mal gingen bei Sachi viele Diener ein und aus und es schien, als würden sie einen Umzug vorbereiten. Unsicher öffnete er die Schiebetür zu dem Zimmer seiner Herrin und verbeugte sich, als er sie sah. „Sachi no kimi… Darf ich fragen, was gerade passiert?“ Mit Schrecken stellte er fest, dass Sachis Miene keineswegs glücklich aussah. Eher traurig und verloren… „Ah, Kaya-chan… Die Diener des Shogun werden meine Habe in mein neues Gemach in der Ooku bringen.“ „Was?!“ Fassungslos sah er sie an, denn nach all den Lehrstunden von Haruko war ihm klar, was das bedeutete. „Der Shogun…“ „Ja. Der Shogun will mich als seine Nebenfrau und somit wird die Verlobung mit Akira-sama gelöst.“, vollendete sie den Satz für Kaya und lächelte schwach, während sie die Schriftrollen zusammenrollte und in einer kleinen Truhe verstaute. „Deswegen habt Ihr Euch nicht mehr mit ihm getroffen…?“, fragte er vorsichtig, denn ihm war aufgefallen, dass Sachi seit geraumer Zeit nicht mehr außerhalb des Geländes des Frauenpalastes war. „Nein… Er hat mir aber einen Brief zukommen lassen, in dem er es sehr bedauert, sich von mir trennen zu müssen. Doch es ist seine Pflicht als Samurai, seinem Herrn zu gehorchen, womit er absolut Recht hat. Das schätze ich sehr an ihm…“, antwortete sie und lächelte schwach. „Und… ich… ich werde natürlich bei Euch bleiben?“ Man hatte ihm diesbezüglich noch gar nichts mitgeteilt und das verunsicherte ihn sehr. Er war Sachis Oberste Kammerfrau… Vom Protokoll her musste er bei ihr bleiben. Doch als er seine Herrin bei dieser Frage unruhig herumrutschen sah, wurde ihm mit einem Mal klar, dass die Antwort nicht die war, auf die er hoffte. „Ich habe… die Nachricht bekommen, dass ihr in den Übergangsgemächern bleiben sollt.“ Sachi senkte den Blick und Kayas Schultern sanken herab. „Verzeih mir, Kaya-chan. Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Ich weiß, wie sehr du diesen Ort hasst, allein schon wegen deiner körperlichen Verfassung.“ Die junge Frau verbeugte sich tief vor ihm. „N-Nein… Bitte, Ihr… Ihr könnt doch nichts dafür. Es ist der Wille des Shoguns und ihm muss man unweigerlich nachkommen.“, widersprach er sofort und schluckte. Er sollte also in den Übergangsgemächern bleiben… Das hieß dann aber, dass man für ihn auch eine „Verwendung“ hatte. Nur welche? Er gehörte zu Sachis Gefolge, sein Platz war bei ihr. Hatten sie etwa herausgefunden, wer er war? Aber das war unmöglich, er war immer vorsichtig und auch Haruko und Takiko achteten darauf. Hatte vielleicht das Gespräch mit Hiko, dem persönlichen Diener des Shoguns, damit zu tun? Immerhin war dieser sehr interessiert an seiner Meinung gegenüber dem Shogun und Akira und Sachi gewesen. Ein Seufzen entwich ihm und er spürte eine zarte Hand auf seinem Arm. „Mach dir nicht zu viele Gedanken… Wir werden uns weiter sehen können. Wir verlieren uns nicht.“, sagte Sachi leise und lächelte ihn an. „Ja… Ich weiß.“ Er erwiderte das Lächeln und erhob sich mit ihr, als eine Dienerin der Ooku erschien. „Sachi no kimi, Eure Gemächer sind nun bereit.“ „Ich danke dir.“ Sie wandte sich Kaya zu und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Pass auf dich auf, Kaya-chan. Du weißt, die Ooku ist unerbittlich.“ „Ja, Sachi no kimi. Ich achte auf mich.“ Er wusste genau, was sie meinte. Sein Körper durfte unter keinen Umständen enthüllt werden. Erneut verbeugte er sich zusammen mit ihr und sah zu, wie sie das Zimmer verließ. Die Tür schloss sich und Stille breitete sich über den Raum. //Jetzt bin ich allein…// Tief atmete er durch und verließ den Raum, ging zu seinem zurück. Überrascht sah er, wie Takiko und Haruko mit großem Eifer dabei waren, Sachen zusammen zu packen. „Was… Was macht ihr da?“, fragte Kaya verwirrt und Takiko sah mit freudigen Augen zu ihm auf. „Kaya-sama, uns wurde befohlen, Sachi no kimis Gastgemächer mit zu nutzen! Ihr habt dann mehr Platz für Eure Sachen.“ „Aber… warum?“ „Das weiß ich leider nicht…“ Nachdenklich schaute er zu, wie die beiden alle Sachen durch die Gegend trugen und spürte wachsenden Unmut in sich wegen der Situation. Er hasste es, wenn er nicht über Sachen Bescheid wusste… Am liebsten hätte er jetzt mit jemandem über die Situation geredet. //Hiko-sama…// Dieser Gedanke war willkürlich und er verwarf ihn zum Teil wieder, aber vielleicht konnte er ihm irgendwie helfen. Doch Hiko war der persönliche Diener des Shoguns… Er konnte sich vorstellen, dass er durchaus wichtigeres zu tun hatte als sich mit ihm zu treffen. „Takiko-sama… Ich… Denkt ihr, es wäre möglich, dass ihr Hiko-sama die Bitte zukommen lasst, dass ich ihn sprechen möchte?“, fragte er vorsichtig und ide junge Frau wiegte den Kopf etwas. „Nun… Es kann natürlich sein, dass Ihr lange warten müsst… Aber ich werde ihm die Nachricht zukommen lassen.“, antwortete sie und Kaya spürte Erleichterung. „Ich danke Euch… Ich denke, ich werde ein wenig in den Garten gehen.“ Haruko und Takiko verbeugten sich und als Kaya die Tür geschlossen hatte, sahen sie sich an und kicherten. Die beiden wussten natürlich, warum Kaya hierbleiben sollte und die Verlobung zwischen Akira und Sachi gelöst worden war. Der Shogun hatte sehr wohl Interesse an Sachi, aber bei weitem nicht so wie der Kommandant an Kaya. Das war im Endeffekt der ausschlaggebende Grund für die Auflösung gewesen, dessen waren sie sicher. Und es würde nicht mehr lange dauern und Kaya würde in Akiras Gemächer ziehen… Es war nur noch eine Frage der Zeit und der Organisation. Die Kammerfrauen freuten sich für ihn, denn sie wussten, welche Gefühle Kaya für Akira hatte, doch gleichzeitig war dort eine große Furcht. Niemand außer Sachi und ihnen wussten um Kayas Körper, der sehr besonders war. Früher oder später würde es zum Geschlechtsverkehr zwischen den beiden kommen und dort wird es sich entscheiden, ob Akira ihn genug liebt, um ihn so zu nehmen, wie er war. Sie hofften es, ansonsten würde es Kaya das Herz brechen... Er hatte schon genug Komplexe wegen seinem Körper und traute sich noch immer nicht, ihn zu zeigen, geschweige denn, sich nackt im Spiegel anzuschauen, aber von dem Menschen, den er liebte, zurückgewiesen zu werden, konnte noch viel mehr schmerzen. * * * Währenddessen kam Hiko gerade von seinem Training im Dojo zurück. Im Gegensatz zur letzten Zeit trug er heute einen leichten Kimono mit zurückgebundenen Ärmeln und eine Hakama, um beweglicher sein zu können und die langen Haare hatte er wie immer zu einem Pferdeschwanz gebunden. Trotzdem fühlte er sich in diesen Sachen nicht mehr wohl und es erschreckte ihn. Das waren Sachen, die er von klein auf getragen hatte, die zu seinem Geschlecht passten und doch sehnte er sich auf einmal nach der Enge des Frauenkimonos. In der letzten Zeit hatte er hart daran gearbeitet, Seiimeis Vorstellungen zu erfüllen und ihnen gerecht zu werden, aber er hatte das Gefühl, der Shogun war noch immer nicht zufrieden mit ihm und das machte ihn unsicher. Gerade, als er sein Gemach betreten wollte, hörte er Schritte und sah auf, erkannte den Shogun. Sofort ließ er sich zu Boden sinken und verbeugte sich tief. „Steh auf und komm in mein Gemach, wenn du dich umgezogen hast.“ „Ja, Euer Gnaden.“, sagte er leise und erhob sich, betrat seinen Raum und rief zwei Diener zu sich, damit sie ihm beim Umziehen helfen konnten. Er schälte sich aus dem Trainingskimono und blieb stehen, während die Diener ihm den Unterkimono und den normalen anzogen, ihm anschließend den Obi banden und ihn in einen Haori schlüpfen ließen. Hiko entließ sie nach getaner Arbeit und betrat Seiimeis Gemächer durch die Verbindungstür, verbeugte sich tief und ließ sich vor ihm nieder. „Ihr wolltet mich sprechen, Euer Gnaden?“, fragte er leise und sah ihn an. Seiimei musterte ihn genau und schüttelte dann den Kopf. „Ich will nicht, dass du weiter so redest.“ „Was?“ Verwirrt sah Hiko zu ihm. „Deine Art zu reden… Du bist ein Mann, trotz des Kimonos und ich will, dass du auch so redest*.“ „Oh…“ Das überraschte ihn jetzt ehrlich. „Ich habe gedacht, dass…“ „Ich weiß.“, schnitt Seiimei ihm das Wort ab. „Aber dem ist nicht so. ich will nicht, dass du dein Geschlecht komplett verleugnest.“ „Ich verstehe…“ Innerlich war Hiko sogar darüber erleichtert, nicht mehr die weibliche Form nutzen zu müssen, denn es war wirklich anstrengend. „Gerade eben habe ich mich mit Akira-sama getroffen. Die Verlobung zwischen ihm und Sachi no kimi wird aufgelöst… Dank deiner Information über Kaya-sama. Dafür wird die Heirat zwischen ihr und Akira arrangiert.“, fuhr er fort und Hiko war einmal mehr überrascht von der Wendung der Geschehnisse. „Oh… Aber… das heißt ja, dass Sachi no kimi zurückgeschickt wird, oder?“, fragte er, bekam aber ein Kopfschütteln als Antwort. „Nein. Sie wird hierbleiben und ist heute morgen bereits in die Ooku gezogen. Sie wird meine Nebenfrau.“ „Eure-… Ja…“ Mit einem Mal hatte er das Gefühl, der Boden wäre ihm unter den Füßen weggezogen worden. Natürlich war es nichts ungewöhnliches für einen Shogun, Nebenfrauen zu haben, die Ooku war immerhin voll von ihnen, trotzdem hatte es einen herben Nachgeschmack. Ihm war klar, dass Seiimei eine Nacht mit ihr verbringen musste… Das verlangte das Protokoll. Bei diesem Gedanken zog sich alles in ihm zusammen und er atmete tief durch. „Du siehst überrascht aus.“ Seiimeis Stimme rissen ihn aus seinen Gedanken und er sah ihn an, schüttelte sofort den Kopf. „N-Nein, Euer Gnaden. Selbstverständlich wird sie Eure Nebenfrau. Es ist auch gar nicht anders möglich.“, antwortete Hiko leise und war verwirrt von Seiimeis amüsierter Miene. „Der Gedanke von ihr als Nebenfrau scheint dir nicht zu gefallen.“, meinte er und der junge Mann errötete ertappt, verkrallte seine Finger in seinem Kimono. „Sag mir, Hiko… Was stört dich daran?“ „Nichts, Euer Gnaden… Gar nichts…“ „Wirklich? Sei ehrlich… Ich mag es nicht wenn man mich anlügt, das weißt du.“ Seiimei verengte die Augen, als er Hikos verkrampfte Hände sah und sah schließlich zu, wie er sich tief vor ihm verbeugte. „Es steht mir nicht zu, Eure Entscheidungen in Frage zu stellen, Euer Gnaden. Ich stehe hinter allem, was Ihr entscheidet.“, sagte er leise und Seiimei schloss kurz die Augen. „Ich brauche deine Dienste heute nicht mehr. Du kannst gehen.“ Er sah das Zucken und wartete, bis er den Raum verlassen hatte, seufzte dann leise auf. Das war nicht so, wie er es wollte. Er konnte ihm einfach nichts entlocken, keine Gefühlsregung. Seiimei wusste sehr wohl, was in Hiko vorging und er wusste auch, dass es ihm wehgetan hatte, zu erfahren, dass Sachi seine Nebenfrau werden würde. Er hatte gehofft, ihn so aus der Reserve locken zu können, damit er endlich offen zu ihm sein würde, doch das Gegenteil war leider der Fall und so musste er wohl oder übel selbst Hand anlegen… im wahrsten Sinne des Wortes. * * * Hiko lag währenddessen bereits im Bett und hatte sich unter der Decke zusammengerollt. Seiimei war wütend auf ihn gewesen… Er hatte sich jedenfalls nicht begeistert angehört, als er ihn weggeschickt hatte. Bei dem Gedanken daran, dass Seiimei in den Armen einer Frau liegen konnte, wurde ihm schlecht und er vergrub sein Gesicht mehr im Kissen. Er hatte nie vorgehabt, seine Gefühle so offen zu zeigen, aber in diesem Moment war es ihm einfach nicht mehr möglich und jetzt schämte er sich dafür. Hiko war kurz vor dem Einschlafen, als er das Schieben einer Tür hörte. Leicht runzelte er die Stirn und wollte sich aufsetzen, als er plötzlich durch einen Körper zurück auf den Futon gedrückt wurde. Erschrocken keuchte er auf und langte und seinem Kissen nach seinem Dolch, doch die Hand wurde zurückgepresst. „Du wagst es, gegen deinen Herrscher eine Waffe zu erheben?“, knurrte eine Stimme und Hiko zuckte zusammen, löste sofort den Griff um den Dolch. „V-Verzeiht mir, Euer Gnaden…“, wisperte er und versuchte, sein Herz zu beruhigen. Um ein Haar hätte er ihn verletzt oder gar schlimmeres getan… „Du bist ein kleines, störrisches Kätzchen… Sobald du etwas nicht willst, ziehst du dich zurück und fährst eingeschnappt die Krallen aus und lässt dich nicht mehr anfassen. Denke nicht, ich wäre blind. Ich bemerkte deine Blicke, dein Verhalten sehr wohl. Ich habe dich nicht umsonst dazu angehalten die Kimonos zu tragen und immer bei mir zu sein oder mich zu begleiten. Aber du bist anscheinend ein wenig auf dein hübsches Köpfchen gefallen, deswegen werde ich jetzt expliziter. Sachi interessiert mich einen Dreck, leider habe ich eine Verantwortung über ein Land, und darüber, den Frieden zu wahren. Sachi ist die Tochter eines politisch wichtigen Daimyos und ich handle mir damit großen Ärger ein, sollte ich sie zurückschicken und deswegen wird sie meine Nebenfrau. Wie du sicher bemerkt hast, weilt Ukifune nicht mehr als Hauptfrau neben mir… Diesen Platz hast du eingenommen, ich habe gedacht, das wäre dir bewusst. Aber ich wiederhole mich noch einmal: Sachi interessiert mich nicht. Das bist du. Nun schlaf und wir reden morgen weiter.“ Hiko blieb, während Seiimei redete, ruhig und spürte, wie sein Herz schnell klopfte vor Aufregung. Er sah, wie der Ältere sich verbeugte und hielt die Luft an, als er auf einmal seine Lippen auf seiner Stirn spürte, doch es war viel zu schnell vorbei und gleich darauf hörte er wieder die Tür. Er hatte das Gefühl, man konnte sein Herz im ganzen Raum hören. Wie sollte er danach noch einschlafen können? _______________________________________________________________________ Es tut mir wahnsinnig Leid für die Verspätung! Es hat dieses Mal wirklich lang gedauert. Dieses Kapitel ist auch ein wenig länger geworden und ich habe irgendwie das Gefühl, dass es nicht wirklich gut geworden ist... :/ Naja, ich hoffe trotzdem, dass es euch gefallen wird. ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)