風の記憶 (Kaze no kioku) von tarantye-no (Die Erinnerung des Windes) ================================================================================ Kapitel 7: Erziehung -------------------- Hiko kam sein neues Leben schrecklich unwirklich vor. Seit er den Kimono, den Seiimei ihm geschenkt hatte, angenommen hatte, nahm es eine 360-Grad-Wendung. Noch immer war er der Leibwächter und persönlicher Diener Seiimeis, doch statt den Kimono mit dem Tokugawa-Wappen zu tragen, wurde er von ihm zugeteilten Dienern in die schönsten Seidenkimonos gekleidet, die er sich vorstellen konnte und bei Audienzen saß er nun nicht mehr an der Seite, sondern direkt hinter dem Shogun. Er trug weiterhin sein Kurzschwert und den Dolch, um ihn zu verteidigen, doch seine veränderte Stellung sorgte für überraschte und verwirrte Blicke von der restlichen Dienerschaft und dem Adel, der in der Burg lebte.Noch dazu waren die Kimonos eindeutig für Frauen gedacht, was Gerüchte aufkommen ließ, der Shogun wolle dafür sorgen, dass Ukifune als Hauptehefrau abgelöst werden und Hiko an ihren Platz gesetzt werden sollte. Hiko selbst versuchte, diese Gerüchte zu ignorieren, doch er kam nicht umhin, über das gleiche Thema nach zu denken. Er selbst hatte Ukifune noch nie gesehen, doch es schien, als wäre sie durch ihn, auch außerhalb des Schlosses, wahrhaftig ersetzt worden. Auch heute saß er wieder hinter Seiimei, wenn auch nicht im Audienzsaal, sondern im Empfangszimmer, das Seiimei für kleinere und privatere Treffen nutzte. Auch Akira war da und sah nun neugierig auf, als Tachiba-sama in das Zimmer kam, vor Seiimei auf die Knie ging und sich tief verbeugte. „Sprecht. Was habt Ihr herausgefunden?“, fragte der und der Mann richtete sich auf. „Viel, Eure Majestät, aber nichts besonderes.“ Er zog eine Pergamentrolle aus seiner Hakama und rollte sie auf. „Die Oberste Kammerfrau Kaya wurde in einem kleinen Dorf namens Nakatsugawa am Nakasendo geboren und ist die Tochter eines niederen Samurai und diesen Frau. Keine Geschwister. Der Familie gehört das größte und vornehmste Gasthaus des Dorfes. Das Alter des Mädchens beträgt 17 Jahre und bis jetzt gibt es noch keine Freier*. Laut einigen Dorfbewohnern sorgten ihre Eltern auch dafür, dass es so blieb, die Gründe hierfür sind unbekannt. Die Edle Dame Sachi durchquerte das Dorf auf ihrer Reise nach Edo und dabei fiel ihr das Mädchen wohl auf und bestand darauf, sie mit an den Hof zu nehmen. Sie wird hier von Haruko-sama im Benehmen und Allgemeinwissen unterrichtet. Takiko-sama ist ihre Kammerdienerin.“ Damit endete der Bericht und Tachiba-sama rollte das Pergament wieder zusammen, legte es Seiimei vor die Füße. „17 Jahre und keine Freier? Das ist ungewöhnlich.“, meinte dieser überrascht und er hob die Brauen. „Verzeiht mir, Eure Majestät, aber ich konnte keine Informationen hierfür einholen. Selbst die Dorfbewohner konnten nichts dazu sagen. Man vermutet lediglich, dass die Eltern eine besonders gute Partie abwarten wollten.“ „Eine gute Partie?“ Seiimei schnaubte belustigt. „Bei allem Respekt… Nakatasugawa ist ein einfaches Bauerndorf und auch wenn dort Daimyos hindurchreisen, wird dort nicht so eine „gute Partie“ auftauchen.“ Auch wenn sie eine Schönheit ist… Ich danke Euch, Tachiba-sama.“ Tachiba verbeugte sich und verließ das Zimmer, während Seiimei sich die Informationen noch einmal durchlas. „Nun… Sie hat keinen besonders wichtigen Stand. Eine Laie hat es hier nicht leicht und sie im Gegenzug zu Sachi no kimi zu nehmen…“, wandte er sich an Akira, der nur ein wenig nickte. „Überlege es dir gut. Selbst wenn du Sachi zur Frau nimmst, kannst du Kaya als Geliebte behalten.**“ „Aber genau das will ich nicht. Ich will nicht, dass sie diesen Status hat. Ich will sie offiziell bei mir haben.“, widersprach Akira und sah ihn an. Seiimei nickte nun leicht und strich sich durch die Haare. „Nun gut… ich werde nachdenken. Doch es wird eine gewissen Zwischenzeit benötigt, sonst ist es zu offensichtlich.“ „Ja… Natürlich. Ich danke dir.“ Akira verbeugte sich tief vor ihm und verließ eindeutig entspannter das Zimmer. Seiimei erhob sich und Hiko folgte sofort, nahm die Rolle. „Ich möchte, dass du deinen Kragen weiter nach unten ziehst.***“, sagte der Shogun und Hiko sah ihn überrascht an. „Ich mag es.“ „Ja… Natürlich, Goushujin-sama.“ Mittlerweile fragte er nicht mehr nach dem Warum, er nahm es einfach an. Seiimei war eigen und manchmal auch exzentrisch, doch er war ihm gegenüber stets aufmerksam. Und trotzdem… eine Frage wurde er einfach nicht los. „Goushujin-sama… Warum trage ich solche Sachen? Es ist Kleidung, wie… Ukifune no kimi sie tragen sollte.“ „Es ist zu schade für sie. Solche Kimonos an sie zu verschwenden wäre wie Katzen Münzen zu geben****.“, knurrte Seiimei und runzelte die Stirn leicht, als wäre er irritiert von Hikos Frage. „Aber… Aber Ukifune no kimi ist Eure Ehefrau, sie-“ „Nicht mehr.“ „W-Was…?“ Verwirrt sah der junge Mann den Herrscher an, der nun den Anflug eines Lächelns zeigte. „Sie ist schon seit einigen Wochen nur noch eine der knapp 300 anderen Frauen im Frauenpalast und es ist unwahrscheinlich, dass sich diese Position noch einmal ändern wird.“ „Aber… Warum?“ „Nun… Ich denke, du wirst es schon von selbst herausfinden.“ Noch immer verwirrt folgte er ihm durch die Gänge, hielt die Rolle in der einen und den Haori in der anderen Hand, um nicht darüber zu stolpern. Den letzten Satz verstand er nicht. Warum würde er es von selbst herausfinden…? Vorsichtig schob er die Tür zu Seiimeis Gemächern auf und legte die Rolle in eine Truhe, in der sich weitere davon befanden. „Ich möchte, dass du Kontakt zu dem Mädchen aufnimmst. Am besten jetzt gleich.“, meinte Seiimei und ließ sich den schweren Haori von Hiko ausziehen, der leicht nickte. „Ja, Goushujin-sama.“ „Freunde dich mit ihr an. Finde heraus, was sie über meinen Kommandanten denkt, was Sachi über ihn und mich denkt. Ich sage damit nicht, du sollst sie benutzen. Ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen und du wirst noch manche Sachen von ihr lernen können.“ Seiimei klatschte zweimal in die Hand und ein Diener schob die Tür auf, verbeugte sich. „Lass einen Palankin herrichten. Hiko möchte zum Frauenpalast.“ Der Mann verschwand und Hiko legte den Haori des Herrschers in eine Truhe, verbeugte sich und verließ die Gemächer. Nachdenklich ging er den Gang entlang und schlüpfte in einem Seitenausgang in seine Getas, sah mit klopfendem Herzen zu dem Palankin, der auf ihn wartete. Er verstand, dass er als persönlicher Diener Seiimeis einen besonderen Rang hatte, doch gleich so befördert zu werden… Das hier war kein gewöhnlicher Palankin, keine Holzkiste. Das Tragegerät strotzte vor Seide und mit Gold verziertem Holz. Es war ein Palankin für Herrscher. Hiko zitterte vor Ehrfurcht, als er sich vorsichtig in die kostbaren Kissen sinken ließ und die kleine Tür geschlossen wurde. Gleich darauf spürte er, wie er angehoben und davongetragen wurde. Es dauerte eine ganze Weile, bis er merkte, dass er wieder zu Boden gesetzt wurde und die Tür öffnete sich. Er stieg aus und trat zu der Wache, die vor dem Eingang stand und sich sofort verbeugte, als sie ihn sah. „Gib eine Nachricht an die Oberste Kammerfrau von Sachi no kimi, dass ich sie sehen möchte. Ich erwarte sie im kleinen Audienzsaal. Lass außerdem Tee dorthin bringen.“ Die Wache verbeugte sich erneut und verschwand im Inneren, während Hiko die Getas auszog und den Tatamiboden berührte. Das war das erste Mal, dass er die Ooku von innen sehen konnte. Unter normalen Umständen wäre es ihm als Mann auf den Tod untersagt gewesen, überhaupt in die Nähe dieses Gebäudes zu kommen, doch jetzt… Auf dem Weg zum Saal kamen ihm einige Frauen mit trippelnden Schritten entgegen, die sich ehrfürchtig vor ihm verbeugten, ehe sie weiterschwebten und hinter vorgehaltenen Kimonoärmeln miteinander flüsterten. Irritiert davon betrat er den Saal und ließ sich an einen Tisch sinken, sah zufrieden auf die gefüllte Teekanne, aus der es dampfte. Nun musste nur noch Kaya kommen… Er hatte sie noch nie gesehen und war deswegen umso gespannter, wie sie aussehen würde, denn laut Akira war sie eine Schönheit. Es dauerte noch eine Weile, doch dann hörte er eilige Schritte und gleich darauf öffnete sich die Tür und eine geradezu zerbrechliche Gestalt trat ein. Das war also Kaya… Akira hatte Recht. Das Mädchen hatte, wenn man nach ihrer Frisur ging, Haare bis zum Hintern und geradezu schneeweiße Haut. Ihr gesamter Körperbau gab einem das Gefühl, sie würde bei der kleinsten Berührung zusammenbrechen und er hatte noch nie so große Augen und ein derart perfektes Gesicht gesehen. Kaya fiel sofort auf die Knie und verbeugte sich tief. „Euer Gnaden… Ich habt mich rufen lassen.“, sagte sie leise und Hiko errötete etwas. „Sprecht mich bitte nicht so an, ich bin lediglich der persönliche Diener und Leibwächter Seiner Majestät, Shogun Seiimei.“, entgegnete er und Kaya sah überrascht zu ihm. „Aber… die Klein. Dies ist die Kleidung einer Gemahlin des Shogun, nicht die eines Dieners. Verzeiht, wenn ich anmaßend bin, aber…“ „Oh… Nein, das seid Ihr nicht, ich weiß das. Allerdings muss ich noch hinter den genaueren Sinn kommen, warum Seine Majestät wünscht, dass ich so etwas trage. Doch deswegen bin ich nicht hier. Sondern wegen Euch… Ihr seid die Oberste Kammerfrau von Sachi no kimi, nicht wahr? Und sie wird Akira-sama bald heiraten. Erzählt mir, was sie über ihn denkt.“, sagte er leise und schenkte ihnen beiden Tee in die Becher auf dem Tisch. „Sachi no kimi ist verzaubert von ihm. Sie empfindet ihn als sehr aufmerksam und ehrlich. Sie freut sich sehr darauf, ihm gegenüber die Pflichten einer Ehefrau ausführen zu können.“, antwortete Kaya und verbeugte sich als Dank, trank einen kleinen Schluck. „Sagt sie auch etwas über den Shogun?“ „Den Shogun? Oh…“ Kaya runzelte überrascht die Stirn und schien zu überlegen. „Sie… Sie hat ihn nur einmal getroffen, aber… nun, laut ihr wäre er sehr gutaussehend, aber ein wenig kühl und abweisend.“, antwortete er dann leise und senkte den Blick leicht. „Und was denkt Ihr über Akira-sama?“ Bei dieser Frage schoss Kayas Kopf geradezu nach oben und zu Hikos Überraschung lief er rot an. „I-Ich? Ich… Ich… Also… Ich bin g-ganz der Meinung von Sachi no kimi, also ich meine… Er wird sicher ein… ein guter Ehemann sein.“ Den Augen des jungen Samurai entging nichts. Kayas Hände zitterten aus irgendeinem Grund, als er über Akira sprach und auch die Röte wollte nicht verschwinden. Sehr interessant… Er würde es an Seiimei weitergeben. „Wie geht er mit ihr um?“ „Sehr rücksichtsvoll und respektvoll… Er schätzt sie sehr.“ Hiko nickte etwas und lächelte, trank weiter von dem Tee. „Ich danke Euch. Sagt mir, wie ist das Leben hier für Euch?“ „Darf ich ehrlich sein?“ Kaya sah ihn unsicher an. „Natürlich.“ „Ich fühle mich sehr unwohl im Frauenpalast… Nicht.. Nicht wegen dem Gebäude, sondern… wegen den Frauen.“ Das wunderte Hiko nicht wirklich… Es war das reinste Schlangennest und man durfte nicht hineingeraten. „Deswegen bin ich froh, wenn Sachi no kimi in Akira-samas Gemächer ziehen wird. Ich fühle mich hier nicht wohl.“ //Wenn Euch klar wäre, dass Sachi wahrscheinlich im Frauenpalast bleiben wird…// Er nickte verständnisvoll und lächelte leicht, trank seinen Tee leer und verbeugte sich. „Ich danke Euch, dass Ihr Euch Zeit für mich genommen habt.“ „Oh… Nein, ich danke Euch!“ Sofort verbeugte Kaya sich ebenfalls und lächelte leicht. „Ohne Euch zu nah treten zu wollen… Ihr müsst auf Eure Haltung achten…“ er stand auf und setzte sich neben den perplexen Hiko, nahm seine Hände und richtete sie so, dass sich die Fingerspitzen berührten. „Haltet die Arme nicht zu weit vom Körper weg. Zieht die Ellenbogen mehr in die Ärmel und legt sie ein wenig über Eure Hände. Dadurch sieht Euer Körper kleiner und zarter aus.“, sagte er leise. „Aber… Ich habe nicht vor, kleiner und zarter zu wirken…“, entgegnete Hiko und runzelte die Stirn. „Ich bin nur der persönliche Diener des Shogun.“ „Oh, Ihr seid das und noch wesentlich mehr als Ihr denkt. Seine Majestät will nicht umsonst, dass Ihr diese Kimonos tragt.“ Kaya lächelte wissend und verbeugte sich noch einmal mit Hiko, stand dann auf. „Ich würde mich freuen, wenn wir einmal wieder miteinander plaudern könnten.“, sagte er leise und Seiimeis Diener lächelte und nickte. „Jederzeit.“ Er sah Kaya nach, wie er den Raum verließ und begab sich dann ebenfalls zu seinem Palankin, der noch immer an Ort und Stelle stand und auf ihn wartete. Nachdenklich ließ er sich hinein sinken und schloss die Augen, während er zurückgetragen wurde. Kayas Worte hatten ihn verunsichert. Er verstand nicht, warum er ihm gezeigt hatte, wie er sich besser verbeugen konnte und warum er dadurch kleiner und zarter wirken sollte. Bald darauf kamen sie wieder beim Palast an und er machte sich sofort auf den Weg zu Seiimei, verbeugte sich so, wie Kaya es ihm beigebracht hatte. Als er sich langsam aufrichtete, sah er ein gewisses Funkeln in Seiimeis Augen und errötete. „Nun?“, fragte der und sah ihn abwartend an. Hiko erzählte ihm alles, was er mit Kaya besprochen und an ihm beobachtet hatte und der Herrscher nickte leicht. „Sehr gut. Ich danke dir, wie ich sehe, hat sie dir auch etwas beigebracht.“ Hikos Augen weiteten sich und er wurde nur noch röter. „Ich… Ich…“ Das ist gut so. Ich bin stolz auf dich.“, sagte Seiimei leise und strich ihm etwas über die Wange. „Mach weiter so.“ Der junge Mann nickte leicht und konnte nicht umhin kommen, sich leicht in seine Hand zu schmiegen. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus, als ihm eines klar wurde. Er verfiel diesem Mann. Und er konnte nichts dagegen tun… ____________________________________________________________________________ Soooo... Wieder mal ein Kapitel geschafft. :) Ich hoffe, es hat euch gefallen. Das nächste wird hoffentlich bald folgen. ♥ PS: Die Erklärungen für die Sterne befinden sich jetzt im Autoren-Nachwort unter der FF! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)