風の記憶 (Kaze no kioku) von tarantye-no (Die Erinnerung des Windes) ================================================================================ Kapitel 2: Begegnung -------------------- Seiimei ging, begleitet von seinem Haushofmeister und einem Diener, die Gänge seines Palastes entlang, trat dann hinaus ins Freie und bewegte sich Richtung Truppen-Übungsplatz. Während der Haushofmeister die Namen derer hinunter rasselte, die neu in die Wache des Palastes aufgenommen wurden, ignorierte Seiimei das und ging weiter, versuchte, seinen Kopf frei zu bekommen. Das vorangegangene Streitgespräch mit seinem Bruder Kaoru hatte ihm schon wieder sämtliche Nerven gekostet, die er seit dem Aufwachen hatte und nun befand er sich in äußerst schlechter Laune. Dieser Besuch musste aber leider gemacht werden. Sein Blick fiel auf einen Kirschbaum, der sich neben einem Teich befand und ein leichtes Lächeln huschte dann doch über sein schlecht gelauntes Gesicht. Es war Frühling und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Kirschbäume zu blühen anfangen würden. Er konnte sogar schon einige Knospen an den Ästen sehen. Die Hanami-Zeit* war zwar eine sehr schöne, aber doch auch sehr kurze Zeit, denn die Bäume blühten nur ein bis zwei Wochen und warfen die Blumen dann ab. Der gesamte Hofstaat verfiel in dieser Zeit in eine Art Entspannung und es gab viele Picknicke unter den Bäumen von den Hofdamen speziell im Frauen-Palast, doch auch die Beamten und sogar die Wachen nutzten jede Gelegenheit, um bei diesen Bäumen zu sein und deren Schönheit zu bewundern, die so schrecklich vergänglich war. Es dauerte noch einige Zeit, bis sie den Platz erreichten, doch schon fast zehn Meter davor hörte er den Ruf: „Kniet nieder vor dem Shogun!“ Einige Minuten später bog er um die Ecke und sah die neuen Mitglieder der Wache auf dem Boden knien, ging die Treppe des Gebäudes, das an dem Platz stand, nach oben und drehte sich zu ihnen um. „Erhebt euch!“, befahl er und die Männer standen auf. „Ihr seid jetzt Mitglieder der Palastwache des Shoguns. Ihr habt den Eid geschworen, mich, den Shogun und diesen Palast, der nun eure neue Heimat ist, mit eurem Leben zu schützen. Seid treu dem Land und mir gegenüber.“, sagte er laut mit seiner tiefen Stimme und die neuen Wachen riefen alle zusammen „Ja!“, standen nun ganz auf. Seiimei wandte sich langsam ab und betrat mit dem Kommandanten der Palastwache das Gebäude. Er wollte sich einen Überblick über die neuen Männer verschaffen, die von nun an sein Leben verteidigten, wollte sehen, wie sie sich in den Übungskämpfen schlugen. Nachdenklich betrachtete er sie durch das Fenster, ehe er an einem der Männer hängenblieb. Das Schwert des jungen Mannes glitt mühelos durch die Luft und wurde auf solch eine grazile und anmutige Art geführt, dass er gar nicht anders konnte als ihn ohne Unterbrechung zu beobachten. Er hatte ein zart geschnittenes, fast weibliches Gesicht und seine fast hüftlangen Haare waren zu einem einfachen Zopf gebunden, der bei jeder Bewegung durch die Luft flog. „Sein Name.“, sagte Seiimei nur und der Kommandant blätterte eilig in den Unterlagen, ehe er zu ihm trat. „Hiko, Eure Majestät. 17 Jahre alt, aus Magome, einem kleinen Dorf an der Nakasendo-Straße.**“, antwortete er dann und der Shogun nickte. „Bringt ihn in meinen Audienzsaal. Ich will ihn als meinen persönlichen Diener.“ „Wie Ihr wünscht, Eure Majestät!“ * * * Hiko wurde die Gänge des Palastes entlanggeführt, die zu dem Audienzsaal des Shogun führten. Er hatte lediglich noch Zeit gehabt, einen Kimono und einer Hakama*** anzuziehen, ehe der Kommandant ihn drängte, sich zum Palast zu begeben. Jetzt folgte er den Dienern noch immer schweißgebadet und blickte sich immer wieder um, während es in seinem Gehirn arbeitete. Warum sollte er zum Shogun kommen? Hatte er jetzt schon etwas falsch gemacht und musste die Strafe persönlich von ihm entgegennehmen? Oder war er nicht gut genug für die Palastwache, nicht gut genug um das Leben des Shoguns zu schützen? Würde er dann sofort wieder entlassen und musste in Schande zurück in sein Dorf? Bei diesem Gedanken wurde ihm mit einem Mal Angst und Bange. Schon seit er klein war, war es immer sein Wunsch gewesen, zur Palastwache zu gehören. Jeden Tag hatte er stets hart geübt, egal ob mit den Schwertern oder Pfeil und Bogen oder anderen Waffen. Er wollte gut genug sein, um eines Tages nach Edo gehen zu können und dort aufgenommen zu werden. Als er es dann wirklich geschafft hatte, waren seine Eltern sehr stolz auf ihn, denn sie wussten, welche Anstrengung er für diesen Traum unternommen hatte. Der Gedanke, dass er nun wieder zurück musste, jagte ihm Angst ein. Abrupt stoppten sie und Hiko sah auf der Schiebetür vor sich das Wappen der Tokugawa. //Der Audienzsaal des Shogun…// „Ihre Majestät, der Shogun Seiimei, empfängt den Samurai Hiko!“, rief der Herold an der Tür und Hiko zuckte dadurch erschrocken zusammen. Die zwei Diener, die ihn geführt hatten, öffneten die Tür. Sofort senkte er den Blick und trat auf mit Goldfäden durchzogene Tatamimatten. Er kam dem Podest näher und fiel dann auf die Knie, winkelte die Arme an und drückte die Stirn auf das Tatami. Sein Herz klopfte ihm vor Angst bis zum Hals und er hatte das Gefühl, man konnte es im ganzen Raum hören. Von Seiimei selbst konnte er nichts erkennen, denn dieser war hinter einem Bambusvorhang und richtete sich nun langsam auf. „Wie ich an deinem Gesichtausdruck erkennen kann, weißt du nicht, warum du hier bist.“, sagte er und Hiko nickte langsam, mit dem Kopf noch immer auf dem Boden. „Ja, Eure Majestät.“, sagte er leise und schluckte. „Nun, du brauchst dir keine Gedanken deswegen zu machen. Neben meinen Gemächern wurde ein Raum für dich eingerichtet… Ich erwarte dich ab morgen in meinem Dienst. Du wirst deine Rüstung ablegen und einen Kimono tragen, deinen Dolch und dein Kurzschwert trägst du aber weiterhin.“ Überrascht riss Hiko die Augen auf. So etwas hatte er als allerletztes erwartet. „Ich… Ich danke Euch, Eure Majestät.“, wisperte er kaum hörbar und hörte, wie die Diener in den Raum traten, stand langsam auf. Schweigend folgte er ihnen nun wieder weiter durch die Gänge, bei denen er sich sicher war, sich immer wieder zu verlaufen, und bald darauf hielten sie vor einer Tür und schoben sie auf. „Eure Gemächer, Hiko-sama.“ //Hiko-sama…?// Nur langsam betrat er das Zimmer und blickte sich um, war überwältigt von der Verzierung der Wände mit den Naturwesen und den Stellen mit Blattgold, die überall in der Burg zu finden waren. So viel Prunk… Er selbst war aus einem kleinen Dorf namens Nakatsugawa, in dem es schon Luxus war, wenn man ein Häuschen besaß, das mehr als nur einen Raum hatte. „Eure Kleidung wurde bereits hierher gebracht. Dies hier ist der Durchgang zu den Gemächern des Shoguns.“ Dabei zeigte der Diener auf eine Tür auf der anderen Seite. „Ihre Majestät wird eine Glocke an der Tür läuten, wenn Er nach deinen Diensten verlangt. Deine Dienerkleidung besteht aus einem weißen Kimono und einer himmelblauen Hakama.“ Hiko nickte nur, war unfähig, etwas zu sagen, denn er war von all den Sachen hier viel zu überwältigt. Die Diener verließen ihn und er war nun endlich allein und konnte das alles auf sich wirken lassen. Vor zwei Stunden stand er noch unten auf dem Übungsplatz und richtete sich in Gedanken auf eine Nacht in der Kaserne mit vielen anderen Kameraden ein, jetzt befand er sich im Palast, direkt neben den privaten Gemächern des Shogun. //Immerhin lebe ich noch…// Langsam zog er seinen leichten Leinenkimono aus und schlüpfte in seine neuen Sachen, die nun komplett aus Seide bestanden. Das allerdings war schon ein Unterschied zur restlichen Dienerschaft, denn die trugen weißes einfaches Seidenkrepp****. Die Seide war ein Zeichen dafür, dass er trotz seines Standes als Diener zu jemandem gehörte, der sehr einflussreich war. Überraschenderweise hatte sein Gewand das Wappen der Tokugawa-Familie in einer größeren Darstellung auf der Hakama, im Gegensatz zu den anderen Dienern, die das Wappen lediglich auf den Schultern in kleiner Form hatten. Unsicher betrachtete er sich nun in dem kleinen Spiegel des Zimmers, strich den Kimono vorsichtig entlang. Diener zu sein war für ihn etwas komplett neues. Er war aufgewachsen als jemand, der zu der niederen Kriegerklasse gehörte. Sein Vater war ein rangniederer Samurai ohne großen Einfluss, doch er sorgte dafür, dass er bereits mit fünf Jahren sein erstes Schwert in Händen hielt und seitdem wurde er jeden Tag im Schwertkampf unterrichtet. Sein Vater wollte, dass er mehr Ansehen haben würde als er selbst und er tat alles dafür. Seine Langschwerter lagen nun gut verstaut in einer Truhe und er vermisste es jetzt schon, sie an seiner Hüfte zu spüren. Sein Kurzschwert jedoch band er sich jedoch um und seinen Dolch befestigte er mit einem Ledergürtel, an dem sich eine Hülle für die Waffe befand, an seinem Oberschenkel. Ein Dolch konnte ihm in schwierigen Lagen immer eine große Hilfe sein. Doch jetzt wollte er erst einmal den Palast erkunden, in dem er von nun an leben würde, immerhin musste er jeden Winkel und Gang kennen. Ihm war irgendwie klar, warum der Shogun ihn als Diener haben wollte, er aber gleichzeitig ein Kurzschwert und einen Dolch tragen sollte. Er war von nun an sein persönlicher Leibwächter, der sich mit Tablett und Teekanne tarnte. * * * Ein leises Klingeln an der Tür, die zum Schlafgemach des Shogun führte, ließ Hiko am nächsten Morgen aus dem Schlaf fahren. Für einen Moment verstand er nichts, doch dann erinnerte er sich an die Worte des Dieners vom Vortag und er stand schnell auf um sich anzuziehen. Den Kimono und die Hakama band er ordentlich zu, befestigte das Kurzschwert und den Dolch und band seine langen Haare zusammen. Sein Herz schlug schnell, als er langsam die Zwischentür öffnete und niederkniete. „Ich möchte baden. Richte mir das Wasser im Baderaum her.“, sagte der Shogun und ging mit seinem Nachtgewand an ihm vorbei. „Ja, Eure Majestät.“, sagte er leise und stand sofort auf, betrat den Raum, der an die Gemächer anschloss und hoffte, die Dienerschaft hatte das Wasser draußen bereits angeheizt. Er öffnete die Tür, die in den kleinen Hof hinausführte und war erleichtert, den Kessel zu sehen, aus dem bereits Dampf aufstieg. Immer wieder schleppte er den Kessel hinaus, fühlte ihn mit neuem dampfenden Wasser und trug ihn hinein zu dem Bottich, der hinter einer Schiebetür stand. **** Es dauerte eine Weile, doch dann war der Bottich genug gefüllt und Hiko trat nervös in das Gemach zurück, sah sich leicht um. Er hatte keinerlei Erfahrung im Dienen. Er besaß nicht einmal das Standardwissen dafür und jetzt sollte er ausgerechnet dem obersten Herrscher des Landes dienen. Er kniete sich nieder, um dem Shogun zu sagen, dass das Wasser fertig war und gleich darauf trat Seiimei in den Vorraum, in dem sich ein kleiner Schemel, ein Holzeimer mit Wasser und ein Lappen befand. Hiko zog ihm das Nachtgewand aus und begann, den Mann zu waschen, erinnerte sich dabei an das, was seine Mutter bei seinem Vater immer getan hatte. Er goss das Wasser aus dem Eimer über Seiimei und begann, seinen Körper mit dem Lappen zu waschen. Danach öffnete er die Schiebetür, die in den hinteren Raum mit dem Bottich führte und Seiimei setzte sich in das heiße Wasser, lehnte sich zurück. Zum ersten Mal sah er etwas von seinem neuen Herrn und das erste, was ihm auffiel, waren die langen Haare, die ihm fast bis zum Steißbein reichten. Er hatte eher erwartet, dass er einen Knoten im Haar trug, wie es Sitte war, doch hiermit bestätigte sich das Gerücht, der jetzige Shogun sei ein wenig eigen. Es war das erste Mal, dass er einen Mann sah, der solche langen Haare hatten außer ihm selbst und sie auch zur Schau trug. Er selbst wurde noch immer für einen Jüngling gehalten, weil er die Haare lang trug und sich den Kopf nicht rasieren ließ, wie es alle anderen in seinem Alter taten, um zu zeigen, dass sie nun der erfahrenen Kriegerklasse der Samurai angehörten. Er hing viel zu sehr an seinen Haaren… Auf Seiimeis Befehl hin massierte er ihm Rosenöl in die Haare und half ihm wenig später aus der Wanne, trocknete ihn ab und richtete ihm auf seinen Befehl hin einen der vielen Kimono und passender Hakama und Hatatare heraus.***** Trotz dieser Dienste vermied er es, den Mann anzuschauen. Es war nicht aus Angst so, eher aus Respekt und großer Ehrfurcht, immerhin diente er dem einflussreichsten Mann im Land. Doch Seiimei bemerkte das und nachdem er sich mit Hikos Hilfe die Gewänder angezogen hatte, drehte er sich um und hob dessen Kinn an. Nun konnte Hiko das Gesicht des Mannes sehen und seine Augen weiteten sich. Er sah so jung aus! Grüne leuchtende Augen sahen ihn an aus einem Gesicht, das fast unverschämt attraktiv aussah. „Du bist mein persönlicher Diener, Hiko. Ich erwarte von dir, dass du mir ins Gesicht schaust.“, sagte er mit seiner dunklen Stimme und Hiko konnte nur nicken, schluckte leicht. „Ja, Eure Majestät.“, antwortete er leise und Seiimei ließ von ihm ab. „Mach mir einen Zopf. Danach wirst du mit zu den Audienzen begleiten.“ Sofort nahm Hiko ein farblich passendes Band aus einer kleinen Kommode und band damit seine Haare zusammen, verließ dann mit ihm die Gemächer und folgte ihm einen Gang entlang, den er gestern nicht gegangen ist. Anscheinend war es ein Verbindungsgang, der den offiziellen Palastgang umging und direkt zum Audienzsaal führte. Es kam ihm noch immer irreal vor, dass er nun hinter dem Shogun herging und nicht irgendwie Patrouille machte… Doch er würde sich schon noch daran gewöhnen, nur für Seiimei da zu sein. ____________________________________________________________________ Das zweite Kapitel ist auch endlich geschafft! Ich versuche, jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Person zu schreiben, um sie einzeln vor zu stellen (wobei ich Ukifune und Sachi mit großer Wahrscheinlichkeit auslassen werde, weil sie wirklich pure Nebencharaktere sind)… Ich hoffe, das gelingt mir auch. Das dritte Kapitel ist bereits in Arbeit und wird hoffentlich bald fertig sein. Nebenbei möchte ich hinzufügen, dass ich mich bemühe, alles nach geschichtlicher Richtigkeit zu schreiben, auch was die Verhältnisse betrifft. Ich bin kein Historiker darin und muss auch immer wieder meine Freundin wegen allem fragen, die Japanologie studiert und selbst sie ist sich bei vielem nicht sicher. Also… habt Nachsicht. :) Musik: Game of Thrones – Soundtrack Kagrra, - Miyako Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)