Drei von Aoki ================================================================================ Kapitel 1: Resonanz ------------------- Es dauert nur einen Augenblick. Ein gehauchter Satz, mit brutaler Wirkung. Die Resonanz darauf zerstört. Zerstört all das, wofür ich gekämpft habe. Wofür ich gelebt habe. Vernichtet all das, wofür mein Herz steht. Du nimmst mir die Hoffnung, indem du mir keine Wahl lässt. Du bestimmst die Regeln, nicht ich. Wo ist das Wir geblieben? Wann hast du damit aufgehört, an uns zu glauben? „Ich verstehe es einfach nicht. Warum kapierst du das nicht!?“ „Weil ich nicht verstehen kann, warum du so schwer von Begriff bist. Sie hat einen anderen. Du hast es mit eigenen Augen gesehen. Sie. Will. Nichts. Mehr. Von. Dir.“ Sein angespannter Kiefer signalisierte deutlich, wie unangenehm es war, diese Worte zu hören. Für ihn konnte es unmöglich der Wahrheit entsprechen. Eine Realität, die so grausam war, dass seine Brust schmerzte. Akzeptanz gleich Null. Er verstand es nicht. Wie oft hatte er schon zuhören müssen, ohne sich wehren zu können? Weil er genau wusste, dass es wahr war. Das Mädchen, von dem er dachte, sie würde für immer bei ihm bleiben, hatte ihm das Herz herausgerissen, ohne mit der Wimper zu zucken. Eiskalt abserviert. „Ehrlich Naruto, ich will dir nichts Böses, aber du musst langsam begreifen, dass es vorbei ist.“ Sein versöhnlicher Ton machte ihm bewusst, dass er schon lange verloren hatte. Er hatte keine Chance dem durchdringenden Blick seines Freundes standzuhalten. Dazu fehlte ihm die Kraft. Wie lange hatte er versucht, sie zurückzugewinnen? Jeglicher Kontakt wurde von ihr vermieden. Anrufe, die ins Leere liefen und Gespräche, die stets abgeblockt wurden. Der Schlafmangel zerrte zusätzlich an seinen Nerven. Immer wieder suchte er im Internet nach ihren Bildern, bei denen er mehr als nur einmal in Tränen ausbrach, als er sie entdeckte. Neue Bilder, von ihr, gemeinsam mit ihm. Der Grund, warum alles in die Brüche ging. Naruto hasste ihn mit jeder Faser seines Körpers. Wie ein Fremdkörper hatte er sich in seine Welt gedrängt und ihm alles genommen. Sein Glück, seine Freunde und sein Herz. „Naruto, sieh mich an“. Kibas Stimme zwang ihn dazu, seiner Bitte Folge zu leisten. „Ich weiß, dass es hart für dich ist, aber du wirst darüber hinwegkommen. Zwei Monate hast du schon geschafft und es geht doch bergauf, mh?“ Schnaubend schob er sich an ihm vorbei und öffnete seinen Kleiderschrank. Dinge, die er zu fassen bekam, warf er achtlos auf den Boden. Seine Hände brauchten diese Beschäftigung, um ihn zu beruhigen. Natürlich hatte er diese Monate überlebt. Wenn man von der Appetitlosigkeit und den Trauerphasen absah, hatte er es sogar gut überstanden. Aber wirklich leben konnte er es nicht nennen. Es war nicht dasselbe, wenn einem das Herz fehlte. „Mann, ich weiß du liebst sie, aber meinst du sie kommt zurück, wenn du sie so bedrängst? Sie ist glücklich mit ihm, also akzeptiere es wenigstens“. „Einen Scheißdreck werde ich. Sie gehört mir!“ Er bestand auf seine Meinung und ignorierte Kibas Kopfschütteln. Auf Verständnis von seinem besten Freund konnte er nicht hoffen. Niemand verstand die Gefühle, die so stark waren, dass es ihn innerlich aushöhlte. Der Spruch: ‚Wenn man wirklich liebt, dann will man nur, dass der andere glücklich ist‘, bereitete ihm Bauchschmerzen. Sicher, er wollte dass sie glücklich war, aber wenn, dann nur mit ihm. Für ihn waren Leute, die solche Phrasen benutzen, Menschen, die niemals wirklich geliebt hatten. Kiba saß mittlerweile auf seinem Bett und beobachtete ihn dabei, wie er den Inhalt seines Schrankes auf dem Parkett verteilte. „Im Ernst, wenn du damit nicht…„ Weiter kam er gar nicht, da die Tür zu Narutos Zimmer mit einem lauten Schrei aufgestoßen wurde. Unverkennbar seine Mutter, deren Augen vor Wut halb zusammengekniffen waren. In ihrer Hand hielt sie einen Zettel, den sie Naruto gegen die Brust drückte. Die Kraft, mit der sich die Fingerspitzen durch sein Shirt drückten, ließ darauf schließen, dass er sich großen Ärger eingehandelt hatte. „Kannst du mir das hier erklären?“ Der Druck gegen seinen Brustkorb erhöhte sich merklich. „Wieso ruft die Schule an und sagt mir, dass du kurz vor einer Suspendierung stehst? Und warum warst du schon wieder an Sakuras Spind?“ Ihre Stimme klang ruhig, doch sie hatte deutlich etwas Lauerndes an sich. Sie versetzte Naruto in eine Art Starre. Sein leicht geöffneter Mund brachte den Schockzustand, in dem er sich befand, gut zur Geltung. Erst Kibas Räuspern durchbrach die angespannte Stille und lenkte somit die Aufmerksamkeit der Frau auf sich. „Oh, ich habe gar nicht gewusst dass wir Besuch haben. Kiba, wie geht es dir?“ Es war immer wieder erschreckend, wie sehr sich ihre Laune innerhalb von Sekunden ändern konnte. Mit einem Lächeln ließ sie von ihrem Sohn ab und trat näher an Kiba heran, um durch seine braunen Haare zu wuscheln. Der hilflose Blick den er Naruto dabei zuwarf, wurde mit einem schiefen Grinsen quittiert. Jetzt hatte er wenigstens genügend Zeit, um sich eine plausible Erklärung einfallen zu lassen. Doch, wenn er es sich recht überlegte, wollte er sich nicht herausreden. „Weißt du, was in dem Brief steht?“ Als sie sich wieder zu ihm herumdrehte, stieß er entnervt die Luft aus seinen Lungen. „Nein, aber bevor du jetzt über mich herfällst. Es gibt einen Grund dafür, dass ich an ihrem Spind war. Ich wollte ihr nur Mr. Twinkelz zurückgeben“ Das kurze Auflachen seiner Mutter zeigte ihm, dass sie diese Ausrede nicht gelten lassen würde. Herrgott, er glaubte sich ja selbst kaum. „Naruto, sie hat die Kombination schon 47 mal geändert, was ist nur los mit dir?“ „Ma, bitte, ich wollte ihn doch nur zurückgeben“ Jetzt verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Und du hättest ihr das Ding nicht persönlich geben können?“ „Wie denn?! Sie redet ja nicht mit mir.“ „Und du hättest Mr. Twinkelz auch keinem Kameraden geben können, damit er ihn weiterreicht?“ Überfordert fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Natürlich hätte er es so machen können, doch dann würde er nicht wissen, was sich alles in ihrem Spind befand. Außerdem war der dazu gesteckte Liebesbrief viel zu privat, um ihn durch fremde Hände wandern zu lassen. „Naruto, die Schule schreibt uns, dass wir vielleicht professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollten.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte er seiner Mutter ins Gesicht. Wie dreist waren diese Menschen eigentlich? Klar, er war alles andere als zurückhaltend, aber deswegen noch lange nicht krank. „Was für eine beschissene Idee soll das bitte sein?“ „Naruto, sprich nicht so…„, fing sie an, hatte aber keine Chance weiterzusprechen, da er laut dazwischenfuhr. „Nein. Wenn du glaubst ich bin krank, dann raste ich aus.“ Sie zuckte bei diesen Worten zusammen, blickte ihm aber dennoch mit gefasster Miene entgegen. „Es wäre aber eine gute Möglichkeit, um deinem Ärger Luft zu machen. Ein Therapeut würde alles objektiv betrachten und gemeinsam mit dir nach einer Lösung suchen.“ Das war alles was es brauchte, um ihn rot sehen zu lassen. „Ich will keine beschissene Therapie“, schrie er sie an und ballte seine Hände zu Fäusten. Die stumpfen Fingernägel bohrten sich fest in seine Handflächen. „Ich will keine Hilfe. Ich will…“, gab er fast schon verzweifelt von sich. Sein ganzer Körper stand unter Spannung. „Ich will sie zurück.“ Es stimmte. Er wollte nichts weiter. Keine mitleidigen Blicke und keine Sitzungen bei jemandem, der ihm ohnehin nicht helfen konnte. Er verließ das Haus wenige Sekunden später, ohne auf die Rufe seiner Mutter zu achten, oder auf die Tatsache, dass sein bester Freund noch bei ihm auf dem Bett saß. Es war ihm egal. Wenn er noch eine Minute länger in diesem Zimmer hätte stehen müssen, wäre er vor Wut explodiert. Keiner, wirklich keiner konnte nachvollziehen, wie er sich fühlte. Niemand wusste davon, wie lange er nachts wach lag und sich fragte, warum es passiert war. Warum er von dieser Veränderung nichts mitbekommen hatte. Wie verzweifelt er den Schlaf suchte, ihn aber nur durch Erschöpfung fand. Ein halbes Jahr war keine lange Zeit, doch für Naruto bedeutete sie die Welt. Eine glückliche Welt, in der er gemeinsam mit Sakura hätte alt werden können. Also woher nahmen diese Leute das Recht, über ihn zu urteilen? Frustriert über die gesamte Situation lief er ziellos durch die Straßen. Der nahegelegene städtische Park war um diese Jahreszeit nicht gerade gut besucht, ein Umstand, den Naruto begrüßte. Ihn störte dieses Septemberwetter nicht. So konnte er wenigstens weiter nachdenken. Etwas, dass er in letzter Zeit viel zu häufig tat. Aber ihm blieb keine Wahl. Seine Gedanken stellten sich gegen das Bedürfnis von Ruhe. Immer wieder suchte er nach Ungereimtheiten, oder verlor sich in Tagträumen, die nicht selten das Szenario beinhalteten, wie der Parasit und Beziehungszerstörer von der Bildfläche verschwand. Das  Holz der Parkbank knarzte leise, als er sich darauf niederließ. Seine Augen fixierten einen imaginären Punkt in der Ferne. Die Umgebung für ihn nicht existent. Es war einfach zum Verrücktwerden, da er diese Wendung in seinem Leben niemals erwartet hätte. Zwei Jahre hatte es gedauert, um Sakura davon zu überzeugen, mit ihm zusammen zu sein. Genau zu derselben Zeit lernte er ihn kennen. In seiner Schule. Der geheimnisvolle Neue, der in seiner Parallelklasse saß und die Herzen der Mädchen im Sturm eroberte. Allerdings galt dessen Interesse anderen Dingen. Von Sakura hatte er nie Notiz genommen, bis jetzt. Warum ausgerechnet jetzt? Er wusste von Narutos Beziehung, da war er sich sicher. Schließlich war er wie ein liebeskranker Idiot durch die Gegend gelaufen, immer darauf bedacht, alle um sich herum wissen zu lassen, dass er glücklich war. Also wieso zum Henker drängte sich dieser Mistkerl in dieses Glück hinein? Sakuras Handeln verstand er allerdings auch nicht. Wann war der Zeitpunkt ihrer Entscheidung, ihm die Lebensfreude zu nehmen? War die Beziehung zu ihm vielleicht nur ein Vorwand, um den anderen auf sich aufmerksam zu machen? Der Gedanke, dass sie ihn möglicherweise nur benutzt hatte, löste bei ihm das Bedürfnis aus, sich auf der Stelle zu übergeben. Nein, so schätzte er sie nicht ein. So wollte er gar nicht erst denken. Sie brauchte sicherlich nur etwas Zeit, um sich darüber bewusst zu werden, dass Naruto der Einzige war, der sie wirklich glücklich machen konnte. Er würde warten. Ihren Fehltritt verzeihen und neu anfangen. Ohne es zu hinterfragen. So lange würde er mitspielen und darauf hoffen, dass der Schmerz über den temporären Verlust langsam abebbte. „Na sieh mal einer an. Wenn das nicht Uzumaki der ewige Loser ist.“ Er drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die fremde Stimme kam. Das Gesicht, das er erblickte, brachte ihn dazu die Lippen zusammenzupressen. Suigetsu. Ebenfalls einer dieser Mitläufer, der in seiner Parallelklasse den Ruf als Playboy weg hatte. Zu allem Übel hatte er sogar noch die Person im Schlepptau, die Naruto am liebsten auf der Stelle zerfetzt hätte. Ruckartig stand er auf. Wenn die anderen ihn provozieren würden, wäre er sofort bereit, zuzuschlagen. Er würde ihnen mit seiner Faust zeigen, wie sehr er sie verachtete. Allerdings schien sein Hassobjekt kein Interesse an ihm zu haben. Er würdigte ihn keines Blickes. Als wäre er gar nicht vorhanden. Wie Luft, der man keine Beachtung schenkt, weil sie zwar vorhanden war, man sie aber nicht sehen konnte. Einfach so lief er weiter, als ob Suigetsu niemals gesprochen hätte. Wenn Narutos Zorn zuvor nur eine lodernde Flamme war, verwandelte sie sich mit dieser ablehnenden Geste zu einem Feuersturm. Durch einen Impuls getrieben schubste er Suigetsu mit voller Wucht nach hinten. Dann würde er es eben an ihm auslassen. Schon alleine, dass dieser Mitläufer mit dem Beziehungskiller unterwegs war, reichte als Grund. Mehr brauchte er nicht. Er hätte es so oder so verdient. Nur knapp konnte der Junge den Sturz verhindern und federte sich mit seinen Händen vom Boden ab. „Suchst du Streit?!“ Aufgebracht rappelte er sich auf, bereit dazu, Narutos Angriff zu erwidern. „Wieso, ich hab ihn doch schon gefunden“. Grinsend darüber, Suigetsu überrascht zu haben, wartete er auf einen Konter. Dabei war es egal, ob sie mit Fäusten oder Worten sprachen. „Suigetsu, es reicht. Wir gehen.“ Damit wich das Grinsen von Narutos Lippen. In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, fühlte es sich so an, als würde die Zeit gefrieren. Es gab nur sie beide. Keine Umwelt. Niemanden. Kein Wort. Nur ein bedeutsamer Austausch geladener Emotionen. Hass und Verzweiflung auf der einen Seite, Ablehnung und Überlegenheit auf der anderen. Niemals zuvor hatte er ihn so gesehen. Nie zuvor hatte er ihn so angesehen. Ein stummer Krieg, der allen verborgen blieb. Nur sie selbst wussten es. Die Spannung war greifbar. Ein lautes Rauschen in Narutos Ohren. Doch Augenblicke waren nicht für die Ewigkeit bestimmt. Es wurde ihm schmerzhaft bewusst, als Suigetsu ihm einen heftigen Schlag in den Magen verpasste. Der Junge hatte die Ablenkung wahrlich gut ausgenutzt. Der stechende Schmerz vermischte sich mit dem Gefühl der Atemnot. Die brennenden Augen nur ein Reflex. Krümmend hielt er sich den Bauch und versuchte krampfhaft, die Luft zurück in seine Lungen zu pumpen. „Da guckst du, was du Loser?“ Nun war es Suigetsu, der überheblich grinste. Er lachte über ihn. Offen und fröhlich. Naruto hätte nicht einmal die Kraft gehabt etwas zu erwidern, wenn sein Leben davon abhängen würde. Er war gezwungen ihnen hinterherzusehen, als sie sich von ihm fort bewegten. Der unangenehme Geschmack von Blut vermischte sich mit seinem Speichel. So fest biss er sich auf die Innenseite seiner Wange. Die zurückgehaltenen Tränen lösten sich von selbst. Zu groß war das Gefühl von Niederlage. Zu stark der Schmerz, der nicht nur von dieser äußeren Verletzung stammte. „Hey, geht’s dir gut?“, hörte er jemanden sagen und blinzelte, um sein Sichtfeld zu klären. Mit wackligen Beinen richtete er sich auf und spuckte auf den Boden. Das angewiderte Geräusch des Passanten ignorierte er. Er musste hier weg. Hier würde er keine Sekunde länger bleiben können. Flucht vor der unsichtbaren, drückenden Existenz. Seine Beine übernahmen die Kontrolle und führten ihn mit schnellen Schritten raus aus dem Park, weg von der erlittenen Schmach. Sein Hass vergrößerte sich mit jedem angestrengten Atemzug. Entlud sich in Form von kraftvollen Bewegungen. Ein Puls, der sich nicht mehr regulieren ließ. Nicht, solange er nicht sicher war. Wie von blanker Panik getrieben rannte er gefühlte Stunden durch die Straßen. Er stoppte erst, als seine Muskeln protestieren und sein Brustkorb brannte. Er war machtlos. Ein einfacher Blick hatte genügt, um es ihm deutlich zu machen. Keine Chance. Nicht jetzt. Nicht gegen ihn. „Sasuke“, zischte er voller Abscheu aus. Wie ein verbotenes Wort, das einen Fluch auslösen könnte. Aber auch Flüche konnte man brechen. Vielleicht hatte er die Schlacht verloren, doch der Krieg, der hatte soeben erst begonnen. Seine feste Überzeugung gab ihm die Kraft, daran zu glauben. Eines Tages würde er Sasuke dafür leiden lassen, dessen war er sich sicher.   Die sehnlichst erhoffte Ruhe zu Hause blieb aus. Seine Eltern hatten ihn bereits erwartet und ließen ihm keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Ein weiteres unliebsames Gespräch folgte. Warum sie dazu allerdings noch ein weiteres Familienmitglied einluden, war ihm schleierhaft. Sein Onkel Jiraiya wohnte etwa drei Stunden Autofahrt von ihnen entfernt, also wieso war er hier? Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Die Stille am Küchentisch drückte zusätzlich auf seine Stimmung.   Er musste sich zügeln, nicht einfach loszuschreien. Kibas Ansicht, die Meinung seiner Mutter und das Zusammentreffen mit Sasuke und Suigetsu im Park, all das hatte ihm genug schlechte Laune für sein restliches Leben beschert. Immer wieder Belastung. Immer wieder Streit. Er hasste es. „Naruto, deine Eltern haben mir erzählt, was vorgefallen ist.“ Das hatte er auch erwartet, schließlich war sein Onkel nicht umsonst hier. Doch er zog es vor, weiterhin zu schweigen. Was hätte er auch erwidern sollen. „Ich habe auch von ihrem Problem gehört und werde deswegen gleich zum Punkt kommen. Du wirst in Therapie gehen-“ Naruto fing an zu kichern. Doch dieses Kichern entwickelte sich langsam zu einem hysterischen Lachen. Dachten sie wirklich, dass er sich so einfach fügen würde? Kopfschüttelnd stand er auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Porzellan klirrte unter dem Aufprall, und er verstummte abrupt mit dem Knall. Vereinzelte Haarsträhnen sorgten dafür, dass man seine Augen nicht sehen konnte. „Ihr habt überhaupt keine Ahnung.“ Ruhig und fest war seine Stimme, seine Körperhaltung allerdings verräterisch. Seine Muskeln zitterten vor unterdrückter Wut. Nur einen Schritt weiter. Nur ein kleines bisschen mehr und er würde explodieren. Würde implodieren und alles um sich herum zerstören. Ohne Ausnahme. Als er seinen Kopf hob, sah er die entschlossenen Blicke. War das wirklich ihr ernst? Sie konnten ihn nicht zwingen. Niemals würde er klein bei geben. Unbeeindruckt fuhr Jiraiya fort: „Du wirst gehen. Wenn du nämlich nicht gehst, wirst du umziehen und zwar zu mir.“ Naruto brachte ein Grinsen zustande. Er würde verrückt werden, wenn sie nicht gleich mit diesem Mist aufhörten. „Und das entscheidet ihr so einfach über meinen Kopf hinweg? Was ist mit der Schule, mh? Und was ist mit Sakura…“ Ganz langsam fing er an zu verstehen. Das Klicken in seinem Kopf entwickelte sich zu rasenden Gedanken. Wenn er sich weigerte, würde er Sakura nicht mehr fünf Tage die Woche sehen können. Dann hätte er auch keine Möglichkeit mehr, Rache an Sasuke zu nehmen. Nur allein daran zu denken von ihr getrennt zu sein, um ihm das Feld zu überlassen war schmerzhaft. Diese verdammten Sadisten. „Ganz recht mein Junge. Entscheide dich. Entweder du machst eine Therapie, wo die Möglichkeit besteht, dass man dir helfen kann, oder du ziehst zu mir und siehst deine Angebetete vorerst nicht mehr.“ Abschätzend musterte er seine Eltern. Sie hatten nichts gesagt. Sie würden ihn tatsächlich wegschicken. Einfach so. Sicher, sie hielten ihn für krank. Eine Tatsache, die ihm das Herz brach. War er wirklich so schlimm? Zum ersten Mal seit der Zusammenkunft erhob sein Vater das Wort: „Naruto, wir machen uns Sorgen um dich. Du bist einfach nicht mehr du selbst. Weißt du, wie schwer es für deine Mutter und mich ist, dich so leiden zu sehen? Die erste Liebe ist immer die Schönste und die Schmerzvollste, aber dieser Zustand vergeht wieder, glaub‘ mir. Wir wollen dir alle nur helfen“, es entstand eine kurze Pause, in der er sah, wie sich sein Gesicht in den blauen Augen seines Vaters wiederspiegelte, „und vor allem, wollen wir unseren Sohn wieder haben“ Dieses rührende Geschwafel half Naruto nicht im Geringsten. Er kam sich vor wie ein Außenseiter. Er saß auf verlorenem Posten. Drei gegen einen. Kein Platz für eigene Meinungen und Wünsche. Er musste die Situation abwägen. Entweder er stimmte zu, oder er würde gehen. Mit siebzehn hatte er keine Chance sich zu widersetzen, das wusste er. Selbst nächsten Monat, wenn er seinen achtzehnten Geburtstag feierte, hätte er keine Möglichkeit, diese Entscheidung zu verhindern. Er wäre mittellos, ohne Arbeit und Geld. Was sollte er tun? Fieberhaft überlegte er, bis ihm ein Gedanke kam, der ihn Hoffnung schöpfen ließ. Was, wenn er nur so tat, als ob er zustimmte? Wenn er zu diesem Psychoarzt gehen würde, konnte er dafür sorgen, dass er ihm bescheinigte, kein Problem zu haben. Eine deutlich einfachere Lösung. „Okay, ich werde in Therapie gehen.“ Das erleichterte aufatmen seiner Mutter wurde von Jiraiyas Lachen übertönt. „Wunderbar. Kushina, hol die Ramen raus, die hat er sich jetzt verdient.“ Er würde einfach gute Miene zum bösen Spiel machen. Immer weiterlächeln und sich so verhalten wie sie es wollten. Die dunkle Seite in ihm schrie zwar vor Missfallen, gelangte aber nicht an die Oberfläche. Konnte sich nicht zeigen, weil er sie tief in sich vergrub. Gedanken, die er nicht teilen würde. Sie würden schon sehen, was sie davon hatten. Er beobachtete seine Familie dabei, wie sie langsam wieder auflebte. Wie sie sich freuten und so taten, als ob alles in Ordnung war. Ohja, er würde sie alle wissen lassen, wie sehr sie sich in ihm täuschten. Er war niemand, der aufgab. Weder jetzt, noch später. Und wenn es soweit war, würden auch sie es begreifen.     „Nur damit ich das jetzt richtig verstehe. Du gehst in Therapie und tust so, als ob du normal wärst, damit der Arzt es dir bescheinigt und deine Eltern Ruhe geben?“ Naruto nickte. Er stand gemeinsam mit Kiba auf dem Schuldach und beobachtete die Schüler, die sich während der Pause auf dem Hof aufhielten.  Er brauchte einen Moment, ehe er verstand, was sein bester Freund gerade gesagt hatte. Mit gerunzelter Stirn blickte er ihn an. „Was heißt hier so tun? Ich bin normal! Das verstehen die nur nicht.“ Er gestikulierte mit den Händen und schüttelte den Kopf. Kiba grinste.  „Ja, es ist total normal, wenn du ihren Spind dauernd knackst, sie nach Hause verfolgst, vor ihrem Haus rumlungerst und durchs Fenster guckst und dir im Netz Fake-Profile erstellst, damit du mit ihr reden kannst. Wirklich, sehr normal.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Das entging selbst Naruto nicht. Beleidigt verzog er die Lippen. Es würde ihm nichts bringen, mit anderen Menschen darüber zu diskutieren. Sie verstanden ihn ja doch nicht. War es denn nicht normal, wenn man mit demjenigen, den man liebte, zusammen sein wollte? Etwas von seinem Leben teilen wollte? Wenn man für immer Hand in Hand in eine gemeinsame Richtung gehen wollte? Für sie scheinbar nicht. In ihren Augen war er nur ein Stalker. Seine Gedanken und Wünsche fanden keinen Anklang. Er stieß nur auf Ablehnung.    Nach dem Gespräch mit seiner Familie hatte er sich schnell in sein Zimmer verzogen und dort die halbe Nacht vor sich hingebrütet. Das Für und Wider. Vorstellungen von Sasuke. Gemeinsam mit ihr. Glücklich. Ohne ihn. Er fühlte sich verletzt, einsam und hintergangen. Der Schlaf kam erst, als er nur noch zwei Stunden Zeit hatte, um sich für die Schule fertig zu machen. Es grenzte schon an ein Wunder, dass er pünktlich zum Unterricht erschien. Zu allem Übel musste er seine Aufmerksamkeit sogar dem Lehrer widmen, da Sakura nicht anwesend war. Eine ihrer Freundinnen hatte dem Lehrer am Anfang der Stunde erklärt, dass sie für die kommende Woche fehlen würde, weil sie sich eine Erkältung eingefangen hatte. Das wurmte ihn. Wie sollte er eine Woche ohne ihre Präsenz aushalten? Er spielte sogar mit dem Gedanken sie zu besuchen, doch das wäre nicht gerade förderlich in seiner Position. Also musste er sich zurückhalten.  „Jetzt guck nicht so deprimiert, das sieht echt beschissen aus.“ Zu einem Lächeln konnte er sich nicht durchringen, doch er gab sich Mühe, normal zu wirken. Keine leichte Aufgabe, wenn er daran dachte, dass er heute noch zwei Stunden Kunst hatte. Zwei Stunden in einem Raum mit dem Mistkerl von Beziehungskiller. Die einzigen zwei Stunden in der Woche, die er zusammen mit ihm Unterricht hatte. Naruto hasste sie. Während er an die Begegnung mit ihm dachte, musterte er wieder seine Mitschüler. Fast sein kompletter Jahrgang war um den Tisch versammelt, an dem Sasuke saß. Warum die Leute mit ihm befreundet sein wollten, konnte Naruto nicht verstehen. Was hatte man davon mit einem abweisenden, arroganten und wortkargen Arschloch befreundet zu sein? Er folgte Sasukes Blick, der abwesend in der Ferne lag. Kein fester Punkt, den er anvisierte. Er wirkte in Gedanken versunken. Ob er gerade an Sakura dachte? Ob er an gestern dachte? Oder dachte er darüber nach, was er später zu Mittag essen würde? Neugierde flammte in ihm auf und Naruto wurde sich erst darüber bewusst, dass er starrte, als Sasuke ihn direkt ansah. Da war sie wieder, diese unbändige Wut. Das Bedürfnis, den anderen durchzuschütteln, bis diese emotionslose Maske von seinem Gesicht fiel. Bis er zeigte, dass er menschlich war. Dass auch er voller Fehler war. Weniger würde Naruto nicht akzeptieren. Seine Finger drückten sich gegen die Balustrade. Am liebsten hätte er geschrien, wirkte jedoch äußerlich wie erstarrt. Nur dieser Blick zwischen ihnen. Ein Hochverrat der Gefühle. Zumindest auf seiner Seite. Sasukes Augen zeigten keine Regung. Waren so starr wie immer. Naruto fragte sich selbst, was es brauchte, um diese Augen zum Glänzen zu bringen. Wie es aussah, wenn dort Tränen wären, die über diese blassen Wangen fließen würden. Wegen Schmerzen, die er ihm zugefügt hätte.   Weitere Gedanken konnten nicht ausgeführt werden, da Sakuras Freundin Ino den Blickkontakt zwischen ihnen unterbrach, indem sie sich direkt vor Sasuke stellte. Aufgebracht wirbelten ihre Hände durch die Luft. Sie schien zu schreien, doch Naruto verstand kein Wort. War zu weit weg, um etwas hören zu können.  „Und wen gaffst du an?“ Kibas Stimme drang laut an sein Ohr und er erschrak, da er diese Nähe nicht erwartet hatte. Sofort drehte er seinen Kopf in die Richtung seines besten Freundes. Er fühlte sich ertappt und fing an zu grinsen. „Niemanden, ich hab nur nachgedacht.“ Kiba musterte ihn und suchte mit wachsamen Augen nach der Wahrheit, die ihm Naruto offensichtlich verschwieg.  Das Geräusch der Pausenklingel beendete die unangenehme Stille zwischen den Beiden. Naruto setzte sich zuerst in Bewegung und Kiba folgte nur einen Moment später. Schon auf dem Weg zum Kunstraum verkrampfte er sichtlich. Es war ihm zuwider, dieselbe Luft zu atmen wie Sasuke, doch er hatte keine Wahl. Er würde keine Schwäche zeigen, nicht wegen ihm. Die letzte Reihe im Saal wurde sofort von ihm besetzt, noch bevor weitere Schüler die Chance dazu hatten. Ein Platz direkt am Fenster, um seinen Gedanken nachgehen zu können. Es war keine Seltenheit, dass er dort saß. Fast in jeder Unterrichtsstunde suchte er nach einem Blick in die Freiheit. Außerhalb der Wände, die ihn einengten.    Den ganzen Unterricht über versuchte er sich selbst dazu zu zwingen, Sasuke keine Beachtung zu schenken. Er wollte ihn nicht sehen. Doch er tat es. Unbewusst. Er saß vorne in der zweiten Reihe neben Suigetsu, der ihn allem Anschein nach etwas ins Ohr flüsterte. Doch Sasuke ignorierte den Jungen, schien vertieft zu sein in der Aufgabe, die sie bekommen hatten. Ob er gerne zeichnete? Naruto blickte auf seinen eigenen Block. Nicht ein Strich. Keine Linie. Im Moment brachte er überhaupt nichts zu Stande. Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, weil sich in seinem Kopf alles um Sasuke und Sakura drehte.   Als endlich der langersehnte Unterrichtsschluss eingeläutet wurde, war er der Erste der durch die Tür lief und das Gebäude hinter sich ließ. Er wollte einfach nur seine Ruhe haben. Niemanden sehen, niemanden hören und vor allem nicht mehr denken. Doch selbst Zuhause wurde ihm dieser Wunsch nicht gewährt. Denn dort musste er sich von seiner Mutter sagen lassen, dass sie bereits jemanden gefunden hatten, der sich seinen Problemen annehmen würde. Es machte ihn wütend, doch er versuchte es nicht zu zeigen. Er musste mitspielen. Er hatte keine Wahl, doch hätte er gewusst, was auf ihn zukam, wäre er nicht so ruhig geblieben.   Denn bereits wenige Tage später lief Naruto mit finsterer Miene durch die Gegend, hielt Abstand zu seinen Eltern und verbrachte die Nachmittage stets alleine in seinem Zimmer. Nie hätte er gedacht, dass es so schlimm werden würde. Dass sein erster Besuch in der Praxis von Professor Dr. Hatake der Hauptfaktor für seine schlechte Laune war, war jedem im Hause Uzumaki bewusst.   Dieser Mann hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass weitere Besuche folgen würden, denn er hielt Narutos Anwandlungen für alles andere als normal. An die erste Sitzung, die er bereits vor zwei Tagen wahrnehmen musste, erinnerte er sich nur ungern. Doch die Gedanken kamen, selbst jetzt, als er im Unterricht saß und dem Lehrer zuhörte, wie er mit monotoner Stimme die vergangene Geschichtsstunde wiederholte.  Rückblick „Soll ich mit reinkommen?“ Mit verschränkten Armen und zur Seite geneigtem Kopf saß Naruto auf dem Beifahrersitz des grauen Volvos. Die ganze Fahrt über hatte er jeden Versuch seitens seiner Mutter, ein Gespräch zu beginnen, im Keim erstickt. Konversation war unerwünscht. Sie hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er schwieg. Schließlich war sie es, die den Termin arrangiert hatte.  „Schatz, ich weiß du bist sauer, aber wir wollen dir doch nur helfen“. Eine mütterliche Geste, die sie trieb, als sie mit ihrer Hand über den blonden Haarschopf ihres Sohnes fuhr. Von Naruto wurde es nicht gewürdigt. Wortlos schnallte er sich ab und öffnete die Tür, ehe er sie fest ins Schloss knallen ließ. Er würde ihr nicht vergeben, jedenfalls nicht so bald. Der feste Klumpen von Reue in seinem Magen kam erst, als er schon durch die Eingangstür der Praxis gelaufen war. Er fühlte sich fehl am Platz und wünschte sich insgeheim, seine Mutter wäre doch mitgekommen. Zumindest hätte er sich verabschieden sollen. Das wurde ihm bewusst, als er einen Blick auf das offenstehende Wartezimmer erhaschte, wo eine Mutter saß, die ihr Kind offensichtlich begleitet hatte. Für eine Kinder-und Jugendpraxis wäre sie eindeutig zu alt gewesen.  Ein Räuspern lenkte seine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung. Die Frau hinter dem Schreibtisch hatte er bis eben gar nicht wahrgenommen. Sie lächelte. Eine Geste, die er unbewusst erwiderte. Die großen braunen Augen strahlten so viel Freundlichkeit aus, dass es für ihn unmöglich war, seinen Frust an ihr auszulassen.  „Du musst Naruto sein“, sprach sie mit einer angenehm hellen Stimme, die ihn nicken ließ. Er trat näher an sie heran und zog währenddessen sein Portemonnaie aus der Hosentasche, um seine Krankenkassenkarte vorzulegen. Dabei musterte er sie genau. Mit einem stetigen Lächeln erledigte sie Formalitäten, von denen er ausging, dass sie ihn betraften. Er erwartete, dass sie ihm sagen würde, dass er im Wartezimmer Platz nehmen sollte, doch das geschah nicht. Stattdessen legte sie ihm einen Zettel vor. „Und zwar sieht es folgendermaßen aus. Das ist eine Einverständniserklärung, die jeder Patient unserer Praxis unterschreiben muss. Es handelt sich dabei um eine Bestätigung, dass einzelne Therapiesitzungen aufgezeichnet werden dürfen“. Die neu gewonnene Information sickerte langsam zu ihm durch.  „Sie wollen mich aufzeichnen? Wie aufzeichnen?“ Er verstand nicht ganz, warum man ihn aufnehmen wollte. Für seine Eltern? Für den Arzt, damit er nicht vergaß, um welchen Patienten es sich handelte? „Um genau zu sein, wird hier jeder Patient bei seiner ersten und letzten Sitzung per Videokamera aufgezeichnet. Das ist für den Arzt, damit er die Fortschritte dokumentieren kann. Also keine Angst, es gerät nicht an die Öffentlichkeit.“ Sie grinste, während Naruto so aussah, als ob sie chinesisch gesprochen hätte.  „Es gibt allerdings noch eine Ausnahme, bei Patienten die sich länger als ein Jahr in Behandlung befinden. Für sie gibt es dann noch extra Aufzeichnungen, in der vergangene Sitzungen wiederholt werden“, fügte sie noch hinzu und legte einen Kugelschreiber an die Stelle, wo er unterzeichnen sollte. Als ob er ein Jahr hierher kommen würde. Er war sich sicher, dass er bereits heute zum letzten Mal hier war. Schließlich war er gesund. Gab es hier überhaupt Menschen, die so kaputt waren, dass sie länger als ein Jahr in Therapie mussten? Selbst wenn, er war sicherlich keiner davon. Er unterschrieb den Wisch, ohne ihn vorher durchzulesen und setzte sich dann im Nebenzimmer auf einen der harten Stühle. Die Frau, die bereits hier war, sah nur kurz auf, widmete sich dann aber wieder ihrer Zeitschrift.  Keine schlechte Idee wie Naruto fand. Er selbst müsste noch fünfzehn Minuten warten, ehe er den Arzt sehen konnte. Als er sich eines der Magazine griff, spürte er den Blick der Frau auf sich ruhen. Demonstrativ starrte er zurück und wartete darauf, dass sie wegsehen würde. Doch sie tat es nicht. Nein, ihre grauen Augen bohrten sich förmlich in seine eigenen.  „Was?“, grummelte er unfreundlich und brach den Blickkontakt schließlich ab. Vielleicht war die Frau ja doch Patientin hier. So wie sie ihn angesehen hatte, würde er sich darüber nicht wundern. Ihr leises Kichern ließ ihn schnauben. Er spürte die Wut, die in ihm aufstieg, während er die Seiten durchblätterte, ohne dabei wirklich zu lesen. Was war ihr verdammtes Problem? Er zwang sich selbst dazu, sich zu beruhigen. Am besten strafte man solche Menschen mit Ignoranz.  Er war so vertieft in seinen Gedanken an die Menschheit, dass er zusammenzuckte, als sein Name aus dem Lautsprecher ertönte, der über der Tür vom Wartezimmer hing. Die Zeitschrift schmiss er zu den anderen und verließ mit schnellen Schritten den Raum. Das leise Kichern der seltsamen Frau begleitete ihn dabei. Als ob er hierher gehören würde. Niemals. Die Leute, die hier zu Besuch kamen, waren eindeutig gestört.  „Geh doch bitte in das Behandlungszimmer Eins. Der Doktor wird dann gleich für dich da sein.“ Er nickte der Sprechstundenhilfe nur kurz zu. Seine Hände schwitzen. Mit den Fingern zog er den Stoff seines Pullovers über die Handflächen. Er war nervös, das würde er nicht leugnen. Die verrückte im Wartezimmer, der lange Flur, der den typischen Geruch von Praxis ausstrahlte und das kurz bevorstehende Zusammentreffen mit dem Psychodoc. Das alles machte ihn nervös. Etwas verwirrt blieb er stehen, als er drei Türen erblickte. Da standen keine Zahlen, sondern ausgeschriebene Wörter. In Großbuchstaben. War der Arzt vielleicht auch verrückt? Für ihn nicht verständlich, warum die Zahlen ausgeschrieben waren, doch es kümmerte ihn nicht weiter, schließlich hörte man ständig, dass Psychologen selbst nicht ganz richtig im Kopf waren. Wie erwartet öffnete sich die Tür zum Behandlungszimmer EINS, als er die Klinke herunterdrückte. Sofort musterte Naruto die Umgebung. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, wanderte weiter zu dem Stuhl, der gepolstert und mit Leder überzogen war bis hin zu dem Schrank, der ein Schloss besaß. Ein völlig unscheinbares Zimmer in seinen Augen. Wenn er von der Videokamera in der Ecke absah. Gelangweilt schmiss er sich in den Sessel und blickte durch das einzige Fenster im Raum. Der Himmel war grau, die Bäume verloren ihre Blätter. Es ging auf den Oktober zu. In weniger als vier Wochen würde er seinen Geburtstag feiern. Die Hoffnung, dass sein einziger Wunsch erfüllt werden würde, war ungetrübt. Sakura in seinen Armen zu halten war alles, was er wollte. Glücklich mit ihr sein, eine Zukunft haben… „Ah, wie ich sehe bist du bereits hier.“ Naruto hatte das Eintreten des Mannes gar nicht gehört, geschweige denn damit gerechnet, dass er so aussehen würde.  „Sie tragen eine Maske“, stellte er monoton fest. Er fühlte sich vollkommen verarscht. Was zum Teufel sollte das?  „Nun, ich würde Mundschutz dazu sagen, schließlich ist nur die untere Hälfte meines Gesichts verdeckt, nicht mein Ganzes, so wie es bei einer Maske üblich ist.“ Naruto nickte. Aber es war kein zustimmendes Nicken. „Und jetzt verarschen Sie mich, oder? Ich dachte Sie sind Psychologe, kein Clown.“ Seine Arme waren verschränkt.  „Wie aufmerksam du doch bist. Nein, Clown ist nur mein Zweitberuf und wesentlich ertragreicher als das hier“, erwiderte der Mann gelassen, lief an ihm vorbei und drückte einen Knopf auf der Kamera. Sie blinkte. Mit ausdrucksloser Miene ließ er sich auf dem großen Stuhl nieder, der hinter dem Schreibtisch stand. Er saß ihm direkt gegenüber. Einige Minuten sagte keiner der beiden etwas. Naruto fühlte sich unwohl dabei, aufgezeichnet zu werden. „Können wir es jetzt hinter uns bringen? Sie bescheinigen mir, dass ich gesund bin, dann gehe ich und komme nie wieder?“ Selbst mit dem Tuch im Gesicht konnte Naruto erkennen, dass der Mann grinste.  „Warum sollte ich dir etwas bescheinigen, von dem ich nicht weiß, ob es tatsächlich der Wahrheit entspricht?“ Naruto grummelte. Dieser Typ war ihm jetzt schon so unsympathisch, dass er ihm am liebsten das verdammte Tuch aus dem Gesicht gerissen hätte, um ihn damit zu erwürgen.  „Was wollen Sie hören?“ Er wusste, dass er unfreundlich war, aber es war ihm egal. Je schneller sie es hinter sich brachten, desto besser.  „Ich will hören, was du mir erzählen willst“. Fast hätte er gelacht, unterdrückte es aber gerade noch rechtzeitig. „Und wenn ich Ihnen nichts erzählen will?“ Der Arzt zeigte sich unbeeindruckt von Narutos Antwort und benutze eine Hand, um eine Kugel von dem Kugelstoßpendel anzuheben, das auf seinem Tisch stand. Er sah Naruto nur kurz an, ehe er losließ. Der Mechanismus war aktiviert. Ein leises klickendes Geräusch, das die Stille durchbrach.  „Mhh, dann würde ich sagen, wir schweigen uns die verbleibenden 45 Minuten an und treffen uns nächste Woche wieder.“ Sein Blut kochte vor Wut. Dieser verdammte Mistkerl. Er spielte mit ihm. Es fehlte nicht mehr viel und er hätte die Zähne gefletscht.  „Gut, meine Eltern denken ich bin krank, weil ich meine Ex-Freundin noch immer liebe.“ Schon alleine das Wort Ex-Freundin ließ etwas schmerzhaft in ihm verkrampfen. Lange blickten sie sich in die Augen.  „Und was denkst du darüber?“ Naruto sah weg. Das Kugelstoßpendel wurde zu seinem Fixpunkt. Das kontinuierliche Geräusch beruhigte wilde Gedanken, die er nicht preisgeben wollte. Er hatte diesem Mann nichts zu sagen. Er würde ihn nicht verstehen, weil er genau wie die Anderen war. Voreingenommen. Derselbe Blick, der ihm immer galt, wenn man ihn für seine Liebe verurteilte.  „Ich verstehe“, gab der Arzt von sich und lehnte sich weit in seinem Stuhl zurück. Die Arme auf den Lehnen, Finger ineinander verschränkt.  „Und was genau verstehen Sie?“ Naruto war sich sicher, dass er überhaupt nichts verstand.  „Ich sag Ihnen was. Sie verstehen gar nichts. Sie sitzen hier in ihrem Sessel und tun so, als ob Sie alles wüssten. Aber Sie wissen absolut nichts über mich oder das, was mir passiert ist. Sie sind genau wie meine Eltern. Nicht mehr, nicht weniger.“ Auch wenn er es ruhig aussprach, im Inneren war er kurz davor zu zerbersten. Er hatte genug von Menschen, die meinten, alles besser zu wissen.  „Dann würde ich vorschlagen, du erzählst mir deine Geschichte, damit ich mir selbst ein Bild davon machen kann.“ Das gepresste Knurren konnte Naruto nicht zurückhalten. Wie oft müsste er diesen Mist noch hinter sich bringen? Er kannte den Ablauf schon zu genüge. Er würde beteuern, dass er nur verliebt war, während die Anderen ihn als Stalker und Kranken bezeichnen würden.  „Wie Sie wollen. Alles fing vor zwei Monaten an, als meine Ex beschlossen hat, sich von mir zu trennen. Kurz vor unserem halbjährigen Jubiläum. Sie hat mir mein Herz rausgerissen, und ist zur Krönung noch mit dem Arschloch von Bastard zusammen. Ende der Geschichte“. Mit der Stimme eines Märchenerzählers, doch das Gesicht so verhärtet, dass der Kontrast bizarr wirkte. Seine Kieferknochen traten bei dem Druck hervor, mit dem sich seine Zähne aufeinander pressten. Er musste sich selbst dazu zwingen, nicht einfach aufzustehen und dieses Gebäude hinter sich zu lassen, um mutwillig Dinge zu zerstören.  Der Mann vor ihm wirkte nachdenklich. Wenn auch nur für einen kurzen Moment. „Also hat sie dich für einen anderen verlassen?“ Der Arzt schien sein Glück testen zu wollen. Es missfiel Naruto. Die Beherrschung die er aufbringen musste, war kaum ertragbar.  „Welchen Teil von: Sie ist jetzt mit dem Arschloch von Bastard zusammen haben Sie nicht verstanden?“ Wieder dieses sichtbare Grinsen unter dem Tuch. Naruto sah es, weil sich leichte Falten um die Augenpartie des Arztes bildeten.  „Das war aber nicht die Frage. Dass sie einen anderen hat, ist mir bewusst, ich möchte aber wissen, ob er der Grund war, weswegen sie sich von dir getrennt hat.“ Naruto schwieg daraufhin. Ernsthaft, warum schmerzte dieses Gespräch so? Er würde die verbliebenen Minuten einfach nichts mehr sagen.  Die Stille ließ den Arzt seufzen.  „Gut, dann werde ich mit deinen Eltern einen weiteren Termin vereinbaren.“ Eines der Dinge, die Naruto mit Sicherheit nicht wollte. Aber was sollte er tun? Mit einem Fremden über seine Probleme reden? Es war ihm zuwider.  „Ja, sie hat sich wegen ihm getrennt. Um genau zu sein, hat sie mich vor der Haustür abserviert und mir gesagt, dass sie ihn liebt. Dass sie mich nicht lieben würde und ich es akzeptieren sollte, dass sie jetzt mit ihm zusammen ist. Dann hat sie die Tür zugeschlagen.“  Er erlebte die Situation von damals jetzt zum ersten Mal bewusst. Als es wirklich passiert war, fühlte sich alles so weit weg an. Wie durch einen Schleier hatte er die Umwelt gesehen und war nach Hause gelaufen, unfähig zu begreifen, was sie ihm gerade gesagt hatte. Wie brutal und herzlos ihre Worte waren, ihr Blick dabei so entschlossen, dass er es ausgeblendet hatte. Bis jetzt. Bis er es bewusst aussprach. Die Kraft, die es ihn kostete, nicht sofort in Tränen auszubrechen, schien von dem Mann mit der Maske unbemerkt. Wieder folgte die Stille. Dabei das stetige Geräusch des Kugelstoßpendels. „Was ist danach passiert?“ Naruto atmete tief durch. Versuchte sich zu erinnern, wirklich hartnäckig daran zu erinnern, was dann passiert war. Doch in seiner Erinnerung war alles unscharf. Er hörte seine eigenen Schreie und das Weinen, erinnerte sich an den innerlichen Todeskampf, aber an nichts genau, weil alles zu viel war. Jedes einzelne Gefühl gebündelt in Einem. Schmerzhaft.  „Ich weiß nicht genau. Danach ging alles wie gewohnt weiter. Nur mit dem Unterschied, dass alles beschissen war. Leerer. Grau.“ Seine brüchige Stimme ließ ihn innehalten. Wenn er jetzt weitersprechen würde… „Und wie fühlt es sich jetzt an?“ Eine Frage, die Naruto überlegen ließ. Abgesehen davon, dass es immer noch grau war, fühlte er Wut. Unbändigen Hass, den er auf eine Person projizierte. Und genau das füllte die Leere in ihm.  „Immer noch beschissen. Aber der Hass auf ihn hilft mir dabei, es anders zu sehen.“ Eine schwammige Aussage, doch der Arzt verstand. Ein zustimmendes Geräusch, das seine Lippen verließ, während er Naruto musterte. „Und wenn sie erst mal begreift, was für ein Arschloch er ist, wird sie meine Mühe zu schätzen wissen und…“, bevor er überhaupt weitersprechen konnte, unterbrach ihn der Doc.  „Du denkst, sie wird zu dir zurückkommen.“ Die Feststellung ließ Narutos Magen verkrampfen. Auf der einen Seite, weil er wirklich die Hoffnung hatte, es würde so kommen und auf der anderen Seite hatte er das Gefühl, dass der Mann ihm mit diesem Satz jegliche Hoffnung nahm. Als ob er ihm damit sagte, dass Tote nicht wieder auferstehen konnten. So endgültig.  „Das wird sie, wenn dieser Mistkerl verschwindet.“ Er glaubte an sich. An seine Worte und an seinen Wunsch. Das konnte ihm niemand nehmen.  „Wünschst du dir denn, dass sie glücklich ist?“ Naruto nickte. Natürlich, er wollte dass sie glücklich war, Dass sie lachte, wie sie es immer tat wenn ihr etwas gefiel, sodass sein Herz bei dem Anblick wild in seiner Brust trommelte.  „Selbst, wenn ihr Glück deines ausschließt?“ Das war der Moment, in dem der Muskel in seiner Brust stoppte. Sich schmerzlich zusammenzog, bevor er unregelmäßig weiter schlug. Er wollte darauf nichts erwidern.  „Was, wenn sie ohne dich glücklich ist, gemeinsam mit ihrem neuen Freund?“ „Aber sie ist es nicht!“, schrie er und stand so schnell auf, dass der Arzt ihn überrascht ansah. Die verzweifelten Augen des Jungen starrten ihm entgegen. Er wirkte so verloren, dass er es vorzog, vorerst zu schweigen, um Naruto die Zeit zu lassen, die er brauchte, um sich wieder zu beruhigen.  „Sie ist es nicht. Sie sieht so unglücklich aus. Egal wie sie lächelt. Egal wie sie sich an ihn klammert, sie sieht so unglücklich aus. Sie…“ Damit war der Damm gebrochen, der die Tränen hartnäckig unter Verschluss hielt. Sie liefen über seine Wangen, tropften ungehindert zu Boden. Einfach so. „Er macht sie nicht glücklich.“ Seine Hände waren zu Fäusten geballt, die Augen fest zusammengekniffen. Es war egal, dass Sakura mit Sasuke zusammen war, weil Naruto wusste, dass Sakura unglücklich war. Er beobachtete es jeden Tag. Jeden verdammten Tag sah er die grünen Augen, die so hoffnungslos auf Sasuke lagen, sich an etwas klammerten, das gar nicht vorhanden war. Nicht eine Geste, kein einziges Lächeln. Die Initiative ging stets von ihr aus. Sasuke agierte nie. Es war immer sie, die die Nähe zu dem Eisblock suchte und Naruto wusste es, weil er es sah.  Die Hand auf seiner Schulter hatte er nicht erwartet und das war auch der Grund, warum er seine Augen wieder öffnete.  Der Mann vor ihm drückte leicht zu. „Ich denke nicht, dass du krank bist, aber es ist nicht gut an etwas festzuhalten, was womöglich gar nicht existiert.“ Naruto begriff die Bedeutung dahinter. Aber nur kurz. Nur kurz ließ er es zu, die Wahrheit über seine Liebe zu sehen, bis eine innere Stimme ihm riet, es auszublenden. Es schmerzte zu sehr, um darüber nachzudenken, um alles zu fühlen. Nicht in diesem Moment.  Rückblick Ende Seufzend vergrub er das Gesicht in den Händen. Heute. Ausgerechnet heute, an einem Freitag, hatte er seinen nächsten Termin in der Praxis. Dabei lag der letzte Besuch erst zwei Tage zurück. Ja, er hatte viel darüber nachgedacht, aber eine wirkliche Lösung fand er nicht. Der zusätzliche Sakuraentzug machte ihm zu schaffen. Der Schultag zog sich hin und jedes Mal, wenn er auf den leeren Platz starrte, an dem sie sonst saß, wurde die Sehnsucht nach ihr nur noch größer. Zusätzlich erinnerte er sich immer wieder daran, wie er Sasuke gestern und heute in den Pausen beobachtet hatte. Jede seiner Bewegungen hatte er studiert, um zu versuchen sie zu imitieren, damit er hinter das Geheimnis kam, warum die Menschen ihm so verfallen waren. Er suchte die unmöglichsten Plätze auf, um ungestört seiner neusten Tätigkeit nachzugehen. Es war schon fast ein Zwang, den anderen anzustarren. Warum wirkte Sasuke bei allem was er tat so desinteressiert? Warum lächelte er nie, wenn alle anderen sich vor Lachen kringelten, weil jemand einen Witz erzählt hatte? Es schien so, als ob er gar nicht anwesend wäre. Nur eine Hülle. Eine unantastbare Hülle. Leblos und dennoch verehrt. Von Menschen, denen es scheinbar egal war, dass Sasuke mehr tot als lebendig wirkte. Solange sie sich in seiner Anwesenheit befanden, war es okay. Naruto verachtete diese Leute. Und doch fiel ihm auf, dass Sakuras Freundinnen Abstand zu Sasuke und dessen Leuten hielten. Er wusste, dass sich etwas verändert hatte, nur kam er nicht darauf.  Jedenfalls nicht bis zur letzten Pause, in der Kiba das Glück hatte Naruto abzufangen, ehe er wieder verschwinden konnte. „Du kleiner Wichser, heute haust du nicht so einfach ab. Was ist los mit dir? Du versteckst dich seit gestern vor mir, was soll der Scheiß?“ Sein bester Freund klang wütend und Naruto konnte es ihm nicht verübeln. Schließlich hielt er seit Mittwoch Abstand zu ihm, aus Angst, ungewollte Fragen beantworten zu müssen. Trotzdem gefiel es ihm nicht, dass Kiba sein Handgelenk zusammendrückte.  „Lass mich los“, grummelte er und entzog sich nur mit Mühe dem festen Griff.  „Wenn du mir versprichst mich nicht wieder zu ignorieren. Warum reagierst du nicht auf Anrufe, SMSen, Mails oder Briefe?“ Es stimmte, er erwiderte keinen von Kibas Versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Die Briefe, die er während der Stunde von ihm bekam, knüllte er sofort ungelesen zusammen und stopfte sie in seinen Rucksack. Zu Hause entsorgte er sie. Genauso machte er es mit SMSen. Sie landeten ebenfalls ungelesen im Papierkorb seines Handys und jedes Mal, wenn Kiba versuchte im Unterricht mit ihm zu reden, ignorierte er ihn. Und in den Pausen war er nie auffindbar. Doch nicht heute. Heute hatte er ihm aufgelauert. Pech für Naruto, dass er ausgerechnet an diesem Tag die Toilette aufsuchen musste.  „Also?“ Kiba wartete auf seine Erklärung. Naruto rollte die Augen und lief den Flur entlang. Er war sich sicher, dass der Andere ihm folgen würde.  „Ich hatte einfach keinen Bock auf dumme Fragen. Ja, ich war beim Arzt und es war scheiße. Ja, ich vermisse Sakura und ja, ich hasse Sasuke noch immer.“ Kiba fing an zu lachen. Aber es war kein freundliches Lachen. „Du bist so ein gestörter Bock, ich weiß gar nicht, warum wir eigentlich Freunde sind. Willst du dich nicht wenigstens für dein Asiverhalten entschuldigen?“ Er blieb stehen und drehte sich herum. Dass er sich wie ein komplettes Arschloch verhalten hatte, merkte er erst, als er in Kibas treudoofes Gesicht sah. „Ist es wirklich so schlimm mit mir zu reden?“ Naruto schluckte.  „Hättest du mir nicht schon gestern sagen können, dass du derselbe Penner bist, wie immer? Mit der Ausnahme, dass du beim Arzt warst? Ist es echt so schlimm für dich mit mir darüber zu reden? Mhh?“ Kiba war während seines Monologs näher gekommen. Seine braunen Augen bohrten sich in Narutos. Schuldbewusst wandte er den Blick ab.  „Entschuldigung.“ Und damit lachte Kiba erneut. Aber diesmal klang es erleichtert. Die Faust, die er Naruto gegen die Schulter schlug, war seine Art ihm zu zeigen, dass alles okay war.  „Im Ernst, du bist der dümmste Freund, den ich jemals hatte.“ Naruto grinste. Auch wenn er ihn beleidigte, es war alles in Ordnung, solange Kiba nicht mehr sauer war.  „Ich nehme mal an, du hast die Zettel oder SMSen nicht gelesen oder?“  „Nein.“ Jetzt grinste auch Kiba.  „Hab ich mir schon fast gedacht. Komm mit aufs Dach, dann gebe ich dir die Kurzfassung. Kaum zu glauben, dass du es noch nicht weißt.“ Jetzt war er neugierig. Er folgte Kiba, auch wenn er lieber etwas anderes getan hätte. Aber auch von oben konnte er Sasuke beobachten, nur eben nicht mehr so ungestört.  Kiba ließ sich auf dem Boden nieder und lehnte gegen die Balustrade. Naruto stand neben ihm, Augen auf ihn gerichtet, bereit dazu, die Neuigkeiten zu hören, die sein bester Freund so angepriesen hatte.  „Also, heute steigt eine echt geile Party, alle werden da sein und wir beide auch.“ Innerlich verdrehte Naruto die Augen. Toll, für das hatte Kiba nun so einen Wirbel gemacht? Eine Party auf die er eh nicht gehen würde. Obwohl, vielleicht wenn Sasuke dort wäre. Oder vielleicht sogar Sakura? „Außerdem solltest du wissen, dass Sasuke Sakura abgeschossen hat.“ Unbewusst hielt er den Atem an. Augen so groß, dass Kiba anfing zu glucksen. Dieser Satz war wie ein Atomschlag, mitten in seine Gedärme. Er war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. „Was?“, hauchte er ungläubig. Seine Hände zitterten. War es Freude? Nein, so fühlte es sich nicht an. In diesem Moment war es nur Überraschung.  „Jup, hättest du meine Nachrichten gelesen, wüsstest du warum Sakura seit Montag fehlt. Ino hat mir alles erzählt. Der Creeper hat sie abgeschossen“, erzählte Kiba belustigt und kramte in seiner Jackentasche nach Zigaretten. Der einzige Grund, warum er sich jede Pause aufs Schuldach verzog. Naruto tat etwas anderes. Er suchte in der Masse an Schülern nach einem bestimmten Gesicht. Als er es schließlich fand, spürte er dieses Kribbeln in sich. Wie konnte Sasuke es wagen, Sakura so einfach von sich zu schieben? Und dann besaß er die Dreistigkeit, völlig desinteressiert zu wirken. Als ob es ihm egal wäre, dass Sakura wegen ihm fehlte. Fest biss er sich auf die Innenseite seiner Wange. Der Schmerz war angenehm im Vergleich zu dem Gefühl in seinem Bauch. Ja, er würde auf die Party gehen. Er musste mehr darüber in Erfahrung bringen und wenn sich die Gelegenheit bot und Sasuke wirklich dort auftauchte, würde er ihm die Fresse polieren.    Sag mir, wie fühlt es sich für dich an? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)