Schwalbensommer von Schmusemietze ================================================================================ Kapitel 1: der Dachsbau ----------------------- Die Junihitze breitete ihre gleißenden Finger über das ausgetrocknete Flussbett des Samori aus und verbrannte die letzten kläglichen Pflanzenreste, welche der langen Dürre zu trotzen wagten. Der staubtrockene Boden unter ihren Klauen knirschte und die feinen Risse der verdunsteten Pfützen zerbröckelten unter dem Druck, als die junge Ghulin Arielle, auf der Suche nach Beute, durch das vertrocknete Gras der Uferböschung strich. Die Sonne prasselte auf ihre fahle Haut und drohte sie auszutrocknen , wenn sie nicht bald etwas Lebendiges auftrieb würde die Ghulin hungrig zurückkehren müssen. Am frühen Vormittag hatte sie einen halb verwesten, bis auf die Knochen abgemagerten Hasen weiter Flussabwärts gefunden. Das karge Mahl hatte nur kurz den größten Hunger gestillt und ihr Magen knurrte inzwischen lauter als ein wütender Bär der seine Jungen verteidigt . Ungeduldig scharrte Arielle mit den brüchigen Nägeln im sandigen Flussbett und wirbelte den Boden auf, sie steckte die feine graue Nase in den Dreck um eine Spur zu finden, der Fluss führte hier nur noch sehr wenig Wasser und war für Beutetiere ein wenig verlockender Rastplatz . Ein leises Rascheln erweckte ihre Aufmerksamkeit, Arielle spähte in die Richtung aus der sie das Geräusch vernahm. Da bewegte sich etwas fast lautlos durch das Flussbett, eine Ratte hatte den widrigen Bedingungen zum Trotz hier ihr Revier, es war ein ausgemergeltes Tier gezeichnet von dem entbehrungsreichen Leben der trockenen Wildnis. Die hungrige Ghulin machte sich zum Sprung bereit, die starken Muskeln ihrer Hinterläufe waren angespannt. Unter der ledernen grauen Haut ihres Rückens zeichneten sich die zuckenden Bewegungen der Muskelstränge ab. Im nächsten Augenblick stieß die Ghulin nach vorn zu dem Büschel verdorrten Grases und schnappte zu, einen Moment zu spät, die dürre Ratte hatte sie rechtzeitig bemerkt und entschlüpfte ihr in der letzten Sekunde in die Sicherheit eines schmalen Tunnels. Wie zum Hohn schlug ihr der Staub beim Aufprall der Schnauze mit der Höhlendecke in die Nase. Wütend schlug die Ghulin ihre Krallen in die Tunnelöffnung, scharrte und grub, gab dabei ein kehliges Knurren von sich, doch der schmächtige Nager flüchtete sich tief in das tunneldurchdrungene Erdreich. Nach einigen Minuten gab Arielle entnervt auf, sie schüttelte den staubigen Kopf, ihr dreckig braunes Haar flog nach hinten und umgab sie mit einer Wolke aus Sand, Erde und Grasresten, heute würde sie nichts mehr fangen, träge machte sie sich auf den Rückweg und trottete in der Gluthitze durch die von der langen Trockenheit entstellte Flusslandschaft, vorbei an ausgetrockneten Pfützen und grotesk wirkenden Feldern aus Baumleichen welche von einer glücklicheren Zeit zu erzählen schienen. Der Himmel war Wolkenlos, er kündete von einem weiteren heißen Nachmittag ohne Erholung und die Sonne lachte hämisch über den durstig ihre Köpfe in die Höhe reckenden Disteln, sie schienen die einzigen Pflanzen zu sein die es hier im Überfluss gab. Ihre trockene Haut juckte unter der prallen Sonne. Die Ghulin wusste, sie musste schnell in den Schatten, denn war die Haut einmal beschädigt heilte sie nicht mehr, das hatte ihr die Schwester immer wieder eingeschärft, wenn sie sich nachts in ihrem Lager am Feuer langstreckte und den Flammen lauschte, die ihr von weit entfernten Orten erzählten, an die niemals ein Mensch gelangt. Arielle bewegte sich langsam und ungelenk, ihr Körper zeigte an einigen Stellen bereits Verschleißerscheinungen, der Preis den man für das Leben als Ghul zahlt. An der Uferböschung entdeckte sie einen Dachsbau. Die junge Graue schleppte sich schwer zu dem schattigen Unterschlupf, also würde die Verwandte bis zur Dämmerung auf ihre Rückkehr warten müssen. In der Dachshöhle war es kühler als draußen, die Luft war stickig und roch nach Exkrementen verschiedener Tiere. Die Graue sah sich im halbdunklen Bau um, sie sog die Düfte ein und las die Spuren der Vergangenheit. Der Dachs war schon lange fort, an der Höhlenwand zeugten angenagte Wurzelstümpfe von der Anwesenheit von Ratten. Eine Hasenfamilie hatte in besseren Zeiten ebenfalls hier ein Zuhause gefunden nun war von ihnen jedoch nur noch ein Nest aus ausgerissenen Haaren und Kotresten übrig geblieben. Es juckte sie fürchterlich, auf der gräulichen lederartigen Haut hatten sich Milben ein zu Hause geschaffen, sie vergrub die Schnauze in ihrer Lende und knabberte an der trockenen rissigen Haut, die wie altes Pergament war und unter dem Druck ihrer Fangzähne knirschend nachgab. Erschrocken jaulte Arielle und leckte die aufgerissene Stelle. Wehmütig legte die Graue den Kopf auf die großen staubigen Pfoten, eine rosige Haut hatte sie gehabt, das war vor ihrem Tod. Eine wunderschöne Frau war sie gewesen, mit Haaren wie Seide und Nussbaum und einer Haut wie weiches Samt, alle Männer hatten sich nach ihr umgedreht. Arielle schloss die Augen und dachte wie es wäre die Fänge in solches Fleisch zu schlagen. Den zarten Flaum, der sich in Todesangst aufstellenden Härchen, auf den Lippen zu spüren und den würzigen Duft von Todesangst, der sich manchmal tagelang in den Nasenflügeln einnistet, aufzunehmen. Der leichte Druck den der Kiefer aufbaut, um durch die weiche Haut der Kehle zu dringen, wenn sie platzt wie eine reife Traube und das Blut ihr in Strömen den Rachen hinunter läuft. Der köstliche Geschmack von Menschenfleisch, eine Woge der Gier durchfloss ihren Körper. Arielle wurde aus ihren Gedanken gerissen, sie roch etwas, da war jemand da draußen, direkt vor ihr. Sie konnte ihn riechen, er stank nach Schweiß und Alkohol. Ein leichtes Opfer wäre das. Die Ghulin robbte nach vorn zum Eingang der Höhle und beobachtete einen schwarzhaarigen jungen Mann, der stolpernd über die brachliegenden Sandbänke des Samori torkelte. Arielle blickte gebannt auf das Wechselspiel zwischen Stolpern und Tänzeln. Der Mann trug abgewetzte löchrige Jeans und auf seinem ausgewaschenen T-Shirt kämpften Fettflecken mit Dreck um die Vorherrschaft. Die Haare waren ungekämmt und die Locken filzig, doch seine schönen weichen Gesichtszüge mochten sie nicht zu verbergen. Dunkel glänzte die glatte Haut in der Sonne, er hatte keine Fältchen im Gesicht, der Mann mochte etwa 25 sein, schloss Arielle. Sein Mund war zart geschwungen und in den braunen Augen blitzte der Schalk, diesen Mann würde man schon sehr bald suchen, so war es immer, zuerst bemerkten Menschen das Fehlen derer, mit denen sie viel lachten, das kannte die Jägerin und wunderte sich einmal mehr über die Dummheit dieser Rasse. Arielle wollte sich gerade zurückziehen als der Betrunkene den Kopf zu ihr wandte, sie hielt den Atem an, als er in ihre Richtung sah. Seine tiefbraunen Augen schienen sie zu durchbohren, langsam taumelte er auf sie zu, stolperte. Still sah die Graue zu, wie der Mann seinen Weg in ihre Richtung fortsetze. Direkt vor der Höhle blieb er stehen, nestelte an seiner Jeans und erleichterte sich. Die Ghulin sah das Wasser am Höhleneingang herunterströmen. Ein Rinnsal floss in die Höhle und bildete eine Pfütze vor ihren Pfoten. Es war ein böser Scherz dachte Sie, dass diese unfähige unvollkommene Rasse, die es nicht einmal spürt wenn der Tod vor ihr im Dreck lauert, der Grund sein sollte warum Sie als Ghul ein Schattendasein als verfolgter gejagter Köter führen musste. Der Schwarzhaarige brauchte eine Weile um den Knopf seiner Jeans wieder zu schließen. Während er das tat beobachtete Arielle ihn genau, seine Augen waren glasig und wanderten unkoordiniert zwischen einem Haufen Dreck, seinem Hosenstall und dem azurblauen Himmel hin und her. Es raschelte und Arielle sah aus den Augenwinkeln, wie die magere Ratte weiter flussaufwärts aus ihrem Erdversteck kroch und sich davon machte. Arielle knurrte missmutig, der torkelnde Trottel hatte ihr das Mittag verdorben. Wehmütig sah sie dem dürren Nagetier hinterher, wie es in der blendend hellen Mittagssonne verschwand. Inzwischen hatte der Betrunkene seinen Latz geschlossen und taumelte gerade von dannen, als lauter Donner die Luft zerriss. Arielle hörte Kinder schreien, in dem kleinen Dorf weiter unten am Fluss war eine Panik ausgebrochen. Sie roch Angst, in sich türmenden Wogen, auf sie zu rollen, Arielle wusste wenn sie jetzt zögerte würde man sie entdecken, sie musste fort. Mit einem Ruck war sie auf den Beinen und zwängte sich aus dem Dachsbau, stob an dem Besoffenen vorbei, es dauerte einen Moment bis er es realisierte, verwirrt starrte er das graue Bündel an und sank auf in die Knie. Arielle sprang über ihn hinweg, streifte dabei die schmutzigen Locken und verschwand hinter einer Dühne aus angewehtem Dreck. Erleichtert dem Ungeheuer knapp entkommen zu sein, fasste er sich an die Brust. Mühsam erhob er sich aus der Hocke und klopfte sich den Staub von den Knieen. Es gab wahrlich schlimmeres als den Tod dachte er und sah ihr nach, heute Nacht würde er nicht saufen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)