Kiiryolsah von Ayame-chan ================================================================================ Kapitel 22: Stillstand ---------------------- „Ich weiß nicht viel über Susarions altes Leben.“, fuhr Kiiryolsah fort, weiterhin den gespannten Blicken ihrer Zuhörer ausweichend. „Er sprach nie freiwillig darüber und da die Erinnerungen daran meist zur Folge hatten, dass er durchdrehte, fragte ich auch irgendwann nicht mehr danach. Alles was ich weiß ist, dass er den Ausbruch des roten Berges hautnah miterlebt hat. Zwar überlebte er jene Katastrophe, doch die Flammen entstellten seinen Körper aufs Grausamste und jede Bewegung kostete ihn fortan Schmerz. Derart von sich selbst verabscheut, begab er sich in die Hände der Vampire, in der Hoffnung mit ihren besonderen Kräften sein altes Äußeres zurückzubekommen. Zwar machten sie ihn zu ihresgleichen, aber helfen konnten sie ihm damit nicht. Susarion nahm mich damals auf, um nicht mehr allein zu sein. Und wer konnte ihm besser Gesellschaft leisten, als jemand dessen Äußeres ebenso unansehnlich war?“ „Du vergleichst dich doch gerade nicht ernsthaft mit jemanden, der kaum noch ein Gesicht besitzt!“, unterbrach Lirielle sie ungläubig. „Das ist völliger Schwachsinn.“ „Nicht für uns Elfen.“, wandte Caracalmo ein. „Wie verachten die menschliche Rasse. Sie ist dumm, plump und unansehnlich. Sich mit ihnen zu vergnügen kommt bisweilen zwar vor, aber Kinder aus dieser Verbindung hervorgehen zu lassen, erhält eine ähnliche Wertschätzung, wie die Darmentleerung.“ Einen Moment lang starrte Lirielle den Weißblonden nur sprachlos an, ehe sie sich wieder an das Drachenblut wandte. „Du bist kein Monster.“, sagte sie ruhig. „Auch wenn du die Sklaven gequält hast, du warst ein Kind. Wie hättest du es besser wissen sollen?“ „Vielleicht.“, stimmte Kiiryolsah dem leise zu. „Später aber…da hätte ich es wissen müssen…und vielleicht wusste ich es auch. Doch das hätte bedeutet wieder allein zu sein. Nachdem Susarion mich bei sich aufgenommen hatte, wurde er meine neue Familie. Er zog mich auf, unterrichtete mich, brachte mir das Kämpfen bei…er war seit der Erkenntnis, dass ich ein Bastard war der einzige der mich ansah, ohne unangenehm das Gesicht zu verziehen. Er war alles für mich und auch wenn er manchmal durchdrehte und grob wurde, um keinen Preis der Welt wollte ich ihn verlieren. Und als ich alt genug war um seine Gefährtin sein zu können, stellte sich daher überhaupt nicht die Frage, es abzulehnen ein Vampir wie er zu werden. Ich wurde zu einer Untoten, um für immer bei ihm bleiben zu können. Wir hielten im Keller seiner Burg einige Sklaven, von denen wir uns ernährten. Aber hin und wieder gingen wir auch raus auf die Jagd. Nicht um unseren Hunger zu stillen, sondern einfach um des Tötens willen. Denn wenn man uns als Monster ansah, warum sollten wir uns dann nicht auch wie welche verhalten? Also quälte ich wieder und hatte auch diesmal Spaß daran.“ Kaum merklich wandte Kiiryolsah den Kopf, sodass sie Hlofgar aus dem Augenwinkel beobachten konnte. Es interessierte sie nicht, was die anderen von ihr und ihren Taten dachten. Sie wollte einzig und allein wissen, ob der Nord diese Vergangenheit akzeptieren konnte. /Und ich töte noch immer./, dachte Kiiryolsah /Zwar nicht mehr aus Freude, aber ich tue es weiterhin. Monster bleibt eben Monster./ „Und was geschah weiter?“, drängte Lirielle, der die Pause zu lange dauerte und zwang die Dunmer somit ihre Aufmerksamkeit von Hlofgar wieder zu lösen. Jener hatte ihr sowieso nicht gewährt aus seinem Gesicht irgendetwas zu lesen. Zwar hörte er ihr wohl noch zu, doch der Nord hatte seinen Körper abgewandt und starrte in das Lagerfeuer. „Das, was überall geschah.“, fuhr die Halbelfe fort. „die Argonier kamen. Es war nicht das erste Mal, dass sie es versuchten doch die Schutzzauber hatten sie bisher immer aufgehalten. Diesmal aber war es ihnen gelungen und es waren viele – zu viele. Es gab einen geheimen Gang in der Burg, durch den ich fliehen sollte, während Susarion die Argonier so lange wie möglich aufhalten wollte. Aber ich konnte den Gang nicht benutzen, denn vor seinem Ausgang lagerte die Nachhut. Also kehrte ich wieder um, um Susarion im Kampf beizustehen, doch die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Susarion musste sie magisch versiegelt haben. Ich konnte nichts sehen, dafür aber hören, wie sie meinen Lehrmeister überwältigten und folterten. Als sie fertig waren verließen sie die Burg und ich konnte endlich den Gang verlassen. Ich suchte sofort den Schauplatz des Kampfes auf und alles was ich fand, war ein Häufchen Asche. Darum war ich mir bis gestern so sicher, dass Susarion tot ist.“ „Es muss die Asche von jemand anderen gewesen sein.“, warf Lirielle ein. „Und von wem? Ich und Susarion waren die einzigen Vampire, die dort lebten.“ „Was war mit dir?“, fragte Hlofgar, bevor Lirielle einen weiteren Vorschlag einbringen konnte, wie Susarion den Kampf überlebt hatte. Nervös knüllte Kiiryolsah den Mantelstoff mit ihren Händen und machte sich auf das Schlimmste gefasst, als sie in Hlofgars Richtung blickte. Sie war mehr als froh, dass dessen Mimik nichtssagend war, auch wenn es sie irritierte, dass er sie erneut geduzt hatte. War es aus Sympathie? Oder aber weil sie nun so abscheulich in seinen Augen war, dass sie keine höfliche Anrede mehr verdiente. „Ich.“, begann Kiiryolsah und räusperte sich, da ihr Mund sich ungewohnt trocken anfühlte. Sie wusste nicht wann sie zuletzt so viel Angst davor gehabt hatte, was jemand anderes von ihr halten mochte. „Bevor Susarion mich in den Gang schickte, sagte er mir ich solle nach Solstheim gehen, wo ein Freund von ihm leben würde. Dieser sollte uns Unterschlupf gewähren. Aber, was hätte ich dort gesollt? Bei einem Fremden? Ich stand mal wieder mit nichts da. Deshalb ging ich nach Cyrodiil. Herauszufinden wer meine Mutter war, war der einzige Lebensinn, denn ich damals noch sah. Knapp zwei Jahrhunderte verbrachte ich mit der Suche. Anfangs schloss ich mich noch anderen Vampirgruppen an, doch blieb dann immer öfter für mich. Ich hätte viel Zeit gehabt, um über alles nachzudenken. Über mich, meine Taten und darüber, was ich als nächstes hätte tun können. Aber ich nutzte diese Zeit nicht und verkroch mich nur weiter in mir selbst. Ich kam nicht alleine auf die Antwort. Darauf, dass ich mein Leben ändern könnte, wenn ich es nur wirklich versuchen würde. Dass ich mir einen eigenen Namen gab und mich vom Vampirismus heilen ließ, waren zwar erste Schritte in die richtige Richtung, aber…ich verfolgte es nicht weiter.“ „Und warum tust es dann jetzt doch?“, ließ Hlofgar nicht locker, während Lirielle die beiden ungeduldig beobachtete. Sie wollte auf das eigentliche Thema zurückkommen, aber das Gespräch auch nicht unterbrechen. Als Kiiryolsah antwortete, war ihre Stimme endlich wieder fest und sie konnte Hlofgar unverwandt in die Augen sehen. Denn wenn es etwas gab, wessen sie sich vollkommen sicher war, dann war es die Antwort auf Hlofgars Frage. „Das wisst ihr ganz genau, Hlofgar. Genau genommen, solltet ihr den Grund wirklich am Besten kennen.“ Einen Moment lang blickten sie einander einfach nur stumm in die Augen. Dann aber weiteten sich die blauen des Nords, als dieser zu begreifen schien, auf was Kiiryolsah hinauswollte. Hlofgar öffnete den Mund um zu antworten, schloss ihn dann aber wieder. Nur eine Sekunde später brach er den Blickkontakt, indem er sich vom Boden erhob. „Ich werde sehen, ob ein Tier in die Fallen geraten ist.“, sagte der Blonde um einen Grund für seine offensichtliche Flucht zu finden und stapfte zielstrebig von der Lichtung. „Ihr solltet ihn begleiten, Caracalmo.“, sagte Lirielle sofort zu dem Hochelfen, welcher alles andere als begeistert das Gesicht verzog. „Wieso sollte ich?“, verlangte der Weißblonde zu wissen. „Weil ich und das Drachenblut nun Mädchengespräche führen werden.“, erwiderte der Jägerin. „Dabei würdet ihr nur stören.“ Caracalmo verdrehte daraufhin die Augen, stand aber bereitwillig vom Boden auf, um dem Nord zu folgen. „Drachenblut…“, sagte er an Kiiroylsah gewandt. „Wenn dieser Susarion wirklich noch lebt, nehmt lieber ihn. Ihr solltet einen mächtigen Kämpfer an eure Seite nehmen, keinen starrsinnigen Nord.“ „Dieser starrsinnige Nord.“, erwiderte die Dunmer, „hat in der kurzen Zeit die wir uns kennen mehr für mich getan, als sonst irgendjemand.“ Caracalmo schnaubte daraufhin, zuckte dann aber gleichgültig mit den Schultern und verschwand zwischen den Bäumen. Die Rüstung drückte nicht nur schwer auf die Schultern des Hochelfens, sie scheuerte auch noch trotz Untergewand unangenehm auf der Haut. Es wunderte Sorcalin nicht mehr, dass die Nordkrieger so ungehobelt waren. Wie sollte es auch anders sein, wenn ihre Körper in diesem miserablen Metall steckten? Als Magier war es zwar selten vorgekommen, doch auch Sorcalin hatte hin und wieder eine Rüstung tragen müssen. Doch dies waren stets Elfenrüstungen gewesen. Halb so schwer wie die Nordrüstungen und dennoch widerstandsfähiger. Außerdem waren die Kanten so sauber verarbeitet, dass man keine fünf Schichten an Polsterungen benötigte, um den Körper darunter zu schützen. /Ich sollte aufhören zu jammern./, rief Sorcalin sich selbst zur Ordnung und zupfte dennoch am Schulterteil der für seinen Elfenkörper viel zu breiten Rüstung. So grässlich das Eisen auch war, sowohl er als auch seine Begleiter, waren gezwungen die Rüstungen zu tragen, wenn ihnen ihr Leben lieb war und schuld daran, waren die Drachen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Thalmor nicht vorhatten das Drachenblut an die Riesenechsen auszuliefern, hatten jene sich sofort von den Elfen losgesagt und machten nun stattdessen Jagd auf ihre ehemaligen Verbündeten. Nachdem Abzug des Hauptteils der Armee und dem Verschwinden von Caracalmo, waren die übrigen Generäle darin übereingekommen sich aufzuteilen, die nun schutzlosen Städte der Nords anzufallen und zu besetzen. Die Drachen suchten jedoch nach diesen Splittergruppen. Nicht, um die Elfen an ihrem Vorhaben zu hindern, sondern weil sie in einer dieser Gruppen das Drachenblut vermuteten. Als Sorcalin die Nachricht erreichte, dass jene Gruppe, die nach Weißlauf unterwegs gewesen war, vernichtet wurden war, hatte er beschlossen sich und seine Kämpfer als Nord auszugeben. Selbstverständlich würde man den Unterschied aus der Nähe sofort erkennen, immerhin waren ihre Gesichter unverkennbar elfisch. Doch er hoffte, dass ein hoch am Himmel fliegender Drache den Schwindel nicht sofort bemerkte. Schnelleres Hufgetrappel und das Klappern der schlecht sitzenden Rüstung, kündigten den Soldaten an, noch bevor er neben Sorcalins Seite auftauchte. Es war Talesius, ein eigentlich vielversprechender Kandidat um schnell im Rang der Krieger aufzusteigen, wäre sein loses Mundwerk nicht gewesen. Und auch diesmal bewies der rotblonde Elf, dass er die Momente nicht kannte, in denen er still zu sein hatte. „Wir sollten diesen Weg nicht wählen, General.“, sagte Talesius geradehaus, er hatte nicht mal darauf gewartet, dass Sorcalin ihm das Wort erteilte. Halb wandte der Grauhaarige ihm sein Gesicht zu. Wären sie in einer anderen Situation, er hätte Talesius gefragt, ob in seiner Linie Nordblut eingedrungen war, denn anderweitig ließen sich dessen ungehobeltes Verhalten nicht erklären. Doch sie waren in keiner anderen Situation, also blieb keine Zeit für Belehrungen. „Dieser Weg ist gefährlich.“, fuhr der Rotblonde unterdessen fort, nachdem er von Sorcalin keine Antwort erhalten hatte. „Jemand beobachtet uns und auch wenn es niemand sagt, die anderen Krieger spüren es auch. Wir sollten lieber zurück zum Fluss und…“, weiter kam Talesius nicht, da er von dem Älteren unterbrochen wurde. „Ihr solltet euch weniger damit beschäftigen, was eure Mitkämpfer spüren könnten und eure Augen stattdessen auf das Offensichtliche richten.“, wies Sorcalin ihn mit kratzender Stimme zurecht und deutete mit einem Kopfnicken nach vorne. Vor ihnen auf dem Weg war ein Mann aufgetaucht. Angesichts seiner Körperformen musste er ein Mensch sein, einer der sich viel im Freien aufhielt, denn seine Haut war stark gebräunt. Der Oberkörper war frei, nur um Hüften, Oberarmen und Unterschenkel trug er Kleider aus Fellen und schwarzen Federn. Um den Hals hingen Ketten mit Knochenschmuck und die mit weiteren Federn geschmückten Haare, hingen lang und strähnig in ein mit Farbe bemaltes Gesicht. „Ein Abgeschworener.“, stellte Talesius das Offensichtliche fest und fing sich damit einen finsteren Blick seitens Sorcalins ein. „Haltet endlich eure Klappe und kehrt in eure Reihe zurück.“, knurrte der General. Talesius löste daraufhin den Blick von dem Abgeschworenen und wandte ihn stattdessen Sorcalin zu. Anscheinend bemerkte er die Rüge als ebenjene, denn er schluckte, senkte den Blick und verlangsamte den Schritt seines Pferdes, um sich wieder bei den anderen einzureihen. Der Abgeschworene stand unbeweglich an Ort und Stelle und fixierte die heran Reitenden aus dunklen Augen. Sorcalin ließ sein Pferd unbeirrt weiterlaufen und wäre einfach an dem Abgeschworenen vorbeigeritten, hätte dieser nicht doch noch das Wort ergriffen. „Kehrt um.“, sagte der Abgeschworene mit harter Stimme, wenn auch kein drohender Unterton mitschwang. „Das hier ist Reach.“ Mit einem leichten Zug an den Zügeln brachte Sorcalin sein Pferd zum Stehen, hob dabei zugleich eine Hand, um seiner Gruppe zu bedeuten ebenfalls anzuhalten. „Wir wissen, dass das hier Reach ist.“, sagte Sorcalin, nicht weniger wortkarg, als der Fremde. „Reach ist unser Land, kehrt um.“ „Euer Land?“, hakte der Grauhaarige nach. „Wird es nicht von den Nord besetzt? Wir sind auf dem Weg nach Markarth, wir werden die Stadt einnehmen und von der euch quälenden Nordplage befreien.“ Hatte Sorcalin erwartet, dass der Abgeschworene belustigt auflachte, da er ihm nicht glaubte, so wurde er von seinem Gegenüber enttäuscht. Jener bewegte sich nicht einen Millimeter. Er sagte auch nicht die erwarteten Worte, dass er nicht glaubte, dass die Thalmor ihnen ihr Land zurückgaben. Stattdessen schwieg der Abgeschworene so lange, dass Sorcalin schließlich das Signal zum Weiterreiten gab. Doch als der Hochelf auf gleicher Höhe mit dem Abgeschworenen war, öffnete dieser doch noch einmal den Mund. „Dies ist unser Land. Wir dulden die Nords nicht hier…und auch euch Elfen nicht.“ Der Abgeschworene drehte sich in einer Geschwindigkeit in Sorcalins Richtung, wie dieser es ihm niemals zugetraut hätte. Der Elf handelte ohne zu denken, als er die Füße aus den Steigbügeln zog und sich nach links hin vom Pferd fallen ließ. Er rollte sich über die Schulter am Boden ab und landete durch die ungewohnte Rüstung unelegant in einer hockenden Stellung. DEie Arme bereits zu einem Zauber erhoben, sah er den Abgeschworenen, wie er problemlos auf dem sich aufbäumenden Pferd hockte. Dort, wo eben noch Sorcalin gesessen hatte, steckte eine lange Klinge im Sattelleder. Es kam Bewegung in die Gruppe. Einige trieb es nach vorne, um ihrem General beizustehen, andere, zu denen auch Talesius gehörte, wandten sich den zahlreichen Kämpfern zu, welche um sie herum aus dem Dickicht gesprungen kamen. Die Abgeschworenen kämpften lautlos, ohne Kampfschreie, wirkten mit ihrem eigenartigen gehörten Kopfschmuck und den Federn eher wie wilde Geister, denn wie Krieger. Talesius hatte die Zügel seines Pferdes losgelassen und konzentrierte mit den nun freien Händen einen starken Blitzzauber, welchen er einem auf ihn zustürmenden Abgeschworenen entgegen jagen wollte. Die Stimme der Vernunft, die ihm riet besser nicht zu viel Mana zu verschwenden, überhörte er wie so häufig in seinem Leben. „Nimm das, niedere Kreatur.“, rief Talesius laut und sandte den Blitzzauber los. Der Abgeschworene kam nicht dazu der Attacke auszuweichen oder aber er wollte das gar nicht. Der Rotblonde wähnte sich bereits als Sieger, doch sein Gesicht wurde vor Überraschung bleich, als er sah, wie der Abgeschworenen einfach weiterlief, obwohl die Blitze um ihn zuckten. Sie schienen ihn nicht im Geringsten zu stören. „Dann eben noch mal.“, knurrte Talesius und sammelte Energie für einen weiteren Angriff. Währenddessen rannte der Abgeschworene noch immer auf ihn zu. Der Angriff mochte zwar ihm selbst keinen Schaden zugefügt haben, doch die Kleidung hatte es arg in Mitleidenschaft gezogen. Die Nähte seines Westenartigen Überwurfs hatten sich gelöst und als der Wind unter das Fell griff, legte es etwas Eigenartiges auf Höhe des Herzens des Abgeschworenen frei. Dort, wo sich eigentlich glatte Haut befinden sollte, prangte ein faustgroßes Loch. Irgendein Fremdkörper saß in diesem Loch, von durch die Haut gebohrten Knochen an Ort und Stelle gehalten. Der sich in Talesius Händen langsam aufbauende Zauber verpuffte zu nichts. Er fand nicht die Konzentration, um die Magie weiterhin zu beschwören. Der Abgeschworenen beugte die Knie etwas stärker, ehe er im nächsten Moment aus vollem Lauf in die Höhe sprang, dabei eine lange Waffe schwingend. Talesius tat nichts, um sich zu verteidigen. Seine Augen hingen nach wie vor auf der doch eigentlich tödlichen Verletzung seines Angreifers. „Das Heilmittel…“, begann Lirielle ungeduldig, nachdem sie und Kiiryolsah endlich allein waren, doch die Dunkelelfe ließ sie nicht weiterreden. „Zuerst.“, verlangte das Drachenblut. „erzählt mir, warum ihr eure eigene Art jagt.“ Für einen Moment schien es, als wolle Lirielle sich weigern ihr darauf zu antworten, doch mit einem Seufzen entschied sie sich schließlich doch dagegen. „Weil ich wie viele andere nicht freiwillig zu dem hier geworden bin.“, sagte sie und richtete ihren Blick auf einen Punkt zwischen den Bäumen. „Vampire griffen damals unseren Hof an und töteten meinen Verlobten. Ich hatte zu große Angst, um ihm beizustehen und floh in blinder Panik in den Wald. Dass ich mich bei den Vampiren angesteckt hatte, bemerkte ich erst als ich neben der blutleeren Leiche eines Holzfällers wieder zu mir kam. Seit dem Tag jage ich jeden Vampir, dessen Spur ich aufnehmen kann.“ „Und…mal angenommen ihr würdet einen Vampirjäger in die Hände fallen?“, fragte Kiiryolsah vorsichtig und erntete dafür einen bösen Blick seitens der Bretonin. „Ich bin keine Mörderin.“, stellte Lirielle eisig klar. „Jener Holzfäller war mein erstes und letztes Opfer. Abgesehen von der Jagd auf Vampire verdinge ich mich als Kopfgeldjägerin. Die Leute, denen ich ihr Blut nehme, sind Verbrecher, die so oder so getötet worden wären. Und was die Jäger betrifft…“ Bei diesen Worten zog Lirielle eine Kette unter ihrer Bluse hervor, an der ein Anhänger mit magischen Symbolen hing. Kiiryolsah erkannte das Muster sofort. Sie hatte etwas Ähnliches benutzt, um in Einsamkeit den Keller vor Sorex zu verbergen. „…bisher ist es noch nie jemanden gelungen mein wahres Ich zu erahnen. Im Gegenteil, sie haben mich mehr, als enttäuscht.“ Mit einem Schnauben ließ Lirielle die Kette wieder verschwinden, während sie an ihren Besuch in der Dämmerwacht dachte. Die Festung der sogenannten Vampirjäger war eine mehr als derbe Enttäuschung für die Braunhaarige gewesen. Dabei dachte sie, als sie von ihnen gehört hatte, dass sie beruhigt ihnen die Jagd überlassen und endlich aus dem Leben scheiden könnte. Auf einem Pergament hatte sie sämtliche Vampirnester notiert, die sie kannte und war dann unbewaffnet zur Festung gegangen, um sich richten zu lassen. Doch keinem der Jäger war es gelungen ihren Schutzzauber zu durchschauen, falls sie es denn überhaupt versucht hatten. Als hatte Lirielle das Ruder wieder selbst in die Hand genommen, hatte die Vampirburg Volkihar infiltriert und anschließend dem Erdboden gleich gemacht. „Aber sollte es je einem Jäger gelingen mich zu enttarnen.“, fuhr Lirielle schließlich fort, „so werde ich ihm keine Widerwehr leisten.“ Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann aber ergriff Kiiryolsah das Wort. „Auch wenn ich scheinbar noch immer für die Aura der Vampire empfänglich bin, ich habe nicht an ihr erkannt, was ihr wirklich seid.“, erklärte sie. „Vampire haben eine ganz eigene Art der Gestik und Mimik. Ihr könnt das zwar sehr gut vertuschen, wenn ihr unter Menschen seid, aber als ihr die Informationen über Susarion von mir haben wolltet, seid ihr nachlässig geworden.“ „Wundert euch das, bei dem was er angerichtet hat?“ Kiiryolsah erwiderte nichts auf die Frage. So ganz wusste sie noch nicht, was sie mit der Vorstellung, Susarion könne noch leben, anfangen sollte. Sie hatte ihre Vergangenheit eigentlich loslassen wollen, doch die Erinnerungen an ihren Lehrmeister wühlten alles wieder auf. „Ich kenne lediglich einen Bestandteil des Heilmittels.“, wechselte Kiiryolsah schließlich das Thema und wich Lirielles Blick dabei aus. Doch die Bretonin schien nicht sonderlich viel gegen den Wechsel zu haben und selbst wenn, ihr menschliches Leben wiederzuerlangen, war ihr wichtiger, als die Verbindung zwischen dem Drachenblut und Susarion. „Ich fand den Trank damals im Nachlass meiner Mutter und auch nur durch einen Hinweis in ihrem Tagebuch. Na ja, eigentlich war es mehr ein Notizbuch, so kurz und stichpunktartig, wie die Einträge waren. Der Trank selbst war wohl für den damaligen Grafen von Skingrad gedacht, gebraut hatte ihn wiederrum eine alte Hexe und diese benötigte Blutgras zur Herstellung.“ Mit ungeduldigem Schweigen fixierte Lirielle die Dunmer, darauf wartend, dass sie fortfuhr. Als dies jedoch nicht geschah, ergriff sie selbst das Wort. „Und? Was ist das Problem? Ich werde schon jemand anderen finden, der mit dem Blutgras arbeiten kann.“ „Es gibt kein Blutgras mehr.“, korrigierte Kiiryolsah sie. „Ich sagte doch, dass meine Mutter vor 200 Jahren lebte, zur Zeit der Oblivion-Krise. Sie ging wohl damals auch durch jene Tore und brachte von dort das Blutgras mit. Aber nach Martin Septims Opfer wurde Oblivion für immer verschlossen und die letzten Vorräte dürften sicherlich längst aufgebraucht sein.“ Nach dieser Aussage hatte Kiiryolsah eigentlich erwartet die Bretonin nun enttäuscht und niedergeschlagen zu sehen, doch diese Annahme traf alles andere als zu. Der Blick der grünen Augen war keineswegs hoffnungslos, sondern entschlossen. „Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass diese Welt mehr Möglichkeiten bereit hält, als wir selbst vermuten. Oder habt ihr schon mal jemals vom Seelengrab gehört?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)