Green Eyes von Kajia ================================================================================ Kapitel 34: Coming-out ---------------------- Tony´s POV: Ich rannte! Und zwar nicht, weil ich mal wieder ein Treffen mit Pepper vergessen, oder eine meiner Luxuskarossen nicht abgeschlossen hatte. Nein! Ich rannte, weil ich etwas gesehen hatte, dass garantiert nicht für meine Augen bestimmt gewesen war. Und meine Absichten waren so gut gewesen. Nachdem der angebliche Donnergott, vor dem ich ein klein wenig Angst hatte, was ich natürlich niemals zugeben würde, sich zu seinem Bruder aufgemacht hatte, vor dem ich noch viel mehr Schiss hatte, was ich auch niemals zugeben würde, begann ich mir Sorgen um den blonden Hünen zu machen. Denn anstatt nach zehn Minuten wieder auf der Brücke zu erscheinen und uns mit seinen großen, blauen Augen fragend, oder wütend, anzusehen, war er nicht zurück gekommen. Irgendwann hatte Natasha Romanov die Idee gehabt, nachzusehen, denn obwohl Loki eingesperrt war, trauten wir ihm nicht. Verständlich, nachdem er knapp zwanzig Menschen an einem einzigen Abend getötet hatte. Da ich aber keinen Bock hatte, mir Fury´s Vorträge noch weiter anzuhören, darüber, wie gefährlich mein Eingreifen in Deutschland gewesen war, hatte ich kurzer Hand den Weg zu dem Glasgefängnis aufgenommen. Ich brauchte auch keinen Begleiter, da der Helicarrier, auf dem wir uns befanden, der letzte große Armee-Auftrag von Stark-Industries gewesen war, bevor ich in Afghanistan entführt wurde. Das SHIELD die Initiatoren dieses Auftrages waren, erfuhr ich erst durch die Akten, die mir Coulson am Abend von Loki´s erstem Auftritt gegeben hatte. Blanke Ironie! Auch der Glaskäfig war eine meiner Erfindungen und irgendwie brachte mich der Gedanke zum Grinsen, dass anstatt eines riesigen, zornigen, grünen Fleischbergs nun dieser schmale, ziemlich jung aussehende Mann darin gefangen war. Leise lachend schüttelte ich den Kopf und erreichte endlich die Tür zu der Zelle. Davor war eine der schwarz gekleideten SHIELD-Wachen postiert, doch der junge Mann spielte lieber mit seinem Handy, als wirklich Wache zu halten. Auch als er mich sah, war seine einzige Reaktion ein Kopfnicken, bevor er sich wieder auf den kleinen Display konzentrierte. Die Musik, welche das Gerät von sich gab, sagte mir, dass er Doodlejump spielte. Ich schüttelte den Kopf, bevor ich den Knopf drückte, damit sich die schwere Metalltür öffnete und ich leise in den Raum schlüpfen konnte. Wer wusste schon, in was für tiefgreifende Gespräche die Beiden versunken waren. Doch kaum hatte sich die Tür hinter mir geschlossen, hörte ich schon Geräusche, die alles andere als ein Gespräch vermuten ließen. Ungläubig starrte ich in den runden Glaskasten und fragte mich, ob hier irgendwo halluzinogene Gase austraten, oder ob ich wirklich gerade sah, wie der blonde, muskulöse Donnergott seinem ach so geliebten Bruder das Hirn rausfickte. Doch weder halluzinierte, noch träumte ich, denn die Beiden trieben es wirklich miteinander und schienen mich in ihrer Leidenschaft noch nicht einmal wahrzunehmen. Und es war eine erregende Vorstellung, welche die Beiden da lieferten. Thor´s muskulöser, leicht gebräunter Körper bildete einen hervorragenden Kontrast zu Loki´s blasser, fast weißer Haut. Die Haare der beiden klebten an ihren verschwitzten Körpern und immer wieder versanken sie in leidenschaftlichen Küssen. Ich konnte hören, dass sie sich ihrem Orgasmus immer weiter näherten und spürte bereits meine Erregung aufflammen, als ich mir plötzlich meiner Gedanken bewusst wurde. Geschockt registrierte ich, dass mich das Liebesspiel der beiden Männer weit aus mehr anregte, als es die weichen Rundungen einer schönen Frau je getan hätte und das einzige, was ich auf diesen Gedanken hin tun konnte, war weglaufen. Weglaufen vor meinen eigenen Gedanken, die mich etwas sehen lassen wollten, was ich seit meiner Schulzeit erfolgreich unterdrückt hatte. Ich stürmte aus dem Raum und ignorierte den verwirrten Blick des Wachmannes, der sich von meinem plötzlichen Abgang zum Glück nicht an seinem Spiel stören ließ, und auch die verwunderten Ausrufe der anderen Menschen, die ich bei meiner passierte, waren mir egal. Erst als meine Lunge sich anfühlte, als würde sie gleich zerreißen, blieb ich schwer atmend, in einem menschenleeren Gang stehen. Keuchen versuchte ich Luft zu holen, doch es dauerte lange, bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich mich an der Wand sinken lassen konnte, bis ich im Schneidersitz auf dem kalten Boden saß. Meine Hände krallte ich dabei in meine abgetragene Diesel-Jeans und ich war wirklich froh, keinen meiner Anzüge auf den Helicarrier mitgenommen zu haben. Die würde jetzt hoffnungslos zerknittern. Erschöpft ließ ich meinen Kopf gegen die Wand sinken und starrte auf einen Fleck an der gegenüberliegenden Wand. Wirklich sehen tat ich ihn nicht, doch er lenkte meine Konzentration wieder auf meine Gedanken und sorgte dafür, dass ich mich das erste Mal seit knapp zwanzig Jahren fragte, was wirklich wollte. Flashback: Ich hasste das Internat in der Schweiz wie die Pest! Mein Vater hatte mich hier her geschickt. „Dort lernst du Disziplin und alles was du für dein Leben brauchen wirst.“, hatte mein Vater gesagt. Und ich hatte wie jedes Mal nur die Augen verdreht. Disziplin! Was war ich? Ein Soldat? Ich war ein Kind, gerade mal zwölf, als er mich ans andere Ende der Welt abschob, um schon kurz darauf bei diesem Autounfall zu sterben. Meine Wut auf diesen Mann war grenzenlos, doch plötzlich spürte ich auch Trauer. Trauer darüber, nicht mehr Zeit mit meinem Vater verbracht zu haben und ich blieb auf dem Internat. Zum Einen, um der Presse zu entkommen, und zum Anderen, um das Andenken meines Vaters irgendwie zu ehren. So viel es mir jedenfalls möglich war. Jetzt war ich sechzehn und bereute meine Entscheidung zutiefst. Wie sollte ich meine Jugend genießen, wenn ich in einer Schule gefangen war, auf der sich dreihundert Jungs befanden. Denn das es sich bei dem superteuren Eliteinternat um eine reine Jungenschule handelte, war doch selbstverständlich. Auch meine Jahrgangsgenossen waren von diesem Umstand genervt. Jedenfalls alle, bis auf einen. Alexander Brisbane! Der Sohn eines reichen, adligen Großindustriellen aus England hatte überhaupt kein Interesse an dem anderen Geschlecht. Und während meine Klassenkameraden ihn deswegen nieder machten und als Schwuchtel beschimpften, war ich eher fasziniert von dem hübschen blonden Jungen, der jedes Mädchen hätte haben können und doch kein Interesse an ihnen fand. Irgendwann bemerkte ich auch, dass erste Mal nach vier Jahren, dass er mein Zimmernachbar war und wir kamen ins Gespräch. Zwischen Tür und Angel unterhielten wir uns über unsere Eltern, unsere Heimat und unsere Interessen, und dreist wie ich nun mal war, fragte ich nach einer Weile: „Sag mal, Brisbane, bist du schwul?“ Einen Moment verdüsterte sich seine Miene und seine blauen Augen blitzten gefährlich auf und irgendwo konnte ich ihn verstehen. Seit Wochen stellte man ihm diese Frage, doch ich hoffte, im Gegensatz zu den anderen, eine ehrliche Antwort zu bekommen. Deswegen starrte ich neugierig zurück und tatsächlich seufzte er nach einer Weile auf und antworte: „Ja, bin ich!“ Die Einfachheit dieser Antwort schockierte mich dann doch, und einen Moment stand ich hilflos da und versuchte mir einen Satz zu überlegen, den ich erwidern könnte. „Ich weiß nicht was ich sagen soll.“, sagte ich nach einer Weile und plötzlich lachte Alex. „Die Meisten fragen mich, ob meiner Eltern das wissen und nein, sie wissen es nicht. Mein Vater würde vermutlich tot umfallen.“ , sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Aber ist das nicht schwer, mit niemandem darüber sprechen zu können?“, fragte ich und mich begann dieses Thema wirklich zu faszinieren. Noch nie hatte ich jemanden getroffen, der auf das eigene Geschlecht stand, und anstatt mich abzustoßen, war ich eher interessiert. Wieder betrachtete Alex mich einen Moment, dann drückte er mich in mein Zimmer und schloss die Tür. „Ich habe zu Hause eine Freundin, mit der ich darüber spreche, aber die größte Schwierigkeit ist nicht das nicht erzählen können, sondern das Verbergen der eigenen Gefühle.“ Während er das sagte, hatten wir uns auf mein Bett gesetzt und ich sah ihn fragen an. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen und er fuhr fort: „Ich kann jedem dieser Jungs ins Gesicht lachen, doch wenn ich abends auf mein Zimmer gehen, dann würde ich am liebsten heulen. Ich frage mich dann immer, ob es wirklich so schlimm ist, auf das eigene Geschlecht zu stehen.“ Schockiert sah ich an. So hatte ich das noch gar nicht gesehen und plötzlich tat er mir Leid. Es musste schwer sein, von vorneherein ausgeschlossen zu werden, nur weil man sich nicht anpasste und plötzlich wurde ich wütend. Wütend auf eine Gesellschaft, die Individualität pries, aber Gleichheit forderte. „Wie ist das? Einen Jungen zu küssen?“, fragte ich daher, einerseits, um den traurigen Ausdruck aus seinem Gesicht zu verbannen, andererseits, weil es wirklich wissen wollte. „Ich hab keine Ahnung!“, sagte er und irritiert hielt ich inne. „Was heißt das, du hast keine Ahnung?“ Er lächelte verlegen und sagte: „Ich hab noch nie einen Jungen geküsst. Als ich gemerkt hab, dass ich schwul bin, war ich hier und man kann nicht wirklich sagen, dass dieses Internat pro Homo ist.“ Verblüfft fehlten mir schon wieder die Worte. Es war irgendwie frustrierend so kurz vor einer Antwort zu sitzen, und sie dann doch nicht zu bekommen. Lange ließ ich mir unser Gespräch durch den Kopf gehen und ich sah schon wie Alex sich bereit machte, zu verschwinden, als ich ihn am Handgelenk packte. Ich hatte eine Idee und hoffte, der blonde Junge würde sie als genauso genial empfinden, wie ich. „Wollen wir beide das Küssen von Jungs ausprobieren?“, fragte ich daher und Alex starrte mich verwundert an. „Ich meine,“, sagte ich und spürte, wie ich rot wurde: „Dass es mich wirklich interessieren würde und, na ja…“ Ich ließ den Kopf sinken und erwartete bereits eine Abfuhr, als ich ein leises „Okay.“, vernahm. Freudig sah ich nach oben, in Alex hochrotes Gesicht und plötzlich wurde mir die ganze Tragweite meiner Idee bewusst. Ich hatte noch niemanden geküsst. Wie also anfangen? Plötzlich spürte ich Alex´ zögerliche Hand in meinem Nacken und er murmelte: „Im Film machen sie es immer so.“ Und dann legte er seine Lippen auf meine. Es war ein sehr seltsames Gefühl, die weichen Lippen zu spüren, doch Alex hatte scheinbar eine ungefähre Vorstellung des Ablaufes und ich ließ ihn führen. Irgendwann schloss ich sogar die Augen und begann die ungewohnte Berührung zu genießen. Zögerlich bewegte ich die Lippen gegen seine und auch er begann mutiger zu werden. Irgendwann spürte ich sogar seine Zungenspitze an meinen Lippen. Kurz zögerte ich, doch dann warf ich alle Bedenken über Bord und öffnete meinen Mund. Der erste Zungenkuss in meinem Leben war unbeholfen, feucht und ziemlich seltsam, doch ich hatte an diesem einen Tag, das Gefühl etwas richtiges zutun und obwohl Alex und ich diese Erfahrung nie wiederholten, geschweige denn weiter gingen, ahnte ich schon damals, dass ich rettungslos verloren war. An mein eigenes Geschlecht! Lange hatte ich diese Gedanken in meinem Kopf verborgen, denn als Erbe von Stark-Industries erwartete man von mir viele hübsche Frauen, Affären mit Models und Schauspielerinnen und nackte Skandale. Doch tief in meinem Inneren wusste ich immer, dass mein Herz immer mir gehören würde. Schließlich gab es einen Grund, warum ich immer versucht hatte, Beziehungen zu vermeiden. Pepper hatte mir damals die Hoffnung gegeben, dass ich vielleicht doch noch zu einer Beziehung mit einer Frau fähig wäre, doch schon einige Wochen nach unserem Zusammenkommen hatten wir Beide bemerkt, dass ich einfach nicht zu einer Beziehung taugte. Pepper hatte es mit Humor genommen und gesagt, dass ich irgendwann den oder die Richtige finden würde. Das sie davon ausging, dass es auch ein Mann sein könnte, hatte mich im ersten Moment schockiert, doch dann hatte ich in Pepper´s Augen diesen Funken gesehen, wegen dem ich sie damals eingestellt hatte. Nicht weil sie eine wunderschöne Frau war, nein, sondern weil sie etwas im Blick hatte, dass sagte: „Ich bin immer für dich da.“ Und jetzt, nachdem ich diese Szene zwischen den beiden Brüdern miterlebt hatte, konnte ich es nicht mehr vor mir selbst leugnen. Und seufzend fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. „Dann bin ich eben schwul!“, sagte ich laut in den Gang und zuckte heftig zusammen, als eine bekannte Stimme: „Schön für dich!“, antwortete. Und ich sah direkt in das überraschte Gesicht von Captain Steve Rogers, welcher mir gegenüber an der Wand lehnte und gerade mein persönliches Coming-out miterlebt hatte, ohne, dass ich ihn bemerkt hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)