Green Eyes von Kajia ================================================================================ Kapitel 15: Die Prüfung ----------------------- Thor´s POV: Als Loki an diesem Morgen den Thronsaal betrat, war ich einen Moment völlig abgelenkt, von der erhabenen Gestalt, die da durch die Tür trat. Sollte das wirklich mein kleiner Bruder sein? Er sah einfach fantastisch aus und ich kam nicht umhin, zu bemerken, dass einige junge Dienerinnen Loki kichernd und mit roten Wangen musterten, sodass ich seltsam froh war, als wir uns auf den Weg zum Tempel machten. Ich spürte, dass Loki mit jeder Minute, die wir uns dem heiligen Gebäude näherten, immer unruhiger wurde und ich verstand seine Gefühle. Mir ging es vor vier Jahren ähnlich, denn obwohl ich mich lange und intensiv auf die Prüfung vorbereitet hatte, war es ein seltsames Gefühl, dann plötzlich vor dem einschüchternden Gebäude zu stehen und zu wissen, dass alle Augen auf dich gerichtet waren. Das Orakel, welches die Prüfung auswählte, war nämlich in sich selbst schon eine Prüfung. Man testete dort die Seele des Prüflings! Wenn man eine schwache Seele hatte, bekam man eine leichte Aufgabe, doch diese bedeutete gleichsam Schande für das Elternhaus, weswegen schon so mancher die vorgeschlagene Prüfung verweigert hatte, um eine Schwerere zu absolvieren. Selten ging das gut aus. Als wir endlich vor dem Tempel standen warf ich wieder einen Blick zu meinem Bruder, der sichtlich mit seiner Entschlossenheit haderte, sodass ich ihm einen sanften Stoss in den Rücken gab und ihn die Treppen zum Eingangsportal hinaufschickte. Innerlich betete ich dabei zu all meinen Ahnen, dass sie eine angemessene Prüfung für Loki auswählen würden. Loki´s POV: Nachdem ich das hohe Eingangsportal passiert hatte, befand ich mich in einer riesigen Halle, die über und über mit goldenen Statuen lang verstorbener Könige und edlen Kunstwerken verziert war, dabei Macht und Reichtum ausstrahlte und doch spürte ich dabei schon beim Betreten des Tempels, die Anwesenheit eines sehr alten Bewusstseins. Die Priester, die an der Seite des Saales standen, hatten einen dunklen Gesang angestimmt und schwenkten silberne Behältnisse, aus denen wohlriechende Dämpfe entwichen. Plötzlich öffnete sich auf der anderen Seite des Saales eine weitere, diesmal wesentlich kleinere Tür und ohne zu zögern ging ich darauf zu. Ich konnte jetzt ohnehin nicht mehr umkehren. Als ich den Raum hinter der Tür betrat, hörte ich kaum wie das Portal ins Schloss fiel, so gefangen war ich von dem dunklen Saal. Dieser war bei weitem nicht so groß, wie die Eingangshalle, doch sie enthielt eine fremde Präsenz, die sich im Raum ausbreitete, wie die Düfte der draußen geschwenkten Behälter. Als ich weiter in den Raum trat, bemerkte ich, dass die Wände, die Decke und der Boden gar nicht schwarz waren, wie ich zuerst angenommen hatte, sondern eher den Eindruck einer klaren Sternennacht vermittelten. Überall sah ich große und kleine Lichtpunkte über die Wände tanzen und sie schienen mich neugierig zu umfliegen, als wollten sie wissen, wer es wagte ihre Ruhe zu stören. Dann nahm ich plötzlich das Geräusch von Stimmen wahr, die sich in meinem Kopf ausbreiteten. Sie waren mal laut, mal leise und schienen alle durcheinander zu reden, bis sich eine Einzige Stimme in dem Chaos erhob. Sie war tief und voll, sanft und bestimmend und so vertraut, dass mir Tränen in die Augen traten, als würde ich die Stimme eines lang verstorbenen Freundes vernehmen. „Loki Odinsson, du bist heute hier her gekommen um deine Prüfung zur Volljährigkeit zu absolvieren. Ist das richtig?“, fragte die Stimme und ohne zu zögern sagte ich: „Ja!“ Einen Moment war es still, doch ich hatte das Gefühl, als wäre die Stimme zufrieden mit meiner Antwort, dann fuhr sie unvermittelt fort: „Du bist mutig und loyal gegenüber deiner Familie. Du kämpfst aus den richtigen Gründen und du bist klug.“ Wieder ein Moment der Stille. „Schwierig, äußerst schwierig!“, sagte sie und hörte sich auf einmal sehr nachdenklich an: „Du wurdest schon vom Leben in vielen Sachen geprüft. Verlust, Angst, Trauer, Wut und Einsamkeit.“ Die Stille, die nun folgte, war länger und durchdringender, als würden sich alle Stimmen zurückziehen um zu beraten und einen Moment fürchtete ich, dass ich nicht mal eine Prüfung erhalten würde, als die eine Stimme plötzlich so laut und so intensiv in meinem Kopf erklang, dass es mich beinahe in die Knie zwang. „Du wirst nach Niflheim gehen, zu der Quelle Hvergelmir. Dort triffst du auf den Drachen Nidhöggr. Du wirst ihm drei seiner kristallenen Schuppen abnehmen und als Geschenk an Asgard, Yggdrasil und deine Familie mitbringen.“ Und mit diesen Worten, verschwand die Stimme endgültig aus meinen Gedanken und ließ mich geschockt zurück. Ich stand alleine, in dem nun dunklen Saal und meine Gedanken rasten. Nidhöggr, der Schlangendrache, der die Toten in der Unterwelt quälte und als das schrecklichste Ungeheuer in allen neun Reichen galt? Mit mühsamen Schritten drehte ich mich um und verließ den Saal, vor dem ich auf eine Horde besorgter Priester stieß. „Mein Prinz. Geht es euch gut? Ihr wart so lange fort!“, sagte einer, ein alter Mann mit langem Bart und einer typisch weißen Priesterrobe. Ich schüttelte den Kopf und erwiderte: „Es ist alles in Ordnung. Ich habe meine Prüfung empfangen. Ich soll nach Niflheim und dem Drachen Nidhöggr drei seiner Schuppen stehlen.“ Erschrockenes Einatmen folgte auf meine Worte und ich verstand gut den Schock, den ich auf einigen der Gesichter, der jüngeren Priester sah. Eine tiefe Stimme riss alle aus ihrer Starre, als sie sagte: „Was steht ihr noch hier herum? Verkündet die Prüfung!“ Als ich mich zu der Stimme umdrehte stand ich einem erstaunlich kleinen Mann gegenüber. Er war scheinbar uralt, denn sein Gesicht war von tiefen Falten zerfurcht und seine Augen waren trüb, als wäre er Blind, doch gleichzeitig schien mich bis auf den Grund meiner Seele zu betrachten. Er trug ebenfalls weiße Priesterroben, doch über ihr lag ein blauer, mit goldenen Stickereien verzierter, Mantel und eine königsblaue Tätowierung mitten auf der Stirn ließ mich wissen, dass ich einem der drei Hohepriester gegenüber stand. „Folge mir mein Junge.“, sagte der Hohepriester mit dieser seltsam tiefen Stimme: „Bis du dich für deine Prüfung vorbereitet hast, wirst du in einem der Gemächer des Tempels bleiben.“ Ich folgte dem Mann, denn ich wusste, dass Widersprechen zwecklos gewesen wäre. Der alte Mann führte mich zu einem kleinen Zimmer, in dem ein runder Tisch mit zwei Stühlen, ein kleiner Kamin und ein Sofa standen und als er die Tür hinter mir schloss, fragte ich mich wie ich mich hier vorbereiten sollte. Widerwillig ließ ich mich auf einem der Stühle nieder und starrte aus dem großen Fenster, welches fast die ganze, hintere Wand einnahm. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel und selbst der Mond war noch zu sehen und ein leicht melancholisches Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Das Bild, welches sich mir bot, erinnerte mich fatal an Thor und mich selbst. Thor, die strahlende Sonne Asgards, die jeder zu erblicken wünschte und ich! Der Mond, vor dem sich die Menschen in den Häusern versteckten um dem Schrecken der Nacht zu entfliehen. Oftmals hatte ich das Gefühl, dass die Asen Angst vor mir hatten. Sie wussten, dass ich ein mächtiger Zauberer war und das machte sie misstrauisch, denn noch nie hatte ein Zauberer Gutes bedeutet. Die Asen schienen mich zu ignorieren und konzentrierten sich lieber auf meinen Bruder, weshalb ich versuchte sie mit meinen Streichen auf mich Aufmerksam zu machen, doch stets wusste ich, wo die Grenze von einem guten Streich zu einer Straftat lag. Doch all mein Wissen und all meine Raffinesse konnte mir in der jetzigen Situation nicht helfen. Ich erinnerte mich noch zu gut an Thor´s Prüfung und wäre damals schon fast umgekommen vor Sorge um seine Person, doch nun, angesichts meiner eigenen Prüfung, erschien mir das fast sinnlos. Wie sollte ich nur einen Drachen töten? Ich war kein starker Krieger wie Thor oder Odin. Ich würde wahrscheinlich nicht einmal eine der Schuppen aus Nidhöggr´s Panzer entfernen können, geschweige denn drei. Meine Situation war also aussichtslos Ich wusste nicht, wie lange ich dem kleinen Raum saß, doch es konnte nicht länger als eine Stunde vergangen sein, als ich den Entschluss fasste, mich meinem Schicksal zu stellen. Diese Prüfung war eine große Ehre für das Hause Odin´s und ich hatte nicht vor meiner Familie Schande zu bringen, indem ich die Prüfung verweigerte. Als hätte er meine Gedanken gehört, öffnete der Hohepriester wieder die Tür und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir gingen denselben Weg, den wir gekommen waren und auf einmal stand ich wieder vor dem Eingangsportal. Gerade als ich hindurchgehen wollte, hielt mich die knorrige Hand des Alten zurück: „Das Orakel hat noch nie eine Prüfung verteilt, die nicht dem Können des Prüflings entsprach.“, sagte er und ich nickte um zu zeigen, dass ich verstanden hatte. Dann trat ich hinaus in den grellen Sonnenschein. Einen Moment war ich wie geblendet von dem Licht, doch dann hörte ich plötzlich die laute Stimme meines Vaters: „Präsentiert die Waffen!“, rief er und als sich meine Augen an den Sonnenschein gewöhnt hatten, sah ich, dass die gesamte Armee in Paraderüstung vor dem Tempel stand und die Speere in den Himmel streckte. Mein Bruder und mein Vater standen in gold verzierten Rüstungen ganz vorne, Odin mit seinem funkelnden Speer Gungnir und Thor mit Mjölnir in der Hand. Beide sahen ernst aus und dann rief Odin: „Asgard wünscht seinem Prinzen fiel Glück bei der Prüfung!“ Und dann sah ich, dass nicht nur die Armee, sondern das ganze Volk Asgards vor dem Tempel versammelt waren. Dadurch hatte ich auf Einmal das Gefühl einer Totenwache. Diese Leute waren hier, um sich von mir zu verabschieden und als ich einen Blick auf Frigga erhaschte, sah ich Tränen der Trauer, die über ihre Wangen liefen. Ich sagte kein Wort, während ich zu meinem Pferd ging und mir ein Diener schnell eine richtige Rüstung anlegte und mir meine Dolche reichte. Sie kamen mir heute wirklich winzig vor und ich fragte mich mit einem Anflug von Galgenhumor was ich mit diesen Spießchen machen sollte. Nidhöggr zu Tode kitzeln vielleicht. Als ich mein Pferd bestieg, ignorierte ich bewusst alle Blicke um mich herum und gab dem schwarzen Tier ohne zu zögern die Sporen. Würde ich nur einen Moment inne halten, dass wusste ich, könnte ich mich nicht überwinden meinen Weg anzutreten. Die Massen an Asen bildeten schnell eine Gasse, durch die ich mit vollem Galopp preschte, auf dem schnellsten Weg zum Bifröst. Je näher ich der Regenbogenbrücke kam, desto leerer wurden die Straße und als ich das goldene Stadttor passierte, war ich allein. Der Weg zu Heimdall erschien mir heute bei weitem nicht so lang wie sonst, doch es lag wahrscheinlich an meinen, immer wieder abschweifenden, Gedanken und als ich den schwarzen Hünen erreichte, fühlte ich mich ausgelaugt. Ich saß ab und ging auf Heimdall zu und als ich ihm in die bernsteinfarbenen Augen sah, konnte ich zum ersten Mal eine Gefühlsregung erkennen. Mitleid! Und dieses Mitleid machte mich wütend. Auch wenn ich nicht so stark war wie mein Bruder, irgendwie musste ich ja die achtzehn Jahre meines Lebens durchgekommen sein, in denen ich immer wieder von Thor in die ein oder andere Gefahr geschleift worden war und ich hatte nicht vor mich jetzt aufzugeben. „Heimdall!“, sagte ich daher und war selbst über die Festigkeit meiner Stimme überrascht: „Ich muss nach Niflheim.“ Heimdall nickte und drehte sich um, um die Metallkuppel zu betreten. Ich hingegen, drehte mich noch einmal nach Asgard um und sog den Anblick meiner Heimat in mich auf wie ein trockener Schwamm, bevor ich Heimdall folgte und die riesige Kugel betrat. Mit langen Schritten ging ich zu dem Durchgang, durch den ich gleich in eine andere Welt reisen würde und hörte kurz darauf, wie das Schwert Heimdall´s in den Schacht gesteckt wurde und sich daraufhin die Brücke aktivierte. „Viel Glück!“, hörte ich noch den Ruf des Wächters, als der Bifröst seine maximale Geschwindigkeit erreicht hatte und es war das letzte was ich vernahm, bevor mich der Sog erfasste. ------------------------------------------------------------------ An dieser Stelle möchte ich mich bei all meinen Lesern bedanken. Dies ist mein fünfzehntes Kapitel und ohne euch würde ich das alles nicht schaffen. Vielen Dank! Ihr seid meine Inspiration und ich danke euch von Herzen. LG Kajia Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)