Green Eyes von Kajia ================================================================================ Kapitel 3: Midgard ------------------ Die Landung auf Midgard war alles andere als sanft. Ungeübt wie ich nun mal war landete ich mit dem Gesicht voran in hohem, saftiggrünem Gras. Als ich mich mühsam wieder aufrappelte ließ ich meinen Blick über die Ebene schweifen, auf der ich gelandet war. Ich stand auf einem kleinen, Moosbewachsenem Hügel umgeben von einer weiten Graslandschaft. Hinter mir ragte ein dunkler Wald auf und vor mir, in weiter Ferne, konnte ich Berge erkennen. Die Luft war frisch, aber nicht kühl und ich roch den beginnenden Sommer in der Luft. Und obwohl dies hier ein wirklich hübsches Fleckchen Erde war, sehnte ich mich schon jetzt nach Asgard, mit den goldenen Türmen der Stadt und den nahezu endlosen Weiten dahinter. Eine tiefe Stimme riss mich aus meinen trüben Gedanken und ich sah, wie mein Lehrer den Hügel heraufkam und dabei scheinbar meinen Namen rief. „Prinz Thor!“, sagte er sobald er mich erreicht hatte: „Da seid Ihr ja endlich. Wir haben Euch schon erwartet. Folgt mir“ Wieder drehte sich mein Lehrer um und ich beeilte mich den langen Schritten zu folgen. Mein Lehrer war Balder, ein adliger Freund meines Vaters und Gelehrter am königlichen Hof. Er stand auch als Berater meinem Vater zur Verfügung, was man ihm bei seinem groben Aussehen gar nicht zutraute. Er war groß und kräftig gebaut, mit langen Beinen und breiten Schultern. Seine Haare, die früher einmal strohblond waren, wie mein Vater mir berichtete, waren nun schiefergrau und seine dunkelgrauen Augen huschten immer flink umher, als könne er sich nicht satt sehen an seiner Umgebung. Er trug eine dunkle Tunika, lange Hosen und kniehohe Stiefel. An seinem linken Bein hatte er einen langen Dolch gebunden, den ich, als wir uns kennen lernten, neidisch bewundert hatte. Doch auf die Frage ob ich ihn mal anfassen durfte hatte er stets dieselbe Antwort. „Dafür bist du noch zu klein.“ Das ich später ein großer Krieger sein würde, wie ich ihm stolz erzählte, interessierte ihn wenig. Balder war ein strenger Lehrer, aber er hatte auch sanfte Momente, in denen er mir von den Schlachten erzählte in den er gekämpft hatte. Ein ums andere Mal lauschte ich gespannt seinen Schilderungen von den anderen Planten und interessierte mich dabei besonders für Einen. Jotunheim! Ich wusste selber nicht, wieso mich gerade dieser unwirtliche Planet so unglaublich faszinierte. Als ich Vater von meiner Leidenschaft erzählte, sah dieser mich nur mit einem unergründlichen Blick an und der Ausdruck seiner Augen machte mir klar, dass ich mich lieber zurück halten sollte, was Fragen über Jotunheim anging. Also wartete ich immer gespannt darauf, dass Balder wieder in die Stimmung kam um mir Geschichten zu erzählen, aber mittlerweile war auch das sehr selten geworden. Plötzlich hielt Balder inne und riss mich somit aus meinen Gedanken. Verwundert sah ich zu ihm auf, bevor ich den Blick nach vorne wandte und mir der Atem stockte. Dort vor mir, in einem grünen Tal, stand ein wunderschönes, kleines Schloss. Es war schneeweiß, mit blauen Giebeln auf den Dächern und vier Türme ragten in den Himmel. Es war quadratisch gebaut und stand direkt an einem Fluss. Die Sonne beschien diesen idyllischen Ort und für einen Moment vergaß ich sogar mein Heimweh. „Willkommen auf Briarwood Hall. Hier werdet ihr leben und lernen, Prinz Thor.“, sagte Balder und ich sah zu meinem Lehrer auf. „Wie lange…?“ Ich konnte den Satz nicht beenden. Die plötzliche Angst, die mich befiel ließ mich verstummen und ich musste wieder an Asgard denken. Und an Loki! Balder sah mich mitfühlend an und ich konnte fast hören wie er dachte: Da steht er, der kleine Prinz und hat jetzt schon Heimweh. Aber diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben. Ich straffte die Schultern und fragte, diesmal mit kräftiger Stimme: „Wie lange werde ich hier bleiben?“ Balder sah mich überrascht, aber scheinbar erfreut an und erwiderte: „Solange es nötig ist. Ihr werdet eine Menge lernen müssen. Um später mal den Thron Eures Vaters besteigen zu können, gehört mehr dazu, als das was ich Euch beibringen kann, weshalb Euer Vater noch andere Lehrer hierher geschickt hat.“ Nun war es an mir überrascht zu sein. Ich hatte zwar damit gerechnet das noch andere hier sein würden, aber das ich noch mehr Lehrer brauchte als Balder, war mir nicht klar gewesen. Wie sollte ich das nur überstehen? Einige Wochen später kannte ich die Antwort. Nämlich gar nicht! Wie Balder gesagt hatte waren noch andere Lehrer auf Briarwood Hall und wenn ich geglaubt hatte Balder wäre streng, hatte ich scheinbar noch niemals wahre Strenge erfahren. Denn gegen die anderen Lehrer und Ausbilder war Balder ein sanftes Lämmchen. Keiner von den neuen Lehrern war so geduldig wie Balder und am meisten hasste ich die Mathematikstunden. Der Lehrer, Braig, ein langer, sehr dünner Mann mit blassem Gesicht und einer riesigen Adlernase, konnte mich eindeutig nicht leiden. Natürlich sagte er niemals etwas, dass mich in meiner Vermutung bestätigt hätte, doch allein sein Verhalten gab mir Antwort genug. Er war unfair und scheute sich nicht, von der Rute gebrauch zu machen, wenn ich mal wieder geistig abwesen war oder eine Aufgabe nicht lösen konnte. Meistens war mein Rücken nach solchen Stunden grün und blau geschlagen und ich konnte mich kaum dazu aufraffen auch den anderen Unterricht zu besuchen. Am schlimmsten wurde es allerdings, als nach ein paar Monaten auch mein Kampftraining begann. Dies war der Unterricht den ich am meisten mochte. Der Lehrer war ein durchtrainierter Hüne mit einem langen, tiefbraunen Zopf und dunklen, beinahe schwarzen Augen. Er war früher einmal Ausbilder der königlichen Leibwache gewesen, musste den Dienst allerdings wegen einer schweren Verletzung im Krieg gegen Jotunheim niederlegen. Sein Name war Aren. Die erste Kampfstunde fand an einem sonnigen Nachmittag statt und obwohl ich mich seit zwei Wochen auf diese erste Stunde freute, war mein Körper ganz und gar nicht damit einverstanden, denn ich hatte an diesem Tag einen besonders schweren Fehler, in den Augen meines Mathelehrers begangen, weshalb ich gleich mal die doppelte Menge an Stockschlägen kassiert hatte. Dementsprechend war ich demotiviert, als ich auf den freien Hof in der Mitte des Schlosses heraustrat und meinen Ausbilder erblickte. Dieser schien mir meinen Gemütszustand scheinbar aus dem Gesicht ablesen zu können und sagte mit einem breiten Lächeln im Gesicht: „Mach dir keine Sorgen, junger Prinz. Zwei Monate Training mit mir und du wirst die Stockschläge nicht mal mehr spüren.“ Ehrlich gesagt wusste ich nicht, ob mich diese Worte beruhigen sollten. Aren war ein fantastischer Lehrer. Er begann damit mir die einzelnen Waffen zu zeigen und ihre besonderen Fähigkeiten zu erläutern. Er legte mir Schwerter, Keulen, Äxte und Bögen in die Hand und erklärte mir, wie man diese Waffen gebrauchen konnte. Ich stellte mich nicht einmal besonders ungeschickt an, obwohl ich das Ziel mit dem Bogen nicht auf Anhieb traf und mir mit der Axt selbst auf den Fuß hieb. Zum Glück war sie nicht scharf. Das Schwert war schon so eher meins und als ich zum ersten Mal ein Lob von meinem Lehrer erhielt, ließ ich die letzte Waffe links liegen und beschloss spontan, dass ich fortan nur noch mit dem Schwert kämpfen würde. Ein Irrtum, welcher sich viele Jahre später aufzeigen würde! Ab diesem Tag begann ein noch härteres Training als bisher! Morgens wurde ich von einem Diener geweckt, frühstückte und begab mich dann zum Unterricht. Ich wurde in Geschichte und Sprachen unterrichtet, bekam die Gesetze der Natur eingebläut und musste rechnen was das Zeug hielt. Auch wurde mir die Astronomie nahe gelegt und ich bekam Unterweisungen in Anatomie und später sogar in Politik. Nachmittags ging es dann an das Kampftraining, was aber nicht immer nur aus Schwertkampf und Bogenschießen bestand. Ich lernte auch den Nahkampf ohne Waffen, das Jagen und die Kriegsstrategie und merkte schnell, dass alles was mit Kämpfen zutun hatte mir sehr gut lag. Auch wenn meine Strategie zumeist daraus bestand draufzuhauen. Ungefähr ein Jahr nach meiner Ankunft, an meinem siebten Geburtstag, bekam ich das erste mal Besuch von meiner Familie. Der Tag begann friedlich und völlig normal. Wären nicht die Diener hektisch durch das Schloss gelaufen, ich hätte wahrscheinlich nicht mal eine Veränderung bemerkt. Auch schienen meine Lehrer unauffindbar und verwirrt ging ich in den Innenhof. Dort traf ich endlich auf Aren und fragte: „Was ist denn heute los? Warum sind alle so hektisch?“ Aren zuckte erschrocken zusammen, was mich noch mehr verwunderte, denn noch nie hatte ich es geschafft ihn zu erschrecken. Er drehte sich zu mir um und warf mir ein kurzes, aber breites Lächeln zu, bevor er sagte: „Deine Eltern kommen.“ Diese Worte brauchten ganze zwei Minuten um in mein Gehirn vorzudringen und als ich sie endlich verarbeitet hatte, begann ich wie wild auf und ab zu hüpfen. „Ist das dein Ernst?“, fragte ich und sah freudestrahlend in sein wettergegerbtes Gesicht. „Aber ja. Sie kommen extra zu deinem Geburtstag.“ An dieser Stelle hielt ich kurz inne. Mein Geburtstag! Den hatte ich ja völlig vergessen. Ich war so beschäftigt mit lernen gewesen, dass ich darüber gar nicht nachgedacht hatte. Scheinbar konnte Aren mir mal wieder meine Gefühle und Gedanken im Gesicht ablesen, denn er brach in schallendes Gelächter aus und wuschelte mir durch die blonden Haare. „Du bist mir schon einer. Wenn du jetzt schon zu beschäftigt bist, um an deinen eigenen Geburtstag zu denken, wie soll das dann erst mit dir werden wenn du König bist.“ Damit ging er zurück ins Schloss und ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ich hatte wirklich in den letzten Monaten erstaunlich wenig an mein Zuhause gedacht und plötzlich überkam mich Scham, als ich mich an Loki erinnerte. Wie hatte ich nur vergessen können an meinen kleinen Bruder zu denken? Innerlich gab ich mir einen kräftigen Tritt in den Hintern, bevor ich selbst ins Schloss eilte um mich auf den Besuch vorzubereiten. In meinem Zimmer angelangt, durchwühlte ich den Schrank auf der Suche nach Kleidung, die nicht ganz so menschlich aussah, doch das einzige was ich finden konnte war die Kleidung, die ich am Tag meiner Abreise getragen hatte. Und diese passte beileibe nicht zu so einem Anlass. Leise fluchend entschied ich mich letztendlich für eine rote Menschentunika und dunkle Hosen. Lange Stiefel und ein schwerer, schwarzer Umhang vervollständigten das Gesamtbild und als ich in den Spiegel sah musste ich feststellen, dass ich mich in diesem kurzen Jahr sehr verändert hatte. Meine goldblonden Haare reichten mir bis ans Kinn und mein Gesicht begann seine Rundlichkeit zu verlieren. Klare, blaue Augen sahen mir aus dem Spiegel entgegen und ich fragte mich unwillkürlich, wie ich aussehen würde wenn ich mal erwachsen war. Gut!, war die Antwort die mir mein Geist zurief und ich musste grinsen. In diesem Moment erklangen schwere Schritte im Hof und der Schall der goldenen Trompeten von Asgards königlicher Leibwache erklang. Meine Familie war angekommen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)