Candy from a Stranger von MC-T ================================================================================ Kapitel 44: Burden of Memories ------------------------------ Kapitel 43: Burden of Memories „Wie?“ Der Blonde starrte wie gebannt in das Gesicht seines Gegenübers und wusste nicht weiter. So viel zum Thema, er wolle ihn nicht mehr sehen. „Was tust du hier?“, fragte Zorro mit unfreundlicher Stimme. „Also-“, aber Zorro unterbrach Sanji. „Lass es. Und geh heim.“ Sanji schaute den Mann vor sich an. Er wirkte mehr als Fremd. „Warum bist du hier?“, fragte der Blonde stattdessen ruhig. Der Ältere schaute weg in Richtung des Grabes, vor welchem eine Kerze flimmerte. Sanji folgte seinem Blick. „Wie… ist es dazu gekommen?“ Ein kurzer verwunderlicher Blick wurde Sanji geschenkt während der Gefragte sich durch die Haare fuhr. „Ist keine schöne Geschichte.“ Und darüber reden wollte er nicht so wirklich. Wozu auch? Es ging niemanden was an. „Ist es nie.“, stimmte Sanji ihm zu. „Aber es hilft vielleicht darüber zu reden.“ „Ich habe sie getötet.“ Nicht wirklich verstehend, was der Grünhaarige gerade gesagt hatte, starrte der Blonde Zorro an. Worte wollten seinen Mund verlassen, doch es kam nichts raus. Der Blick in dem Auge des Älteren war mehr als überzeugend. Sanji wich unwissentlich zurück. Das… konnte nicht wahr sein. Sanji machte noch einen Schritt weiter zurück. Kalt lief es ihm den Rücken runter, ehe er spürte, wie Zorro ihn ansah. „Ich-“ Ohne etwas weiteres zu sagen, nahm der Blonde die Beine in die Hand und lief davon. So schnell er konnte. Eine Weile sah der junge Mann ihm hinterher. Es war besser so. Viel besser als wenn sie später nicht voneinander loslassen könnten. Und das mussten sie bald. Langsam wandte er seinen Blick von der Dunkelheit ab zurück zur Kerze. Heute vor fünf Jahren ist es passiert. (Flashback 5 Jahre zuvor) Das woran er sich nur noch erinnern kann, war, dass er sie vom Kendotraining nach Hause bringen wollte. Wieder hatte sie ihn besiegt, wieder hatte er verloren. Und eine große rote Spur zog sich quer über sein Gesicht. Kuinas Spur. Sie lachte und er blickte grimmig weg. Doch als sie sich bei ihm einhakte, darauf achtend niemand, Bekanntes würde sie beide sehen, huschte eine leichte Röte über seine Nase. Egal ob sie nun drei Jahre älter war oder nicht. Sagen würde er es ihr nie. Sicher nicht. Denn sie würde sich sicher über ihn lustig machen und dann hätte er wieder eine Niederlage, die er einstecken müsste. Ob er feige war? Vielleicht. Doch dann bemerkte sie etwas hartes an seinen Rippen – eine Bandage war unter seinen Shirt verborgen- , fragte was er die letzten Abende wieder gemacht habe. Er antwortete nicht, ließ sie fragend neben sich herlaufen. Dies konnte sie nicht haben, wusste, dass es nicht seine ersten Wunden von einer Schlägerei waren. Wenn ihr Vater das rauskriegen würde, würde Zorro aus dem Dojo fliegen, auf ewig. Seine Ignoranz gegenüber dieser Regel brachte sie zur Weißglut. Lange würde dies nicht unbemerkt bleiben und so fing sie an ihm Vorwürfe zu machen. Irgendwann riss sie ihren Arm aus seinem und wurde wütend, sagte Sachen, die ihr schon lange auf der Seele lagen und hielt es nicht aus, wie gleichgültig er mit seinem Leben umging. Beschimpfungen. Von da an verfingen sie sich in Diskussionen und hartem Schweigen. Bis sie zu einer Kreuzung kamen. Er hätte sie nicht an der Kreuzung alleine weiter gehen lassen dürfen. Aber wer sie kannte, wusste, dass jeglicher Versuch der Widerworte nichts gebracht hätte, und um den Streit nicht weiter zu vertiefen, lies er sie von da an alleine gehen. Ihr hinterher blickend wartete er, bis sie aus seinem Sichtfeld verschwunden war, und wollte sich auf seinen Weg machen, doch ihn traf etwas Hartes auf dem Hinterkopf. Schwarze Punkte blendeten seine Sicht und zerrten ihn ins Reich der Träume. Zorro erwachte zögerlich mit bestialischen Kopfschmerzen. Seine Sicht war mehr als verschwommen, befleckt mit schwarzen Punkten. Und das einzige, was er noch spüren konnte, war das warme Blut, das aus einer offenen Wunde floss. Was war nur passiert? Seine Glieder schmerzten, und das Atmen brannte in seinen Lungen. Er schaute auf, wollte sich bewegen, doch seine Hände und Füße waren gefesselt. Dann hörte er diese dreckige fiese Lache. Die würde er nie vergessen. Er schaute auf und blickte direkt in das Antlitz einer großgewachsenen Person, die vor ihm kniete und mit einem Messer spielte. „Sag mal“, begann die Person und lächelte unheilvoll. „Warst du nicht derjenige, der meinen Sohn fast zu Tode geprügelt hat? Und warst du nicht derjenige, der vor einigen Tagen uns die Bullen auf den Hals hetzte?“ Zorro stockte der Atem. Hatte dieses Schnöselkind also doch nicht geblufft! Sein Vater war doch von der Mafia. Scheiße! Und ja, er hatte sich mit den anderen einen Spaß erlaubt. Es kam zwar niemand von der Polizei, aber dennoch musste deren Geschäft abgebrochen werden. „Und weißt du, was wir mit denen machen die uns quer kommen? … Nein?... Dann zeig ich es dir...“ Er winkte seinen Männern zu, die jemanden gefesselt hinter sich her trugen. Zorro konnte noch nichts erkennen, doch ahnte das Schlimmste, während der Mann mit seinem Messer in seiner Hand herumfungierte. „Nein!“, murrte Zorro nur und hoffte, dass seine Bitte doch noch Gehör fand. Nun erkannte er die Person, die von zwei Männern angeschleppt worden war. Und es erschütterte ihn bis ins Mark. Nein! Nein! Nein! Bitte nicht sie! „Sieh an, es ist seine Perle! Ist sie nicht ein bisschen zu alt für dich, Kleiner?“ Dieser Mann lechzte pervers und fing an Kuinas Körper zu betatschen. Jetzt erst fiel Zorro auf, wie geschunden schon ihr Körper mit Schlägen und kleineren Schnittwunden war, wie ihre Kleidung halb zerfetzt an ihr hing und ihre Augen ihn ängstlich anblickten. Ihre Augen schrien nach Hilfe, nach Befreiung und nach Erlösung. Nur von wem? Er konnte nichts machen. Rein gar nichts. „BITTE TUT IHR NICHTS! IHR HABT DOCH MICH!!“ Zorros Stimme klang nur noch verzweifelt und rau. Der Mann schmunzelte nur. „Hast du Gnade bei meinem Jungen gezeigt?“ Er hatte nun Kuina mit einem Arm um ihren Hals im Griff und hielt ihr das Messer an die Kehle. Zorro zögerte mit seiner Antwort. Nein, hatte er nicht. Er hat sich hinreißen lassen, sich dem Rausch hingegeben und angefangen sich mit jemandem zu prügeln. Unterwegs mit einer Gang, die er kaum kannte, machte er die Straßen nachts unsicher. Ein Zuhause hatte er nicht. Keiner war jemals froh, wenn er irgendwo anwesend war. Nur das Heim, aus welchem er immer wieder ausbrach. „Nein…“ Dabei wegschauend bemerkte er den musternden Blick des Anführers. „Sag mal, das Gesicht kenn ich doch.“ Zorros Augenbraue zuckte. Er kannte sein Gesicht? Er sah zum ersten Mal diesen Mann hier. Während dem anderen etwas wie Schuppen von den Augen fiel, wühlte er in seiner Hosentasche und zog etwas heraus. „Ach ja, der hier.“ Er hielt ihm ein Bild vor die Augen, worauf ein Mann mit grünen Haaren, älter, muskulös und mit einem leichten Lächeln im Gesicht und eine Frau mit dunkel brauen Haaren und einem Baby in den Armen zu sehen war. Die Augen des Jungen wurden größer, als er die Ähnlichkeit zwischen dem Mann und sich feststellte. Scheiße, das muss eine Fälschung sein! „Stimmt es also, dass dieser Mann, dein Vater, sich aus der Mafia freikaufen wollte und heimlich eine Familie gegründet hat?“ Zorro zuckte mit den Schultern. So was hörte er zum ersten Mal. „Ich habe keinen Vater! Und behalt deine Märchenstunden für dich!“ Zorro spukte dem Kerl auf die Schuhe. Nie im Leben würde er ihm irgendetwas glauben. Und so ein blödes Foto bewies noch lange nichts. Er war allein und würde es immer bleiben. „Ich denke, mein Nässchen trügt mich nicht. Der Sohn des Verräters... Und nun füge ich dir noch größeren Schmerz zu, als du meinem Sohn zugefügt hast. Freue dich Schmerzen zu spüren, die dich niemals loslassen werden!“ Langsam fuhr der Fremde Kuina mit seiner rauen Hand durchs Gesicht. „Bist du nicht auch scharf darauf sie schreien zu hören? Vor Schmerzen und vor Angst? Vor Lust?“ Zorros Gesicht wurde bleich und er sah Panik in ihren, Kuinas Augen. „Zorro... was hast... was hast du gemacht? Wer sind diese Männer?“, entfloh es kleinlaut und weinerlich aus ihrer Kehle. Ihre Gesichtsfarbe war aschfahl, der Glanz aus ihren Augen völlig verschwunden und ihre sonst so starke Persönlichkeit war geknickt. Scheiße, hätte er nur einmal auf ihren Rat gehört und hätte mal keinen Mist gebaut! Sie hatte recht! Er machte nur Ärger! „Sir...“ Zorro wollte gerade etwas sagen, als jemand ihm eine scheuerte und er Blut spuckend zu Boden ging. Scheiße... ja, jetzt wusste er, wie sich die Jungs fühlten, die er immer vermöbelt hatte. So viel Angst hatte er noch nie! „Sieh her, du Mistgeburt!“ Dabei zog einer der Kolosse ihn an seinen Haaren hoch und richtete seinen Kopf auf Kuina und den Mann, dessen Sohn er verprügelt hatte. „Sieh hin! Sieh dir an, wie sie leiden wird! Wegen dir!“ Angst war Zorro bis zu jenem Moment, als Kuina direkt vor seinen Augen gequält und geschändet wurde, ein Fremdwort gewesen. Und jetzt wurde ihm diese Bedeutung mehr als klar. Wie dieser Mann ihr grob das Shirt vom Leibe riss, ihren BH durchschnitt und sie anfing mit seinen dreckigen Pfoten zu betatschen, bis ihr ein unvermeidliches ängstliches Keuchen entwich. Die sonst so stolze, wenn auch leicht arrogante Kuina war innerhalb weniger Sekunden eine Gestalt der Angst geworden. Gebrochen. Verschreckt. Zu Tode verschreckt. Zorro biss sich auf die Zunge, hoffte es sei nur ein schlechter Traum. Doch auch dieser Schmerz konnte ihn nicht wach rütteln. Er zeigte ihm, dass das alles hier real war. Alles. Wie diese Bestie sich an ihrer Hose zu schaffen machte, ihr ekelerregende Küsse aufzwang, ihr über die Halsbeuge leckte und sich ihren Duft einverleibte. Alles unter vehementem Verneinen ihrerseits. Doch nichts half. Und dann... Ein lauter Aufschrei. Schrill und Kalt. Dem Bengel lief ein kalter Schauer über den Rücken. Kuina! Dieser Bastard. Er hat es wirklich getan. Ein erfülltes Gesicht der Lust zeichnete denjenigen, der sich an ihr verging. Ihr Qualen dabei zufügend, die nicht mal ansatzweise so schmerzhaft waren, wie sich ihre Schreie anhörten. Dieses Bild. Sie, geschändet von einem, der nichts mehr war als ein dreckiger alter Sack mit Frau und Sohn. Wie konnte so einer nur eine Familie haben!? Legte er sein Gewissen ab? Dieser ... Bastard. Jede weitere Sekunde, die er es mit ansehen musste, machte Zorro wütender. Sein Herz zerbrach bei jedem Schrei, den Kuina von sich gab, bei jedem Keuchen des Mannes, der sich an seinem, jawohl an Zorros, Heiligtum vergriff. In tausend kleine Splitter. Bitte nicht! Aufhören! Doch niemand hörte seine Gedanken, noch sahen sie die Versuche des Gefangen sich zu befreien. Und selbst wenn, er war zu schwach um sich noch weiter zu wehren... Alle waren zu sehr damit beschäftigt ihrem Boss dabei zuzusehen, was er mit dem Mädchen trieb. Wie sehr sie unter seinen Bewegungen litt, unter den Schmerzen, die ihr zugleich mit dem Messer zugefügt wurden, und unter den Schlägen, wenn sie nicht gehorchen wollte oder sich immer wieder versuchte zu wehren. Sie zu Sachen zwingen, die unmenschlich waren. Sie Dinge sagen lassen, die kein normaler Mensch sagen würde. Es prägte sich wie ein Brandmal in seiner Seele ein. So tief, so hart und so schmerzend. Mit anzusehen wie sie gequält und geschändet wurde, ließ ihm klar werden, wie schwach er doch war und dass er nichts machen konnte. Alles, wie eklige Hände sie begrabschten, wie das Messer in ihr zartes Fleisch glitt und dunkles Blut ihren Körper verließ. Ihre flehenden Schreie völlig ignorierend. Selbst seine Schreie und Bitten aufzuhören wurden nur mit Schlägen beantwortet, und sobald er seine Augen schloss wurden ihm Schmerzen zugefügt, dass ihm nichts anderes blieb als diese wieder zu öffnen. Wie paralysiert sah er nur noch das Geschehen mit an. Diese Bilder... Diese Bilder, ihre Angstschreie, wie der Kerl sich an ihr vergriff, wie er sie quälte, bis sie keinen Ton mehr von sich gegeben hatte und reglos am Boden lag, sollten ihn fort an jede Nacht begleiten. Plötzlich klingelte das Handy des Mannes, der sich an ihr vergangen hatte, und er hob ab. Ein Name fiel. Ein Name den Zorro nur zu gut in Erinnerung behalten würde. Gustavo. Der Mann vor ihn war Gustavo. Gustavo, der unter Sir Crocodiles Füßen stand. Zorro fiel mit dem Gesicht voran gen Boden, schlug hart auf, schaffte es aber sich auf die Seite zu rollen und seinen Blick wieder auf seine Freundin zu richten. Lebt sie noch? Bitte! Lebe noch! Seine Gedanken sausten nur noch so herum, ließen ihn hoffen. Wären die schlimmen Schmerzen nicht, die pulsierenden Wangen und sein schmerzender Mund, würde er weiter schreien und Rache schwören. Während der Mann aufgebracht am Telefon redete, schaffte es Zorro sich etwas unbemerkt seiner Freundin zu nähren. Robbend hatte er einige Meter überwältigt, als ihn jegliche Kräfte verließen. Verdammt! Wenn er diese Fesseln nur loswerden könnte! Aber er war nah genug um ihr Gesicht etwas sehen zu können. Ihr fast lebloses Gesicht. Trübe Augen sahen seine verzweifelten smaragdgrünen Punkte an, hatten jedoch kein Spur von Zorn darin. „Zorro...“, flüsterte sie mit gebrochner Stimme. „Kui...“ Bevor Zorro etwas erwidern konnte, hörte er panische Schreie der Männer, wie sie wild durch die Gegend rannten, und schnell waren sie alleine. Zu schnell waren sie allein. Was war nur los? Draußen war ziemlicher Lärm zu hören. Schüsse, Geschrei und Gekämpfe. „Kuina!?“ Fast schon panisch klang seine Stimme, als sie wieder ihre Augen schloss und sich kein Stück bewegte. „Hör... mir... Hör mir bitte zu! Ic-“, Zorros Stimme brach ab, versank in Stille. Ein Kloß steckte in seinem Hals, verhinderte jedes weitere Wort was ihm auf den Lippen lag. Nur Kuinas Augen sprachen Bände. Eine kühle blutige Hand berührte seine gebräunte Wange. Ein Lächeln wurde ihm geschenkt. Ein zartes weiches Lächeln und die trüben Augen nahmen wieder etwas Menschliches an. Der sanfte Druck auf seiner Wange wurde immer schwächer und verschwand schließlich gänzlich. Ihre mit Blut verzierten Lippen formten unverständliche Wörter und er wusste, den Glanz ihrer Augen würde er nie wieder sehen. „Kuina...“, keuchte er nur noch unter den Schmerzen, die seinen Körper durchfuhren. „Hey! Bleib wach! Ich... es tut mir leid! Halte durch, wir schaffen es noch...“ Doch diese Worte erreichten ihre Ohren nicht mehr. Leere Augen starrten ihn nun an, ihre Finger waren kalt und ihre Haut wurde immer blasser. Jegliches Leben war aus ihr verschwunden. Alles was Zorro in ihr gesehen hatte. Und das änderte nichts an der Tatsache, dass er ihr nie sagen konnte, was er fühlte, dass sie hier in irgendeinem Keller festsaßen und dass ihm die Zeit etwas genommen hatte, was ihm lieb war. Nichts änderte die Tatsache, dass er total versagt hatte, sowohl als guter Freund als auch als heranwachsender Mann. Immer wieder ihren Namen sagend - dabei lauter werdend - hallte dieser von den Wänden der Halle zurück, versuchte er zu begreifen, was passiert war. Grobe Hände zerrten ihn von ihrem leblosen Körper weg, entfernten ihn von dem, was ihm am meisten lieb war. Nein Bitte nicht! Sie bitte nicht! Wie ein Sträfling wurde er in den Krankenwagen gesteckt. Den Reiz sich übergeben zu müssen, die helfenden Hände wegzuschlagen und dem Mafiosi zu folgen, unterdrückend ließ er diese Fremden ihre Arbeit verrichten. Das einzige woran er sich noch vage erinnern konnte, war das stinkende Krankenhaus, die nervenden Verbände um seinem Kopf, wie er es unerlaubt verlassen hatte und wieder in seine alte Spirale reinrutschte. Schlagen, Trinken, Dorgen. Darauf achtend, dass niemand ihm zu nahe kam. Darauf achtend, dass er nie mehr dem Dojo und ihrer Familie zu nahe kam. Darauf achtend, dass er sich selber nicht zu nahe kam, schon gar nicht seinen Gefühlen. Gott, wo war dieser Trottel nur? Eigentlich hätte es Kid sofort klar sein sollen, was es für ein Tag heute war. Aber er hatte es verschwitzt. Es war echt kein guter Tag. Auf jeden Fall nicht für Zorro. Schnell rannte er durch die Straßen, während der Regen ihm ins Gesicht klatschte. Scheiße, er musste sich beeilen! Und zwar schnell. Unbemerkt rempelte er Menschen an, hatte nur ein Ziel: Den Trottel finden und schnell nach Hause bringen. Der Regen wurde nicht weniger, prasselte und schmerzte auf Zorros Haut. Warum musste sie nur gehen? Es war doch seine Schuld, was geschehen war, nicht ihre. Nicht ihre, sondern seine. Scheiße! Wütend schlug er mit einer Hand in den Matsch. Scheiße, scheiße, scheiße! „Es tut... es tut mir so verdammt leid!“ Schluchzend krochen diese Worte aus seiner Kehle und verirrten sich im niederprasselnden Regen. Nun fielen die Tränen. Tränen für sie. Tränen die er all die Jahre für sich behalten hatte. Seine Tränen auf das Grab der des Mädchens. Scheiße, was war er nur für ein Weichei geworden! Daran war nur Sanji schuld… Sanji war schuld, dass er Gefühle zuließ. Der Regen übertönte alles. Sogar das Schluchzen des am Boden knienden jungen Mannes über einem Grab. Das war der Anblick, der sich Kid bot, als er völlig außer Atem dort ankam und unter einem Baum stehen blieb. Immer wieder schlug seine Hand in den aufgeweichten Boden ein, sodass Schlamm in sein Gesicht spritzte und sich mit seinen Tränen vermischte. Als ob sie das zurückbringen würde. Kid hielt dennoch Abstand, sagte nichts, denn er wusste genau wie Zorro auf so etwas reagieren würde. Und er wusste genau, dass Zorro ihn bemerkt hatte, auch wenn der tobenden Regen jedes Geräusch verschlang. Zorro hörte schwere Schritte, und versuchte sich wieder zu fangen. Diese Bilder, die Erinnerungen, alles musste sofort ausgeschaltet werden, zurück in die Schublade, zu der nur er den Schlüssel besaß und diesen bewusst verlegt hatte. Er richtete sich langsam auf, fuhr sich mit seinem Handrücken übers Gesicht und schmierte seine schmutzigen Hände an seiner Hose ab. Aus den feinen, verletzlichen und menschlichen Gesichtszügen wurden wieder harte und markante Züge, ehe er auch nur ein Wort von seinem Coach hörte. Kid wartete, bis sich Zorro von selbst bewegte. Ja, so war es schon seit Jahren. Seit Jahren war Zorro an diesem Tag mehr als reizbar, aggressiver und unberechenbarer als an den anderen Tagen. Wenn nicht gleichgültiger. Er sprach wenig und wenn, dann waren es aggressive Töne, die zuerst zu nett für seine Art waren. Seit Jahren tauchte er hier auf, meist dann, wenn keiner hier war und legte ein Catalaya Strauß auf dem Grab ab, welches ein Mädchen beherbergte. Sein Mädchen. Kuina. Obwohl Kid es sich zur Vorschrift gemacht hatte sich in das Privatleben seiner Schüler weitestgehend nicht einzumischen, fiel ihm das merkwürdige Verhalten seines Schülers auf und so kam eins zum anderen, bis er ihn hier fand. Kniend vor einem Grab. Still schweigend. Das waren die einzigen Stunden im Jahr, wo Zorro Kid etwas menschlicher vorkam. Endlich wandte sich Zorro zu ihm, doch sein Gesicht konnte Kid unter den großen Regentropfen nicht sehen. Und auch weil er diesen abwandte. Langsam trat er auf Kid zu und ging an ihm vorbei. Kid dachte erst, er sähe schlecht, doch der Zorro, der an ihm vorbei schritt, war nicht der, den er kannte vor seinem Verschwinden. Etwas war anderes. Er war noch kälter geworden, aber irgendwie hatte er menschlichere Züge angenommen. Kid lief ein Schauer über den Rücken. Scheiße, was war nur in all der Zeit geschehen? „…“, Zorro wandte noch einmal den Blick ab und hatte währenddessen seine Hände in seinen Hosentaschen versteckt. Kid, der noch etwas in Gedanken war, eilte dem davon schreitenden hinterher. Den ganzen Marsch über, bis hin zu seiner Wohnungstür hatte Zorro geschwiegen. Die ganze Zeit war kein einziges Wort seinerseits gefallen, außer bei Kid, der ihn ab und an mal was fragte, aber auf taube Ohren stieß. Und nun standen sie vor seiner verschlossenen Wohnungstür. Kid drückte Zorro den Schlüssel in die Hand und verwies mit einer Kopfbewegung auf diese. „Ruf mich morgen nach der Schule an! Dann treffen wir uns in Ruhe und reden über einiges, was ansteht.“ Kid drehte sich um, doch bevor er die Treppen runtersauste, hielt er inne und sah seinen Schützling noch einmal an. „Und Blondie, der... wie soll ich sagen... scheint momentan etwas labil zu sein… “ Zorro warf ihm einen Blick zu. „Nein, ich habe ihm nichts geta-“ „Ich weiß.“, unterbrach der Schüler seinen Coach. Mit diesen Worten verabschiedete sich Kid von seinem Schüler und wollte schon die Treppe runter gehen, als sein Schüler ihn aufhielt. „Kid…“, Zorro sah ihn mit ernster Miene an. Fragend erwiderte der Trainer den Blick. Zorro hatte sich doch verändert. „…Ist…doch nichts.“, wandte der Schüler ein und schloss die Tür auf. „Geh lieber, bevor dein Doc dir den Hintern aufreißt.“ „Tze… als ob er das je machen würde.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Kid erneut und lief die Treppe hinunter. Zorro blieb noch kurz vor der Tür stehen und atmete tief ein. ‚Danke, dass du mein Trainer warst…‘ Egal, was von jetzt an passieren würde, es wäre nur das beste für den Blonden und seine Freunde. Leise betrat er seine Wohnung. Wenn er Glück hatte, schlief Sanji schon längst. Aber dem war nicht so. Er saß auf der Couch und rauchte sich eine. Nichtssagend betrat Zorro die Wohn-Ess-Küche und hängte seine nasse Jacke über einen Stuhl. „Das war eine Lüge, oder?“ Sanjis Worte durchbrachen die Stille wie ein scharfes Messer, aber der Angesprochene schwieg nur. „Sag schon!“ Die Stimme wurde fordernder. „Sag wenigstens einmal die Wahrheit!“ „Das habe ich.“ Zorro ergriff wieder die Jacke und wollte gehen, doch eine Hand hielt die seine fest. Es war Sanjis kalte Hand. ‚Geh nicht!‘, genau dass sagten seine Augen, sahen Zorro eindringlich an. „Bleib. Wenn du jetzt gehst… mache ich deinen Plan zunichte. Auch deinen Deal und all deine Mühen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)