Keep my Secret von -melinda- (... and love me) ================================================================================ Kapitel 22: Tastensperre ------------------------ "Etwas mehr Beeilung, Kagome! Wir verpassen noch unseren Flug", rief Inuyasha aus dem Wohnzimmer durch die angelehnte Zimmertür. "Ja doch", rief sie zurück und verstaute noch schnell die letzten Kleinigkeiten in ihrem Rucksack. Den Koffer hatte sie bereits fertig gepackt. Hatte sie auch nichts vergessen? Nein. Die Perücke noch gerichtet. Inuyasha wartete. Schnell, schnell. "Warum hast du es denn so eilig?", fragte Kagome während sie ihr schweres Gepäck, auf den kleinen wackeligen Rollen, durch den Flur des Wohnheims hinter sich her zog. "Beim letzten Mal wäre es dir doch lieber gewesen das Flugzeug stürzt ab, als zu Hause anzukommen." "Na, weil ich es so schnell wie möglich hinter mir haben will", wich Inuyasha aus. Ihr zu verraten, dass er seine Meinung bezüglich ihrer Beziehung geändert hatte und ihr das in den Ferien in einem günstigen Moment mitteilen wollte, würde die Überraschung wohl verderben. "Warte, ich mach das." Inuyasha nahm ihr den schweren Rollkoffer ab und trug ihn für sie die Stufen hinunter. "Dankeschön", murmelte Kagome und folgte ihm mit verwunderten Blicken. Ihr war aufgefallen, dass er in letzter Zeit ungewöhnlich nett gewesen war. Nicht nett Nett. Aber doch schon irgendwie nett. Auf dem großen Parkplatz vor dem Hauptgebäude des Internats, waren haufenweise Schüler versammelt. Sie verabschiedeten sich von ihren Freunden und verstauten ihr Gepäck in Taxis oder den teuren Autos ihrer Eltern. Viele Gesichter kannte Kagome vom Sehen her. Mit Einigen hatte sie bereits ein paar Höflichkeiten ausgetauscht und ein paar Vereinzelte waren für sie zu einer willkommenen Gesellschaft geworden. Diesen wenigen Bekannten nickte sie im Vorbeigehen kurz zu. Ein kleingewachsenes blondes Mädchen mit Sommersprossen auf der Nase, grinste sie breit an und wünschte ihr ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr. Sie winkte ihr lächelnd zum Abschied und folgte Inuyasha weiter durch die Menge. Ja, sie hatte sich gut hier eingelebt, stellte sie fest. Ray und seine kleine Schwester Ronnie warteten bereits am Taxi und luden ihre Sachen in den Kofferraum. "Tut mir leid, dass ich euch habe warten lassen", entschuldigte Kagome sich und hob ihren Koffer auf die Ladefläche. Ray lächelte beruhigend und warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. "Keine Sorge, wir liegen gut in der Zeit. Wir werden unseren Flieger schon nicht verpassen." "Ach, nicht?" Kagome warf Inuyasha einen fragenden Blick zu. "Man kann nie früh genug am Flughafen sein. Während der Fahrt kann alles Mögliche passieren und verpasst man den Flug, gibt's so schnell keinen Neuen", rechtfertigte er sich. "Es ist ja nicht so, als würden Flugzeuge vom Himmel fallen- Oh. Das war unklug formuliert." "Was ist eigentlich mit Sam", fragte Kagome und schaute sich suchend um. "Fährt sie nicht mit uns?" "Sie ist schon gestern geflogen. Ihr Vater hat sie mit dem Privatjet abgeholt", antwortete Ray und schlug den Kofferraum zu. "Klar, hätte ich mir denken können." Kagome versuchte möglichst genau so unbefangen zu klingen wie er. "Das erspart uns zumindest den Ärger ihr erklären zu müssen, warum Kaoru mit nach Kalifornien fliegt", meinte Inuyasha und damit hatte er recht. Diese Situation war ein Glücksfall. "Würdet ihr euch dann mal in den Wagen setzen, damit wir los fahren können", rief Ronnie ungeduldig aus dem Taxi. Sie saß bereits angeschnallt und voller Vorfreude auf ihrem Platz in der Mitte des Rücksitzes. "Du treibst mich mal wieder an den Rand des Wahnsinns, Kleine", antwortete Ray und setzte sich auf den Beifahrersitz neben den Taxifahrer. Inuyasha und Kagome setzten sich rechts und links neben Ronnie. "Sie gibt mir schon den ganzen Morgen über Befehle", erklärte er Kagome. "Ich muss so fies zu dir sein, das ist mein Job als kleine Schwester." "Du machst ein bisschen zu viele Überstunden", beschwerte Ray sich. "Was soll ich sagen? Ich liebe meinen Job." Die Fahrt zum Flughafen und das Check-In verliefen problemlos. Inuyasha stand Schmiere während sie sich auf der Flughafen-Toillette umzog und hatte ihr später im Flieger wieder den Fensterplatz überlassen. Ray und seine Schwester hatten zwei Plätze einige Reihen hinter ihnen erhalten. Kagome konnte sie nicht mal richtig sehen. Sobald sie in der Luft waren, hatte Inuyasha die Rücklehne seines Sitzes so eingestellt, dass er bequem liegen konnte und seine Augen hatte er fest geschlossen. Wenn er mal schlafen konnte, schlief er immerhin schnell ein. Das würde wohl eine sehr ruhige Reise werden. Sie kramte einen Roman aus ihrem Rucksack und lehnte sich ebenfalls gemütlich zurück. Sie blickte noch einmal zu ihrem Sitznachbarn, während sie die Seiten aufschlug. Er wirkte irgendwie traurig, dachte sie und fragte sich was er wohl träumte. Es ist dunkel. Und es ist ruhig. Um zwei Uhr morgens ist es immer ruhig auf den Straßen von Belvedere. Nur das Rauschen der Wellen, die gegen die Bucht schlagen, ist zu hören. Der Asphalt ist noch ziemlich nass, die Luft ist schwül. In dieser Woche regnet es bemerkenswert viel. Ungewöhnlich für Kalifornien. Inuyasha genießt die Abwechslung. Er hat wahrhaftig genug vom alltäglichen Sonnenschein und blauem Himmel. In der Ferne erkennt er eine Gestalt. Eine junge Frau? Um diese Uhrzeit? Er ist bei seinen nächtlichen Spaziergängen noch nie jemandem begegnet. Das Licht der Straßenlaterne fällt genau auf sie, sonst hätte er sie vermutlich gar nicht bemerkt. Er behält das langsame Tempo seines Ganges bei und Schritt für Schritt kommt er ihr näher und erkennt immer mehr Einzelheiten. Er bleibt abrupt stehen als er bemerkt, dass er dieses Mädchen kennt. Das ist Kikyo. Sie lehnt an dem eisernen Geländer am Rand der Straße und schaut hinunter ins schwarze Wasser. Sein Blick fällt auf das Straßenschild an der Ecke. Windward Road. Das ist die Straße in die Kikyo und ihre Familie neulich eingezogen sind. Dass er schon fast Zuhause angekommen ist, hat er gar nicht wahrgenommen. Inuyasha hat wenig Lust sich mit dieser Ziege zu unterhalten. Er glaubt, sie hat ihn nicht gesehen, deshalb versucht er sich hinter ihr vorbeizuschleichen. "Du gehst einfach weiter?", fragt sie leise, doch ihre Stimme klingt fremdartig laut in der Stille der Nacht. Inuyasha zuckt zusammen. Mist. Sie hat ihn längst bemerkt. "Ja", antwortet er widerwillig. "Ja, das hatte ich vorgehabt." "Willst du denn nicht wissen, warum ich so spät in der Nacht hier draußen bin?" "Nein, nicht wirklich." Kikyo dreht sich zu ihm um und sieht ihm forschend in die Augen. "Ich kann dich nicht ausstehen", ergänzt Inuyasha schroff. "Verstehe", sagt sie und nickt. "Ich habe dich gekränkt. Das tut mir leid." "Zur Kenntnis genommen." Inuyasha will schleunigst verschwinden. Ihr Blick ist ihm unangenehm. Als wüsste sie was er denkt und fühlt, als würde sie ihn komplett durchschauen. Unheimlich. "Was machst du so spät hier draußen?", fragt sie, als er einen Schritt machen will. Er runzelt die Stirn und schaut sie unschlüssig an. "Ich bin nicht so gleichgültig, wie manche anderen Menschen." "Ich bin auch nicht gleichgültig!", knurrt er wütend. "Ich weiß", sagt sie schnell. "Das war keineswegs an dich gerichtet. Wärst du gleichgültig, würdest du gar nicht vor mir stehen. Und du würdest mir auch nicht einen kleinen Teil deiner Zeit schenken um mir Gesellschaft zu leisten." Geschickt geäußert, denkt Inuyasha und seufzt. Jetzt hat er eigentlich keine andere Wahl mehr. Zögernd geht er näher auf sie zu und lehnt sich neben sie rücklings ans Geländer. "Also?", fragt Kikyo nach einer kurzen Weile. "Was treibt dich zu dieser Stunde auf die Straße?" "Ich wüsste nicht, was dich das angeht", murmelt Inuyasha abweisend. "Gar nichts", stimmt sie zu. Er neigt seinen Kopf vorsichtig in ihre Richtung und beobachtet sie aus dem Augenwinkel. Was soll das? Was will sie mit dieser Aktion erreichen? "Inuyasha?", fragt sie plötzlich und er zuckt unmerklich zusammen. Das ist das erste Mal, dass sie ihn beim Namen nennt. "Was hast du für eine Meinung von mir?" "Hä?" Das irritiert ihn. "Warum fragst du mich so etwas?" "Tut mir leid", haucht sie entschuldigend. "Ich würde nur gerne wissen, wie du über mich denkst. Ich kenne dich leider nicht sehr gut aber ich glaube, dass du eine sehr ehrliche Person bist." Hat sie gerade wirklich leider gesagt? "Nun", beginnt er unentschlossen, "ich finde du bist eine unausstehliche, perfektionistische Streberin die viel zu wenig lächelt." Sie hebt überrascht die Augenbrauen und sieht ihm erstaunt in die Augen. "Ich- Ich lächele zu wenig?" "Wann hast du das letzte Mal so richtig Spaß gehabt?" Sie senkt stumm den Blick. "Ja, das habe ich mir gedacht." "Wann hast du das letzte Mal in ein Schulbuch geschaut?", kontert sie. Inuyasha muss schmunzeln. "Das ist verdammt lange her." "Meine Eltern sind sehr streng", erzählt Kikyo schließlich. "Bei allem was ich tue, erwarten sie Bestleistungen. Sobald es den Anschein hat, dass ich etwas nachlasse ergreifen sie sofort sämtliche Maßnahmen. Du sagst, ich wäre eine Streberin. Aber auch ich könnte mir vorstellen gelegentlich mal etwas zurückzutreten. Mich einmal komplett fallen zu lassen und einen Moment lang nicht an die nächste Prüfung zu denken. Aber das kann ich nicht. Ich will meine Eltern keinesfalls enttäuschen. Ich will niemanden enttäuschen." "Hör auf zu philosophieren", murrt er und runzelt die Stirn. "Wir haben alle unsere Päckchen zu tragen." "Du hast recht. Ich sollte mich nicht beklagen." Das Rauschen des Wassers wird lauter. Die Wellen schlagen höher. Inuyasha schaut kurz in den Himmel und erhascht noch einen letzten Blick auf den Mond, bevor er von der schweren Wolkendecke vollends überdeckt wird. "Sieht ganz so aus, als ob es gleich wieder anfängt zu regnen." "Wie damals", murmelt Kikyo und Inuyasha erstarrt. Er weiß ganz genau welches Damals sie meint. Der Tag an dem sie geweint hat und er einfach an ihr vorbeigegangen ist. "Ähm, ich hätte dich ja getröstet und so", stottert er verlegen. "Aber ich hatte keine Taschentücher dabei." Sie fängt an zu kichern. Leise. Gedämpft. Völlig aus der Übung. "Darüber machst du dir Gedanken?", fragt sie. "Ich wünschte du hättest mich gar nicht bemerkt. Es ist mir furchtbar peinlich, dass du mich so gesehen hast. So... schwach." Inuyasha sagt dazu nichts und sie fügt hinzu: "Wir sind gar nicht so verschieden, was? Wir beide leben in einer Welt, die uns nicht gefällt. Nur das ich versuche mich anzupassen und du willst unbedingt ausbrechen." "Ja", antwortet er missmutig. "Du spielst das Spiel mit." "Während du deine Figur längst vom Spielbrett genommen hast", ergänzt Kikyo. Daraufhin herrscht eine zwanglose Stille. Die Minuten vergehen langsam, bis der erste Regentropfen auf das Geländer prallt. Wie aufs Stichwort drückt Kikyo sich von der Eisenstange und sucht Inuyashas Blick, schaut ihm tief in die Augen. Ein kalter Schauer läuft ihm über den Nacken. Ihm fällt nichts ein, das er hätte sagen können, also schweigt er weiter und erwidert bloß die Geste. "Man sieht sich", sagt sie leise und er nickt. Anschließend dreht sie sich um und läuft die Windward Road entlang. Er schaut ihr solange hinterher, bis ihre Silhouette mit der Dunkelheit verschmilzt. Mit schnellen Schritten läuft er nach Hause, als der Regen stärker wird. Er springt die große Mauer am Rand des Hauses hoch. Er benötigt dieses Mal zwei Anläufe, weil die Mauer von der Nässe ganz rutschig ist. Von dort oben ist es ganz leicht, auf den großen Baum zu klettern. Er stellt sich auf einen besonders kräftigen Ast, von dem Inuyasha mit Sicherheit weiß, dass er sein Gewicht tragen kann. Das Fenster hat er für den Rückweg extra offen gelassen und er schlüpft leise hindurch. Er landet im Flur des ersten Stockwerks. Auf dem Teppich vor dem Fenster hat sich ein verräterischer Wasserfleck gebildet, aber bis zum Morgen wird er trocken sein, hofft Inuyasha. Nachdem er sich nach oben in sein Zimmer geschlichen hat, was schwer ist bei Sesshoumarus extrem leichten Schlaf, zieht er sich die nasse Kleidung vom Körper und springt schnell unter die heiße Dusche. Während er sich mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelt stellt sich Inuyasha vor das große Fenster und schaut in die Ferne. Sein Shirt liegt nach dem Duschen mit einem Hauch Feuchtigkeit an seiner Haut. Das Licht ist ausgeschaltet, sein Spiegelbild im Fensterglas behindert die Aussicht nicht. Sein Blick wandert nach links, dabei berührt seine Stirn das kühle Glas. Sein Atem lässt die Scheibe beschlagen. Die Häuser der Windward Road, die er von seinem Zimmer aus sehen kann, liegen dunkel und ruhig da und es ist kein Anzeichen von Leben zu erkennen. Um diese Uhrzeit ist es nunmal immer ruhig in Belvedere und manchmal fühlt er sich wie der einzige noch lebende Mensch auf Erden. Plötzlich scheint Licht durch eines der dunklen Fenster und schlagartig drängt sich ein anderes Leben in seine selbst gewählte Einsamkeit. Inuyasha erstarrt, als er Kikyo in dem Fenster erkennt. Sie kann ihn nicht sehen, weil sein Licht ausgeschaltet ist. Mit flacher Atmung beobachtet er ihre flüchtige Erscheinung, wenn sie kurz an dem Fenster vorbeigeht. Dann zieht sie ihre Vorhänge zu und das Licht erlischt wieder. In der nächsten Nacht verschlägt es Inuyasha seltsamerweise an den Platz, an dem eisernen Geländer. Sie ist auch dort und dieses Mal versucht er nicht sich an ihr vorbei zu schleichen, sondern geht direkt auf sie zu. Sie dreht sich um, als sie seine Schritte hört und lächelt ihn an. "Da bist du ja." Sie hat schon auf ihn gewartet. "Inuyasha", flüstert sie zärtlich, legt ihre Hand auf seine Schulter und schüttelt sie leicht. Verwirrt versuchte er zu begreifen warum sie das tat, aber da schlug er bereits die Augen auf. "Inuyasha?", wiederholte Kagome und rüttelte noch einmal leicht an seiner Schulter um ihn zu wecken. "Wir landen gleich, du musst den Gurt anlegen." "Hmm", seufzte Inuyasha verschlafen und stellte seinen Sitz wieder in die Ausgangsposition. Er hatte tatsächlich den gesamten Flug verschlafen. Das Erste was Kagome nach der Landung auffiel, war die Wärme. Es war Mitte Dezember, doch statt Schneematsch und Eiswind, herrschten angenehme siebzehn Grad und frische Brisen in San Francisco. Schnell zog sie ihre Jacke wieder aus und folgte ihren Freunden in die riesige Flughafenhalle. Inmitten der chaotischen Menschenmassen, stand ein Ehepaar mittleren Alters. Sie beide hatten rote Haare. Es war unverkennbar. "Daddy!", rief Ronnie glücklich und rannte auf ihren Vater zu. Er breitete lachend die Arme aus, warf seine Tochter ein Stück hoch und drückte sie dann liebevoll an sich. Die Frau mit den feuerroten Locken strich kurz über Ronnies Rücken und wandte sich dann Ray zu. Sie nahm sein Gesicht in die Hände und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange, bevor sie ihren Sohn in die Arme schloss. Bei diesem rührenden Wiedersehen, konnte Kagome gar nicht anders, als zu lächeln. "Hallo, Inuyasha", sagte die Frau schließlich und umarmte auch ihn, "Schön dich zu sehen." Inuyasha erwiderte die Geste kurz und deutete dann auf Kagome. "Das ist Kagome", sagte er und fügte zögerlich hinzu: "Meine Freundin." Falls die Frau überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. "Mein Name ist Reese und das ist mein Mann Ryan", stellte sie sich lächelnd vor und gab ihr die Hand. Ray, Ronnie, Reese und Ryan? Ja. Sie hatten scheinbar eine Vorliebe für Namen die mit einem R anfingen. "Fahren wir direkt ins Restaurant?", fragte Ronnie. "Wenn ihr das wollt", antwortete Ryan und stellte sie wieder auf dem Boden ab. Er warf Ray einen fragenden Blick zu und der nickte. "Das wäre mir recht." "Wollt ihr nicht erst einmal Zuhause auspacken?", fragte Reese erstaunt. "Nein", widersprach Ronnie und grinste. "Ich will Süßkartoffeln! Ich habe die Nase voll von Reis und Nudelsuppe." Ihr Vater lachte amüsiert auf. "Ich nehme an, wir werden dich auf der Weihnachtsfeier wiedersehen, Kagome", sagte Reese. "Ja", antwortete sie lächelnd. "Ich werde da sein." "Ich habe sie übrigens zu einem Gratisessen eingeladen. Sie wird demnächst im Carson's vorbeischauen." "Ah, dann serviere ich dir meine berühmten Tagliatelle Contadina und als Nachspeise Zitronensourbet! Und als kleinen Apetizer für zwischendurch-" "Jetzt überfall das Mädchen doch nicht direkt", mahnte Reese ihren Mann. "Sonst taucht sie letzten Endes doch nicht auf." Ray steuerte mit seiner Familie auf den Ausgang zu, während Inuyasha und Kagome sich auf den Weg in die Tiefgarage machten. Dieses Mal mit geschlossenem Verdeck, sausten sie die Auffahrt hoch und fuhren die gleiche Strecke wie beim letzten Mal. Inuyasha drehte am Regler herum, um einen passenden Radiosender zu finden. Rauschen, Country, Rauschen, Hip hop, Rauschen, Rauschen, Jazz, Rauschen, Verkehrsmeldungen, Rauschen, rauschende Verkehrsmeldungen. Schließlich spielte ein rockiger Song, der Inuyasha zu gefallen schien. Lächelnd beobachtete sie ihn, während er zum schnellen Takt auf das Lenkrad trommelte. "Du hast überraschend gute Laune", sagte Kagome schließlich. "Na, weil momentan auch alles gut läuft. Ich habe diesen grauenhaften Test bestanden-" Sie hob skeptisch eine Augenbraue. "Nur ganz knapp." "Die zwei Punkte zählen!", beharrte er. "Endlich kein Chemie mehr. Ein Problem weniger. Und nach der Feier verschwinden meine Eltern in die Schweiz für ihren Skiurlaub und ich habe das gesamte Haus für mich allein. Ein besseres Weihnachtsgeschenk können sie mir gar nicht machen." "Du fährst nicht mit?" Inuyasha runzelte die Stirn. "Sehe ich aus als wäre ich verrückt?" "Aber dann bist du Weihnachten ganz alleine. Das ist furchtbar." "Nein. Das ist großartig", widersprach er. Kagome schaute ihn verständnislos an. Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu und erklärte: "Ich hasse Ski fahren... mit meinen Eltern." Nachdem sie in die Edgewater Road eingebogen waren, hielt Inuyasha vor Haus Nummer Neun. "Warum halten wir vor Sam's Haus?", fragte Kagome. "Sie ist die Einzige von der wir uns ein Kleid für dich ausleihen können", antwortete Inuyasha und öffnete die Fahrertür. "Das brauchen wir nicht, ich habe ein Kleid dabei." Er musterte sie zweifelnd. "Es ist ein schönes Kleid", behauptete sie, "Ein Kleid dem man gar nicht ansieht, dass es reduziert war." Sein Blick wurde noch eindringlicher und sie knickte ein. "Um siebzig Prozent." "Entweder leihst du dir ein Kleid von Sam, oder wir beide fahren ins nächste Geschäft und ich kaufe dir eins." "Schon gut, du hast gewonnen." Seufzend stieg sie aus dem Wagen und folgte Inuyasha zur Haustür. Dieses Mal fing er nicht an die Erde umzugraben, sondern klingelte einfach. Man hörte ein lautes Poltern und Stampfen. Die Tür wurde aufgerissen und Sam empfing sie mit einem wutverzerrtem Blick. "Oh heilige Scheiße", fluchte Inuyasha, während er ihren Pullover anstarrte. Ein Rentier-Pullover. Mit Streifen. "Ich hasse Weihnachten!", murrte Sam und drückte auf Rudolfs Nase auf ihrem Bauch. Daraufhin fing der Pullover an zu leuchten und eine verzerrte Stimme sang Jingle Bells. "Es ist scheußlich und singt auch noch?", fragte Inuyasha entsetzt. "Hat meine Mutter auf dem Ramschtisch entdeckt und sofort zugegriffen. Als ob es ihr Spaß macht mich zu demütigen. Es sollte verboten werden, diese Dinger in unseren Größen zu verkaufen!" "Und du musst den jetzt wirklich tragen?" "Ja, aber keine Sorge. Ich werde dafür sorgen, dass dieser Fleece-Alptraum später einen Unfall mit dem Grill haben wird." "Ach, eigentlich siehst du doch ganz süß darin aus", zog Inuyasha sie grinsend auf. "Sag das noch mal und ich sorge dafür, dass sie dir auch einen kauft!" "Schon gut. Hör zu, ich brauche ein Kleid." "Kein Problem", meinte sie trocken. "Ich habe da was, das hervorragend deine Augen betont." "Doch nicht für mich, du Nuss!" Inuyasha schob Kagome vor, die sich hinter seinem Rücken versteckt gehalten hatte. "Für sie. Sie spielt meine Freundin auf der Weihnachtsfeier." "Hi", war alles was Kagome hervor brachte, während sie verzweifelt dachte: Bitte erkenne mich nicht. Bitte erkenne mich nicht! Sam musterte sie von oben bis unten und grinste. "Ich weiß es!" Kagome, sowie Inuyasha zuckten erschrocken zusammen. "Deshalb hat dir Ronnie die Zeitschrift in die Hand gedrückt, richtig?" "Ja, richtig", sagte er schnell. Kagome warf ihm einen fragenden Blick zu. "Verstehe. Kommt mit nach oben, wir werden schon was Passendes finden." Sam führte die beiden die Treppe rauf in ihr Zimmer. "Also, woher kennt ihr euch?", fragte Sam. "Du und-" "Kagome", stellte sie sich vor. "Wir kennen uns-" "-aus Kindertagen." "-aus dem Internet", sagte sie fast zeitgleich und schaute erschrocken zu Inuyasha rüber. "Ja, Kagome schrieb mich im Internet an, weil sie mich wiedererkannt hat-" "Wir waren Sandkastenfreunde", fügte Kagome hinzu. "Bevor ich und meine Familie aus Japan hierher gezogen sind." "Auf welcher Internetseite?", fragte Sam. "Was?" "Auf welcher Internetseite hat sie dich erkannt?" "Facebook." "Du bist auf Facebook angemeldet?" Sie hob verwundert eine Augenbraue. "Manchmal." "Ich habe Inuyasha angeschrieben und gefragt wie es bei ihm so läuft-" "Und da sind wir auf das Thema mit den falschen Freundinnen gekommen und ich habe sie gefragt, ob sie nicht Lust hätte meine Freundin zu spielen, weil-" "Weil ich Schauspielerin werden will und das eine tolle Übung für mich ist." "Okay", meinte Sam und beäugte die beiden prüfend. "Und dass ihr euch wie ein echtes Paar gegenseitig die Sätze beendet ist nur geschauspielt, ja?" Die beiden wechselten einen schnellen Blick. Sam schmunzelte und öffnete die Tür zu ihrem Kleiderraum. "Such dir einfach was aus, das dir gefällt." "Danke." Sie zog die Tür hinter sich zu. Sam stellte sich neben Inuyasha und begann leise zu singen: "Kagome und Inuyasha, sitzen auf dem Baum. Küssen, küssen, küssen sich-" "Halt die Klappe", zischte er. "Du magst sie, das sehe ich doch." "Sam- Pscht. Okay?" Sie drückte ihre Hand gegen den Mund, um nicht aufzulachen. Dabei kam sie mit ihrem Ellenbogen an Rudolfs Nase. Jingle Bells, Jingle Bells... "Ich hasse Weihnachten wirklich." "Ja, Feiertage machen alles nur noch schlimmer", stimmte Inuyasha zu. "Mit wem musst du es verbringen?" "Heiligabend mit meinem Dad. Den ersten Feiertag mit meiner Mum. Außerdem zwingt sie mich heute Abend auf diese blöde Feier deiner Mutter." "Mein Beileid." "Dann fühlen wir uns wenigstens gemeinsam unwohl", lächelte sie und boxte ihm freundschaftlich auf den Oberarm. Die Kleiderschranktür öffnete sich und Kagome lief barfuß auf sie zu. Sie trug ein einfaches schwarzes Kleid, mit dünnen Spaghettiträgern. "Welche Schuhe passen besser, was meint ihr?", fragte Kagome und hielt zwei Paar Schuhe hoch, die beinahe identisch aussahen. Inuyashas Gesicht war Kreidebleich geworden. Als hätte er einen Geist gesehen. "Was ist?" "Zieh das sofort aus", forderte er und verkrampfte den Unterkiefer. "Was fällt dir ein?", rief Kagome empört. "Er meint, du sollst ein anderes Kleid anziehen", erklärte Sam schnell. Sie wirkte mindestens genau so erschrocken. "Das kleine Schwarze steht dir überhaupt nicht, Süße." "Warum nicht? Es ist schlicht und elegant." "Glaub mir, das geht gar nicht." Sam schob sie zurück in den Kleiderraum. "Ganz hinten hängt ein rotes Kleid mit passendem Taillengürtel. Probier das doch mal an." "Na Gut, wenn du meinst." "Sie sieht ihr ziemlich ähnlich", flüsterte Sam, nachdem Kagome wieder im Schrank verschwunden war. "Die braunen Augen, lange schwarze Haare-" "Nur in diesem Kleid." Inuyasha kniff die Lippen zusammen. "Sie ist nicht wie Kikyo. Ganz und gar nicht." "Du musst es ja wissen." "Besser so?" Kagome trat wieder hervor, drehte sich in dem roten Kleid einmal im Kreis und Sam nickte. "Ja, so kannst du dich sehen lassen. Aber ich rate dir, noch ein Paar Strümpfe zu tragen. Die Feier findet unter freiem Himmel und in einem Zelt statt. Abends wird es relativ kühl. Dazu trägst du diese Schuhe." Sie reichte Kagome schwarze Strumpfhosen und schlichte schwarze Pumps. "Die sind relativ bequem und von mir schon weich gelaufen. Das dämpft die Blasengefahr." Eine Stunde später schien Inuyasha sich wieder beruhigt zu haben. Sie verabschiedeten sich von Samantha und fuhren bis zum Ende der Straße, wo er links in die Einfahrt bog. Schweigsam gingen sie langsam auf die Haustür zu. Kagome konnte nicht verstehen was sie falsch gemacht hatte. Was Inuyasha dazu veranlasst hatte plötzlich so geknickt zu sein. Und sie wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Als sie auf die Klingel drückte, ertönte ein aggressiver, schriller Ton, der mit dem sanften Glockenspiel von vor ein paar Monaten, gar nichts mehr zu tun hatte. Inuyasha zuckte genau so zusammen wie Kagome. "Was zur Hölle war das"?, fragte er und starrte entsetzt auf das Klingelschild. Hinter der Tür konnten sie die Stimme seiner Mutter hören. "Wie oft muss ich Ihnen das noch erklären? Das ist die neue Türschelle, kein Alarm! Wie kann man nur so unglaublich inkompetent sein?" Izayoi öffnete die Tür und machte einen ziemlich gestressten Eindruck. "Da bist du endlich, Inuyasha", sagte sie erleichtert, bevor sie seine Begleitung bemerkte und plötzlich eher negativ überrascht wirkte. "Oh, und Kagome ist auch hier." "Du hast sie doch eingeladen", erinnerte er sie. "Ja, das ist richtig... Kommt rein. Und passt auf wo ihr hintretet." Inuyasha und Kagome folgten ihr vorsichtig durch den Flur und wichen der Dekoration und den Verpackungen aus, die kreuz und quer mitten im Gang herum lagen. Der Weg nach oben und ins Wohnzimmer waren komplett unzugänglich. "Was soll diese abartige Klingel?", fragte Inuyasha. "Da wurde irgendein Fehler gemacht. Ich habe etwas völlig anderes bestellt. Aber ich bin noch nicht dazu gekommen, mich darum zu kümmern." "Stress und Zeitdruck?" "Nein. Wie kommst du denn darauf?", antwortete Izayoi, verzog das Gesicht und schrie: "Wenn ich noch einmal auf eine lose herumliegende Christbaumkugel trete, ist der Nächste den ich sehe fristlos gefeuert! Setzt euch hierhin und bewegt euch nicht vom Fleck bevor hier nicht wieder etwas Ordnung herrscht." Die beiden setzten sich auf den Hocker vor dem Klavier und legten ihre Taschen darunter. Izayoi eilte in den nächsten Raum und sie konnten hören, wie eine weitere Christbaumkugel begleitend von einem hässlichen Knacken zertreten wurde. "Läuft das immer so ab?", fragte Kagome zögerlich. "Jedes verdammtes Jahr sitze ich hier. Aber das erste Mal in Gesellschaft." "Was erwartet uns bei dieser Veranstaltung?" "Ach, das Übliche", antwortete Inuyasha. "Für mich sicher nicht", widersprach sie und deutete auf das umliegende Chaos. "Es kommen jede Menge Leute, die mit ihrem Geld protzen. Auktion, Tombola, Dinner und der ganze andere bedeutungslose Kram." Während sie dort saßen und warteten, hörten sie Izayois laute Anordnungen und Vorwürfe, Dinge die zu Bruch gingen und polternde Schritte die orientierungslos durch das Haus liefen. Kagome seufzte gelangweilt und drückte auf eine Taste des Klaviers. Ein sanfter Ton erklang, der noch wenige Sekunden nachschwang. Sie schaute zu Inuyasha, aber er reagierte nicht. Sie drückte drei Tasten schnell hintereinander. Immer noch keine Reaktion. "Kannst du spielen?", fragte sie schließlich. Er verzog kurz das Gesicht, als hätte er geahnt, dass sie fragen würde. "Ich hatte ein paar Unterrichtsstunden, aber ich habe es gehasst." "Ja? Zeig mal was du drauf hast." Er überlegte einen Moment lang. Da er ja gerade nichts Besseres zu tun hatte, zuckte er nur mit den Schultern und drehte sich auf dem Hocker um. "Okay, was soll ich denn spielen?" "Das was dir gerade einfällt." In diesem Moment lief Izayoi an ihnen vorbei und scheuchte zwei junge Männer umher. Inuyasha fing an zu grinsen. "Also schön. Achte auf meine Mutter." Kagome verstand nicht ganz, tat aber was er wollte und fing an Izayoi ganz genau zu beobachten, während er eine kurze Melodie zu spielen anfing, die nach und nach schneller wurde. Die Klänge passten haargenau auf die Bewegungen seiner Mutter, was ziemlich witzig aussah. Als Kagome die Melodie schließlich erkannte, musste sie lachen. "Der weiße Hai? Ist das dein Ernst?" Er antwortete nicht, aber die Titelmusik des bekannten Films ging in eine andere über. Sie lachte lauter, nachdem sie auch dieses Lied erkannt hatte und Izayoi wurde darauf aufmerksam. Erbost runzelte sie die Stirn und stapfte auf die beiden zu. Inuyasha hörte augenblicklich auf. "Wirklich, Inuyasha?", fragte sie vorwurfsvoll, "Sehe ich für dich etwa wie Darth Vader aus?" "Na ja", murmelte er gedehnt. "Lass das sein!", zischte sie beleidigt und drehte sich um. Inuyasha drückte vorsichtig auf ein paar Tasten und wiederholte die Melodie von vorher. Seine Mutter wirbelte herum und drückte die Klappe vom Klavier hinunter. Inuyasha konnte seine Finger gerade noch wegziehen. "Wenn ich noch einen Ton höre-" "-bin ich gefeuert, schon klar", ergänzte er ihren Satz. "Geh und vollende den Bau deines Todessterns. Wir sind still." "Herzlichen Dank", seufzte Izayoi, pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn und ging wieder an die Arbeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)