Wie es geht von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 1: Wie es geht ---------------------- Wie es geht „Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?“ Shikamaru antwortete nicht und starrte nur weiter vor sich hin. Starrte sie an. „Kuckuck!“ Temari wedelte demonstrativ mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum. „Seh ich so schrecklich aus, dass es dir die Sprache verschlagen hat?“ Sein Blick lichtete sich ein wenig, er stammelte ein „Nein“ und riss sich vom Anblick ihrer dunklen Augen ab, die er so verdammt hübsch fand. Der kitschige Ausdruck hübsch passte eigentlich nicht zu Temari, doch er wollte nicht seine Zeit damit verschwenden nach einem treffenderen Synonym zu suchen. „Du bist momentan aber auch komisch“, sagte sie. „Dabei müsstest du doch eigentlich froh sein, dass wir diesen Prüfungsstress hinter uns haben.“ „Na ja, geht so …“ „Soll das heißen, dass du dich gerne zehn Stunden am Tag mit Papierkram herumschlägst und anschließend genauso lange das Training der Genin überwachst?“ „Im Gegensatz zu sonst ist es wenigstens ein geregelter Tagesablauf.“ „Auch wieder wahr. Ich schlafe auch lieber in einem Bett als auf einem Baum oder im Sand.“ Bett, Baum, Sand … Diese Szenarien konnte er sich gerade lebhaft vorstellen. Temari, wie sie friedlich und engelsgleich schlief, das Mondlicht einen matten Schimmer auf ihre Haut warf und – Moment, woher kamen plötzlich diese spießigen Gedanken? Ein Engel sollte sie sein? Teufel passte doch tausendmal besser! Diese leicht rosarote Brille ging völlig an der Realität vorbei, schließlich wusste er, was sie für eine Person war: Bestimmend, stur, einfach anstrengend; aber auch humorvoll, warmherzig, und – von vielen verkannt – liebenswürdig. Sie war bei weitem kein perfekter Mensch – auch wenn sein Gehirn ihm seit ein paar Wochen ständig das Gegenteil einzureden versuchte –, doch für ihn waren es genug Gründe, sie zu lieben. Wenn er ihr das nur so direkt sagen konnte, wie er ihre Charaktereigenschaften aufzählte. Man konnte ihm die schwierigsten Denkaufgaben stellen und er wusste rasch, wie sie gingen, aber in Liebesdingen war er ein totaler Schwachkopf. „Träumst du etwa schon wieder?“ Sie grinste, schaffte es aber mit ihrem süffisanten Gesichtsausdruck nicht, seinen Eindruck von ihr zu schmälern. Shikamaru zuckte nur mit den Schultern. „Mit dir ist heute ja wirklich nichts los“, bemerkte Temari. „Vielleicht solltest du nach Hause gehen und dich mal richtig ausschlafen.“ Wenn du mitkommst gerne, dachte er und fluchte gleichzeitig, dass er sich nicht traute, diesen Satz laut auszusprechen. Sie hätte ihn sowieso nur als Spaß angesehen, was der Stimmung sicher gut getan hätte. „Apropos“, fuhr sie fort und stand auf, „ich werd jetzt auch gehen, bevor ich heute Nacht den harten Waldboden einem verlausten Pensionsbett vorziehen muss.“ „Schon so spät?“, fragte er und klang zu seinem Leidwesen ziemlich enttäuscht. Er wollte sich bloß nicht anmerken lassen, dass er irgendwie auf sie stand. Obwohl … Wenn sie sich das auf Basis seines Verhaltens zusammenreimen konnte, umso besser. Dann konnte er sich ein peinliches Ach, übrigens, ich liebe dich! sparen. „Ja“, bestätigte sie und zog eine Grimasse, „leider.“ „Dann bleib doch noch bis morgen“, schlug er hoffnungsvoll vor. „Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ „Geht nicht. Ich musste meinen Zimmerschlüssel schon abgeben.“ Temari streckte ihre Arme von sich – was ihre Brüste hervorragend betonte – und gähnte. „Mann, hab ich vielleicht ’ne Lust.“ Sie musste über ihre Ausdrucksweise schmunzeln und setzte nach: „Ich darf wohl nicht mehr so viel mit dir herumhängen, wenn ich hier bin. Du hast keinen guten Einfluss auf mich.“ Nun lachte sie laut los. Sie hatte ein angenehmes Lachen, das der Redewendung Es klingt wie Musik in den Ohren für Shikamarus Geschmack doch recht nahe kam. Das rosarote Gehör existierte also auch. „Wir haben ein paar Gästezimmer. Es macht meinen Eltern bestimmt nichts aus, wenn du über Nacht bleiben würdest.“ Über seine Initiative war er selbst überrascht, doch er wollte eben nicht, dass sie schon ging. „Meinst du nicht, dass sie sich dann ihren Teil denken würden?“ Fragend schaute er sie an und schwieg. „Na, dass wir was miteinander haben könnten“, sagte sie und grinste. „Ich meine, warum lädt ein Mann eine Frau in den Augen eines Beobachters sonst zu sich nach Hause ein?“ Er zuckte die Schultern, musste aber zugeben, dass die Vorstellung, den Romantikkram in Kurzform abzuarbeiten und gleich zur Sache zu kommen, auch nicht übel klang. Nein, wirklich nicht. „Von mir aus können wir es auch machen. Dann würden sie uns wenigstens nicht grundlos verdächtigen.“ Shikamaru zog die Augenbrauen zusammen und starrte sie an. Ihr Gesichtsausdruck war völlig ernst. Ihm kam eine total bescheuerte Idee in den Sinn. War sie etwa scharf auf ihn und konnte Gedanken lesen? Nee … Temari gelang es nicht, weiter so streng dreinzuschauen und brach in Gelächter aus. Er schaffte es, wieder etwas klarer zu denken, und bemerkte: „Sehr lustig.“ Sie klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken – ein angenehmer Schauer durchfuhr ihn – und sagte: „Ach, hab dich nicht so. Du siehst aus, als könntest ein bisschen Aufheiterung vertragen.“ „Aber doch nicht mit einem scherzhaft gemeinten Sexangebot!“ „Wer sagt denn, dass es ein Witz war?“ „Mach dich nicht lächerlich.“ Er verschränkte die Arme und sah weg. Großartig, das Rosarot seiner romantischen Gefühle wurde immer dunkler und zur scharlachroten Wollust war es nicht mehr weit. Gedanklich schüttelte er den Kopf. Seit wann dachte er in so blöden Metaphern? Scheiße, Temari schaffte es auch immer wieder, subtilen Emotionen eins auf die Fresse zu geben. Und diesmal tat es ganz besonders weh. Mehr oder weniger zumindest. Es reichte ja schließlich nicht, dass er in sie verliebt war, nein, schlafen wollte er jetzt auch noch mit ihr. Eine Stimme schalt ihn. Okay, nun wollte er erst recht mit ihr schlafen. Natürlich musste er zugeben, dass er diese Vorstellung vorher schon hatte. Wenn auch nicht so ausgeprägt. „Tja, wenn du nicht willst, kann man nichts machen.“ Sie tat enttäuscht, aber Shikamaru glaubte ihr kein Wort. Temari war eben nicht der Typ für eine kleine Nummer zwischendurch. Anschließend stand sie auf und schulterte ihre Tasche. „Ich bin dann weg!“, verabschiedete sie sich und lief in Richtung Haupttor. Perplex sprang er auf – wäre die Bank nicht fest im Boden verankert gewesen, wäre sie definitiv umgekippt – und folgte ihr. „Du kannst doch nicht einfach abhauen!“, sagte er, als er sie erreichte. Sie lachte. „Und warum nicht?“ Weil du noch nicht gehen sollst!, rief er in Gedanken, brachte es aber wieder nicht über sich, dies laut zu sagen. Wenn das so weiter ging, segnete er noch allein und ohne Angehörige das Zeitliche. Eine traurige Vorstellung. „So lange du in Konoha bist, bin ich ja leider gezwungen, auf dich aufzupassen“, antwortete Shikamaru nach kurzem Zögern. Was sollte dieses leider? Sein Hang zur Selbstsabotage war doch echt zum Haareraufen … „Aber wir sind doch schon draußen“, merkte sie mit einem Lächeln an. Er sah sich um. Das Tor lag tatsächlich ein paar Meter hinter ihnen und er hatte es noch nicht einmal bemerkt. Und was sollte er jetzt tun? Was für fadenscheinige Argumente konnten sie nun noch davon überzeugen, noch etwas zu bleiben? Eine peinliche Stille – peinlich für ihn – trat ein, während der sie sich nur anstarrten. „Kommt da noch was, oder bin ich entlassen?“, fragte sie, ohne eine Spur weniger zu lächeln. Shikamaru sah sie weiterhin wortlos an. „Du machst es mir aber wirklich nicht leicht.“ Er bemerkte ihr amüsierte Grinsen, das kurz aufblitzte, als er auch schon ihre Lippen auf seinen spürte. Überrascht, wie er war, erwiderte er ihren Kuss nicht sofort. Er war sich so sicher, dass er gerade wieder träumte – sie zu küssen war ein häufiger Bestandteil in den letzten Wochen gewesen –, gab sich dieser Fantasie dann aber hin. Besser er hatte sie in seinen Träumen als gar nicht, auch wenn sich diese Illusion verdammt echt anfühlte … Er kniff sich in den Unterarm und ein schmerzhaftes Puckern breitete sich aus. Sein Gehirn spielte ihm diesmal also keinen Streich. Gerade, als er es realisierte, löste sie sich von ihm. „Vielleicht hilft dir das ja ein bisschen auf die Sprünge.“ Sie lachte. „Und falls nicht: Ich kann es mir auch so denken. Wir sehen uns dann in vier Monaten!“ Temari zwinkerte ihm zu, drehte sich um und ging. Shikamaru schaute ihr nach, bis sie im Wald verschwunden war. Wahrscheinlich hatte sie Recht, auch wenn er nicht glaubte, dass ein Geständnis noch nötig war. Eine Geste sagte manchmal eben mehr als die bekannten drei Worte. ~ Ende ~ Hosted by Animexx e.V. 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