I'm disgusting von _Nikushimi_ (Ich bin ekelhaft) ================================================================================ Prolog: Ich bin ekelhaft ------------------------ Ich saß letztens im Bus und musste über eines nachdenken: Warum liebt man jemanden der jünger ist? Selbst 2 Jahre unterschied können die eigene Welt zerstören, wenn der andere dadurch minderjährig ist. Es gibt viele moralische Differenzen, was okay ist und was nicht. Was ist für euch okay? Denkt mal darüber nach. Nikushimi I'm disgusting Prolog Ich bin ekelhaft... Ich bin ekelhaft. Seit Jahren fühle ich mich widerlich und unansehnlich. Ich habe diese Gedanken, die ich niemals haben wollte, die ich niemals haben dürfte und niemals haben sollte. Ich fühle mich ekelhaft. Ich will mich selbst nicht mehr ansehen, aufgrund meiner Gefühle, wegen meinen Gedanken. Ich bin das reinste Gift. Für uns. Als ich Dich das erste Mal sah, setzte mein Herz aus. Du warst so wunderschön. Schöner, als ich es einem Jungen jemals zugetraut hätte. Deine Augen waren so freundlich und respektvoll, Du selbst zuvorkommend und wohlerzogen. Ganz anders als die anderen Jungen. Ich fühle mich ekelhaft, das zu sagen, das zu fühlen. Ich will das nicht. Aber trotzdem kann ich nicht von Dir ablassen. Ich sehe Dich immer öfter. In meinen Träumen, in meiner Wohnung, in meinem Zimmer. Wie oft habe ich gesagt, ihr sollt verschwinden, woanders hingehen? Wie oft habe ich Dich angeschrien, weil Du verschwinden sollst, ich Dich aber lieber fest an mich gedrückt hätte, Dich geküsst hätte? Ich bin ekelhaft, abstoßend. Du bist der beste Freund meines Bruders! Du bist zu jung. Ich bin ekelhaft! Wie konnte ich das jemals zulassen? Ich kenne Dich seit Jahren! Und in all diesen Jahren hatte ich immer diese Gedanken. Tagein, tagaus. Ich will mich selbst nicht mehr ansehen. Ich will, dass es endet, aber gleichzeitig, dass es niemals aufhört. Dass Du mir auch sagst das Du die gleichen Gedanken hast, dass es okay ist. Dass es okay ist, dass ich 18 bin und Du 14... Kapitel 1: ----------- Es ist ganz schön schwer, sich in so eine Situation herein zu denken. Versuchen zu verstehen, was es für eine Bürde sein kann, wenn man vielleicht den falschen liebt. Wenn man es nciht mehr ertragen kann. Nikushimi Kapitel 1 Michelle rieb sich erschöpft durchs Gesicht und schmiss ihre Schultasche auf den Boden, nachdem sie mühevoll die Haustür aufgeschlossen hatte. Aus der Küche rief ihre Mutter ihr schon zu, dass sie die Schuhe ausziehen solle. Michelle verzog das Gesicht und rollte mit den Augen. Sie trat aus dem Zwischenflur, wo die Schuhe und Jacken standen, in den breiten Hausflur. Wenn man geradeaus ging, kam man gleich zur Treppe, die nach oben zu den Schlafzimmern führte. Rechts, kurz vor der Treppe, war die kleine Küche und davor, ebenfalls an der rechten Seite, die Waschküche. Gleich zu ihrer Rechten, sie musste nicht mal mehr einen Schritt machen, konnte man ins Gäste-WC treten. Links war eine einzige Tür; die vom riesigen Wohnzimmer. Sie zog ihre gefütterte Jacke aus und warf diese ohne weitere Beachtung in den Hausflur. Sie hatte keine Lust mehr. Der Tag war so bescheuert gewesen, dass sie Knochen hätte kotzen können. Sie hörte von Oben Getrampel und Geschrei, woraus sie schloss, dass ihr kleiner Bruder Robin wieder Freunde zu Besuch hatte. Sie verkrampfte, betete, dass ER nicht da war. Sie schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden.Sie hatte noch nicht einmal zu Mittag gegessen. Da musste sie sich nicht noch weiter runter ziehen lassen. "Hast du gehört?", fragte ihre Mutter, mit einem Geschirrtuch aus der Küchentür spähend. "Was?", fragte sie irritiert zurück. Hatte ihre Mutter sie angesprochen? "Ich hab gefragt, wie die Schule war." Sie bekam einen typischen Teenagerblick an den Kopf geworfen und wurde sarkastisch angelächelt. "Richtig klasse, Mama. Es gibt nichts besseres, als acht Stunden lang auf dem Arsch zu sitzen und zu versuchen, einer Quasselstrippe zu zuhören.“ Ihre Mutter warf ihr spielerisch das Tuch ins Gesicht. "Dann brauchst du eine Ausbildung." Ein Knurren zeigte ihren Missmut und sie warf das Tuch zurück. "Mach ich doch, aber wenn die noch nicht antworten, kann ich auch nicht auf die reagieren." Sie stibitzte sich aus dem Obstkörbchen einen Apfel und machte sich auf dem Weg zu ihrem Zimmer. "Allemann auf Tauchstation! Das Monster von Loch Ness zeigt sein Antlitz! Seid ruhig und verschreckt es nicht, sonst mutiert es zu Godzilla!" Michelle war schon drauf und dran ihm eine zu scheuern, als sie sah, dass sie zu dritt waren. Robin, der Nachbarsjunge und ER. Sebastian Ließ. Robin und er lernten sich in der ersten Klasse kennen und zwei Wochen nach der Einschulung durfte Robin endlich ein paar Freunde mitbringen. Seitdem trafen sich er und Sebastian fast ständig hier. Sie wohnten schon fast bei ihnen. "Halt die Klappe", riss sie sich selbst aus den Gedanken und stieß ihre Zimmertür auf. Ihr Zimmer war gleich das erste, wenn man die Treppe hinauf ging. Mit auf der rechten Seite, direkt hinter ihrem, war der Raum ihres Bruders. Auf der Linken kam dann das große Badezimmer und eine Tür weiter das Schlafzimmer ihrer Eltern. So hatte sie niemals ihre Ruhe. Sie knallte ihre Tür hinter sich zu und hörte wie die Drei kichernd verschwanden. Sie hockte sich auf die Knie, legte ihre Stirn auf ihren weichen, dunkelblauen Teppich und krallte sich die Hände in ihre Haare. Sie atmete tief und verzweifelt ein. Sie hasste es, wenn er da war. Sie hasste es so sehr. Dann konnte sie gar nichts mehr. Der Apfel lag unbeeindruckt neben ihr und würde für den Rest des Tages nicht mal mehr schief angesehen werden, das nur weil sie nichts mehr essen konnte, Wenn sie ihn sah, rief er alles in ihr hoch. Ihren Ekel, ihre Gefühle für ihn, ihre Erinnerungen und vor allem diese pure, dunkle Abneigung gegen sich selbst. Sie setzte sich wieder auf und stiftete sich selber an, an etwas anderes zu denken. Sie merkte langsam, dass wenn sie sich in ihren Gedanken verrannte, sie gar nicht mehr klar denken konnte. Sie lachten laut. Sie konnte das Lachen von Sebastian gut heraus hören. Sie schüttelte erneut den Kopf und kroch auf allen Vieren zu ihrem Bett. Sie atmete dreimal tief durch und legte sich dann darauf, nahm die Fernbedienung und schrie. "ROBIN!" Ihr Fernseher war mit dem teuren Geschenkpapier von ihrer Oma verpackt und ein Zettel klebte daran. »Fernsehen macht dumm.« Sie sprang aus dem Bett, riss ihre Tür auf und, obwohl sich Robin gegen seine Tür stemmte, brauchte sie nicht einmal dreißig Sekunden und die Tür war offen. "Du kleiner Scheißkopf!", blaffte sie ihn an, packte ihn am Nacken und riss ihn mit. Ohne auf die Proteste von ihm und seiner Freunde zu hören, schmiss sie ihn fast die Treppe herunter. Ihre Mutter stürmte aus der Küche und fragte, was los war. "Robin und seine Kindergartenkinder haben mein Fernseher mit Omas gutem Geschenkpapier eingewickelt. Wenn Vaddern das sieht bekommt der einen Kollaps!"schnaufte sie und schmiss Robin vor die Füße ihrer Mutter. "Michelle du sollst nicht immer so grob sein...", versuchte ihre Mutter sie zu besänftigen. Vergeblich. "Ich beruhige Vaddern nicht, wenn er das nachher mitbekommt. Und wenn der Idiot hier gleich keinen mächtigen Ärger bekommt, übernehme ich das." Sie schmiss ihr schwarzes Haar über die Schultern und fauchte den Nachbarjungen an, als sie neben ihm die Treppe wieder heraufging. Sie hörte wie ihre Mutter mit ihrem Bruder und seinen Freunden diskutierte, dass Steven jetzt nach Hause gehen müsse. Als Strafe. Michelle schüttelte den Kopf und fragte sich ernsthaft, warum ihre Mutter nicht ein klein wenig strenger sein konnte. Sie riss das Papier sorgfältig vom Fernseher und faltete es ordentlich zusammen. Eigentlich hatte sie keine Lust mehr fernzusehen, aber sie schaltete ihn dennoch an und landete durch hin- und herzappen bei einer Comedyshow. Sie riss ihre Bettdecke herunter und warf diese auf das Sofa, welches unter ihrem Fenster und somit neben dem Bett stand. Dann kramte sie unter ihrem Bett eine kleine Kiste heraus. Wirklich unauffällig war diese mit ihrem Looney-Tunes-Druck zwar nicht, aber es schreckte Robin ab, dort hinein zu sehen. Sie lächelte zufrieden, als alles unberührt an seinem Platz war. Es lagen drei DIN-A4 Bücher darin, ein handtellergroßes Tuch und ein Beutel voller Murmeln. Sie nahm eines der Bücher, auf welchem fein säuberlich "16 - 18" stand und schmiss es auf ihr Bett. Sie legte den Deckel nun wieder auf die Kiste und schob diese wieder halb darunter. Sie grummelte, als sie bemerkte, dass sie ihre Tasche im Flur vergessen hatte, erhob sich und holte diese. Als sie ins Zimmer kam, ließ sie vor Schreck ihre Schultasche fallen. Robin und Sebastian saßen auf ihrem Bett und wollten gerade das Buch aufschlagen. "PFOTEN WEG DU KLEINER BASTARD!", schrie sie, griff nach der Tasche und schmiss diese nach ihnen. Kreischend sprangen sie vom Bett, blieben aber im Zimmer. Michelle nahm das Buch, was Robin vor Schreck hatte fallen lassen, an sich. "Du kleines Drecksblag! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du meine Sachen nicht anfassen sollst? Hast du keine anderen Hobbys?", blaffte sie ihn an, wogegen er unbeeindruckt blieb. Stattdessen grinste er sie frech an. "Wenn du so fragst: Nö!" Sie wollte wieder nach seinem Nacken greifen, doch war er schneller und stellte sich neben Sebastian. So stand sie vor dem Bettende und die Jungen vor dem Fernseher. Sie starrten sich an. "Raus. Sofort." Sebastian war für seine vierzehn Jahre schon riesig. Mit 1,81m war er der mit Abstand Größte in der Klasse. Michelle war mit 1,64 auch noch drei Zentimeter kleiner als Robin. Wenn man Sebastian vor sich hatte, konnte man schon fast denken, er wäre mindestens siebzehn. Seine gehobenen Augenbrauen machten es ihr nicht leichter, ihn anzupampen. Vor allem, weil seine rehbrauen Augen sie fixierten und nicht mehr von ihr abließen. "Ich sagte: Raus hier!" "Zwing uns doch!" kam es von ihrem Bruder zurück, wogegen Sebastian seine Brust weiter rausstreckte. Wie sie das pubertäre Aufplustern der Jungen hasste. Obwohl es bei Sebastian richtig gut aussah. So stark und männlich - sexy. Sie schüttelte heftig den Kopf, gab Robin und Sebastian eine Ohrfeige. "RAUS!", brüllte sie. "Du bist ein richtiger Emo geworden!", gab Robin bissig zur Antwort, wobei er sich etwas hinter Sebastian stellte. "Mama findet deine schwarzen Haare richtig hässlich! Und das du die fransig im Face hängen hast auch! Du ritzt dich bestimmt auch noch, oder?!" Das was sich in diesem Moment auf Michelles Gesicht abzeichnete, würde Robin auf ewig im Gedächtnis bleiben, da war sie sich sicher, so wie er aussah. Sie hatte noch nie so viel Wut und Hass wie in diesem Moment gespürt, das merkte auch Sebastian, der sich und Robin aus dem Zimmer manövrieren wollte. "Das denkst du, ja? Ist das wirklich was du denkst, du kleines, verdammtes Pisskind?! DASS ICH MICH RITZE?! Wenn du nicht weißt, wovon du redest, dann halt die Fresse!" Michelle schmiss alles, was sie finden konnte hinter den beiden her, selbst das Buch, was sie eigentlich beschützen wollte. Sie wütete und schrie Beleidigungen, sie war so sauer auf den kleinen Spinner, dass sie ihm am liebsten alle Knochen gebrochen hätte. Sie ritzte sich nicht! Ihr war in der Schule der Spiegel in der Mädchentoilette kaputt gegangen, als sie ihre Gedanken über Sebastian nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sie konnte sich aus dem automatischen Kino in ihrem Kopf nicht mehr befreien, flennte wie eine Bekloppte und hatte aus reinem Instinkt in den Spiegel geschlagen. So riss der Film in ihrem Kopf, merkte aber auch gleich, was sie überhaupt getan hatte und wusste somit nicht weiter. Das Erste, was sie tat, war die Scherben aus dem Waschbecken zu sammeln, wobei sie sich immer wieder schnitt. Die Kleine aus der Sechsten kam dann irgendwann rein und sah Michelle, wie sie flennend die Scherben heraus suchte. Michelle erklärte der Schulärztin, was sie gemacht hatte. Dass sie sich die Hände wusch und auf einmal der Spiegel herunter fiel. Aus Angst, dass man es für Vandalismus halten könnte, wollte sie die Scherben sammeln und dann erst jemandem Bescheid geben. Die Schulärztin empfand es zwar nicht als glaubwürdig, so wie sie dabei aussah, sagte aber nichts weiter und verband Michelles Hände provisorisch. Im Krankenhaus hatte der Arzt mit ihrer Mutter geredet und ihr erklärt, dass Michelle aus Selbstverletzung heraus gehandelt haben könnte. SO EIN SCHWACHSINN! Michelle atmete tief durch und sammelte die Verwüstung wieder zusammen. Entrüstet schmiss sie die Schultasche aufs Bett und holte ihre Hausaufgaben heraus. Nebenbei schaltete sie den Fernseher wieder ab, machte aber ihren kleinen CD-Player an. Sie wollte sich leise das Telefon aus dem Wohnzimmer, holen, wo ihre Mutter mit Robin und Sebastian diskutierte, dass sie sich zusammen reißen sollten, solange Sebastian bei ihnen blieb, während seine Eltern die kranke Oma pflegten. Außerdem wollte ihre Mutter von Robin hören, dass er seine Schwester nie wieder "Emo" nannte. Jetzt ergab der Koffer, den sie bei Robin im Zimmer gesehen hatte, wenigstens Sinn. Wie lange er blieb, sagte ihre Mutter allerdings nicht. Michelle schnappte sich unbemerkt das Telefon und ging damit in ihr Zimmer. Noch bevor sie über ihre Türschwelle trat, hatte sie gewählt. Nadine, ihre beste Freundin, nahm auch sehr schnell ab. "Thomann, Nadine?" meldete sie sich. "Ja, schönen guten Tag, Frau Thomann. Hier ist Hans-Hannibald von Hannigton. Ich hörte, Sie haben sich um ein Sexpraktikum in Thailand beworben?" Es war einige Sekunden lang still. "Michelle, du weißt, dass deine Nummer angezeigt wird?" Michelle lachte. Natürlich wusste sie es. "Klar. Aber ich finde das jedes Mal aufs Neue witzig, weil ich mir dein Gesicht gut vorstellen kann." Nadine seufzte auf der anderen Seite. "Was willst du?", fragte sie etwas genervt. "Was machst du?", fragte Michelle im Gegenzug, während sie die Tür schloss und sich aufs Bett niederließ. "Ich? Hausaufgaben natürlich." Michelle grinste. "Super, dann erkläre mal." "Ich wusste es...", stöhnte Nadine und fing an, Michelle den restlich halben und recht kurzen Nachmittag, die Aufgaben zu erklären. Kapitel 2: ----------- Oh, ist das nen Kampf. Zwiegespalten wie man ist, hat man ganz schön zu kämpfen nicht den Verstand zu verlieren. [Anmerkung: Ich nehme mir die Künstlerfreiheit und erfinde ein paat Tatsachen. Jetzt und auch in Zukunft. Also glaubt nicht alles, was Nadine so erzählt ;D] Nikushimi Kapitel 2 Wie gerädert wachte Michelle in ihrem zerwühlten Bett auf. Der Typ im Radio laberte vor sich hin. Die Nachrichten würde sie nachher sowieso von Nadine hören, deswegen hörte sie nicht weiter zu. Im Bad schmiss sie ihre Wäsche in den dafür vorgesehenen Korb und machte die Dusche an. Sie duschte sich sorgfältig, hoffend, dass der Dreck, den sie Tag für Tag an sich spürte, ab ging. Die Gedanken an Sebastian legten sich wie eine dicke Schicht Schleim an sie, der ihr weismachen wollte, wie dreckig und abscheulich sie war. Zum Schluss stellte sie das Wasser von einer angenehmen lauwarmen Temperatur auf die niedrigste, eiskalte Stufe. Sie japste auf, als das polkalte Wasser sie wie eine Wagenladung traf. Sie stellte es aus, stolperte aus der Dusche und nahm den Föhn, trocknete sich die Haare und sah genauer in den Spiegel. Sie sah blass aus, was aber an der neuen Haarfarbe lag. Eigentlich war sie blond. Es war immer ein goldenes Blond gewesen. Wie das der Engel, sagte ihre Mutter immer. Vor gut einem halben Jahr hatte sie angefangen, es sich schwarz zu färben. Alle zwei Wochen. Ihre Haare wuchsen mäßig, aber es war immer ein leichter Ansatz zu sehen. Die Haare erblassten auch recht schnell. Sie konnte es sich nicht leisten, wenn ihre blonden Haare wieder durchkamen. So wie jetzt konnte sie sich noch halbwegs ertragen. DAS war die fremde Michelle. Die Michelle, die sie anschreien und beschimpfen konnte wie hässlich, ekelhaft und abstoßend sie war. Die blonde Michelle, sich selbst, konnte sie nicht anschreien, nur bemitleiden. Bemitleiden, wie schrecklich es sei, nicht zu ihrer Liebe stehen zu können. Die blonde Michelle wollte sie nicht mehr sehen. Ihre Mutter war wirklich nicht erfreut gewesen, als sie von Robin in Michelles Zimmer geschliffen wurde. Sophia, ihre Mutter, hatte mehr als entsetzt ausgesehen, als sie in der Tür stand. Auch ihr Vater, Andreas, war nicht so begeistert. Er hatte ihr sogar eine Standpauke gehalten, bis sie damit argumentierte, dass das ihre Haare waren. Auf die Frage, warum sie so plötzliche ihre Haare gefärbte hatte, hatte sie nur gelächelt und gesagt, dass sie mal etwas neues ausprobieren wollte. Sie hatte sich innerlich mies gefühlt, so zu lügen. Es war wegen Sebastian gewesen. Immer Sebastian! Sie konnte es selbst schon nicht mehr hören! Tag ein, Tag aus war er bei ihnen. Tag ein, Tag aus, war er in ihrer Nähe! Alles drehte sich nur noch um ihn und sie. Alles in ihrem Kopf fragte sich, was er davon halten würde! Sie war es leid! Sie wollte es nicht mehr. Sie konnte nicht mehr...! Aber sie wollte auch nicht loslassen. Was blieb ihr außer ihm noch?! Ein schreckliches Ziepen im Gesicht ließ sie sich aus der Trance ihrer Gedanken reißen. Sie hatte sich den Föhn ununterbrochen, auf voller Hitze ins Gesicht gehalten. Ein paar Minuten lang. Ihre Haut war gerötet und unangenehm warm. Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusätzlich erschrecken. "Michelle! Hau rein, ich will auch noch ins Bad!", meckerte ihr Vater, noch hörbar müde. "Ja, Papa!" Michelle nahm sich die Feuchtigkeitscreme ihrer Mutter und klatschte sich zwei große Flecken auf die Wangen, verschmierte es anschließend. Gehetzt warf sie sich den Bademantel über und riss den Stecker des Föhns heraus, nahm ihn mit in ihr Zimmer. "Morgen, Papa. Viel Spaß heute. Tschüss, Papa!", ratterte sie schnell runter, als sie aus dem Bad in ihr Zimmer hüpfte. "Ja ja...", gähnte er. Sie ließ die Tür lauter zuknallen als gewollt, störte sich aber auch nicht weiter daran. War sie erleichtert, dass es nicht Sebastian und Robin waren, die an die Tür geklopft hatten! Sie föhnte sich die Haare zu Ende und legte den Föhn vor ihrer Zimmertür in den Flur. Trocken war sie am Körper auch schon, so brauchte sie sich wenigstens nicht mehr abzutrocknen. Sie ging zu ihrem Sofa, nahm das Zeug herunter und zog sich an. Schwarz und rot, so wie Nadine es haben wollte. Michelle machte sich einen leichten Zopf, schminkte sich die Augen und wollte dann aus ihrem Zimmer verschwinden, als sie merkte, dass ihr Büchlein noch auf dem Bett lag. Sie hatte gestern Abend noch hinein geschrieben, aber noch nicht wieder zurück gepackt. Es war echt ein verdammtes Glück gewesen, dass sie die Beiden noch erwischt hatte, bevor sie die erste Seite lesen konnten. Denn die verriet weitaus mehr, als alle anderen zusammen. Seufzend ließ sie es in dem Karton verschwinden und schob ihn wieder unter das Bett. Sie sah sich noch einmal im Zimmer um, um sicher zu sein, dass alles gut versteckt war. Als sie in die Küche kam, hatte ihre Mutter schon den Tisch gedeckt. Es war kein großer Tisch wie in der eigentlichen Essecke im Wohnzimmer, aber für morgens reichte es. Sophia hantierte auch schon an den Pausenbroten herum. Ihr Vater saß ohne Hemd und mit halb gebundener Krawatte am Tisch, versuchte, sich nicht völlig mit dem Marmeladenbrötchen zu beschmieren. Robin kaute mit offenen Mund seine Cornflakes und Sebastian begnügte sich mit normalem Toast. "Papa! Du bist schon über vierzig! Da sitzt man nicht nackt am Tisch!", meckerte sie gleich darauf los. "Ja, Mama Michelle.", witzelte er und zuckte zurück, als ein Klecks Marmelade aufs Brettchen klatschte. Sie verdrehte die Augen und sah auf die Uhr. Halb Sieben. "Du~hu, Mama? Bekomme ich für heute dein Auto?", fragte sie, während sie sich das für sie reservierte Nutellabrötchen nahm und abbiss. Robin versuchte, mit vollem Mund einen Protest von sich zu geben, als ihre Mutter schon antwortete. "Robin und Sebastian haben aber heute Basketballtraining. Was willst du denn damit?" Michelle wusste das so eine bescheuerte Frage kommen würde. "Nadine wollte mir nach der Schule neue Klamotten kaufen. Ihre Mutter braucht aber heute das Auto, sonst hätten wir das genommen." Sie schielte erneut zur Uhr. "Mama, ich muss das jetzt wissen. In sieben Minuten kommt der Bus. Ja, oder nein?" Ihre Mutter hob eine Augenbraue. "Wirst du die Beiden mit zur Schule nehmen? Und danach zum Training fahren?" Sie murrte laut und schmiss ihre Tasche neben den Stuhl, auf dem sie sich niederließ. "Muss ich ja. Aber Jungs, wenn ihr nicht um sieben in der Karre sitzt, fahre ich ohne euch los. Und die Masche, das nur einer drin sitzt, zieht nicht. Ich werde um Punkt sieben losfahren, kapiert?" Robin brabbelte mit seinem Mund irgendetwas, wogegen Sebastian strahlend nickte. Wie sie es hasste ihn zu lieben! Ihr Blick wanderte ständig zu den Beiden herüber, sie ignorierte sogar unbewusst ihren Vater, als er sie nach der Milch fragte. Fünf vor sieben packte sie die Brotdose und die Trinkflasche von der Küchentheke in ihren Rucksack. "Mama, eigentlich bin ich mit achtzehn Jahren doch schon befähigt, mir allein ein Brot zu machen, oder?" Ihre Mutter lächelte sanft. "Nein, erst wenn du selber Hausfrau bist." Michelle verließ die Küche nicht, bevor sie noch zur Antwort mit den Augen rollte. Sie zog sich ihre Schuhe an und warf sich ihre Jacke über die Schulter. "Bis heute Abend!", rief sie und ging zum Auto. Das erste, was sie tat, war es zu starten und die Heizung aufzudrehen. Der Winter war arschkalt. Wie sie diese Jahreszeit hasste! Sie rieb sich die Hände, damit diese nicht zu kühl waren. Ihre Mutter hätte sich ruhig mal einen von den warmen Lenkradbezügen leisten können. Sie hörte, wie die Hintertüren des VWs aufgingen und die Jungen zähneklappernd einstiegen. "SCHEIßE ist das kalt!", jaulte Robin und rieb sich die Hände. "Ich versteh dich nicht, wie kannst du hier im Rock herum rennen? Latte ab?" Michelle verdrehte die Augen, sagte aber nichts dazu. Sie trat die Kupplung, legte den Rückwärtsgang ein und parkte wortlos aus. Sebastian erzählte Robin von einem neuen Xbox Spiel, wobei Michelle einfach seiner Stimme lauschte. Sie musste aufpassen, nicht wegzutreten, bei diesem warmen Klang, die sie hatte. "Hey, Michelle, können wir bei Mecces halten, bevor wir nachher zum Training fahren?", fragte Robin und guckte zwischen den Vordersitzen zu ihr. "Habt ihr denn Geld? Ich zahle bestimmt nicht." Sebastian durchstöberte seine Taschen, Robin ebenfalls. Geknickt und entschuldigend lächelnd, sah Sebastian sie durch den Rückspiegel an. "Ich hab leider das Portmonee vergessen. Ich hatte da auch Robins Geld drin..." Sie sah durch den Spiegel wie er verlegen lächelte. Ihre Ohren wurden schlagartig warm und sie hatte das Bedürfnis, rechts ranzufahren und aus dem warmen Auto in den kalten Schnee springen zu müssen. Sie kochte. "Komm, wir haben das Geld. Das bekommst du dann heut' Abend wieder! Versprochen!", bettelte Robin hinter ihr. "Bitte." war das eine Wort von Sebastian, was ihre eiserne Meinung brach. "Okay. Aber nur ein Menü pro Bengel..." Leuchtende Augen fixierten sie, als wäre sie eine Heilige. "Danke! Du bist die Beste!" "Da hat er Recht, wenn ich eine Schwester hätte, würde ich wollen, dass sie ist wie du!" Sie hatte einen Kloß im Hals. Er würde sie als Schwester wollen. Sie hatte das Gefühl zu ersticken und sie räusperte sich. Dadurch kam es ihr so vor, als würde der Kloß noch fester und tiefer stecken. Sie hustete ein paar Mal. Es wurde aber nicht besser. Ihre Augen tränten und sie beschloss an den Fahrbahnrand zu fahren, weil sie so gut wie gar nichts mehr sah. "Michelle?", fragte ihr Bruder, sie hörte kaum wie er sich abschnallte und nach vorne kletterte. "Alles klar?" Sie hustete, als müsste sie ihre Lunge rauswürgen. "Scheiße! Hallo?" Er klopfte ihr auf den Rücken, er war sichtlich überfordert und wusste nicht, was er tun sollte. Sebastian reichte ihm eilig eine Flasche Wasser. Ihre Kehle brannte. Tränen flossen ihr über die Wangen. Sie wusste nicht, ob es nur wegen dem Würgen, oder auch wegen des klammen Gefühls in ihrer Brust war. Sie war für ihn eine Schwester? Die Erkenntnis war so plötzlich über sie herein gebrochen, dass sie fast hyperventiliert hätte, wäre da nicht dieser Kloß. "MICHELLE!" Ihr Bruder schrie sie durch ihr brünstiges Husten an, er hielt ihr die Flasche hin. "Kannst du was trinken?", fragte er mit dem panischsten Blick, den sie von ihm kannte. Sie hielt sich den Hals und die Brust, versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Herr Gott noch einmal! Das war nur ein Gefühl! Sie versuchte es mental zu bekämpfen, sie machte ihrem Bruder richtige Angst. Nicht nur ihm, denn in dem Moment diskutierte Sebastian mit ihrem Bruder ob er einen Krankenwagen rufen sollte. Wider des Gefühls zu ersticken, schluckte Michelle, anstatt zu husten. Einen Moment war sie unfähig ein- oder auszuatmen und ergriff die Chance, um etwas zu trinken. Sie riss Robin die Flasche aus den Händen und trank drei riesige Schlücke. Erschöpft strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und sah zu Robin. "Danke, Milchbubi. Mir geht es wieder besser." Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen starrten die beiden sie an. "Sicher, dass du weiter fahren kannst?", fragte Sebastian. "Das war gerade ganz schön heftig. Hast du dich verschluckt?", fragte Robin ebenfalls, nur penetranter, sodass sie antworten musste. "Mhm... kennst du das Gefühl wenn du einen riesigen Haufen Essen im Mund hast und alles auf einmal runter schlucken willst? Es bleibt aber stecken und obwohl du es nach einer Zeit unten hast, geht das Gefühl von diesem Kloß nicht mehr weg?" Perplex sahen die Beiden sie an, als sie das Auto nebenbei wieder startete. "So was war das gerade. Nur horrorfilmlike... ." Ihr Herz klopfte immer noch wild und Robin schnallte sich auf dem Beifahrersitz an. Sebastian auf dem Rücksitz wirkte betreten, aber an ihn wollte sie nicht mehr denken. Wenn es bemerkt werden würde, dass sie bei bestimmten Aussagen von ihm völlig abdrehte, würden die Leute um sie herum wissen, dass da etwas im Busch war. Robin warf ihr immer wieder prüfende Seitenblicke zu. "Es ist alles gut!", versicherte sie ihm gelangweilt und verwuschelte ihm mit einer Hand die Haare. "He!" Sie lachte. In der Schule angekommen parkte sie auf dem Schülerparkplatz. Trotz ihres Hustenanfalls hatten sie es sehr pünktlich geschafft. Es waren noch gut zehn Minuten bis zum Schulanfang um halb acht. "Wann ist denn das Training genau?“, fragte Michelle, als sie ihre Tasche aus dem Auto nahm und Robin mit Sebastian schon abhauen wollten. "Ähm um Zwei." Michelle nickte und wünschte den beiden viel Spaß. Bevor sie in die Klasse ging, tat sie einen Abstecher in Richtung Toiletten. Der zerstörte Spiegel hatte die Schule dazu veranlasst, gleich alle Spiegel zu erneuern, weil sie nicht das Risiko eines 'weiteren runter fallenden Spiegels' eingehen wollten. Sonst könnte sich eine weitere Verrückte das als Ausrede für ihre Psychotrips benutzen. Sie nahm sich ein paar Papiertücher und machte diese nass. Sie wusch damit vorsichtig ihr Gesicht. Nicht, dass die Schminke verlief. Nadine würde sie sonst in der Toilette ersaufen gehen. Sie wagte einen flüchtigen Blick in den Spiegel, nur um schnell zu überprüfen, ob auch noch alles schick aussah. Die leuchtend blauen Augen, die sie anstarrten, wirkten müde und erschöpft. Sie musste heute Haarfarbe kaufen. Und am besten eine Papiertüte, die sie sich über den Kopf stülpen konnte. Mit den nassen Fingern strich sie quer durch das Gesicht des dummen Mädchens im Spiegel. Ihr Bruder und der Jungen, den sie liebte, würden das nicht so schnell vergessen. Sie musste jetzt besonders aufpassen. Und am besten schon eine Ausrede für ihre Mutter parat haben. Sie traute Robin nicht. Die Toilettentür öffnete sich und ein Mädchen kam aus dem Gang herein. Sie erschrak und starrte sofort auf Michelles Finger. Das Mädchen aus der Sechsten, welche sie mit der Spiegelsache erwischt hatte, stand einfach nur da und starrte sie an. Michelle machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber kein Wort drang aus ihrem Mund. Sie schloss ihn wieder, weil eh nichts dabei heraus kommen würde. Die Kleine hatte bestimmt einen Schaden fürs Leben bekommen. Michelle lächelte traurig und ging zu ihrer Klasse. "Michelle! Der Mörder des Jungen aus Bremen wurde verhaftet! Er war auf einer Überwachungskamera eines Bahnhofes! Und die waghalsigen Börsengänge der SC Bank sind jetzt endgültig aus, weil die anderen EU-Länder Stunk gemacht haben! Wusstest du eigentlich, dass Mary Folters und Jonathan Koneex sich getrennt haben? DAS Promipaar schlechthin? Ganz Hollywood ist fassungslos!" Sie hatte die ganze Zeit genickt und ab und an ein "Ah" und "Oh" und "Is nich' wahr!" von sich gegeben, damit Nadine wenigstens das Gefühl hatte, dass sie sie nicht völlig ignorierte. Sie ließ ihre Tasche an ihrem Platz nieder und sah Nadine jetzt auch endlich ins Gesicht. Sie trug ihren smaragdgrünen Lidschatten und ihren orangefarbenen Lipgloss. Ihre kalkgrauen Augen stachen leuchtend hervor. Ihr schulterlanges braunes Haar war wie immer offen. Riesige Kreolen baumelten an ihren Ohren und Michelle lächelte. Nadine war ein aufgewecktes, volljähriges, aber unreifes Mädchen, sagten die Lehrer immer. Nadine interessierte sich für Gott und die Welt. Sie hörte jedem zu, der etwas zu sagen hatte. Alles interessierte sie. Sie war die perfekte Journalistin. Der Job, der sie seit der dritten Klasse faszinierte. "Oh, hast du das Auto bekommen?", fragte Nadine nebenbei. "Halt, nein. Warte..." Nadine hüpfte von ihrem Stuhl, auf den sie sich erst vor ein paar Sekunden gesetzt hatte und packte Michelles Schultasche, hob sie hoch. "Mhm... Sie ist schwerer als sonst." Nadine fasste auch Michelles Beine an. "Warm." Dann drückte Nadine ihr Gesicht ganz nah an Michelles. "Und du bist recht spät gekommen. Mit dem Bus bist du früher da. DU HAST ES!", schrie sie freudig und umarmte ihre Freundin. Die Beste seit der Dritten. "Ja, aber wir müssen nachher erst noch zu Mecces und die Milchgesichter danach zum Training bringen." Nadine seufzte. "Warum kann Trainer Behrens das nicht in unsere Sporthalle verlegen? Der muss immer das Stadion nehmen!", meckerte Nadine, schmiss sich auf ihren Stuhl und legte die Beine hoch. Ein paar Mädchen kicherten über Nadine. "Weil er doch ein Bundesligaspieler oder so war. Der hat doch freien Eintritt da und will so mehr junge Spieler anlocken." "Ich weiß, aber trotzdem." Nadine zog die Nase kraus und schloss die Augen, nur um gleich wieder eines auf zu machen. "Du hast ja rot und schwarz an!" "Wie du gesagt hast." " JA, aber genau den Rock meinte ich! Hast du den schwarzen Rolli an?" Michelle öffnete ihre Jacke und ließ den schwarzen Rollkragenpullover rausblitzen. "Spitze!" Nadine befahl ihr seit der fünften Klasse, was sie tragen sollte. Erst hatte Michelle sich noch dagegen gewehrt, aber als Nadine anfing ihr die ungewollten Klamotten in der Schule ohne Scham einfach vom Leibe zu reißen, fügte sie sich und tat wie ihr befohlen. Jetzt, wo sie in der Zehnten war, störte es sie schon gar nicht mehr und die Klassenkameraden hatten längst aufgehört sie damit zu verspotten. "Du siehst aber ganz schön fertig aus...", meinte Nadine aus dem Nichts heraus. Michelle konnte nicht antworten, weil in diesem Moment der Lehrer, Herr Jakobs, die Klasse betrat. Michelle riss die Augen auf, sie hatte total vergessen, dass ihr Hassfach Englisch jeden Mittwochmorgen dran war. Nadine versuchte ihr ein aufbauendes Lächeln zu schenken, aber Michelle ließ den Kopf hängen. Sie hoffte, dass es schnell gehen würde. Kapitel 3: ----------- Wow. Ich bin selber über mich überrascht, dass das hier schon das dritte Kapitel ist. Es macht mir sehr viel Sapß diese Story zu schreiben, auch wenn das Thema vielleicht nicht so happy ist. Viel Spaß beim Lesen Nikushimi Kapitel 3 Die kalten Augen von ihrem Englischlehrer fixierten sie. "Nun, Miss Brauer. Warum lesen sie nicht vor?" Sie hatte es so geahnt! Dieser Mistkerl von Gesichtsgrätsche wollte sie nur wieder bloß stellen. Michelle war keine schlechte Schülerin. Sie war immer Durchschnitt. Sie konnte Mathe, Deutsch und auch irgendwie Englisch. Solange sie es nicht sprechen musste. Ihr einziges Problem mit Englisch war, dass sie es nicht aussprechen konnte. Sie bekam den Wortlaut auch nach zwanzigtausendmal üben nicht hin. Natürlich waren die Lehrer allesamt der Meinung, dass man nur üben musste, dann würde es klappen. Dass Michelle es aber seit der Vierten noch immer nicht konnte, schien sie nicht umzustimmen. Seufzend starrte sie den Text vor sich an. Sie bekam auch noch die beschissene Textstelle mit den Zahlen... "Na, wird's bald?" Herr Jakobs wurde unruhig und gereizt. Sie räusperte sich und fing an, so laut wie möglich die Stückchen von Wörtern aus ihrem Mund zu befördern. Einige der Jungs prusteten wieder los, aber Nadine zischte sie zu Recht. Ein kurzer Seitenblick genügte Michelle, um weiter zu machen. Nadine war eine sehr gute Freundin. Vielleicht sogar die einzig Gute überhaupt. Als sie auch das letzte Wort "absolutely" raus gestottert hatte, sah sie, dass sich Herr Jakobs die Schläfen massierte. Sie wurde knallrot vor Scham und Wut. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht einen recht unangebrachten Spruch fallen zu lassen, der sie höchstwahrscheinlich einen Direktorenbesuch und vielleicht sogar eine Woche Suspendierung kosten würde. Sie nahm ihren Kugelschreiben und kritzelte Kreise, Dreiecke und Kästchen auf das Blockblatt vor ihr, Nadine streichelte ihre Schulter. So konnte Michelle die penetrante, faulige Stimme von Herr Jakobs ausschalten. "Denkst du das war normal?" Robin blickte auf um in Sebastian Gesicht sehen zu können. Er beugte sich über die Picknickbank neben den Tischtennisplatten, bei denen sie saßen. Er musste über seine Schulter gucken, damit er Sebastian nicht aus den Augen verlor. "Hallo? Die ist angelaufen wie ein Krebs! Und zudem hörte sie sich an, als ob sie ihre Eingeweide heraus brechen müsste..." Ein klammes Gefühl machte sich in seiner Brust breit. Seine Schwester war ganz bestimmt nicht gesund. Vielleicht hatte sie sich eine Rachen- oder Halsentzündung oder etwas Ähnliches eingefangen. Oder etwas Schlimmeres. Er schmiss sich die Hände an den Kopf. "Hey, ganz ruhig." Er merkte, wie Sebastian ihm seine Hände vom Kopf schälte. "Das wird wieder. Sie müsste nur mal zum Arzt", lächelte er auf Robin hinab. Dieser boxte ihn gegen den Arm und stand auf. "Die Stunde fängt gleich an...", sagte er und ging schon vor. Sebastian rieb sich den Arm und starrte seinen besten Freund hinterher. Er war zwar klein aber verdammt stark. Er setzte sich ebenfalls in Bewegung, langsam. Er nahm seinen Daumennagel in den Mund und kaute darauf herum. Michelle war bestimmt krank, das hatten sie schon zu zweit festgestellt. Was es war, wussten sie natürlich nicht. Sie müssten das heute beobachten. "Hey, Seb?!" Sebastian riss die Augen auf. Robin stand vor ihm. "Warum bist du so langsam? So kommste nie pünktlich an! UND HÖR AUF RUMZUKAUEN!", blaffte er den Größeren an. Seb, wie Robin ihn nannte, zuckte erschrocken zusammen. "Sorry..." Rob, wie er ihn manchmal nannte, starrte ihn noch ein paar Sekunden an, dann packte er Sebastian am Handgelenk und schliff ihn zur Klasse. "Wir klären das später bei Mecces... Herr Kickerl reißt uns den Arsch auf...", meinte er und legte einen Zahn zu. Sebastian ließ sich mitziehen. Sie hüpften drei Stufen der Treppe auf einmal hoch und schafften es gerade noch durch die Tür zu schlüpfen, bevor sich Herr Kickerl durchschleusen konnte. Robin atmete einmal tief ein und wieder aus. Er liebte sein Basketballtraining, seit er damit angefangen hatte, kam er kaum noch zu spät. "Das war aber dramatisch knapp. Herr Brauer, Herr Ließ..." Die beiden grinsten dem Lehrer entgegen. "Aber wir haben es noch geschafft, Herr Kickerl. Sie kamen nach uns rein!", triumphierte Robin. Als er seine gewohnte Siegerpose, Arme in die Luft und Brust herausgestreckt, machte, jubelten die Jungs in der Klasse. Der Lehrer und Sebastian verdrehten gleichzeitig die Augen. "Seb-Rob, setzen." Sebastian hob beschwichtigend die Arme, als Herr Kickerl den Duo-Spitznamen aussprach. Er hatte damals in der Fünften damit angefangen die Spitznamen, die die Beiden sich gegeben haben, wie bei einem Comedy-Duo zu verknüpfen. Seitdem nannte er sie vorzugsweise "Seb-Rob", da es sie ja auch nur im Doppelpack zu geben schien, wie er begründete. Mit gerecktem Kinn verließ Michelle die Klasse und machte sich auf dem Weg zum Direktor. Sie hatte ihre Klappe doch nicht halten können... Aber auch nur, weil dieser Schwachkopf von Lehrer nicht lernte, sie in Ruhe zu lassen. Wenn er sie weiter provozieren musste- bitte, er konnte das Ergebnis gern haben. Die Klasse lachte ihn wahrscheinlich immer noch aus und grinsten auch über Michelle, klar, wenn sich jemand wirklich stark aufregte, war das immer zum kaputtlachen. Murrend zog sie sich die Schultasche wieder auf die Schulter. Sie war überlegte, ob sie besonders langsam gehen sollte. Damit sie sehr lange nicht mehr die Visage von Herrn Jakobs sehen müsste. Als sie bemerkte, dass sie in den C-Trakt gucken konnte, wenn sie aus dem Fenster sah, wanderte ihr Blick in die oberen Klassenräume. Dort saß auch gerade ihr kleiner Bruder und suchte gelangweilt den Pausenhof ab. Er bemerkte sie. Sie winkte und machte dann Anstalten, um ihm pantomimisch klar zu machen, dass er aufzupassen hatte. Dieser sah sie mit einem eingebildeten Riesenfragezeichen an. Sie winkte mit der Hand ab und wollte weiter gehen, als sie in jemanden hinein rannte. Sie hielt sich die Stirn und hatte auch ihre Schultasche fallen lassen. "AUA!", jaulte sie und sah den Übeltäter an. Vor ihr stand ein junger, durchaus gutaussehender Junge. Oder junger Mann. Oder Beides. Sie bemerkte sogar den Drei-Tage-Bart, was von ihrer Froschperspektive gut zu sehen war. Er war auch fast einen ganzen Kopf größer als sie, so wie fast jeder auf dieser Schule. "Oh, Entschuldigung. Ich wollte nicht in dich hineinlaufen, Kleene." Sie spitzte die Ohren. "Hast du mich gerade 'Kleene' genannt?", fragte sie und ballte die Fäuste. Da war sie schon fast die Kleinste im ganzen Landkreis und der wagte es auch noch sie KLEENE zu nennen?! Ein spitzbübisches Lächeln schlich über seine Lippen. "Jop. Schlimm?" Sie starrte ihn für eine Hundertstelsekunde entgeistert an, dann wandelte es sich aber in ein strahlendes Lächeln um. Sie hob ihre Hand und strich an seinem T-Shirtkragen entlang. In binnen einer Sekunde, hatte sie fest zugepackt und riss ihn am Kragen zu sich herunter. "Ich verspreche dir, dass ich dir den ARSCH aufreißen werde, wenn du auch nur ANSATZWEISE versuchst mich noch einmal 'Kleene' zu nennen, kapiert?!" Sie war sich sicher, dass sie ihn beim betonen der Worte etwas angespuckt hatte, aber das war ihr vollkommen Latte. Er hatte die Augen weit aufgerissen, hatte wahrscheinlich noch nicht mal begriffen was gerade vor sich ging. Seinem verwirrten Gesichtsausdruck wich ein freches Lächeln. "Sehr wohl, Eure Hoheit. Ich bin übrigens Kevin Korner und Sie, werte Lady?" "Dein aller, aller schlimmster Albtraum..." "FRAU BRAUER! Also das hätte ich von Ihnen nun am allerwenigsten erwartet! Wie können Sie nur einen der neuen Schüler so arg verletzen?" Herr Fink, der Direktor, war puterrot und sah aus, als ob er gleich ersticken würde. Michelle zog ihren Kopf etwas ein, nicht wirklich aus Angst, hauptsächlich aus dem Grund, dass der Mann vor ihr dachte, dass es ihr Leid tat. Michelle war nie besonders gut im Lügen gewesen, aber sie war sehr überzeugend. Sie brauchte nur ein klitzekleines bisschen zu verdrehen, da war es nicht mehr ganz die Wahrheit, aber auch definitiv keine Lüge. Eine Flunkerei, wie ihre Mutter das gerne betonte. "Es tut mir Leid, Herr Fink. Aber dieser Typ hat mich nicht in Ruhe gelassen. Er hat mich sogar beleidigt!", erklärte sie mit großen, unschuldigen Augen. Herr Fink rieb sich durchs Gesicht. "Frau Brauer, ich verstehe gut, dass Sie sich durch ihre geringe Körpergröße hingerissen fühlen alles persönlich zu nehmen, aber lassen Sie mich Ihnen bitte nahe legen, dass sie mittlerweile volljährig sind und dass Sie als Erwachsene in der Lage sein müssten, sich entsprechend zu benehmen", sagte er, schon weniger rot im Gesicht und öffnete das Fenster, bevor er sich wieder setzte. Michelle druckste mit ihren Fingern herum. Das war völlig nach hinten losgegangen. Sie sah zu dem Kerl in der Ecke, der immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht im Stuhl saß und sich einen angetauten Kühlakku in den Schritt drückte. Er war zwar selbst Schuld, aber sie kam wohl nicht umhin sich bei ihm zu entschuldigen, wenn sie bei Herrn Fink wieder Pluspunkte für ihre nächste Scheiße sammeln wollte. Sie seufzte. "Tut mir Leid, Kevin. Ich habe überreagiert. Ich hoffe du kannst mir verzeihen." Sie wurde etwas rot um die Nase, versuchte wieder einmal super unschuldig zu wirken. Herr Fink grinste zufrieden. Kevin sah sie mit einem zugekniffenen Auge an. Er schätzte ihr falsches Lächeln ab und grinste dann aber zurück. "Klar, werte Lady" ,meinte er und verzog darauf gleich wieder das Gesicht, weil er sich zu viel bewegt hatte. War wohl doch nicht so ganz ohne gewesen, als sie so weit wie möglich mit dem Knie ausgeholt hatte, um es ihm so fest wie möglich zwischen die Beine zu rammen. Dass er ihr so mir nichts, dir nichts verzieh was sie getan hatte, ließ sie stutzen. Plötzlich riss sie Herr Fink aus den Gedanken. "Frau Brauer, warum waren Sie zu der 'Tatzeit' eigentlich auf dem Gang?", fragte Her Fink, "Haben Sie nicht eigentlich gerade Unterricht bei Herr Jakob- Oh..." Er hatte sich in Gedanken die Frage gerade selbst beantwortet und sah sie jetzt erwartend an. “Ich hab ihn beleidigt, nachdem er mich wieder provoziert hatte, Herr Fink. Es tut mir aufrichtig Leid, aber Herr Jakobs ist auch so uneinsichtig und stur, dass er nicht einmal auf einen Deal eingeht. Ich kann da machen was ich will, er hat mich auf dem Kieker!", erklärte sie genervt und plusterte die Wangen auf. "DU HAST EINEM NEUEN IN DIE EIER GETRETEN?!", brüllte Nadine Michelle an, als sie wieder die Klasse betrat. "Woher zum Teufel...?" Michelle starre ihre Freundin an. Woher wusste sie das denn schon wieder? Das war gerade mal zehn, höchstens fünfzehn Minuten her. "Du weißt doch, ich habe meine Quellen. Aber so was kannst du doch nicht machen, Miche!" Nadine hatte sie an den Schultern gepackt und geschüttelt. Sie drückte die Hände von sich. "Ich weiß nicht einmal von irgendwelchen Neuen." Michelle setzte sich wieder an ihren Platz. Die erste Stunde war vorbei, da hatte sie wenigstens Glück, dass sie den alten Saftsack nicht wiedersehen musste. Nadine sah sie von der Seite an. "Was?" "Du wusstest nichts von den Neuen? Wir haben vier neue Schüler vom Gymnasium bekommen. Sie waren zu schlecht um den geforderten Durchschnitt zu halten und kamen zu uns auf die Realschule." Michelle klappte der Mund auf. Gymnasiasten? Sie grummelte, legte ihre Arme auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht darin. Das konnte doch nicht wahr sein. Jetzt bekamen sie auch noch Möchtegern-Klugscheißer hier in diese Hartz4-Schule. "Wer war denn das?" Michelle blickte auf. "Wer?" "Der, dem du die Eier malträtiert hast." Sie überlegte kurz. "Das war ein Gecko. Zumindest hat mich sein Name daran erinnert..." Nadine verdrehte die Augen. "Na Toll... Sah er wenigstens gut aus?" Michelle lachte herzhaft auf. "KLAR! Voll! Er war mein Traumtyp schlechthin! Hallo? Ich habe ihm in die Eier getreten, was meinst du wohl wie er mir gefallen hat?", pampte sie ihre Freundin an, die ihrer Meinung nach, die beklopptesten Fragen stellen konnte. Nadine hob beschwichtigend die Hände. "Ruhig, Brauner!" Michelle starrte sie böse an. "Jetzt ehrlich, sag mal vom wem du das wieder weißt." Michelle war einfach zu neugierig, als dass sie es auf der Tatsache einfach so ruhen lassen könnte. Nadine grinste spitzbübisch. "Robin." Weiter sagte Nadine nichts und Michelle sah sie einen langen Augenblick einfach nur an. "Mein Bruder?" "Genau der." "Ich wusste ich hätte euch eure Handynummern nicht austauschen lassen sollen!", meckerte sie und rieb sich die Schläfen. Nadine lachte. Ein Junge steckte den Kopf in die Klasse und eilte dann schon auf den Sitzplatz der beiden zu. "Ich wünsche Ihnen erneut einen schönen Tag, Euer Tiefwohlgeboren." Kevin stand vor Michelles Tisch und lächelte sein jungenhaftes Lächeln. "Willst du mich eigentlich verarschen? Was willst du hier? Hat dir eine Tracht Prügel nicht gereicht?", wetterte sie gleich los. "MICHELLE! Bleib ruhig", meinte Nadine und legte ihr eine Hand auf den Oberarm, versuchte sie zu beruhigen, denn Michelle war schon in ihrer Sprungphase. "Was willst du, du Quatschkopf?", fragte Nadine. Er lächelte jetzt sie an. "Ich sollte eurer Klasse vom Direktor sagen, dass eure letzte Stunde eine Vertretungsstunde wird. Dieser Lehrer der Sie raus geschmissen hat, Eure Tiefheit, wird sie vertreten." Nadine reckte ihr Kinn. "Und warum sagt er das ausgerechnet dir?" Michelle schwieg derweil und versuchte nicht abzudrehen. "Na, weil ich da gerade stand und ab heute in eure Parallelklasse gehe. Kevin Korner, mein Name." Er verbeugte sich im altertümlichen Stil. "Du hast echt eine Latte ab, Gecko." Kevin hob die Augenbrauen und sah Michelle an. "Gecko?" "Ja, und jetzt verschwinde, bevor ich dich impotent mache." Kapitel 4: ----------- Iwie zieht sich dieser Tag >___> Michelle hat es schon nicht leicht und Sebastian erst recht nicht. Liebe kann so grausam sein. [i"]Nikushimi Kapitel 4 Sebastian und Robin saßen mit weit aufgerissenen Augen auf der Rückbank des VWs und krallten sich in die Türen. Seine Schwester fuhr wie eine Irre. Robin starrte zu Sebastian rüber, der so aussah, als ob er nicht wissen würde, ob er heulen oder schreien sollte. "Ähm, Michelle? Könntest du viell-" "HALT DIE KLAPPE! Ich bin genervt!", schrie sie ihn an und nun versuchte auch Nadine ihre beste Freundin wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. "Ich bringe diesen Wichser irgendwann noch mal um! Und seinen hirnamputierten Enkel auch! Ich meine, was bildet der sich ein? Sein Enkel hat mich ja wohl als erstes belästigt!" Außer sich vor Wut trat Michelle die Bremse durch, als sie vor einer roten Ampel hielten. Robin verstand nur Bahnhof. Seine Schwester war fast zehn Minuten zu spät zum Auto gekommen, Nadine war ihr hinterher gerannt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, war sie ins Auto gestiegen und parkte ohne richtig zu nachzusehen aus der Parklücke aus. Er hatte seine Schwester noch nie so plemplem Auto fahren gesehen. Und jetzt schrie sie wie ein Psychopath herum und fuhr wie ein Berserker. "Um was gehts eigentlich?", fragte er und bereute es im nächsten Moment. Michelle starrte Robin durch den Rückspiegel an und gab Gas, nachdem die Ampel wieder auf grün sprang. "Worums geht?" Nadine klatschte sich die Hand ins Gesicht. "Du weißt doch, dass wir neue Schüler vom Gymnasium bekommen haben, oder?" Robin nickte. "Und einer dieser beschissenen Volldeppen ist der Enkel von Herrn Jakobs, meinem verdammten Englischlehrer", zeterte Michelle dazwischen. Nadine seufzte. "Und das war-" "Der Junge dem sie die Eier gespalten hat?!", begriff Robin in dem Moment und riss den Mund auf. "So ist es." Sebastian schlug sich reflexartig die Hand vor den Mund. "Alter!", ließ Sebastian zwischen seinen Fingern entgleiten. "Und jetzt hatte Herr Jakobs halt deine wundervolle Schwester mehr als auf dem Kieker. Der hat sie regelrecht in der Luft zerrissen. Kevin Korner-" "Gecko", warf Michelle dazwischen. "-so heißt er. Also passt auf was ihr bei dem macht. Er hat Vitamin B", warnte Nadine die beiden Jugendlichen vor. Michelle zog die Handbremse an und jetzt erst merkten die anderen Drei dass sie bei Mecces auf dem Parkplatz standen. "Viermal das BigMac Menü. In Groß. Alles Cola, zweimal Mayo, zweimal Ketchup. Und zum hier essen", erklärte Michelle der ausländischen Bedienung und lächelte zurück. Die Frau vor ihr war bestimmt eine Azubine. Aber dafür dass sie neu war, hatte sie es drauf kompetent und schnell die Bestellung aufs Tablett zu bekommen. Michelle strahlte sie an und manövrierte die beiden Tabletts zu dem reservierten Tisch. "GEIL, ich liebe dich Schwesterherz!" Robin hätte nur noch einen Regenbogen im Auge haben müssen und Michelle war sich sicher, er wäre mit Feenflügeln ins Nimmerland geflogen. "Du liebst jeden der dir Essen bringt...", meinte Sebastian. Robin grinste, hatte in der Zeit schon zweimal in den BigMac gebissen und eine Hand voll Pommes ins Gesicht geschaufelt. Nadine aß alles mit zwei Fingern, als ob es sie umbringen würde es richtig fest zu halten und Sebastian träumte eher vor sich hin, als zu essen. Michelle zwang sich wenigstens ein paar Pommes zu essen und Sebastian zu ignorieren. Sie aß ungern, wenn er sie sehen konnte. Generell wenn er da war. Aber jetzt kam sie sich richtig bescheuert vor. Sie wollte nicht riskieren, dass er womöglich sehen konnte, wie sie sich bekleckerte... "Hast du gar keinen Hunger?", fragte Robin Sebastian, der den Kopf schüttelte. "Doch schon, aber..." Michelle sah ganz genau dass die Beiden Jungs sich vielsagende Blicke zuwarfen und sich mit dieser speziellen 'Best-Friends-Telepathie' unterhielten. "HEY! Keine telepathischen Gespräche über das gekaufte Essen, kapiert?!", warf sie dazwischen. Wenn Sebastian nichts essen wollte, sollte er es halt lassen. Sebastian sah sie aus überraschten Augen an und legte seinen Kopf dabei unbemerkt etwas schief. Michelle blieb die Pommes im Hals stecken, vermied aber eine Horrorszene wie im Auto und trank schnell einen Schluck von ihrer Cola. Als sie Sebastian wieder ansehen konnte, starrte nicht nur er, sondern auch Robin verheißungsvoll in ihre Richtung. "Alter, das war eine Pommes...!" Nadine, die keinen Schimmer hatte was da intern abging, störte sich auch nicht weiter dran und aß noch ein paar Pommes. "Ihr müsst jetzt nicht so tun als ob ich todkrank wäre..." Sie winkte mit der Hand ab und schlürfte an ihrer Cola. "Du wärst heute morgen beinahe krepiert!", blaffte Robin plötzlich und schlug die Hand auf den Tisch. Michelle japste vor Schreck auf und Nadines Cola kippte um. "Hey meine Cola!", meckerte Nadine. Sie starrte ihren kleinen Bruder an. Auf einmal pisste sie es unendlich an, dass er sich so mokierte. Ob er es gut meinte oder nicht. Woher wollte er wissen was mit ihr war und was nicht? In ihr brodelte etwas gewaltig und sie war wirklich stinkwütend. Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick, hoffte irgendwie dass er gleich in Flammen aufging. Nichts geschah und sie sprang von ihrem Stuhl auf. Verdutzt aber wütend fragte Robin wohin sie ging. "PISSEN, WAS DAGEGEN?!" Sie stand vor dem Spiegel in den Mecces-Toiletten und stützte sich übers Waschbecken. Sie atmete tief ein und aus, versuchte sich runter zu schrauben, aber alles was sie schaffte war, dass sie einen Brechreiz bekam. Je mehr sie sich beruhigte, umso mehr wurde ihr schlecht. Sie hatte das innige Bedürfnis irgendetwas zu zerschmettern, etwas was in alle Himmelsrichtungen fliegen würde. Sie sah in den Spiegel. Würde es wem auffallen? Würde sie es wieder als Unfall ausgeben können? Sie starrte nur in den Spiegel, sah sich nicht einmal selbst. Ihre Lippen und Mund wurden trocken. Was, wenn sie ihn einfach herunter riss und auf den Boden knallte? Wenn sie heraus gehen würde, als ob alles in Ordnung wäre? Sie fing an zu zittern. Ob man es vor der Toilettentür hören könnte? Sie war aufgeregt und bekam Gänsehaut. Es könnte alles so schnell gehen und niemand würde wissen, dass sie es war. Wer passte den schon auf die Toiletten auf? Wer da hinein- und wieder heraus ging? Sie hob die Hand, legte sie an den freien Rand des Spiegels. Sie musste sich etwas recken, um heran zu kommen. Sie sah ihre Augen. Sie waren groß und erst jetzt bemerkte sie, welch riesiger Augenringe sie eigentlich hatte. Als die Tür aufging bekam sie einen so großen Schock, dass sie auf einem Papierhandtuch vorm Waschbecken ausrutschte und sich das Knie anstieß. Sie fiel auf den Hintern, hielt sich das Knie und sah zu dem neuen Toilettengast. Nadine stand mit hochgezogenen Augenbrauen und einer- vermutlich neuen- Cola in der Hand im Türrahmen und beäugte die Szene vor ihr. "Was machst du denn da? Wir müssen los..." "Gibt es im Knie einen Musikkantenknochen?", fragte Michelle im Gegenzug und hatte ein unangenehmes, recht widerliches Gefühl im Knie. Nadine hockte sich hin und half ihrer Freundin auf. "Nein, glaub nicht." "Dann habe ich den Leitungsmuskel gefunden..." Nadine und Michelle hatten seit der sechsten Klasse eine Bezeichnung für Körperteile, die wirklich stark den Schmerz weiterleiteten. Leitungshaar, Leitungsaugenbraue, Leitungsnerv, Leitungsbrust... Die Liste war endlos lang. Sie humpelte aus der Toilette und sah die Jungs an. Sebastian hatte zwei Eis in der Hand und Robin sah misstrauisch aus. "Wenn du eine deiner behinderten Theorien aussprichst, schwöre ich dir, ich ersticke dich im Schlaf mit einem Kissen!" Ein vielleicht fünfjähriges Mädchen riss die Augen auf, als sie das mithörte. "Und danach esse ich kleine blonde Kinder, die ich tagsüber beobachte!", setzte Michelle mit dran und die Kleine fing an zu weinen. Ein Seitenblick von Nadine ließ Michelle nicht zögern und humpelte weiter. "He, ich hab einen McSundae mit Schoko für dich..." Michelle war sprachlos als Sebastian ihr das Eis entgegen hielt und sie ansah. Ihr Herz klopfte auf einmal so schnell, dass sie Panik hatte, eine Herzattacke zu bekommen. Es wurde warm, sie fing an zu kochen und ihre Ohren wurden verräterisch rot. Ihr Mund klappte auf und zu, ohne etwas heraus bringen zu können. Ein einschnürendes Gefühl eroberte ihre Brust und sie wusste, dass wenn sie nicht gleich etwas sagen würde, bemerkt werden würde, dass sie Sebastian anstammelte wie ein liebestoller Teenie. Er sah so unbeschreiblich schön aus, wie er sie mit seinen Augen fragend ansah, unschuldig und naiv. In ihrem Kopf zuckte ein Blitz und sie war wieder da. Was zum Teufel tat sie da? Sie fühlte sich abartig. Sie hatte sich in aller Öffentlichkeit, auch noch direkt vor ihm, in ihren abstoßenden, ekelerregenden Gefühlen gesuhlt. "Im Winter?", fragte sie mit Sarkasmus in der Stimme und bereute es unerträglich doll, ihm so was sagen zu müssen. Sie hasste sich selbst. Sie machte ihren Mund wieder zu und humpelte an ihm vorbei. Sebastian ließ beinahe das Eis fallen, so gekränkt war er. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er hatte das vage Gefühl, dass sich Tränen aufstockten. Ihm blieb die Luft weg, konnte nicht einmal richtig einatmen. Warum war sie gerade so böse zu ihm gewesen? Er sah Robin hilfesuchend an. Dieser erstach sie imaginär mit seinen Augen. Dann grummelte er und sah Sebastian wie einen geschlagenen Hund an. "Sorry, ich dachte sie freut sich wirklich über das Eis..." Er kratzte seinen Nacken und blickte zu Boden, wie immer wenn ihm etwas peinlich oder unangenehm war. Sebastian machte gute Miene zum bösen Spiel und lächelte. "Dann eben nicht, willst du? Zwei schaff ich nicht..." Er hielt Robin das halb-flüssige Eis entgegen. "Jap, Danke." Er hatte vergessen, was seine Schwester für ein biestiges, knochenkotzendes Miststück sein konnte. Er hatte richtig Mitleid mit Sebastian, weil ihn die Meinung von Michelle durchaus interessierte. Er kannte sie seit er sechs war und damals hatte Michelle auch noch mit den Beiden gespielt. Bis sie irgendwann bissig wurde und sie nur noch angeschrien hatte. Er wusste nicht warum, seine Mutter schob es auf die Pubertät, aber er glaubte es nicht ganz. Sebastian sah sie als eine große Schwester, so dachte er schon über Jahre. Seb war ein Einzelkind, also war das doch durchaus möglich und ihm hatte er auch schon einmal gesagt, dass er sich so einen Bruder vorstellte. Zwei Brüder. Robin seufzte und stieg ins Auto, wo Michelle arg genervt rüber kam. Nadine hielt sich wie immer aus den Angelegenheiten raus. Sie war eher die stille Beobachterin, die seine Schwester wieder mit der Wirklichkeit konfrontierte. Er taxierte Michelle von der Rückbank aus. Warum war sie so sauer geworden? Und warum zum Teufel stritt sie so permanent ab, dass der Hustenanfall von heute Morgen nichts Erwähnenswertes war? Er verstand seine Schwester nicht. Vielleicht hatte sie ja Probleme und das war einer dieser Stresssymptome? Er bemerkte, dass er das nächste Mal in Bio mehr aufpassen musste. Dann könnte er wenigstens die Theorien widerlegen oder bestätigen. Bei der nächsten roten Ampel fuhr sie durch ihre Gesicht und ihren Pony. Sie zog das Gummiband raus und schüttelte ihr Haar einmal kräftig auf. In binnen zwei Sekunden war das ganze Auto von Erdbeerduft erfüllt. "Boah!", hustete Robin, "Wie viel benutzt du von dem Zeug?" "Walnuss-große Kleckse, ist doch klar. Für Beschwerden richte dich an Nadine." Er rollte die Augen. Sagte Nadine alles was Michelle zu tun und zu lassen hatte? Er rümpfte die Nase und machte das Fenster runter. "BIST DU BEHINDERT?! Mach die Luke zu!", schrie Michelle und fuhr los, als die Ampel auf grün sprang. "Es is arschkalt draußen und dir fällt nichts Besseres ein als das Fenster zu öffnen?" "Du stinkst halt." Sie hatte Robin gnadenlos aus dem Auto geschmissen, als sie angekommen waren. Sebastian ließ sie normal aussteigend. Anscheinend hatte sie ihn doch ganz schön fertig gemacht. Sie biss sich auf die Zunge um sich nicht zu entschuldigen. Es war notwendig. Sie durfte ihm nicht mehr sympathisch erscheinen. Er sollte sie hassen... Das wäre das Beste. "Wann hört das Training auf?", fragte sie noch schnell. "In drei Stunden, also um fünf. Okay, eigentlich zehn vor, aber wir brauchen noch Zeit um uns umzuziehen." Michelle nickte und parkte wieder aus. Sie klärte mit Nadine ab, was sie alles brauchten und Michelle hatte wirklich keine Lust. Nadine war ein Shoppingjunkie, das genaue Gegenteil zu Michelle. Sie war eigentlich kein Stück modisch, wenn Nadine sie nicht einkleiden würde. Und einen Vorteil gab es zusätzlich: Nadine zahlte die Hälfte der Klamotten. Sie standen in einem Laden, der wohl sehr bekannt für seine gute Qualität war- was Nadine natürlich wusste. Sie hatte ihr schon einen Stapel Jeans in die Hand gedrückt und die sollte Michelle anprobieren. Wenigstens sah es Nadine jetzt ein, dass Michelle Jeans nicht anzog, die sie unangenehm empfand. Sie gab drei von sieben Hosen wieder weg, weil die nicht saßen. Während Nadine ihr Oberteile suchte, schaute Michelle sich die Accessoire-Ständer an. Dort klimperten die hässlichsten Schmuckstücke die sie je gesehen hatte. Aber sie sah einen Haarreif mit schwarz-weißem Punktmuster. Sie probierte ihn auf und besah sich in einem der tausend Spiegel. Sie hätte es lassen sollen. Wenn sie den Pony damit nach hinten schob, konnte sie ihr Gesicht besser sehen, was ihr absolut missfiel. Sie riss ihn vom Kopf und zottelte ihr Haar wieder nach vorn. "Hey, Miche. Ich hab noch was gefunden. Oh! Der Haarreif ist aber süß!" Nadine bekam sofort strahlende Augen, als ihr der Haarreif auffiel. Michelle lächelte gezwungen, wehe die dumme Pute kam jetzt darauf ihr den zu kaufen. "Darf ich?", fragte Nadine und übergab Michelle im Austausch zum Haarreif ihren Probestapel. Zum Glück probierte Nadine diesen. Die Verkäuferin hinter der Theke zog eine Augenbraue hoch, als Michelle mit den schier endlosen Stapel Oberteilen in die Kabine wollte. Die Chefin hielt sie an der Schulter fest und erklärte ihr etwas. Nadine hatte ihr erzählt, dass ihre Mutter die Chefin kannte, also vertraute sie ihr wohl. Michelle störte sich nicht weiter daran und zog die Oberteile an. Endlich hatte sie auch wieder Haarfarbe. Wegen Nadine waren sie fast zu spät gewesen, weil sie ja unbedingt einen von diesen Petticoatkleidern in Punktoptik dazu haben wollte. Die Chefin hatte eine Viertelstunde im Lager nach Nadines Größe gesucht. Sie war dann schnell noch in die Drogerie gehüpft und hatte sich zwei Packungen Haarfarbe gekauft. Nun stand sie auf dem Parkplatz von dem Stadion und wartete auf die Jungs, um sie nach Hause zu fahren. Es war zehn vor fünf, also hatte sie noch etwas Zeit. Nadine grinste, als sie einen USB-Stick aus ihrer Handtasche zog. Michelle sah sie misstrauisch an, aber Nadine schob sie einfach in den Anschluss des Players im Auto und zappte gleich zu einem bestimmten Lied. Ihr klappte der Mund auf als sie nach den ersten drei Sekunden Simon Curtis mit "Super Psycho Love" erkannte. Nadine fing sofort an herumzuhampeln, was sie als Tanzen auslegte. Michelle bekam sofort gute Laune und machte mit. Sie fuchtelten synchron mit den Händen und probierten fünfziger Jahre Tanzstile aus. Beim dritten Durchgang sangen sie lauthals mit, wobei es Nadine nicht störte, dass Michelle kein Wort aussprechen konnte und hatten eine perfekte Choreografie dazu ausgedacht. Als das Lied erneut geendet hatte, ging die Autotür hinter ihr auf. "Toller Tanz, solltet nur mal nach Draußen gucken." Robin und Sebastian waren eingestiegen, Sebastian rot vor Scham. Michelle folgte dem Rat ihres Bruders und sah ein paar halbentwickelte Jungs, die ihnen Flugherzen zu küssten und ihre Hände am Herzen hatten. Michelle vergrub ihr Gesicht in den Händen. Verdammt war ihr das peinlich! Sie hörte erneut die Autotür und Nadines Stimme. "Das nächste Mal verlangen wir einen Zuschauerpreis, verstanden?! Also bunkert euch schon einmal Geld dafür!", rief Nadine und winkte zwei von den Jungen zu. "Ich bringe euch alle um...", flüsterte Michelle halblaut, aber durchaus ernst, was Robin und Nadine allerdings nur zum Lachen brachte. Kapitel 5: ----------- Die Beiden tun mir schon echt leid, ich kann nicht mal sagen auf wessen Seite ich bin. Wer Robin mag, wird in dem nächsten Kappi bedient :D Und der Gecko taucht hier auch wieder auf, für die die ihn mögen xD Nikushimi Kapitel 5 Sie lag im Bett und konnte nicht schlafen. Sie rieb sich durch ihr Gesicht und schaute auf den Wecker. Es war schon zwei Uhr morgens. Sie seufzte und kuschelte sich tiefer in die Decke. Langsam, ganz langsam konnte sie spüren wie sie in den Schlaf driften konnte, als es klopfte. Erschrocken, aber zugleich genervt sah sie auf. Sie sagt leise "Ja?" und die Tür öffnete sich tatsächlich. Ihr Atem stockte, als Sebastian in der Tür stand und an seinem Schlafshirt zuppelte. "Kann ich kurz mit dir reden?", fragte er ganz leise, so dass sie selbst bei dem ruhigen Haus Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. "Sebastian, es ist zwei Uhr morgens, ich will schlafen!", meckerte sie halblaut. "Geht auch ganz schnell!", meinte er und sah wirklich hilflos aus. Sie schnaubte und zog ihre Decke weiter zu sich. Sie hatte nur ein Tanktop und Unterhose an, was er zu hundert Prozent nicht sehen sollte. Sie deutete ans Bettende und sagte halblaut, dass er sich setzten sollte. Er nickte und kam geduckt vor Schüchternheit ans Bett und setzte sich. Sie starrte ihn im Schutze ihrer Decke an. Sie wartete gefühlte Stunden und als er nach drei Minuten immer noch nichts gesagt hatte, blaffte sie ihn an. "Wirds noch was?!", sagte sie gereizter als sie wollte. Er zuckte erschrocken zusammen und nickte. "Tu- tut mir Leid... Es is nur.. also..." Er zwirbelte seinen Saum den T-shirts und leierte ihn somit aus. Michelle verdrehte die Augen. Es war mitten in der Nacht, der Junge den sie begehrte war auf ihrem Bett und kam nicht zur Sache UND sie war hundemüde! Als er sie auf einmal festen Blickes ansah, blieb ihr das Wort im Halse stecken. Das war sie ja mal so gar nicht von ihm gewohnt. "Michelle, warum warst du bei Mecces so gemein zu mir?!", fragte er und sie war sich sicher, dass er jede Sekunde heulen würde. Seine Lippen zuckten leicht und seine Augenbrauen zogen sich langsam zusammen. Was zum Teufel sollte sie denn sagen? Sie seufzte. "Sebastian... mal ehrlich: Mir war heute schon den ganzen Tag kalt und du willst mir noch ein Eis andrehen? Herr Jakobs hat mich heute den ganzen Tag gefoltert und ich hatte Scheißlaune? Das hat ein bisschen härter geklungen als es sollte, aber mein Gott, du bist doch keine Sechs mehr! Das kannst du ja wohl verkraften...!", redete sie sich in rage und klang dabei immer genervter. Seine Augen füllten sich und er wischte schnell die aufkommenden Tränen mit der Hand weg. Michelle schluckte betroffen. So eine Scheiße! Was sollte sie jetzt zum Teufel nur tun?! "Kann... ich nicht", murmelte er, ganz darauf konzentriert seine Stimme nicht verheult klingen zu lassen. Er sah sie mit seinen nassen Gesicht an, die Tränen fortlaufend am wegwischen. "Es hat mir damals so viel... Spaß gemacht mit dir und Robin zu spielen... Warum bist du so gemein... zu mir geworden? Das ist fies von dir! Hab ich was Böses gemacht?! Sag es mir..." Er vergrub sein Gesicht in den Händen. Er sah aus, wie damals, als ihm gesagt wurde, dass sein Hund Kläffer überfahren wurde. Aber anders als damals, konnte sie ihn jetzt nicht trösten. Sie wollte, aber Herr Gott, sie konnte nicht! Ihre Muskeln bewegten sich kein Stück, sie zuckten nicht einmal. "N-Nein, das hast du nicht, Sebastian." Wenigstens konnte sie sprechen, ohne dass man den Kloß in ihrem Hals heraus hören konnte. Sie fühlte sich schuldig bis in die Knochen. War ja auch klar, wenn man so was wie sie sagte, verletzte man nun einmal Gefühle. Aber sie konnte doch nicht damit umgehen. Er sah langsam von seinen Händen auf, seine Augen waren geschwollen und seine Wangen knallrot. Er bekam Schluckauf. "Nein?", fragte er noch einmal nach. Michelle schüttelte sachte den Kopf. Sie konnte sich wieder bewegen und rutschte etwas zu ihm ans Bettende, legte ihre Hand auf seine Schulter. Ihre andere Hand hielt die Decke über ihre Hüften. "Aber warum dann? Warum bist du so böse zu mir?" Seine Stimme überschlug sich und sein Schluckauf wurde schlimmer. Sie atmete tief ein und lächelte gequält. "Wenn ich dir das sagen würde, du würdest nie wieder mit mir reden wollen. Das ist es nicht wert. Außerdem würde ich viel, sehr viel Ärger bekommen. Also lass diese Fragerei, okay?" Ein paar Tränen kullerten über seine Wangen, als er sie mit gerunzelter Stirn ansah. "Das verstehe ich nicht", sagte er bedacht. Sie nahm die Hand von seiner Schulter, raffte ihre Decke wieder, als sie wieder zurück robbte. Sie winkte ab. "Nicht so wichtig. Geh wieder ins Bett, morgen ist Schule. Beziehungsweise heute..." Unbewusst berührte Sebastian seine Schulter die sie angefasst hatte. "Ich... ich will aber nicht." Sie hielt inne und sah ihn verblüfft an. "Was?" "Ich will nicht", sagte er jetzt mit festerer Stimme. Sie zuckte die Schultern. "Dann bleib halt wach. Guck drüben Fernsehen oder so. ICH will jetzt schlafen. Also: Na-" Sie kam nicht weiter, denn sie spürte nur noch den Ruck der durch ihren Körper jagte, als sie von Sebastian an sich gezogen wurde. Sie brauchte einen Augenblick um zu verstehen, dass er sie küsste. Ihr Herz setzte aus, ihr Hirn konnte anscheinend nur noch in Stückchen verarbeiten, aber ihre Augen starrten entsetzt in das verzweifelte Gesicht von Sebastian. In ihren Gedanken war nur noch die Fragen, was er da mache und warum. In ihren Körper schlug ihr Herz schneller und ihre Lippen fingen an zu kribbeln, sowie ihre Zehen und Fingerspitzen. Eine angenehme Wärme stieg von ihrem Nacken herab über die Schultern, in ihren Rücken und die Arme hinab. Und die Wärme wanderte immer tiefer. Sie war machtlos, es wurde warm zwischen ihren Beinen und Sebastian fing an sie leidenschaftlich und wild zu küssen. Sie erwiderte es. Als er sich über sie beugte, riss sie die Augen auf. Ihr war eiskalt und sie holte tief Luft. Eine seltsame Hitze sprudelte plötzlich wieder durch ihren Körper, beschleunigte ihr Herz wie in einem Albtraum. Sie war allein in ihrem Zimmer. Das Licht der Straßenlaternen mogelte sich durch die leichten Spalten in dem Rollladen. Ihr Mund war trocken und ihre Brust zog sich zusammen. Was hatte sie da geträumt?! Sie umklammerte ihren Kopf mit ihren Händen. Jetzt drehte sie vollkommen durch! Sie wurde irre! Sie atmete tief ein und aus, sie hyperventilierte fast. Ein unbeschreiblich schales Gefühl blieb in ihr Zurück, als sie sich halbwegs beruhigt hatte. Es war zwanzig nach zwölf. Wenn sie sich nicht irrte, hatte sie gerade mal eine halbe Stunde geschlafen. Sie rieb sich durchs Gesicht. Sie wünschte sich in diesem Moment eine schallende Ohrfeige, von irgendeinem kräftigen Bodybuilder, der ihr fast das Genick dabei brechen würde... Sie schlug die Decke zur Seite und machte sich auf den Weg zum Klo. Sie wusste gar nicht wie dringend sie aufs Klo musste, seit sie aufgewacht war. Es war dunkel im Flur, nur das Nachtlicht in der Steckdose leuchtete und ihre Mutter schien wohl auch schon im Bett zu sein. Sie streckte sich noch einmal vor der Badezimmertür und hörte dann das klackende Geräusch einer Tür. Sie hätte beinahe geschrieen als sie sah, dass Sebastian aus dem Zimmer von Robin kam. Wollte man sie hier gerade verarschen?! Er rieb sich die Augen, schien wohl schon geschlafen zu haben, als er sie dann auch sah. "Oh... Hi", sagte er und lächelte verschlafen. Sie konnte gar nichts machen außer ihn anzustarren, wobei ihr die verdammt realen Bilder ihres Traumes durch den Kopf jagten. Sie stand noch mit halb erhobenen Armen vom Strecken vor der Tür, in Unterhose und Tanktop mit dem die geschlafen hatte, als ihr auffiel, dass er eine Antwort zu erwarten schien. "Willst du da rein?", fragte sie prompt, sichtlich verwirrt und auf die Tür vor sich zeigend. Er lachte auf und nickte. "Jap, eigentlich schon. Aber wenn du-" "Ich geh unten", unterbrach sie ihn und machte auf ihren Fersen kehrt. Alles in ihr schrie danach wie unangenehm und peinlich dieser Moment war, aber es machte sich auch das Bild vom emotional-verstörten Sebastian aus ihren Traum sichtbar. Als sie halb die Treppe herunter gestürmt war, blieb sie stehen und sah nach oben. Wenn er über das Geländer gucken würde, könnte er sie sehen. "Tut mir Leid, wegen heute bei Mecces, Sebastian...", flüsterte sie halblaut ins schwummrige Dunkel. Erst kam keine Antwort, aber der Kopf erschien über dem Geländer und er strahlte sie an. "Danke", sagte er und dann trat eine angenehme Stille ein. Bis die beiden bemerkten, weswegen sie eigentlich wach geworden sind. Michelle lief im Dunkeln zum Gästeklo und stieß sich erst einmal den Zeh am Türrahmen an. Sie war sich sicher, dass Sebastian in dieser nächtlichen Stille ihr "Verfickte Scheiße!" sehr gut hörte. Nachdem sie auf dem Klo war, spähte sie von der Treppe aus an die Türkante des Badezimmers. Es brannte kein Licht mehr darin, also huschte sie in ihr Zimmer. Sie wollte ihm heute Nacht nicht noch einmal begegnen. In ihrem Zimmer schmiss sie sich sofort in ihr Bett, holte ihr Büchlein heraus und schrieb ihren Traum rein. Sie packte es danach wieder ordentlich weg, kuschelte sich tief in ihre Decke ein und sah noch einmal auf die Uhr. Zehn vor zwei. Sie seufzte und versuchte sanft in ihren horrorlosen Traum zu gleiten. Ein permanentes Prügeln an der Tür ließ sie aufwachen. "Michelle! MICHELLE! Mama hat gesagt du sollst aufstehen! Es ist halb sieben!" Sie sprang aus dem Bett heraus, als sie die Uhrzeit begriffen hatte. Warum hatte denn ihr nutzloser Pisswecker nicht geklingelt? Sie würde zu spät kommen! Vor allem, wenn sie das Auto nicht bekommen würde, in sieben Minuten schaffte sie es hundertprozentig nicht sich fertig zu machen. Sie blickte auf ihren Wecker und sah das Datum, den Wochentag und die genaue Uhrzeit. Es war der vierte November, Donnerstag und sieben Uhr einunddreißig Winterzeit. Sie starrte todbringend die Tür an. Sie hatte donnerstags immer zur zweiten Stunde und musste somit erst in fünfundzwanzig Minuten aufstehen. Kein Wunder, dass dieses Drecksding nicht geklingelt hatte und Robin vor ihrer Tür anfing zu kichern. Sie riss die Tür auf, sah Robin erschrocken japsen und holte aus, um seinen Kopf mit aller Kraft, die sie aufwenden konnte gegen den Türrahmen zu knallen. Sie musste zugeben, sie war nicht stark. Genaugenommen könnte sie nicht mal eine vierjährige effektiv schlagen. Wenn sie aber Hilfsmittelchen hatte, konnte sie wenigstens eine Beule, blaue Flecken oder Ähnliches verursachen. Oder wenn sie genügend Schwung hatte, wie es bei dem Gecko der Fall war... Oder hier. Robin bekam jetzt mindestens einen richtig fiesen Bluterguss an der Augenhöhle. Sie hatte genau den Knochen an der rechten Augenbraue getroffen. Gotcha... Geduscht und geputzt zog sie sich, wie von Nadine befohlen, den schwarzen Longpulli mit dem extrem wuchtigen Kragen an und dazu ihre neue weiße Thermoleggins. Verdammt, war sie froh, dass Nadine sich dazu herab gelassen hatte die zu kaufen. Hätte sie noch einmal ohne nach Draußen gemusst, hätte sie bestimmt Eiswürfel gepinkelt. Sie pinselte ihre Augen mit Mascara und Kajal an. Jetzt hasste sie es noch viel mehr sich im Spiegel zu betrachten. Sie könnte erst abends, nach dem Training, die Haare färben. Sie sah schon einen blonden Ansatz, der jede Sekunde größer zu werden schien. Auch bemerkte sie jetzt erst, wie inkonsequent sie selbst war, obwohl sie es von ihrer Mutter verlangte. Sie hatte sich fest vorgenommen sich nicht mehr für ihre Art und Weise bei Sebastian zu entschuldigen- und sie hatte es doch getan. Sie seufzte und spuckte den Spiegel an, beleidigte ihn, fühlte sich aber nicht viel besser. Sie schnappte sich ihre Tasche und verließ ihr Zimmer. Als sie runter in die Küche sprang, blieb sie wie angewurzelt in der Tür stehen. "Huh?", war der intelligente Ausruf den sie machte, als sie ihren Bruder auf einem der Stühle sitzen saß und sich einen, vermutlich kalten, Waschlappen an das Auge hielt. "Michelle! Ich habe dir gesagt du sollst nicht immer so grob sein! Er hat ein richtiges Veilchen!" Ihre Mutter fuchtelte drohend mit ihren Händen herum, anscheinend versuchend ihr trotz ihrer wohlwollenden Art eine zu zimmern. Michelle hob beschwichtigend die Hände. "Hey, hey, hey! ER hat angefangen und mal ehrlich: Wenn er sich wehren würde bzw. könnte, hätte ich schon längst aufgehört." "Ich kann mich wehren, aber ich schlage keine Mädchen und Kinder! Nur weil du ein Steinzeitweib bist, heißt das noch lange nicht, dass ich auch aus der Steinzeit komme!", meckerte Robin mit seinem Tuch im Gesicht. "Ja ja, das sagt jeder..." Sie zuckte mit den Schultern und ihre Mutter schimpfte weiter mit ihr. Als es hupte, war Michelle schon fertig und hatte auch eine Diskussion mit ihrer Mutter hinter sich. Sie musste Robin mit in die Schule fahren. Nadine würde es zwar eh nichts ausmachen, aber ihr. "Na komm, sie wartet auch nicht ewig!", zog sie Robin am Handgelenk mit. Sebastian war wohl schon in der Schule und hatte den Lehrern getrichtert, dass Robin etwas später kam. Ihr war es recht, so musste sie wenigstens nicht versuchen wieder abfällig zu wirken. Nadine sagte nichts dazu, dass sie Robin mitnehmen musste und schon gar nichts zu seinem Veilchen. Aber sie erzählte ihr die wichtigsten Nachrichten. Als Robin auf dem Weg in sein Klassenzimmer war, konnten Nadine und Michelle endlich darüber lachen, wie lila sein Auge war. Sie erklärte wie es passiert war, doch als sie in der Klasse ankam, sah sie jemanden auf ihrem Platz sitzen. Und sie war nicht erfreut. "Guten Morgen, eure Tiefwohlgeboren. Warum haben Sie mir nicht mitteilen lassen, dass Sie heute zur Zweiten haben?" Ohne lange zu zögern, trat Michelle ihn von ihrem Platz und setzte sich selber. Sie packte ihre Federtasche und ihr Buch aus. "Erstens: Weil es dich nichts angeht und Zweitens: Frag doch das nächste Mal deinen tollen Opi, der scheint sich ja sehr für dein Wohlergehen zu interessieren." Sichtlich verdutzt sah Kevin zu ihr hinauf, dann lächelte er wieder sein typisches Grinsen und setzte sich auf ihre Tischplatte. "HEY!", brüllte sie ihn an, aber er blieb ruhig und lächelte stetig. "Meinen Sie den Jakobs? Jupp, der ist mein Großvater. Joachim Jakobs." Sie rollte mit den Augen. "Schön, jetzt den Arsch weg!" Aber Kevin hob die Augenbrauen. "Sieht er denn nicht gut aus? Ich meine ich trainiere viel, der muss doch knackig aussehen, oder?!" Einige der Mädchen kicherten, schien denen wohl zu gefallen, wie er seinen Hintern in Richtung Michelle drehte, als er vom Tisch runter hüpfte. "Das ist mir scheißegal...!" Sie schaute zu Nadine rüber, die schon fast lüstern auf seinen Hintern starrte. Michelle gab ihr einen Stoß mit ihrem Ellenbogen, worauf Nadine böse guckte. "Warum?", fragte jetzt Kevin mit- scheinbar- aufrichtiger Neugierde. Sie betrachtete ihn. "Naja, dein Opa hasst mich und foltert mich regelrecht. Er hat mich auf dem Kieker. Und dass du so ein unbeschreiblich nerviger Vollpfosten bist, macht die Sache nicht besser, weil der Mistkerl eine verdammte Glucke is!" Kevin sah sie an, nickte und ging dann in seinen Unterricht, als die Klingel losging. Nadine und Michelle hingegen sahen sich ratlos an. Kapitel 6: ----------- Wow, dieses Kapitel is mir förmlich nur so von der Hand gesprungen. An zwei Tagen geschrieben, zusammen gerechnet vielleicht 5 oder 6 Stunden gebraucht. Neuer Rekord... Wie versprochen is hier auch etwas mehr von Robin zu hören und auch Kevin hat sich nett eingeschlichen. Sebastian wird auch noch dran kommen, aber auch das dauert etwas, ich will ihn ja nicht gleich fertig machen... Ich bin eigentlich auch nicht die Person die sich (regelmäßig) beschwert, aber über ein paar Kommis würde ich mich schon freuen. Vor allem weil ich wissen will, ob das Thema überhaupt so ankommt wie es geplant war. Oder ganz anders. Ich würde gern eure Gedanken hören... Aber genug gelabert, viel Spaß mit dem Kappi. Nikushimi Kapitel 6 Demotiviert und mit hängendem Kopf schlenderte Robin durch die Flure der Schule. Ein paar kreischende Mitschüler liefen an ihm vorbei und stießen ihn ein paar Mal unabsichtlich an. Er hatte eigentlich überhaupt keinen Bock auf die Schule und vor allem nicht darauf seinen Klassenkameraden zu erklären, woher er das unübersehbare Veilchen hatte. Seine Schwester hatte aber auch direkt ins Schwarze getroffen. Das hätte er ihr niemals zugetraut. Er runzelte die Stirn. Sie wurde in letzter Zeit noch aggressiver und aufbrausender als früher und das machte ihm langsam wirklich Angst. Sie war zwar schon immer außerordentlich gewaltbereit gewesen, aber das toppte alles. Er strich seine Haare wieder übers Auge, das blaue Auge musste ja nicht noch offensichtlicher sein als es eh schon war. Er stutzte, als er einen Jungen mit braunen Haaren vor dem Gebäudeplan stehen sah. Dieser tatschte mit den Fingern einige Wege nach und starrte dann wieder hoch, auf den Wegweiser, der die Trakte aufgelistet hatte. "Kommst du zurecht?" fragte Robin widerwillig, aber er konnte den Typen nicht einfach so ratlos stehen lassen. Das war gegen seine Prinzipien. Der Junge sah auf und grinste verlegen. "Ich suche Raum 406a, aber irgendwie hassen mich diese Schilder hier..." Robin seufzte. "Das ist einer der neuen Räume, die sind im D-Gebäude. Die Schilder kannst du zudem vergessen, die wurden seit Jahren nicht mehr erneuert. Ich bring dich hin", endete Robin und winkte den Jungen mit sich. "Hey, danke!", freute sich dieser und lief seinem Retter hinterher. "Ich bin übrigens Pascal. Pascal Mertens!" Dieser Kerl nervte auf eine Gewisse Art und Weise, aber es war auszuhalten. "Robin Brauer", stellte er sich knapp vor und bemerkte, dass dieser Pascal ein Dauergrinser war. "Du bist einer von den Neuen, oder?", fragte Robin neugierig. Er war ihm irgendwie sympathisch, deswegen konnte er es nicht lassen den Neuen auszufragen. Dann hätte er wenigstens wieder etwas für Nadine. Pascal nickte. "Das bin ich. Eigentlich sollten ja vier Tage reichen, um die Schule halbwegs zu kennen, aber wie man sieht: Eher nicht." Robin lachte mit, stockte dann aber, als er es bemerkte. Sie gingen eine Zeit lang schweigend nebeneinander her. Sie mussten in den Keller von dem Gebäude, um in den Chemieraum, den Pascal suchte, zu kommen. "In welche Klasse gehst du?", fragte Pascal aus dem Nichts heraus und Robin zog eine Augenbraue hoch. "In die 7bR. Und du?" Pascal schien sich tierisch zu freuen, als Robin die höfliche Gegenfrage stellte. "In die 8aR." Robin blieb wie angewurzelt stehen und riss die Augen auf. "WAS?! Du bist ein Jahrgang höher als ich?" Das konnte Robin nicht fassen, er dachte er wäre ein Sechstklässler, oder höchstens in seinem Jahrgang, aber das ließ ihn aus allen Wolken fallen. Pascal amüsierte es sichtlich. "Ja, ich bin Sechzehn und in der Achten. Probleme?" "Ja!" Daraufhin lachte der Neue nur noch mehr und Robin kam sich richtig dumm vor. Wie konnte so jemand nur älter sein, als er selbst? "Du bist echt lustig! So jemand witziges habe ich noch nie getroffen!", grinste Pascal freundlich. Sie kamen dann doch noch am Raum an und Pascal sah Robin an. "Ich hoffe ich habe dich nicht abgeschreckt, weil ich dich echt cool finde. Wäre genial, wenn wir mal was zusammen machen." Robin ließ seinen Mund einfach offen stehen und starrte den Älteren an. Er schüttelte den Kopf. Und lachte. "DU bist echt bekloppt. Aber ich werde mal sehen", war seine Antwort und er musste sich langsam sputen, da es in diesem Moment klingelte. Irgendwie fand er Pascal doch recht amüsant. "ROBIN!" Hätte er nicht damit gerechnet, hätte ihn Sebastian mit seiner Klammerattacke vollkommen schockiert. Grinsend schob er Sebastian von sich. "Komm mal runter, Seb!", lachte er ihn an. Dann aber bemerkte er, dass Sebastian sein Gesicht taxierte. "Lass das!", schob er ihm seine Hand ins Gesicht und hinderte ihn so daran, ihn anzusehen. "Oha! Brauer, was hast du denn gemacht?", fragte einer seiner Klassenkameraden. "Bist du in der Dusche ausgerutscht?", witzelte ein anderer. "Oder gegen einen Türrahmen gerannt?", hängte der Erste noch einmal an. "So ähnlich...", grinste er, jaulte aber auf, als Sebastian sein Auge berührte. Zeitgleich holte er aus und pfefferte seinem besten Freund eine. "ALTER! Das tut weh, Seb!" Wie ein Arzt sah Sebastian seinen Kumpel an und wirkte so, als ob er noch eine Reaktion erwarten würde. "Was?", fragte er dann auch gereizt. "Das muss ja wirklich weh tun, wenn du das so offen zugibst...", meinte einer seiner Mitschüler. Robin winkte ab. "Ja, tut schon ordentlich weh, aber nur wenn man es berührt", warf er Sebastian noch einmal einen bitterbösen Blick zu. "Aber sonst eigentlich nicht." "Das war deine Schwester, oder?", fragte eines der Mädchen und wirkte wirklich besorgt. Robin nickte. Er gab es gern zu, dass seine Schwester ab und zu ausholte, so hoffte er, dass seine Mitschüler sich von ihr fern hielten, als reine Sicherheitsmaßnahme. Die Augen von den Jungs wurden größer. "JA?" "Im Ernst?!" "Ist nicht wahr!", laberten sie durcheinander. Robin zuckte mit den Schultern, als einer der Jungen sagte, wie geil er seine Schwester fand. "FREUNDCHEN! Wie ist die Regel über meine Schwester?", fragte Robin drohend. "Sie nicht zu beleidigen oder abwertend zu beschreiben." Robin war sehr erpicht darauf, dass nur er seine Schwester mobben und schlecht behandeln durfte. Sebastian gab ein japsendes Geräusch von sich. "L-lass das!" Robin verdrehte die Augen und sah, wie erwartet, Franziska Völker an Sebastian kleben. Dieser war knallrot und fand es sichtlich nicht erstrebenswert, von ihr am Oberkörper betatscht zu werden und noch schrecklicher, als sie ihm lasziv die Wange entlang strich. "Ey, bist wieder da, ja?", fragte Robin mit gerümpfter Nase und Franziska lächelte böse. "Siehste doch, Robby." "Bist du nicht krank?", fragte er weiter, ohne auf den verhassten Spitznamen von diesem Flittchen zu achten. "Wie du siehst bin ich wieder hier." Sie hatte immer noch nicht die Hände von Sebastian genommen, was ihm langsam zu viel wurde. "Ich dachte aus der Klapse kommt man schwer wieder heraus?" Seine Mitschüler lachten und die Göre zog verärgert Kreise auf Sebastians Brust. "Ich hatte eine Grippe, Robby." Sie war auch erst fünfzehn, aber sie war verdammt frühreif, wie es von Herr Kickerl so schön umschrieben worden war. Sie hatte ihren ersten Freund mit elf Jahren gehabt und Robin schämte sich dafür, dass er es gewesen war. "B-bitte, ich mag es n-nicht wenn du mich anfasst, Franziska..." Nebenbei versuchte Sebastian ihre Finger von sich zu lösen. "Hey, bist du taub? Er will das nicht! Also lass ihn los!" Langsam war es wirklich nicht mehr lustig, da Sebastian wirklich etwas gegen Franziska hatte. Er hasste grundsätzlich keine Menschen, aber sie war knapp an der Grenze. "Wieso Robby? Eifersüchtig? Musst du dein Schätzchen beschützen?" Als sie Sebastian in den Schritt fasste, stieß er sie so heftig mit seinen Ellenbogen weg, dass sie in die nächste Tischreihe viel und die Hälfte mitriss. Erschrocken sahen alle zu Franziska, die mit aufgerissenen Augen auf einem der Stühle lag. Sie starrte Sebastian an. "Bist du behindert?! Ich hätte mir wehtun können!" Sie stand auf, aber Robin stellte sich vor Sebastian. "Wer nicht hören kann, muss halt fühlen..." Alle Köpfe drehten sich zur Tür, wo Michelle und Nadine drin standen. "Mische?" fragte sein Bruder verwirrt. "Was willst denn du hier?" Sie schmiss ihn ohne viele Worte eine Brotdose zu. "Wir haben eine Freistunde, was die uns übrigens ruhig früher hätten sagen können. Und da dachte ich mir, dass ich dir kurz deine Brotdose geben könnte, die in meiner Tasche war." Sie taxierte Franziska arrogant. "Dass ich aber mit zusehen musste, wie eine Schlampe in Ausbildung den besten Freund meines Bruders fast in der Klasse missbraucht, das hätte ich mir nicht träumen lassen..." "Schlampe in Ausbildung?" Verständnislos und mit halb geöffnetem Mund sah Franziska sie an. "Ja, wieso? Hast du etwa doch schon deinen Bachelor? Master? Was ist es denn? Spann uns nicht auf die Folter...." Die Kleine wurde knallrot vor Wut und zitterte am ganzen Leibe. "Du eingebildete, widerliche Psychofotze!" Michelle riss die Augenbrauen nach oben. Hatte sie die Kleine gerade Fotze genannt? Auch Nadine schien überrascht zu sein, denn sie kritzelte sofort einen Text in ihr Notizbuch. "HEY! Niemand beleidigt meine Schwester, hast du kapiert du dummes Stück?!" Robin bäumte sich vor Franziska auf, die nur halb so beeindruckt wirkte, wie der Rest der Klasse. Wenn Robin wütend war, konnte er einem unheimlich Angst machen, weswegen Sebastian sich ein wenig in die Menge zurückzog. Michelle lachte, ging zu Robin und legte ihm sachte eine Hand auf die Schulter. "Robin, wir wollen doch nicht deine guten Manieren ruinieren. Reg dich ab, Mädchen schlagen ziemt sich nicht... auch wenn sie noch so männlich erscheinen." "Pass auf, ich geh zum Direktor, wenn du es auch nur wagst mich anzurühren!" Michelles Lächeln verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. "Genau, und der wird mich ja so sehr bestrafen, das ich suspendiert werde. Ich weiß ja nicht ob es deinem Spatzenhirn aufgefallen ist, aber ich bekomme nie Ärger." Natürlich stimmte dies nicht, sie bekam schon Ärger, aber nur nicht so oft wie andere Mitschüler. Herr Fink, der Direktor mochte sie einfach. "Weil du ihm 'gewisse Dienste' erfüllst, oder, du billige Nutte?" Das Nächste was Michelle bewusst mitbekam war, wie Franziska in scheinbarer Zeitlupe nach hinten kippte. Ein kreischender Schrei zerriss ihr fast das Trommelfell und ihre Wut bahnte sich wieder den Weg in ihren Kopf, wobei ihr klar wurde, dass sie der Siebtklässlerin gerade einen satten Faustschlag direkt ins Gesicht gedonnert hatte. Sie beugte sich über sie, packte sie am Top und hob sie etwas hoch. "Du solltest dir dreizehn Mal überlegen, was du für Theorien in Anwesenheit einer vollen Klasse und einer Lehrerin sagst, du beschissene, großmäulige Hure." Michelle spuckte sie beim Sprechen etwas an, aber sie hatte es durchaus verdient. Sie erhob sich, drehte sich zur Lehrerin um und lächelte verlegen. Die dickliche Lehrerin, Frau Schober die Mathematik unterrichtete, starrte überfordert in die Klasse herein. "Es tut mir wahnsinnig Leid, Frau Schober, dass Sie das mit ansehen mussten. Aber Sie haben ja selbst die unerhörte Unterstellung von ihrer Schülerin Franziska Völker mitbekommen. Wir werden uns umgehend beim Direktor melden, aber ich muss ihnen auch mitteilen, dass wir auf mögliche Unstimmigkeiten ihre Schüler befragen müssen.", klärte Nadine fachmännisch die Lehrerin auf, die nur nickte, ein paar Schüler recht apathisch anwies die Tische und Stühle wieder zu richten und setzte sich ans Pult. "Nun, wer hat beobachtet, dass Michelle Brauer der Schülerin Franziska Völker, aufgrund der Anschuldigung von sexuellen Gefälligkeiten gegenüber des Direktors Jonathan Fink, ins Gesicht geschlagen hat?", fragte Frau Schober und die ganze Klasse hob die Hand. Selbst Sebastian hob widerwillig die Hand, er hasste Gewalt. "Du~hu, Opa...?" Kevin hatte am Lehrerzimmer geklopft und nach seinem Großvater gefragt. Dieser kam auch nach einigen Sekunden heraus, wusste aber schon bei der Tonlage, die sein Enkel benutzte, dass dieser etwas von ihm wollte. Das wussten Beide. Sein Großvater rieb sich unter seiner Halbmondbrille entnervt die Augen. "Was möchtest du Kevin? Und mach es kurz, ich habe gleich Unterricht." Kevin nickte brav. "Du hast doch eine 'Lieblingsschülerin' namens Michelle Brauer, oder?", fragte er vorsichtig an. Sein Opa zog eine Augenbraue in die Höhe. "Dieses freche Gör? Hat sie dich noch einmal verprügelt? Ich werde-" "NEIN. Nein, Halt! Hat sich nicht! Sie hat mich überhaupt noch nicht verprügelt, das andere war ein saftiger Tritt in die Weichteile... A-aber darum geht es nicht, Opa." Kevin strich sich durch seine Haare. "Ich mag diese Michelle. Sie ist echt... tough. Und wirklich, wirklich eigen. Was mich übrigens echt anmacht. Aber weil ihr Beide euch nicht riechen könnt, hasst sie mich gleich mit." Er kratzte sich am Ohr und schaute verlegen zu seinem Großvater. "Könntest du vielleicht, ganz ganz vielleicht versuchen etwas netter zu sein? Für mich?" Er stand mit gefalteten Händen und einem überaus unterwürfigen Lächeln vor seinem Opa. Dieser sah ihn entgeistert an, er hatte die ganze Zeit keinen Ton gesagt und jetzt sah er auch nicht unbedingt danach aus, als ob er freudestrahlend alles für seinen Enkel tun würde. Unschlüssig kaute er auf seiner Unterlippe herum, dann aber seufzte er. "Ich werde sehen, was ich machen kann. Du hast echt Glück, dass du mein einziger und geliebter Enkel bist, sonst hätte ich dich durch den Fleischwolf gedreht, mein Lieber." Kevin strahlte seinen Großvater an und umarmte ihn. "Danke! Du bist der Beste! Der aller, aller Beste!" und mit einem breiten Grinsen rannte Kevin in seine Klasse. "Auf den Fluren wird nicht gerannt!", brüllte ihn sein Opa hinterher, aber Kevin überhörte ihn einfach. Damit würde Michelle bestimmt nicht rechnen und erst recht nicht auf die Idee kommen, dass er es war. Er war ja so klug! In der Pause brach Michelle vor der Tür ihres nächsten Klassenraumes zusammen. Sie ließ sich einfach auf den Boden krachen, es interessierte sich nicht im Geringsten, was die anderen Schüler auf dem Gang dachten. Nadine hielt ihr ihre Trinkflasche hin und Robin und Sebastian saßen auf der Treppe ihnen direkt gegenüber. Es trennten sie gerade mal drei Meter. Sie schwiegen schon seit die das Büro des Direktors verlassen hatten. Michelle hatte so ein riesiges Schwein gehabt, dass sie angefangen hat zu heulen, als sie den ersten Fuß aus dem Raum gesetzt hatte. Es war vor lauter Erleichterung nur so aus ihr heraus gesprudelt. Sie hatte in ihren ganzen zehn Jahren in denen sie Herr Fink kannte, noch nie so außer sich und unbeherrscht erlebt. Und sie hatte ihn schon oft gesehen. Wäre er nicht so fassungslos Enttäuscht von Franziska gewesen und erst recht nicht so wütend, hätte sie alles abbekommen. Und da sie sich gestern ja schon so etwas Dolles geleistet hatte, wäre sie jetzt nur noch Kinderkotze. Nadine massierte ihr den Nacken und Michelle dankte sich bei ihr mit erstickter Stimme. Ihr Bruder ließ sein Bein durch den Fußreflex unkontrolliert wippen, wobei er teilnahmslos in die Gegend starrte. Sebastian hingegen knabberte an seinen Daumennägeln und schien sehr aufgewühlt zu sein. Sie hasste die momentane Stimmung. Auch wenn sie sich innerlich immer noch über den verdammten Fickfehler aufregte. Niemand, absolut NIEMAND hatte das Recht, Sebastian anzufassen, wenn er es nicht wollte. Und diese blöde Tusse war eindeutig zu weit gegangen. Als sie schon in die Klasse hinein kam und gerade sah, wie sie ihm an der Brust herum spielte, hätte sie sich am liebsten gleich auf sie geschmissen und ihr die Augen heraus gekratzt. Jedes einzelne Haar raus gerissen und jeden noch so winzigen Knochen im Körper gebrochen. "Alles gut? Du siehst so blass aus..." fragte Nadine, die ihr über die Schulter ins Gesicht sah. "Ja. Ja, doch... Alles okay. Ich hatte nur übermäßig Schiss das ich von Fink in der Luft zerfetzt werde." Robin schnaubte. "Dann solltest du dir das nächste Mal eher überlegen wem du ins Gesicht schlägst...!" "Hallo? Wärst du ausgetickt, hätte es mehr Ärger gegeben, weil du Dorftrottel dreimal so stark bist wie ich! Und selbst ich habe diesmal ordentlich hingelangt!" Keiner von ihnen hätte geahnt dass Michelle aus purem Instinkt so viel Kraft in den Schlag gelegt hatte, dass Franziska durchaus eine angeknackste Nase hatte. Robin schüttelte den Kopf. "Du bist echt krank, Michelle." Sie starrten sich an. "Es tut mir Leid..." sagte Sebastian halblaut und konnte den Blick nicht vom Boden heben. "Hätte ich mal ordentlich gesagt, dass ich das nicht wollen würde, wäre es erst gar nicht zu allem gekommen." Robin stupste Sebastian mit seinem Fuß etwas fester an. "Red mal nicht so ne Scheiße. Selbst wenn du ihr das buchstabiert hättest, hätte sie das nicht im geringsten gestört." zuckte er mit den Schultern. "Das stimmt. Dieses Mädchen ist vollkommen durch, da hättest du Nichts tun können." bestätigte Nadine. "Und außerdem verprügle ich gern Menschen. Von daher ist es nicht einmal schlimm." grinste Michelle. "Du wärst die perfekte Wrestlerin, du schwachsinnige Zicke." meinte Robin und zeigte nebenbei auf sein Auge. Michelle lachte und bald stiegen auch Robin und Nadine ein. Nur Sebastian fand es nicht so lustig, aber sie stritten sich wenigstens nicht mehr, das reichte ihm. "Ah, hier bist du!" verwirrt sahen alle zu dem braunhaarigen Jungen der sie Treppen hoch gestiefelt kam. "Pascal?" fragte Robin verblüfft. "Japp, hab dich die ganze Zeit gesucht, bis mir einer gesagt hat, dass du mit deiner Schwester und nem Kumpel zum Direx musstest. Und das dich jemand hier her gehen sehen hat." "Hast du einen neuen Stalker?" fragte Nadine und Michelle lachte. Robin starrte böse zu Nadine die ihn die Zunge raus streckte. "Nein. Glaub ich zumindest..." Er sah Pascal an. Dieser schüttelte den Kopf. "Mir ist nicht bewusst, dass ich diese Absicht hätte." Robin lachte und sah dann zu Sebastian, der etwas ratlos und verloren aussah. "Seb, das is Pascal, den habe ich heute Morgen getroffen. Er is einer von den Neuen und hat vergeblich den Chemieraum gesucht." Sebastians Miene hellte sich auf, als er endlich aufgeklärt wurde. "Ich bin Sebastian Ließ." stellte sich Sebastian höflich vor. " 'Und Robs aller bester Freund seit der ersten Klasse!' " verstellte Robin seine Stimme, um Sebastian nachzuahmen und durchwuschelte ihm im Schwitzkasten die Haare.“Hey, so kling ich gar nicht!" versuchte sich Sebastian zu befreien. Nadine entging nicht der Blick den Pascal hatte, als er die Szene mit ansah. Dieser Blick war sehr komisch, aber er hatte auch nur Robin fixiert. Kapitel 7: ----------- Ich habe endlich eine Betaleserin die ihren Job wahnsinnig gut macht, danke Harleen :D Jetzt ist auch einiges besser lesbar :D Viel Spaß damit Nikushimi Kapitel 7 Nadine und Michelle hatten jeden Donnerstag die AG Kunstturnen. Momentan standen sie mit den anderen dreizehn Mädchen in einer Schlange um über den Sprungtisch einen Überschlag zu machen. Die Beiden waren wie immer die letzten in der Reihe, damit ihre Lehrerin, Frau Cornelius, sich besser auf die Schlechteren konzentrieren konnte. "Hast du diesen Pascal mal richtig angesehen?", fragte Nadine, während sie die Haare von Michelle richtig hochsteckte. "Nee, warum sollte ich?", fragte Michelle im Gegenzug und zupfte sich die Ärmel ihres Leotards zurecht. Nadine murrte eine Sekunden in verschiedenen Tonlagen, um dann widerwillig eine Antwort zu geben. "Ich glaub mit dem stimmt was nicht. Ich meine, der hat Robin heute irgendwie seltsam angesehen, das schwöre ich dir!", meinte sie mit einer schier unglaublich überzeugenden Stimmlage. Michelle schwieg einige Sekunden und dachte angestrengt an diesen Pascal. "Naja, der kommt mir nur ein bisschen schwul vor, sonst nichts." "Schwul?!" Nadine ließ den ungebunden Schopf Haare wieder los. Michelle sah sie unbeeindruckt an. "Ja, aber so richtig. Irgendwie stand er so schwul. Weiß auch nicht. Ich mag ihn nicht wirklich. Ist mir auch egal", wedelte sie ab und Nadine fing an zu lachen. "Dir kommt doch alles schwul vor, oder?" Michelle zuckte nur mit den Schultern. "Wenn das Robin mitbekommt, der geht keine zwanzig Meter mehr in seine Richtung!", lachte Nadine ausgelassen. "He, Nadda, meine Haare warten...!" "Oh..." Michelle verdrehte die Augen. "Kommst du heute eigentlich mit zu mir?", fragte Michelle und wartete bis Nadine endlich ihren Zopf fest gezogen hatte. Ihre Freundin überlegte einen Moment, bis sie nickte. "Ja, Mom ist heute Abend nicht zu Hause, also geht das in Ordnung." "Nachtschicht?" "Ja." Michelle nickte. Nadines Mutter war so gut wie niemals daheim, immer unterwegs. Michelle verstand nicht, warum Nadine also auch unbedingt Journalistin werden wollte, wie ihre Mutter es war. Ein seltsames Klingeln erklang und Nadine fummelte hektisch an ihrer Armbanduhr herum. Als sie diese auch noch an ihr Ohr hielt, wusste Michelle nicht so recht weiter. Sie tippte ihr an die Schulter. "Samsung S9110. Import. Ist ein Handy als Uhr getarnt." Sie wendete sich wieder dem Anrufer zu und lauschte angespannt. Plötzlich riss Nadine die Augen auf und japste. "Oh mein... Gott...", wisperte sie und Michelle wusste nicht, was das jetzt war. Sie wartete bis Nadine aufgelegt hatte und endlich mit der Sprache raus rückte. "Weißt du noch die Leiche von dieser sechsjährigen Lena aus Helmstedt? Man hat jetzt den Täter gefasst. Es war der Vater, der sie nicht nur verstümmelt, sondern auch vergewaltigt hat. Das ist..." Nadine konnte nicht mehr weiter sprechen. Michelle starrte sie an. Sie wusste auch nicht was sie tun sollte. Das eben Gesagte drang gar nicht richtig zu ihr durch. "Wie kann der eigene...?", brachte sie gerade so heraus. "Das ist abartig. Das ist böse! Solche Menschen gehören verboten! Es ist ja schon schlimm, wenn sich Alte an Jüngeren vergreifen, aber Eltern an ihren..!" Nadine trat gegen die Sporthallenwand. Dann schlug sie mit voller Kraft dagegen. Michelle hatte sie nur einmal richtig wütend erlebt, aber das kam dem schon recht nah. Sie legte Nadine eine Hand auf die Schulter. "Du meintest doch, dass eine Journalistin stets objektiv sein müsste, oder?", fragte sie ihre Freundin, weil sie nicht wollte, das Frau Cornelius sie noch herauswarf. Wie auf Knopfdruck schien die ganze Wut, Verzweiflung und der Hass von ihr gewichen zu sein. "Du hast recht. Ich kann mir das nicht leisten, egal wie schlimm ich das finde." Michelle nickte, auch wenn sie die Herangehensweise von Nadine nicht ganz so gut fand. "Aber das ist wirklich abartig mit den enormen Altersunterschieden." meinte Nadine nach einer Weile, als Michelle und sie den anderen Mädchen beim Verpatzen zusahen. Es waren nur noch drei vor ihnen. "Wie meinst du das?" Michelles Kopf fühlte sich wattig an. Sie konnte sich nicht konzentrieren und ihre Gedanken schienen in alle Himmelsrichtungen davon zu flattern. Deshalb wankte ihr Kopf auch etwas hin und her, als sie versuchte, sich auf Nadines Worte zu konzentrieren, was ihr nicht gelang. Vielleicht sollte sie sich zu ihr umdrehen. Lippenlesen? Sie lauschte einfach. "Wenn zum Beispiel ein Dreißigjähriger mit einer Achtzehnjährigen zusammen ist. Oder ein Zwanzigjähriger eine Fünfzehnjährige scharf findet. Sowas finde ich widerlich. Wenn es auch nur vier Jahre sind... Das wäre ja so, als ob ich deinen Bruder sexy finden würde!" Nadine schüttelte sich angeekelt. "Oder stell dir vor, du fändest Sebastian toll! Dass du ihn lieben würdest! Da würde es mir hochkommen!" Michelle hörte nur noch ihren eigenen Herzschlag. Er dröhnte in ihren Ohren wie ein Donnergrollen, wie Fingernägel auf einer Tafel. Ihr Mund klappte auf und zu wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Ihre Sicht verschwamm zu einem matschigen Brei, zeigte nur noch Licht und Schatten. Es schien auf einmal nur noch ihren Kopf zu geben, ihre Gedanken die sich gerade drehten und schrien. Sie hatte Monate gebraucht um erst einmal in Erwägung ziehen zu können, ihrer besten Freundin irgendwann von den Gefühlen zu Sebastian zu erzählen. Weitere Monate um sich eine gute Erklärung parat zu legen. Wie sie ihre Gefühle beschreiben soll und was sie dagegen tun sollte. Wie sie etwas dagegen tun könnte. Und ihre Freundin hatte mit einem Satz die ganze Hoffnung auf Verständnis zerstört. Sie war eine der Personen, die Nadine eine Hinrichtung wünschte... "Michelle?" fragte eine Stimme, die sich durch die dicke Schicht fraß, die Michelles Kopf einhüllte. Eine verschwommene Hand erschien vor ihr und langsam kehrten die Geräusche der Umwelt wieder zu ihr. Abwesend, aber dennoch da, starrte Michelle in Nadines Gesicht, welches nun vor ihr stand. "Alles gut? Hey...!" Nadine drückte ein paar mal ihren Zeigefinger an Michelles Kopf. "Was...?" Ihre Augen waren nicht ganz offen, ihre Zunge fühlte sich an wie gelähmt. "Geht es dir gut? Du bist dran... Oder kannst du nicht?" Sie brauchte einen Moment, bis sie wusste das sie noch immer in der Sporthalle stand und über den Sprungtisch hüpfen musste. "Thomann! Brauer! Wird es heute noch was? Braucht ihr eine Extraeinladung?!" schrie Frau Cornelius zu ihnen herüber und klopfte zweimal auf den Sprungtisch. "Hopp Hopp!" Michelle schüttelte den Kopf um etwas klarer zu werden. "Ja. Ja, geht schon, Nadda", meinte sie. Sie schob Nadine etwas zur Seite um auf den Sprungtisch zulaufen zu können. Sie zog noch einmal an ihren Leotardärmeln, atmete tief durch um alles für eine Sekunde ausschalten zu können. Dann lief sie los, rannte und kurz vor dem Sprungtisch, sprang sie ab, auf das Federsprungbrett und landete mit den Händen kurz auf den Sprungtisch um sich gleich wieder abzufedern. Sie wirbelte zweimal um ihre Längsachse und stand wieder auf ihren Füßen, kippte aber zur Seite. Sie hatte zu viel Restschwung gehabt. Frau Cornelius fing an zu meckern. "Michelle, du bist eine der besten Springerinnen. Warum verpatzt du den Sprung, den du wie aus dem FF kannst? Ich bin enttäuscht von dir..." Michelle rappelte sich auf. Ihr Kopf war wieder in Watte verpackt und sie hatte das Gefühl, dass sie ihre Sportlehrerin anschielte. "Frau Cornelius, das war meine Schuld, Michelle kann eigentlich nichts dafür... Ich habe ihr vorhin wieder eine meiner 'Infos' erzählt..." Die Lehrerin sah zu Michelle. "Stimmt das?", fragte sie nicht sonderlich ernst gemeint. Aber Michelle nickte. Wenn sie jetzt sagen würde, dass es etwas anderes war, was ihren Kopf in einen völligen Nebel einhüllte, würden sie mit dem Fragen nicht mehr aufhören. Die Lehrerin nickte und winkte Nadine über den Sprungtisch. Sie schaffte den Sprung einwandfrei und streckte dann die Arme fachmännisch in die Luft. Frau Cornelius entließ ihre AG Teilnehmer in den Feierabend. Michelle war froh daraus zu sein und eigentlich wollte sie Nadine wieder ausladen, aber das würde nur unnötige Fragen aufwerfen. Sie wusste nicht, wann und wie sie es einmal ihrer besten Freundin erklären würde, dass sie eine der Personen war, die sie am meisten hasste... In der Umkleide gingen sie noch einmal die Hausaufgabenverteilung durch. Sie waren die letzten, wie immer. "Haben wir schon Englisch gemacht?", fragte Michelle dumpf. Nadine nickte und bestätigte es noch einmal mit einem "Ja." Dann japste sie erschrocken auf und starrte auf Michelles Unterarme. "Was ist denn...?!" Michelle verstand erst nicht, was Nadine meinte, bis sie auf diese sah. Ihr ganzer rechter Unterarm war von roten Striemen und verkrusteten Kratzwunden bedeckt. "Was hast du denn da gemacht?! Hattest du die vorhin auch schon?" Nadine packte sie am Handgelenk um es genauer betrachten zu können. Sie wusste erst wirklich nicht, woher das kam, bis ihr einfiel, das es nur von gestern Nacht stammen konnte. Als sie den Traum von sich, in dem sie Sebastian geküsst hatte, in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Wahrscheinlich war sie wieder geistig auf einem Horrortrip gewesen, dass sie es nicht einmal gemerkt hatte. "Mückenstiche", meinte sie darauf hin. Nadine schaute sie verdattert an. "Wie bitte?" Michelle seufzte und zog langsam, aber bestimmt die Hand aus ihrem Griff. "Mückenstiche. Mich haben gestern Abend die Viecher gepeinigt und gejagt. Dann hat es so übel angefangen zu jucken..."Sie sah genau das Nadine ihr nicht glaubte, aber sie beließ es dabei, denn wenn sie etwas gelernt hatte, dann war es, dass Michelles Probleme nicht anzusprechen waren, wenn kein Arzt in der Nähe war. Entweder tat sie nämlich sich selbst weh oder jedem, der ihren Weg kreuzte. Sie sahen nebenbei fern, während sie Hausaufgaben machten. Ehrlich gesagt lag Michelle nur neben Nadine auf dem Bett, welche die Hausaufgaben verstand und löste. Nadine hatte sich mit der Ausrede zufrieden gegeben, dass die Kopfschmerzen hatte und nichts mehr verstand. Kopfschmerzen hatte sie zwar wirklich, aber der kam von dem Druck ihrer Zweifel und Vorwürfe. Es fühlte sich an, als ob der ganze Kopfinhalt durch Watte ersetzt war und man ihren Dimmer ganz runter gestellt hatte und so nur noch schwummrig ihre Umwelt erkannte. Nadine murmelte einige Aufgaben vor sich hin, wobei eine Person im Fernsehen sich darüber mokierte, dass keiner ihre sogenannte Käsesucht ernst nahm. Sie stöhnte auf und streckte sich. Sie fühlte sich immer noch erschöpft und langgezogen, aber ließ sich wieder schlaff hängen. Nadine erledigte die Hausaufgaben für Michelle anschließend auch. Da klopfte es an der Tür. Nadine fühlte sich wie zu Hause, so achtete sie gar nicht auf Michelle und sagte einfach "Herein." Langsam ging die Tür auf, und ein brauner Haarschopf wurde zur Tür hineingesteckt. "Was willst du hier, Sebastian?", fragte Michelle, kaum fähig den Mund richtig zum sprechen aufzumachen und viel zu müde um sich richtig zu bewegen. Fast hätte sie mit den Augen gerollt. Sie musste unbedingt darauf achten, dass Nadine niemals auf die Idee kommen könnte, dass sie ihn mochte. Mit dem Gesprochenen hatte sie ihn auch mal wieder verschreckt und eingeschüchtert, sodass er anfing zu stottern. "Ähm... I-ich wollte fragen, o-ob ihr mir bei den Hausaufgaben helfen könnt...", meinte er und jetzt bemerkten die beiden Mädchen im Raum auch, dass er seine Schulsachen in der Hand hatte. Er fummelte an seinem Arbeitsheft herum, er war einfach immer viel zu nervös. "Warum das denn? Macht das sonst nicht Robin?", fragte Michelle weiter und drehte sich mühevoll auf den Bauch. Sie konnte so nicht mehr liegen bleiben. Sie stützte den Kopf auf ihre Hände und sah Sebastian abwartend an. "Naja, er würde ja, wenn er nicht schon seit drei Stunden mit diesem Pascal telefonieren würde...", meinte und sah auf einmal wie ein geschlagener Hund aus. Wäre er einer, würde er glatt winselnd und jaulend vor ihnen sitzen und mit riesigen Augen um Aufmerksamkeit betteln. Nadine zog die Stirn kraus. "Drei Stunden? Über was zum Teufel reden die denn?!", fragte Nadine und sah Sebastian an. "Naja, übers skaten und Klamotten und sonst was. Ich hab da nicht so besonders zugehört, weil ich Hausaufgaben machen wollte." Er zuckte mit den Schultern. "Darf ich denn eure Hilfe in Anspruch nehmen?", fragte er noch einmal und Nadine nickte und klopfte aufs Bett, neben sich. Sebastian schloss die Tür und kam der Bitte, sich neben Nadine zu setzten, sofort nach. "Hallo? Ist das mein oder dein Zimmer? Zudem wer hat euch erlaubt euch auf mein Bett zu fletzen?" Michelle fühlte sich wie wachgerüttelt. Ihr Kopf war seit Stunden endlich wieder klar und ohne Störfaktor. "Es ist unser Zimmer, solange ich hier bin und ich habe es erlaubt. Also: Verloren, Mische." Nadine fragte Sebastian was sie auf hatten und versuchte es mit ihm zu lösen. Michelle stand auf, ging zur Schublade ihrer Kommode, holte da ihre Haarfarbe aus und verschwand mit dem Spruch: "Ich Haare färben." Ohne Verben klappte die Kommunikation auch sehr gut. Es war mal wieder eine riesige Tüftelei Ihre Haare zu teilen, hochzustecken und dann die Farbe irgendwie auf ihr Haar zu bekommen. Aber das alles störte sie nicht mehr, wenn sie daran dachte, dass sie das schreckliche blonde Mädchen nicht mehr sehen musste. Sie rammte sich das spitze Ende der Colorationsflasche gegen den Kopf. Sie würde jetzt nicht zulassen, dass ihr Hirn wieder einen Abschweifer machte. Nicht, wo sie jetzt endlich wieder klar denken konnte. Die Stelle schmerzte bestialisch, aber das war es ihr wert. Sie pappte sich die Haare unter die Duschhaube und setzte sich für die vierzig Minuten wieder ins Zimmer. Nadine lachte laut los, als sie Michelle so sah. "Haha, lach du ruhig. Ist mir egal." Sebastian starrte sie nur an und nahm nach kurzer Zeit seinen Daumennägel zwischen die Zähne. Er sah bedrückt aus, aber Michelle entschied sich dafür, es auf sich beruhen zu lassen. Sowieso stank es ihr, dass Nadine ihn einfach in ihr Zimmer geholt hatte. Sie setzte sich ans Fußende um so besser Fern sehen zu können und weil Sebastian und ihre Freundin sich auf dem Rest des Bettes breit gemacht hatten. Sie zappte durch das Fernsehprogramm und klickte durch das ganze Hartz-IV TV was um diese Uhrzeit noch lief. "Wie lange will der Stümper eigentlich noch telen?", fragte Michelle nebenbei. "Weiß ich nicht...", antwortete Sebastian leise, schien sich wohl nicht mehr so wohl zu fühlen. Michelle verdrehte die Augen. "Ey, Mische, wie wahr nochmal die Formel für die Prozentrechnung?" "Was wollt ihr denn berechnen?" "Den... Prozentsatz..." Michelle seufzte und drehte sich zu den beiden um. Sie schnappte sich das Arbeitsheft und einen Bleistift. Als sie gerade anfangen wollte zu erklären, bemerkte sie, was Sebastian für eine Mädchenhandschrift hatte. Ihr Bruder und Vater, und alle in ihrer Klasse, hatten eine richtige unleserliche Sauklaue, aber seine Schrift war groß und geschwungen. Sie zog einmal ihre Nase hoch und begann zu erklären. "Wenn ihr den Prozentsatz sucht, müsst ihr erstmal nachsehen, was der Grundwert ist und was der Prozentwert ist. Das sind immer die Zahlen ohne Prozentzeichen. Man erkennt den Grundwert meistens daran, dass er höher ist als der andere Teil. Bei Textaufgaben ist das anders... Will ich jetzt aber nicht erklären. Auf jeden Fall musst du den Prozentwert durch den Grundwert und das durch Hundert. Dann bekommst du das raus und hast die Lösung." Sie schob das Heft wieder zu Sebastian herüber, der ihr dabei auf die Finger gestarrt hatte. "Hast du das verstanden Seb?", fragte Nadine. Sebastian brauchte zwar einen Augenblick, nickte aber. "Ja, war nur verblüfft, dass Robin und sie die gleiche Art haben, Dinge zu erklären." Michelle lachte auf. "Hallo? Wer hat euch denn früher alles erklärt? Ich natürlich. Ist doch dann nur klar, dass er sich das so angeeignet hat und es auch so macht." Es klopfte. "Ja bitte?", sagte Michelle und Robin kam rein. "Hey, da bist du ja Seb... Machst du grade Hausaufgaben?", fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen, was Michelle zum schnaufen brachte. "Ja, weil du Idiot wie eine Tussi telen musst...." Er warf ihr einen Todesblick zu, winkte dann aber Sebastian aus dem Raum heraus. "D-danke, Nadine. Danke Michelle. Ihr habt mir echt geholfen. Nacht." Und somit war er auch aus dem Zimmer verschwunden. "Wann musst du auswaschen gehen?", fragte Nadine, als sie die Bettdecke wieder glatt strich. "Zehn Minuten. Wann musst du fahren?", fragte Michelle im Gegenzug und ihre Freundin grinste sie an. "Gar nicht?" Dann verdrehte Michelle die Augen und holte eine weitere Decke aus ihrem Schrank. Übernachtungsparty... Kapitel 8: ----------- Ich habe darum gekämpft xD Ich wusste echt nicht wie ich das beschreiben sollte... Aber endlich isses geschafft xD Nikushimi Kapitel 8 Sie lag wach im Bett. Nicht nur weil Nadine ihr alle paar Sekunden ihr Knie in die Seite rammte, nein, denn egal wie sich sich drehte und wendete: Jeder Zentimeter roch nach IHM. Sie wurde wahnsinnig! Dieser Geruch war einmalig, wunderschön und so unglaublich süß. Er roch nach allem, was sie mochte. Ein Hauch von Zimt und Vanille, ein wenig nach gerösteten Mandeln und auch irgendwie nach Lavendel und Weichspüler. Halt alles, was sie liebte und gern roch. Sie konnte ihre Nase nicht mehr vom Kissen nehmen. Sie hatte am Anfang auch erst überlegt, ob sie auf dem Sofa schlafen sollte. Nadines Knie war auch ein gutes Argument gewesen, aber dann fragte sie sich, wonach er alles roch... Sie war müde und total abgespannt, sie wollte nicht daran riechen, aber wenn der Duft sie so umhüllte, war selbst ihre eiserne Wehrmacht nichts dagegen. Sie stand auf und ging runter in die Küche. Sie tapste leise die Stufen herunter, schaltete das Licht in der Küche ein und setzte den Wasserkocher in Gang. Aus der Schublade holte sie sich einen von Robins Chai Latte-Sachsets heraus, verbaute den Inhalt in eine Tasse und schüttete das Wasser darauf. Einen Teelöffel Zucker hinterher und so setzte sie sich an den Küchentisch. Halb drei nachts. Sie hatte immer die besten Zeiten, um wach zu sein. Sie stützte ihren Kopf mit ihrer Hand und rührte ein wenig in ihrem Getränk. Ihre Gedanken drifteten wieder in die Richtung von Nadine. Oder besser, was sie in der Schule gesagt hatte. Sie seufzte laut und fragte sich, ob sie es überhaupt irgendwann jemandem sagen könnte. War es denn so schlimm jemanden zu lieben, der vier Jahre jünger war als man selbst? Sie sah auf ihre Fingerkuppen. Die Narben von dem Spiegelscherben würden sie immer daran erinnern, dass es etwas Schlechtes war. Ihr Blick wanderte weiter zu ihrem Unterarm. Sie kratzte mit ihrem Finger unter den Schorf und zog sich langsam, ein langes Stück davon ab. Es tat höllisch weh und in ihren Augen bildeten sich Tränen. Sie kratzte weiter daran, zischte immer wieder, ließ aber nicht davon ab. Erst als alles wieder blutig und eiterig war, hörte sie auf. Sie seufzte erneut und trank ihren Chai Latte aus. Sie fühlte sich unruhig, konnte nicht mehr aufhören zu fummeln. Sie spielte am Henkel der Tasse herum, kaute an den Fingernägeln. Dann stand sie auf und ging in der Küche auf und ab. Danach setzte sie sich vor die Küchentheke und weinte. Leise, damit sie niemanden wecken würde, schluchzte sie vor sich hin. Langsam machte sie ihre Hilflosigkeit fertig. Was sollte sie nur machen? Wenn sie sich helfen lassen würde, würden alle herausfinden, was für ein ekelhaftes, gestörtes Kind sie war. Dass sie eine von den Kranken war. Dass sie solch abartige Gedanken gegenüber einem Minderjährigen hatte. Sie krallte die Hände in ihre Haare, zog daran. Ihr Kopf fühlte sich stumpf an, taub für ihre Kraft, mit der sie an den Haaren riss. Als sie auf ihre Hände sah, sah sie Haarbüschel, die sie sich raus gerissen hatte. Wunderschöne, tiefschwarze Strähnen lagen um ihre Finger gewickelt. Sie stand auf und blickte auf die Dunstabzugshaube über dem Herd, in dessen Metall sie sich spiegelte. Sie. Sie allein war ein abscheuliches Monster. Die schwarzhaarige Michelle sollte sie beschützen, aber sie schloss sich der Blonden an. War sie denn nicht schon krank genug? Hatte die blonde Michelle nicht schon genug angerichtet? Sie vergrub das Gesicht wieder in den Händen. Was konnte sie noch tun? Sebastian würde nicht eher nach Hause gehen, solange seine Eltern nicht wieder kamen. Wie lange würde das noch dauern? Zwei, drei Wochen? Sie schlug gegen die Arbeitsplatte udn sofort stieß ein höllischer Schmerz durch ihre Hand. Sie sah auf die Platte vor sich. Das Ceranfeld. Sie machte die Herdplatte vor sich an. Vielleicht würden das helfen? Konnte es helfen? Sie beobachtete stumm, wie die Herdplatte sich rot färbte und eine angenehme und wohltuende Wärme auszustrahlen begann. Lernte man mit Schmerzen besser? Würde es ihr helfen? Ihr Mund wurde trocken, sie wagte es nicht zu blinzeln und hielt ihre Hand über die Kochplatte. Sofort spürte sie die Hitze wie sie sich um ihre Hand schloss, wie sie an ihr zwickte und zog. Als ob sie wollte, dass sie ihre Hand darauf legte. Als ob sie es gar nicht erwarten konnte. Ein innerer Drang baute sich in ihr auf, als ob eine imaginäre Hand versuchte ihre auf die Herdplatte zu drücken. Sie wollte es. Sie wollte es! Sie stolperte zurück und sah geschockt auf die flimmernde Stelle über der Kochplatte. Ihre Hand glühte förmlich, fühlte sich immer noch so an, als ob zwei Zentimeter unter ihr die Hitze war. Schwer atmend schaltete sie die Platte aus und sah wie das Rot verblasste. "Hey, Michelle, wach auf...!" Ihre Mutter rüttelte sie sacht am Oberarm. Langsam bekam Michelle ihren Kopf gehoben und ihre Augenlider auseinander. Sie fühlte sich hundsmiserabel. Sie brauchte einen Moment, um zu bemerken, dass sie am Küchentisch geschlafen hatte. Ihr Kopf dröhnte und sie rieb sich die Augen. "Was los?", murmelte sie emotionslos und versuchte ihre Mutter ernsthaft anzusehen. "Du bist hier wohl am Küchentisch eingeschlafen. Es ist halb sechs. Willst du nicht duschen gehen?", fragte sie und fing an Brote zu schmieren. Michelle klatschte sich zweimal ins Gesicht und sah dann zu ihrer Mutter. "Du, Mama...?", fragte sie, stoppte dann aber. Ihre Mutter drehte sich zu ihr um. "Ja, Michelle?" Ihre Mutter wartete geduldig, bis ihre Tochter weiter sprach. Eigentlich war ihre Mutter genau richtig. Nicht zu neugierig, war eigentlich doch ganz konsequent und vor allem sehr gutherzig. "Ich hab dich lieb", endete Michelle endlich und umarmte ihre Mutter, ehe sie die Stufen hoch ins Bad sprang. Sie hatte sich nicht getraut ihre Mutter zu fragen, ob sie sie immer lieben würde, egal was passierte. Jetzt wurde ihr erst bewusst, dass ihre Mutter gefragt hätte, wie sie darauf kam. Als sie vor ihr stand, war ihr einziger Gedanke, wie sie darauf reagieren könnte, dass sie den besten Freund ihres Bruders liebte. Sie zog sich gerade aus, als es an der Tür klopfte. "Mama, ich bin schon im Bad...", meinte Michelle in einem leicht genervten Ton. "Mama? Ich bins, Nadine. Mach auf." Michelle seufzte und schloss die Tür auf. "Ich wollte duschen...", meinte sie, genervter als sie eigentlich wollte. "Ja, kannst du doch. Mach mal Platz." Nadine quetschte sich an Michelle vorbei, schloss ab und begann sich auch auszuziehen. "Hallo? Wenigstens duschen könnte ich doch allein, oder?" Als Antwort bekam Michelle ein Schnauben seitens Nadine, die das Wasser der Dusche schon aufgedreht hatte. Sie rollte mit den Augen, zog sich gänzlich aus und stieg ebenfalls in die Dusche. Nadine seufzte wohlig. "Eure Dusche ist der Hammer. Wir haben nicht so eine große..." Michelle schwieg und schäumte sich ein. "Heute hilfst du Frau Osterdorf, oder?", fragte Nadine Michelle, als sie anfing ihr den Rücken einzuschäumen. "Ja", antwortete sie knapp und blieb ruhig stehen. Dazu war Nadine wenigstens praktisch, wenn sie sich schon erdreistete gleichzeitig duschen zu gehen. "Hat sie denn schon etwas zu der Ausbildung gesagt?", fragte Nadine weiter, gar nicht darauf achtend, dass Michelle gar nicht reden wollte. "Nein", antwortete sie auch dieses Mal einsilbig. Nadine grummelte kurz, zeigte dann aber, dass der Rücken fertig war. Michelle drehte sich um und wusch Nadines Rücken. Wenigstens hielt sie jetzt die Klappe. "Wart ihr zusammen duschen?!" Robin starrte die beiden Mädels geschockt an, als sie aus dem Bad kamen. "Ja, und?", fragte Michelle und drückte ihm ihre Hand ins Gesicht, um ihn so aus dem Weg zu schieben. "Guten Morgen, Michelle. Guten Morgen Nadine", druckste Sebastian vor sich hin, der mit Robin vermutlich Zähne putzen wollte. Michelle ging einfach weiter ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie MUSSTE es schaffen ihn zu ignorieren, nicht wahr zu nehmen. Dann würde alles wieder besser werden... Als sie in der Klasse saß und betete das Herr Jakobs krank war, bekam sie wieder Kopfschmerzen. Nadine hingegen unterhielt sich mit einem ihrer Mitschüler, der in Politik der totale Überflieger war. Sie lies aber auch gar keine Informationsquelle unangezapft. Herr Jakobs betrat die Klasse und Michelle verfluchte sich selbst, weil sie keine verdammte Gottesfürchtige war. Wäre sie eine gewesen, hätte der Typ namens Gott ihr bestimmt den Gefallen getan. Seufzend schlug sie das Buch, wie alle Anderen, auf die angesagte Seite auf und bereitete sich geistig darauf vor, wieder durch die Hölle gehen zu müssen. "Thomann, lesen Sie bitte den dritten Absatz vor?" fragte Herr Jakobs freundlich und seine Schüler reagierten gar nicht. Alle starrten ihn entgeistert an, vor allem Michelle. "W-Wie bitte?", fragte Nadine noch einmal nach. "Sie wissen schon, dass ich Thomann bin und das da Brauer?" Sie zeigte mit dem Finger auf Michelle. "Ja, das weiß ich, Miss Thomann. Lesen Sie nun bitte?" Nadine nickte und las vor. Michelle achtete gar nicht darauf, sondern sah nur Herr Jakobs an. Was zum Teufel ging denn mit dem?! Die ganze Stunde machte er keine abwertende Bemerkung in Michelles Richtung. Er ließ sie ihn Ruhe ihre Aufgaben machen, meckerte nicht über ihre Aussprache und vor allem zwang er sie nicht zum Vorlesen. Als die beste Englischstunde in Michelles ganzem Leben endete und Herr Jakobs die Klasse verließ, sprang Michelle Nadine an. Sie klammerte sich an sie und knutschte sie ab. Sie war seit langem nicht mehr so glücklich gewesen. Ihr Herz schlug wie wild, ihr wurde ganz heiß, einfach, weil es so unglaublich befreiend war, sich mal nicht über diesen Lehrer aufzuregen. Nadine starrte sie an, als Michelle aufhörte, ihr die Lippen aufzudrücken. "Wofür war der denn?", fragte Nadine sie. Aber sie konnte in dem Moment gar nicht sprechen, weil sie einfach unendlich glücklich war. "Hast du das gemerkt? Er hat mich nicht einmal doof angemacht! Das- Der- der ist auf Drogen, ich schwöre es dir!" Nadine zog eine Augenbraue hoch und lachte dann. "Genieße es, bis er es sich wieder anders überlegt!", meinte sie und wuschelte Michelle durchs Haar. "Huch, was ist denn mit Ihnen los, Euer Tiefwohlgeboren? Gute Nachrichten?" Kevin hatte schon die Befürchtung gehabt, dass Michelles gute Laune bei seinem Anblick das Weite suchte, aber dem war nicht so. Sie strahlte ihn über beide Ohren an. "Aber hallo! Jakobs hat mich gerade voll... ignoriert!" Er zog beide Augenbrauen hoch. "Und das ist ein Grund sich zu... freuen?", fragte er und Michelle nickte. "Aber sowas von! Er war der engstirnigste Idiot den ich jemals gesehen habe! Und jetzt, das ist einfach unglaublich...!" Sie starrte ihn an. Dann machte sie den Mund auf, sagte aber nichts. "Sag mal, warst du das?" Kevin riss die Augen auf. "Was? Ich? Nein, was denn überhaupt?" Nadine roch Lunte. "Stimmt, all die Jahre, hat er sie tagtäglich vorlesen lassen, so gesehen gedemütigt und belehrt... Kaum kommt der Enkel, wird er handzahm. Was könnte DAS wohl nur bedeuten...?" Kevins Mund schnappte auf und zu. Er war wohl doch nicht so klug, hatte sowohl Michelle als auch Nadine unterschätzt. Vor allem Nadine. Er zuckte reflexartig zurück, als er Michelle auf sich zukommen sah. Er kniff die Augen zu, wartete auf einen Faustschlag oder einen Stuhl, aber nichts dergleichen geschah. Zwei Arme schlangen sich um ihn. "Oh, vielen, vielen Dank, Gecko! Das ist der beste Tag meines gottverdammten Lebens!" Als sie ihn losließ, war er knallrot geworden und kratzte sich verlegen an seinem Bart. "Kein Ding, aber tanz ihm nicht auf der Nase herum, dann ist er es leid und fängt wieder von vorne an. Da spreche ich aus Erfahrung." Sie lächelte ihn weiter an und legte den Kopf ein wenig schief. "Vielleicht bist du doch nicht so ein Schwachkopf, Gecko. Bist ja ganz schön praktisch im Thema Jakobs." Sie lief schnell über die Ampel und bog nach rechts ab. Sie kam einige Minuten zu spät zu Frau Osterdorf, der Floristin in ihrem Dorf. Sie half immer mal wieder aus und hatte sich letzte Woche um eine Ausbildung bei ihr beworben. Eigentlich wollte sie auch nichts anderes machen. Michelle hatte ihr schon ausgeholfen, da war sie erst Acht gewesen. Frau Osterdorf hatte die perfekte Lage für ihr kleines Geschäft: An der Hauptstraße, eine riesige Frontansicht von der Straße aus und einen mittelgroßen Parkplatz vor dem Geschäft. Jeder konnte das riesige Logo sehen. Michelle war stolz darauf, dass sie bei Frau Osterdorf aushelfen durfte. "Entschuldigung, Frau Osterdorf, aber ich hab mich verspätet!", rief sie in den hinteren Teil des Ladens rein, wo sie, durch einen Vorhang getrennt, die Blumensträuße band. "Schon gut, hast ja Glück, dass heute noch nicht so viel los war. Und hallo, Michelle." Diese schmiss gerade ihre Schultasche in die Pausenecke und schnappe sich ihre Schürze, die Handschuhe und band sich die Haare zurück. "Das beruhigt mich. Wie geht es Ihnen?", fragte Michelle höflich und schnappe sich gleich eine der eingepackten Rosensträuße. Die Lieferungen für Frau Osterdorf kamen immer nachmittags, so musste sie nicht morgens schon losfahren, um die Blumen zu kaufen. Aber diese mussten dann auch in die Vasen, sodass Michelle öfter aushalf. "Ganz gut, Liebes. Und dir? Pass auf die Dornen auf!" Michelle grinste und hielt ihre behandschuhte Hand nach oben. "Auch klasse. Seit langem war ich nicht mehr so gut drauf." Frau Osterdorf nickte. Michelle fühlte sich wirklich noch gut. Aber je später es am Tage wurde, desto mehr kehrte das Gefühl der Hilfslosigkeit und Verzweiflung zurück. Je näher sie der Zeit kam, wo sie wieder nach Hause musste. In das Zimmer, das neben dem lag, wo ER zur Zeit drin wohnte. Sie atmete einmal tief durch. Sie klammerte sich wieder an das gute Gefühl. Sie durfte nur nicht vergessen zu ignorieren. Wenn sie ihn und ihre Gefühle ignorierte, verschwand vielleicht auch irgendwann das Gefühl... "Gut gemacht. Hier." Frau Osterdorf drückte Michelle einen Fünfziger in die Hand. Ihr Mund klappte auf, sonst bekam sie immer nur einen Zwanziger für das bisschen Arbeit. "A-aber Frau-!", fing sie an, aber die gute Frau unterbrach sie. "Das ist schon so in Ordnung." Michelle hatte für einen Augenblick das Gefühl, dass ihr Frau Osterdorf noch etwas sagen wollte, aber sie tat es nicht mehr. Ihr wurde bewusst, dass Frau Osterdorf Bescheid wusste, dass es ihr immer schlechter ging. Das hatte sie schon damals sofort bemerkt. Sie lächelte, bedankte sich und machte sich dann auf den Weg nach Hause. Zu Hause schrieb Michelle in ihr kleines Büchlein hinein. Alles war okay. Sie war noch nicht Sebastian begegnet, geschweige denn, dass ihr kleiner Bruder sie genervt hatte. Müde machte sie am Telefon mit Nadine auch die Hausaufgaben, erzählte ihr von Frau Osterdorfs guter Entlohnung und legte dann auch kurz vor zwölf auf. Sie hatte sich ausgezogen und wollte das Licht ausmachen, als es noch einmal klopfte. Grummelnd sagte sie: "Herein." Ihr Vater stand in der Tür und lächelte. "Was willst du? Du lächelst so komisch..." Ihr Vater lachte auf und setzte sich aufs Bett. "Wie gehts dir, Prinzessin?" Sie zog automatisch eine Schnute. "Du sollst mich nicht so nennen." Sie blickte ihn immer noch, das Gesicht verziehend, an. Er wartete. "Joa, ganz gut. Und Selber?" Warum fragten heute alle wie es ihr ging? Er wiegte seinen Kopf hin und her. "Auch ganz okay." Sie schwiegen. "Also, wenn du mir mit einem Pubertätsgespräch kommen willst: Papa, ich bin achtzehn und Mama kommt damit schon seitdem ich sieben bin..." Er lachte leise in sich hinein. "Nein, die Sache ist, dass deine Mutter heute Morgen die Stellen an deinem Arm aufgefallen sind..." "Nein! NEIN! Hör auf! Fang gar nicht SO an! Das sind Mückenstiche gewesen! Die haben gejuckt. Ich verletzte mich nicht selbst!" Sie hatte die Arme zwischen sich und ihren Vater ausgestreckt. Ihr stiegen fast die Tränen in die Augen. Was dachte er nur wieder? Okay, es waren zwar wirklich keine Mückenstiche gewesen, aber sie hatte sich ja auch nicht bewusst kaputt gekratzt. "Hey, hey, Prinzessin... Das meinte ich nicht so." "OH DOCH! Du meintest es genau so! Genauso, wie du es damals bei diesem Scheiß mit dem Spiegel 'nicht so meintest'! Da hattest du genau die gleiche Tonlage, Papa!" Sie atmete hektisch. Sie wollte nicht darüber reden. Das war gar nicht gut. Jetzt hatte sie auch noch das Spiegelthema wieder aufgegriffen, war sie denn völlig übergeschnappt?! Sie rieb sich die Schläfen um sich zu beruhigen, atmete tief durch. Sie bemerkte wie die Tränen sich einen Weg über ihre Wangen bahnten. "Meine Prinzessin...." Ihre Vater nahm sie in den Arm, ihren halbherzigen Kampf ignorierend, und strich ihr übers Haar. "Alles ist gut. Wir machen uns nur Sorgen, das ist alles. Wenn du nicht mehr weiter weißt, oder du auch so Hilfe brauchst: Du kannst immer zu uns kommen. Wir sind immer für dich da. Wir sind doch deine Eltern." Sie weinte einige Minuten an seiner Schulter. Warum kam sie sich jetzt so bescheuert vor? Das sie denken könnte, dass ihre Eltern sie nicht mehr lieben könnten, wenn sie das mit Sebastian herausfinden würden? "Ich glaube dir, dass das Mückenstiche waren, okay? Ich meine: Die Biester sind ja auch eine miese Rasse...!" Er verzog böse das Gesicht und stichelte sie sachte mit seinen Fingern in die Seite. Michelle lächelte. "Danke Papa." Dieser nickte, küsste sie auf ihren Haarschopf und verließ das Zimmer. Für einen kurzen Augenblick sah sie Sebastian, wie er entsetzt in das Zimmer guckte, bevor ihr Vater ihn ansprach und die Tür schloss. Wie viel er wohl mitbekommen hatte? Denn die Tür war gar nicht ganz zu gewesen. Kapitel 9: ----------- Viel Spaß beim lesen. Nikushimi Kapitel 9 Sebastian lächelte noch einmal Herrn Brauer zu und schloss dann die Tür von Robins Zimmer. Dann stopfte er sich wieder seinen Daumennagel in den Mund und kaute darauf herum. Er sah aufs Bett und sah, dass Robin immer noch nicht aus dem Bad heraus gekommen war. Seufzend ließ er sich auf sein Schlafsofa fallen. Sie hatten es extra für Sebastian vom Dachboden getragen und in Robins Zimmer gestellt. Er war der Familie Brauer sehr dankbar, dass er hier solange wohnen durfte, bis seine Mutter und sein Vater wieder kamen. Er fühlte sich aber unwohl, jetzt wo er der offenen Ablehnung von Michelle hilflos ausgeliefert war und sein bester Freund kaum noch mit ihm redete. Er fühlte sich allein und unbrauchbar. Er hatte das Gefühl, dass Robin eher wollte, dass er wieder verschwand, als weiter bei ihm zu wohnen. Zumindest freute er sich nicht mehr so darüber, wie er es zu Anfang getan hatte. Ob es an diesem Pascal lag, dass Robin sich nicht mehr für ihn interessierte? Sebastian hielt inne, atmete nicht mehr. Dann japste er auf und schüttelte den Kopf. Nein, so etwas durfte er niemals denken! Robin konnte mehrere Freunde haben, nicht nur ihn! Es war völlig normal, dass man sich nach einigen Tagen gegenseitig auf die Nerven ging. Und dass Robin sich für Pascal interessierte, war auch vollkommen normal, sie verstanden sich gut und hatten schnell Freundschaft geschlossen. Er hörte ein Poltern aus dem Zimmer von Michelle, dann aber Stille. Er fragte sich ob er nachsehen sollte, aber sie war vorhin so wütend und aufgelöst gewesen, dass sie ihn jetzt bestimmt nur anschreien würde. Vielleicht ist ihr auch nur etwas um- oder runter gefallen. Er wurde rot. Ob sie gemerkt hatte, dass er da länger stand und gelauscht hatte? Ihrem Blick nach zu urteilen, hatte sie es zumindest in Erwägung gezogen. Glaubte er zumindest. Sie schien ernsthafte Probleme zu haben, wenn ihre Eltern davon ausgingen das sie sich selbst verletzte. Er wusste, dass sie stärker war als alle dachten. Sie sah zwar immer so zerbrechlich und hilflos aus, aber das war sie nicht. Wenn sie dachte, dass sie keiner beobachtete, sah er immer ihr freudloses Gesicht und ihre geknickte Haltung. Wenn dann Nadine kam, wandelte sich ihre Miene in ein makelloses Lächeln, sodass er glaubte, dass niemand außer ihm wusste, dass sie so ein Gesicht besaß. Er würde ihr so gern helfen, aber sie würde es niemals zulassen, so gut kannte er sie auf alle Fälle. Die Tür öffnete sich und Robin kam mit einem Handtuch um die Hüften herein. Seine Haare hingen im nass im Gesicht und so hatte Sebastian Zeit den Nagel aus dem Mund zu nehmen. "Das hat aber lange gedauert...", meinte Sebastian und tat auf unschuldig. “Hygiene braucht manchmal Zeit", meinte er nur und bewarf Sebastian mit dem Handtuch, ehe er sich seine Boxershorts vom Bett anzog. "Uwääh, das is ja klatschnass!", schmiss es Sebastian sofort weg. Robin lachte darauf und kramte sich ein T-Shirt aus seiner Kommode. "Was is los?", fragte Robin, nachdem er sich auf sein Bett geschmissen hatte und Sebastian still dasaß. "Äh- Ähm Nichts..." "Ey, belüg mich nicht!", meckerte Robin und bewarf ihn nacheinander mit drei Kissen. "Tu ich nicht!" Robin fixierte Sebastian mit seinem Blick. Wie er es hasste, wenn Sebastian ihm nicht die Wahrheit sagte. "Ich kenn dich seit acht Jahren, ich weiß wann du lügst... Du bist nämlich auch ein verdammt schlechter Lügner." Robin saß mit verschränkten Armen auf dem Bett und starrte ohne zu blinzeln Sebastian an. Sebastian hingegen versuchte dem Blick auszuweichen. Er wurde nervös und druckste weiter herum. "Seb...!", zischte Robin warnend. "ALSO GUT!", wütete Sebastian und drehte sich zu Robin. "Du willst wissen was los is? ERST befummelt Franziska mich wie eine Sexpuppe, dann ignoriert Michelle mich aus irgendeinem Grund gnadenlos und jetzt laberst du nur noch mit diesem Ach-so-tollen Pascal! Ich weiß gar nicht, was ich machen soll und keinen scheint es zu interessieren!" Seine Augen füllten sich mit Tränen und Robin starrte ihn entsetzt an. Dann wirbelte Sebastian herum und stopfte seinen Kopf unter die Kissen. Robin musste erst einmal realisieren was gerade geschehen war, denn das war das erste Mal gewesen, das Sebastian geschrien und über seine Gefühlslage gesprochen hatte. Sonst war er immer ruhig gewesen, nahm alles wie es kam, aber war immer für andere Probleme da gewesen. Er behielt immer alles für sich. Er machte den Mund auf, wusste aber nicht was er sagen sollte. "Seb?" "Lass mich in Ruhe...", murmelte dieser unter dem Kissen drunter her, und Robin hatte sich selten so schuldig gefühlt, wie in diesem Moment. "Hey, tut mir Leid... Komm schon, Seb. Franziska ist sowieso bekloppt, da kann keiner mehr helfen. Michelle hat Probleme, so wie schon immer und mir tut es Leid, dass ich dich so links liegen gelassen habe." Er krabbelte über die kleine Lücke zwischen ihren Schlafmöglichkeiten und stupste ihn gegen die Seite. "Komm schon, Seb. Du bist mein aller bester Freund seit ich schreiben kann. Sei nicht mehr sauer auf mich... Büdde." Er stupste ein paar Mal mehr in Sebastians Seite, bis ihn ein Kissen beinahe vom Schlafsofa fegte. "Du bist doof", meinte Sebastian, nachdem er sich aufgesetzt hatte und ein Kissen umarmt hielt. "Ich weiß. Ich verspreche dir mich wieder zu ändern..." Sebastian schnaubte. "I- Ich habe ja nichts dagegen wenn du dich mit ihm triffst oder redest oder so, aber ich will nicht das du mich vergisst, weißt du...? Wir kennen uns schon so lange, haben so viel miteinander gemacht..." Robin wuschelte durch Sebastians Haare und umarmte ihn. "Du bist wie ein kleines Kind, Seb. Heulst, brauchst Aufmerksamkeit und ehrlich, dass ich gar nicht glauben kannst, dass du bereits vierzehn bist!" "He, ich werde bald Fünfzehn, ja?", murmelte er in Robins Schulter. "Ich weiß doch, aber trotzdem gibt es da Dinge, die ich mit Pascal besser bereden kann, weil er älter als wird beide sind." Sebastian löste sich und sah seinen besten Freund mit schief gelegtem Kopf an. "Ach ja?" "Ja." Dann seufzte Sebastian und Robin lächelte. "Bald können wir über sowas auch reden, wenn du vom Kleinkind zum Teenie geworden bist!", lachte er laut auf und Sebastian schubste ihn auf das Bett. "Du bist echt doof!" Lächelte aber seinen besten Freund an. Robin war die allerwichtigste Person in seinem ganzen Leben, er würde untergehen, wenn er ihn nicht mehr bei sich hätte. Das war ihm klar. "So, jetzt zieh dich um, ich bin müde", meinte Robin und machte schon das Licht aus. "Ey!" Er machte es wieder an, ließ sich Sebastian umziehen und machte es dann wieder aus, stolperte zum Bett. "Nacht, Seb." "Nacht, Rob." Ein "FICK DICH!", schallte aus Michelles Zimmer, wobei Sebastian und Robin sich fragten was jetzt wieder los sei. Sebastian lag noch ein paar Minuten wach und dachte darüber nach, ob er Michelle überhaupt helfen könnte, wenn er es wollte. Genervt drehte sie sich von einer Seite zur anderen. Wie es sie ankotzte, dass sie nicht wusste wie viel er mitbekommen hatte. Grummelnd trat sie gegen ihren Nachttisch, von dem ihr Wecker einen Sturzflug machte. "Scheiße...!" Sie hatte gedacht, dass sie wenigstens diesen Abend früher einschlafen könnte, aber es ging wie immer alles schief. Auf einmal vibrierte ihr Kopfkissen. Erstaunt darüber, dass sie eine SMS auf ihr Handy, was unter dem Kissen lag, bekam, las sie diese sofort. »Hi, ich bins "Gecko" :) Sorry, wenn ich dich so spät abends noch störe, aber ich konnte nicht schlafen, bevor ich dich gefragt habe: Willst du Morgen vielleicht einen Kaffee oder so mit mir trinken gehen? Ist ja WE. Würde mich sehr freuen :) Einen erholsamen Schlaf, Eure Tiefwohlgeboren.« Michelle starrte auf ihr Handy. Fragte er sie gerade allen ernstes um halb eins nachts, ob sie morgen ein DATE haben könnten? Sie schnappte sich noch einmal das Telefon auf dem Nachttisch, welches sie noch nicht wieder ins Wohnzimmer gebracht hatte, und rief Nadine erneut an. "Was willst du denn? Ich habe schon geschlafen, Mische!", pampte Nadine, gleich darauf los, sobald sie abgenommen hatte. "Ja ja, du mich auch. Ich hab ein Problem, Nadda! Gecko hat mich grade nach einem Date oder so gefragt!" Michelle hörte wie Nadine die Decke umschlug und hellwach ihre Journalistin raushängen ließ. "Wie hat er es gefragt? Wo? Wann? Und: Hast du schon geantwortet?!" Michelle war sich sicher, dass Nadine auch schon längst ihr Notizbuch in der Hand hatte. "Nein, habe ich nicht, sonst hätte ich ja wohl auch kein Problem! Er hat gerade eben geschrieben. Auf mein Handy...." Sie las ihr die SMS vor. Die schlechte Aussprache des Englisch ließ Nadine über sich ergehen. Und grinste am anderen Ende der Leitung. "Er steht auf dich!", fiepte sie ins Telefon, freute sich lauthals. Wahrscheinlich war ihre Mutter schon wieder nicht zu Hause. "Halt die Klappe! Ich meins ernst, Nadine!", sprach Michelle mit Nachdruck ins Telefon. "Ich weiß echt nicht was ich machen soll!" Nadine räusperte sich am anderen Ende der Leitung und versuchte anscheinend ihr Grinsen zu unterdrücken. "Naja, was gibt es da nicht zu wissen? Triff dich mit ihm", meinte sie selbstverständlich. Michelle schnaubte laut in den Hörer. "Bist du bekloppt? Was ist wenn der wirklich auf mich steht?" Michelle fing an, an ihrem Fingernagel zu kauen. "Mische, hör mal: Du schuldest ihm sowieso was, oder? Wegen Jakobs, oder? Da ist es doch Wurst, ob er auf dich steht oder nicht." Michelle klappte der Mund auf. "Du hinterhältiges Stück!" Nadine lachte am anderen Ende der Leitung. "Das stimmt doch! Schreib ihm, dass du es gern tun würdest! Morgen Kaffee oder Frühstück! Und zieh deinen Longshirt an! Das mit dem Glitzertaillengürtel! Die weiße Leggings und deine schwarzen Stiefelletten!", herrschte Nadine von der anderen Leitung und Michelle ließ den Kopf hängen. Sie nahm ihr Handy zur Hand und schrieb. »Hi, Gecko. Hättest auch nicht früher zu dem Schluss kommen können, oder? Egal, ich würde gern mit dir Morgen Iwas trinken oder so. Ich wäre ab 11 abholbereit. Nicht früher, da schlaf ich noch. Bis morgen.« Sie atmete dreimal durch und schickte es dann ab. "Hab ich", meinte sie knapp und rieb sich durchs Gesicht, sich einredend, dass sie nicht wüsste, was sie getan hatte. "Das ist ja großartig! Du musst mir sagen wie es war!" Michelle lachte auf. "Bestimmt nicht, du erzählst immer alles gleich rum!", meckerte Michelle zurück. Sie würde einen Teufel tun, dem größten Plappermaul der Schule sowas zu sagen. Sie konnte Geheimnisse für sich bewahren wie keine Zweite, aber wenn es um sowas, um ein DATE ging, war sie die Erste, die die Lippen nicht mehr zusammen bekam. Vor allem, wenn es so was absurdes wie das war. Sie hatte ihm immerhin vor drei Tagen zwischen die Beine getreten... Und nun würde sie ein Date mit ihm haben. Sie jaulte halblaut und bemerkte, dass Nadine noch immer lachte. "Halt die Klappe, habe ich gesagt!" und schlug einmal mit der flachen Hand auf die Sprechmuschel. Dann japste sie auf, weil ihr Handy erneut vibrierte. "War das dein Handy was so laut gebrummt hat?", fragte Nadine. "Ja, war es." "Na los, lies es vor was er geschrieben hat!" Sie tippte auf die neue Nachricht und riss zum Schluss ihre Augen auf. »Gut, hole dich dann um 11 ab :) Freue mich schon Bis Morgen« "Er hat ein Herz geschickt! Er hat mir ein verdammtes HERZ geschickt!" Sie hörte Nadine am anderen Ende nur noch von Weitem und das stark lachend, wahrscheinlich lag sie auf ihrem Fußboden und heulte momentan davon. "FICK DICH!", schrie Michelle in ihr Telefon und schaltete es aus. Ganz große Klasse. Sie hatte richtig die Arschkarte. Morgen würde sie mit dem Typen einen Kaffee oder was auch immer trinken oder essen und sie hatte definitiv das Gefühl, dass er mindestens einmal erwähnen würde, dass er sie mochte. Sie seufzte, schmiss das Telefon auf ihren Nachtschrank und schrieb Nadine eine SMS, mit dem Inhalt, dass sie verschissen hätte. Dann schaltete sie es aus. Natürlich hatte Nadine nicht wirklich verschissen, aber für diesen Abend schon. Ihre beste Freundin hatte Privilegien, die sonst keiner hatte, einfach, weil es die einzige Person war, mit der sie sich so gut verstand. Mit ihr konnte sie Scheiße abziehen, ohne dass es einen von beiden störte. Sie schmiss sich in ihr Kissen und schaltete den Wecker auf halb zehn. Als sie auf die Uhr sah, sah sie dass es kurz vor halb Zwölf war. Sie zog das Kissen über ihren Kopf und schlief ein. Sie konnte es nicht glauben, dass sie wirklich um halb zehn aufstand um sich 'ausgehfertig' zu machen. Samstag war ihr Tag der Faulheit. Abgesehen von sonntags. Sie pinselte noch einmal ihre Wimpern über und besah sich im großen Spiegel des Badezimmers. Sie verstand zwar nicht wirklich warum sie so darauf achtete ein hübsches Bild abzugeben, aber sie redete sich ein, dass es daran lag, dass Nadine einfach dumm war. Sie war ja auch schließlich diejenige gewesen, die ihr das hier eingebrockt hatte, aber sie würde genauso schnell heraus bekommen, wenn Michelle das Date absichtlich sabotiert hätte. Sie trampelte die Treppe herunter und Robin brüllte aus der Küche, dass sie leise gehen sollte. Sich das nicht zweimal sagen lassend, ging sie zwei Stufen zurück und trampelte so stark sie nur konnte auf die Stufen. Als sie in die Küche einbog, starrte er sie tödlich an. "Ups, war ich etwas zu laut beim runtergehen?", fragte sie scheinheilig und streckte ihm die Zunge heraus. Sie übersah künstlich, dass Sebastian direkt neben Robin saß. Gestern hatte es super funktioniert, ihn zu ignorieren und sie wollte sich auch keine Blöße geben, dass sie ihn gestern Abend vor ihrer Tür gesehen hatte. Wenn sie es nicht beachtete, würde sie auch keiner darauf ansprechen. Hoffte sie zumindest. "Huch, Michelle, warum bist du denn schon so...menschheitstauglich?", fragte ihr Vater, der im Gegensatz zu ihr und dem Rest der Familie nur in Boxershorts am Tisch saß. "Seit wann bist du so nudistisch? Es ist echt seltsam seinen Vater halbnackt am Tisch sehen zu müssen...", meinte sie und nahm sich die Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. "Ach komm, ich sitze nicht zum ersten Mal so hier." "Das ist es ja...!" Sie nahm ein Glas aus dem Schrank, sah ihren Vater an und schüttelte anschließend den Kopf. Ihre Mutter nahm ihr beides aus der Hand und goss ihr etwas ein, stellte die Flasche zurück und schloss auch die Kühlschranktür, die seitdem offen stand. "Dein Vater kann hier am Wochenende doch sitzen wie er will, solange er nicht ganz nackt ist." "AMEN!", rief Robin, den halben Inhalt seiner Schüssel Cornflakes auf dem Tisch verteilend. "Wo willst du eigentlich hin?", fragte ihre Mutter sie, während Michelle das Glas austrank. "Ich hab mich verabredet." Alle hielten in ihren Aktivitäten inne. "Wie bitte?", fragte ihre Mutter erneut und starrte ihre Tochter an. "Ich. Habe. Mich. Verabredet", wiederholte Michelle langsam und verdrehte anschließend die Augen. "Mit wem?", fragte ihre Mutter weiter, setzte sich auf ihren Platz. "Mit einem Kumpel. Wir wollen Frühstücken oder sowas", meinte sie und stellte das Glas auf die Spüle. "Frühstücken, ja? Ist das jetzt eine neue Bezeichnung für-" "HÄLST DU WOHL DIE KLAPPE?!", schrie Michelle ihn an. Sie wusste ganz genau was ihr Vater sagen wollte, aber das sollte er sich vor Sebastian ruhig in die Haare schmieren. Sie würde nicht riskieren, dass ihr Vater in Anwesenheit von Sebastian von Sex zwischen ihr und einem anderen Typen reden würde. "Nein ist es nicht. Und ich will auch gar nicht. Und warum zum Teufel rechtfertige ich mich eigentlich?!" Sie boxte ihrem Vater gegen die Schulter, der sie versuchte zu zwicken. "Hört auf. Michelle, wer ist es eigentlich? Kenne wir ihn?" Da lachte Robin und grinste Michelle böse an. Sebastian hingegen aß stillschweigend seine Flakes auf. "Er heißt Kevin Korner und ist ein Neuer vom Gymnasium", triumphierte er mit breitem Grinsen. "Ich bringe Nadine um...", meinte Michelle leise.“Gibt es eigentlich irgendetwas was diese Schlampe dir nicht erzählt?!", brüllte sie ihn an und schmiss die Rolle Zewa nach ihm. Es hupte vor der Tür und auf einmal war Michelles Wut verflogen. Sie starrte noch einmal zu Robin. "Du kannst der Behinderten sagen, dass sie heute Abend hier sein soll, damit ich ihr eigenhändig ihren Arsch aufreißen kann! Und wenn du nur einei Ton über Gecko in Anwesenheit von Mama oder Papa verlierst, kastriere ich dich mit Vergnügen!", blaffte sie, sah alle einmal warnend an wobei sie Sebastian aber ausließ. "Du sollst nicht immer drohen..." Sie verdrehte die Augen und stapfte dann aus dem Haus. Vor der einfahrt stand ein roter Audi und Kevin winkte ihr zu. Sie setzte eins ihrer freundlichsten Lächeln auf, das sie besaß. Augen zu und durch. Kapitel 10: ------------ Sooo, das is mein ABSOLUTES Lieblingskapitel :D Wirklich, das is mein Kappi das ich am besten finde. Ach, ich bin so stolz darauf :D Nikushimi Kapitel 10 "Hi", sagte sie, als sie ins Auto einstieg. Die paar Meter von der Haustür zur Autotür hatten gereicht, dass ihre Nase und Wangen knallrot vor Kälte geworden sind. Sie schloss schnell die Tür und wurde schon von der wohligen Wärme einer Autoheizung begrüßt. "Hi", antwortete Kevin auch flott, nachdem er sie perplex angestarrt hatte, wie sie die Hände auf die Lüftung legte. Sie lächelte, war ihr das irgendwie überaus peinlich. Sie nahm die Hände von dem Armaturenbrett und legte sie auf ihren Schoß. Und linste dann zu Kevin rüber. Der grinste, wie nicht anders zu erwarten. "Ist Ihnen so kalt, Euer Tiefwohlgeboren?", fragte er und erhöhte die Temperatur etwas. Ihre Miene wurde böse und er grinste weiter. "Du bist doof. Lass uns losfahren, sonst kommt noch meine Mutter und will dich kennen lernen", meinte sie, während sie über die Autotür strich und dabei mit den Augen rollte. "Also mich würde das überhaupt nicht st-" "Fahr", herrschte sie an. Michelle blickte stur nach draußen in die eisige Kälte, die man dem Dorf gut ansehen konnte. Sie fuhren, wie es aussah, in die nächste Stadt. "Kennst du die Bäckerei Dart?", fragte Kevin, der mit ihr sprach ohne von der Straße aufzusehen. Michelle schüttelte den Kopf, bis sie bemerkte, dass er es ja gar nicht sehen konnte. "Nein, kenne ich nicht", meinte sie dann und rieb sich weiter die Hände. Kevin lachte auf. "Nein? Dann fahren wird dahin. Da haben sie den besten Kaffee und die allerbesten Brötchen! Selbst Käsebrötchen schmecken bei denen nicht zum Kotzen!" Jetzt musste Michelle auch lächeln. Er war so voller Freude, dass er vermutlich etwas auf sie übertrug. Sie musste ihn unwillkürlich mit einem Kind in der Jahrgangsstufe Sechs vergleichen, welches die Welt noch so wenig kannte, dass es selbst die gewöhnlichsten Sachen außergewöhnlich spannend und interessant fand. Er sah sie kurz an und grinste weiter. "Ich schwöre es dir!" Sie lachte. "Ja ja, magst du etwa keine Käsebrötchen?", fragte sie dann. Er verzog das Gesicht. "Bei den meisten schmecken sie wie alte Socken in Kotze eingelegt." Jetzt verzog Michelle auch das Gesicht. "Danke. Jetzt kann ich nie wieder Käsebrötchen essen...", meinte sie. "Sorry nochmal, dass ich dir die SMS so spät geschickt habe." Sie winkte mit ihrer Hand ab. "Nicht so schlimm, obwohl du mich von meinem kostbaren Schlaf abgehalten hast. Wärst du trotz allem heute um Neun oder Zehn aufgeschlagen, hätte ich dir ins Gesicht geschlagen, deine Unterhose bis zum Anschlag hochgezogen und wäre dann wieder ins Bett gegangen." Er starrte sie erschrocken an, widmete seine Aufmerksamkeit aber wieder der Straße. "Wow, du bist wirklich... unmenschlich. Nein, männerfeindlich. Meine armen Nüsse!", japste er auf, das Szenario wohl bildlich im Kopf habend. Sie lachte fies. Sie stiegen aus und sie hüpfte schnell in das Geschäft, was wie ein riesiges Café aussah. Drinnen standen zahlreichen Tische und Stehtische, eine Theke mit vielen verschiedenen Backwaren und eine Ecke mit einem richtigen Coffeeshop. "Sieht aus wie bei Mecces. Nur mit Brötchen!", meinte Michelle und strahlte übers ganze Gesicht. Kevin grinste. "Das habe ich das erste Mal auch gedacht." Sie sah ihn an und er zurück. Es war ein seltsames anstarren, aber nicht unangenehm. Eher so, als ob sie gerade bemerkt hätten, das sie sich doch gut verstanden. "Yo! Calvin!" Kevin zuckte, als er die Stimme vernahm und mit ihr ein junger Mann zu ihnen herüber kam. Kevin grinste und umarmte den Kerl auf männliche Weise. So sah es zumindest für Michelle aus. "Yo, was machstn hier? Ist doch Samstag, da gehste doch immer zu deinem Opa!" Kevin grinste. "Heute mal nicht, weil ich mit ihr hier bin." Er deutete freundlich auf Michelle, ging sogar ein Stück zur Seite, um sie Hauptthema des Gespräches zu machen. "Wegen der Klee-" Kevin schlug seine Hände vor den Mund des Kerls. Michelle musste lächeln, aufgrund seiner Lernfähigkeit. "Es ist nicht so gut, wenn du sie so nennst, wie du sie nennen wolltest. Das is Michelle. Michelle Brauer. Die von meiner neuen Realschule." Die Augen von dem Neuen weiteten sich, konnte mit dem Namen wohl einiges anfangen. "Alter? Die, die dir in die Eier getreten hat? Hat Björn etwa keine Witze gemacht?", fragte er Kevin. Er lächelte. "Nein, aber sie ist ganz schon tough, oder?", fragte Kevin, zeigte auf Michelle, die ihm die Zunge herausstreckte. "Bei so einer Zierlichkeit kann man das gar nicht erwarten. Apropos! Wo sind meine Manieren?" "Welche Manieren?", fragte Kevin dazwischen, wurde aber überhört und ignoriert. "Ich bin Markus Lübke, freut mich dich kennen zu lernen. Dich, als Bezwingerin des unbezwingbaren Calvin Klein!" "Calvin Klein?", fragte sie mit etwas schief gelegtem Kopf. Markus vergrub seine Finger in Kevins Schulter und sah verstört zu ihm und Michelle. "Alter, die ist ja...!" Kevin im Gegensatz grinste wissend. Michelle war jetzt verunsichert, weil die beiden über sie zu reden schienen, ohne dass sie wusste, was sie jetzt getan hatte. Wie ein verlorenes Kind stand sie vor den beiden Jungs, die beide einen guten Kopf größer waren. "Haltet die Klappe. Das ist unhöflich gegenüber einer jungen Frau, was ihr da macht!" Sie stapfte zur Theke mit den Backwaren, sie hatte genug von den beiden Idioten. "Die ist ja ultra niedlich, wenn sie was nicht versteht!", meinte Markus halblaut, als Michelle außer Hörweite war, was Kevin wieder zum grinsen brachte. "Und wie. Aber wir sehen uns später irgendwann Mal", meinte er, während er wieder zu Michelle lief. Michelle schaute über die Schulter, als sich eine Hand darauf legte. Kevins. "Tut mir Leid. Das war ein alter Klassenkamerad vom Gymnasium", lächelte er sie entschuldigend an. Sie zog eine Schnute, beließ es aber dabei. Sollte er doch machen was er wollte, eigentlich dürfte sie es überhaupt nicht stören. Mit einem prüfenden Blick schaute sie über das Abdeckglas der Theke. Kevin konnte beobachten, wie sie ihre Fingerspitzen aufeinander legte, als ob sie beten wollte und sie dann an ihre Lippen drückte. Sie kam ihm vor, wie ein aufgeregtes Schulmädchen, was auf ihren Schwarm wartete. "Ähm... Entschuldigen Sie, wie viel kostet das Dingens hier?", fragte Michelle und deutete auf ein Schokocroissant. Die Frau sagte ihr den Preis und sah Kevin an. "Schmeckt das auch so gut?" Er sah sie an. "Natürlich. Ich hab doch gesagt hier schmeckt alles!" Er schüttelte den Kopf und schob sie ein kleines bisschen zur Seite. "Zwei Schokocroissants und zwei Kaffee." Michelle meldete sich, indem sie die Hand kurz hob. "Ich mag eigentlich keinen Kaffee..." Kevin zog die Augenbrauen hoch. "Was darf es denn sein?", fragte die Frau freundlich. "Haben Sie heiße Schokolade mit Sahne?" Die Frau nickte lächelnd. "Dann hätte ich gern das." Die beiden Frauen strahlten sich an, was Kevin die Stirn runzeln lies. Frauen konnten so gruselig sein. Sie setzten sich an einen Tisch, der am Fenster stand und einen tollen Blick auf das vereiste Feld vor dem Café ermöglichte. Die Bäckerei lag am Stadtrand, war aber mindestens so gut besucht, als würde sie in der Fußgängerzone liegen. Die Bedienung brachte ihnen ihre Bestellung und Michelle strahlte über das ganze Gesicht. "Danke, dass du mich eingeladen hast", meinte sie, während sie das Croissant beäugte. "Gerne!", sagte er. Sie war lange nicht mehr so gelassen und glücklich in Anwesenheit einer anderen Person gewesen, wie jetzt. Sie sah Kevin an, der sich schon etwas primitiv das Croissant in den Mund schob. Das erinnerte sie stark an ihren Bruder. "Danke." Er blickte auf. "Du hast doch gerade schon Danke gesagt...", sprach er mit vollem Mund, wobei ihm beinahe die Hälfte heraus fiel. Sie lächelte. "Diesmal meinte ich nicht das Frühstück." Er hörte auf zu kauen und sah Michelle an, die gedankenverloren beim vorigen Tag war. Auch gestern hatte er es geschafft ihr die schlechte Laune zu nehmen, sie ihren Tag einigermaßen zu genießen lassen. Jetzt spürte sie gar nicht mehr den Druck, der ihr tagtäglich diese Kopfschmerzen bereitete. Sie blickte von ihrem Kakao auf und lächelte dann betrübt. "Seit ungefähr Fünf Jahren hat mich Jakobs gedemütigt und fertig gemacht. Mich belehrt, mir das Leben schwer gemacht und mir so einige Stunden beim Direktor beschert. Er hatte unzählige Gespräche mit meinen Eltern bei Sprechtagen und auch zwischendurch. Es war zwar nicht das Schlimmste, was einem passieren konnte, aber so langsam hielt ich es nicht mehr aus." Ihr stiegen die Tränen in die Augen, die sie aber durch ein paar Mal leise und tief Einatmen unterdrücken konnte. "Ich bin dir so dankbar, dass du mit deinem Opa gesprochen hast, dass ich heulen könnte. Das ist wie ein Ablassbrief für die Sünde Jakobs. Verstehst du das?" Ihre Tränen schimmerten noch immer in ihren Augen und Kevin blieb die Luft weg. War sein Großvater zu ihr so mies gewesen? Wenn das stimmte was sie sagte, hatte er sie wirklich derbe auf dem Kieker gehabt. Sie war richtig fertig und er sah es ihr auch an, dass das alles tief in ihr drin hing. Fünf Jahre. Da war sie, wenn er sich nicht verrechnete, auch Dreizehn Jahre alt gewesen. Und da hatte er selbst auch noch Angst vor seinem Großvater gehabt, obwohl sie verwandt waren. Sein Mund war trocken, deshalb nickte er nur. "Ich bin lange nicht mehr so glücklich gewesen..." Ihre Gedanken schienen wieder eine Erinnerung gefunden zu haben, denn sie blickte wieder auf ihren Kakao, wo die Sahne langsam angefangen hatte zu schmelzen. Er trank einen Schluck von seinem Kaffee, wartete bis Michelle wieder in der Realität war. Sie nahm gedankenverloren den Löffel und rührte ihren Kakao um. Dann blinzelte sie zweimal und war wieder da, nahm den Kakao und trank einen Schluck. "Seit ungefähr... Ja, Fünf Jahren. Da kam alles zusammen. Nadine, Jakobs und Seba-" Sie riss die Augen auf und starrte Kevin an. Was zum Teufel tat sie da?! Sie hätte ihm gerade beinahe gestanden, dass Sebastian dazu kam! Michelle konnte ihren Mund nicht mehr schließen und auch nicht aufhören Kevin anzustarren, als ob er der kopflose Reiter wäre. Sie lachte gekünstelt und legte ihre Hand über ihren Mund. "Ach du Scheiße. Das tut mir Leid. Ich laber dich hier mit meinen billigen Problemen zu!" Sie wäre am liebsten aufgesprungen und weggerannt. Die Bilder von Sebastian fanden wieder den Weg in ihr Bewusstsein. So wie er damals war. Glücklich, offen und einfach nur der beste Freund ihres Bruders. Wo sie sich ihrer abartigen Gefühle noch nicht bewusst war. Sie wollte sich wehtun. Sie wollte, dass diese Bilder, diese ekelhaften Bilder aus ihrem Kopf verschwanden. Michelle musste sich konzentrieren um nicht zu hyperventilieren. Sie zwang sich normal und tief einzuatmen. Sebastians Kinderstimme rief sie in ihre Gedanken. Wie er ihr dankte, dass sie ihm von Baum geholt hatte. Wie er ihr seine selbstgemachte Limonade als erstes gab. Wie er Robin sagte, dass er Michelle mochte. Wie er sie getröstet hatte, als er noch so jung gewesen war, dass er noch als unbeschreiblich süß galt. Und wie er fragte was los sei, als sie bemerkte, was sie da tatsächlich für ihn fühlte. "Michelle?!" Ihr eigener Name riss sie aus ihrer Schockstarre und Kevin hockte mit besorgtem Blick auf Augenhöhe neben ihr. Ihre Tränen waren herunter gelaufen, was sie anhand der nassen Striemen auf ihren Wangen merkte. Sie spürte auch die Hand, die auf ihrer Wange lag, die zu Kevin zu gehören schien. "Alles gut? Bist du wieder hier? Was war denn los? Du hast auf einmal geheult wie ein Baby ohne auch nur einen Mucks von dir zu geben!" Sie schüttelte den Kopf, wobei er die Hand von ihrer Wange nahm, wischte sich die Tränen weg. Dann strahlte sie ihn wieder an. "Nichts, bin nur wieder auf einen emotionalen Tiefgang gestoßen, den ich längst vergessen hatte. Kein Problem, ist wieder alles gut", meinte sie. "Ich wollte dich nicht mit meinen Null-Acht-Fünfzehn Problemen belästigen...!", wedelte sie mit den Händen abwehrend vor sich. Kevin hielt sie fest. "Nein, ich höre mir das gerne an! Das ist kein Problem für mich! Du wirkst so, als ob du alles irgendwie mal herauslassen müsstest und ich bin doch perfekt dafür! I-Ich kenn dich kaum, du kannst alles sagen was du willst! Ich bin ein Außenstehender, kann also alles aus einem anderen Blickwinkel sehen!" Er hielt ihre beiden Hände in seinen und war voller Selbstvertrauen über seine Aussage. Er war davon sichtlich überzeugt, dass es ihr dadurch besser gehen würde. Er sah sie erwartungsvoll an. Sie lächelte. "Nicht nötig", meinte sie und versuchte wirklich so herüber zu kommen, als ob sie es nicht bräuchte. Anders als erwartet sah es nicht so aus, als ob Kevins Herz zersplitterte, sondern sein Gesicht verzog sich zu einer entschlossenen Maske. "Ich werde darauf warten. Wenn du bereit bist, kannst du mich jederzeit anrufen, anquatschen oder was auch immer. Ich bin jederzeit für dich da. Morgens, mittags, abends, nachts. Immer. Ich verspreche es dir!" Perplex sah sie ihn an, dann löste er seinen Griff um ihre Hände und setzt sich wieder auf seinen Platz. Er aß sein Croissant unbeirrt weiter und lächelte sie auch an, als ob die letzten paar Minuten nie gewesen wären. Nun fing auch sie an, ihren mittlerweile lauwarmen Kakao zu trinken und ihr Croissant zu essen. Sie fragte sich, ob sie es irgendwann könnte. Immerhin war es auch einfach gewesen ihren ganzen Gedankenhaushalt über Herrn Jakobs bei ihm auszuschütten und ihm beinahe von der Liebe zu Sebastian zu erzählen. Sie blickte auf. "Du könntest mir als Beweis erst einmal etwas beantworten", meinte sie und Kevin sah sie ratlos an. "Das wäre?", fragte er nach. "Was hältst du davon, dass ältere Menschen Jüngere lieben?" antwortete sie. "Du meinst dieses Sachverhältnis Pädophil, oder?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, Pädophil ist ja wirklich ekelhaft. Mir geht es eher darum, wie du dazu stehst, wenn zum Beispiel... ein Vierundzwanzigjähriger auf eine Sechzehnjährige steht." Kevins Blick wanderte zur Decke und erschien ernsthaft darüber nachdenken zu müssen. Er wippte mit dem Stuhl, bis er anfing seien Gedanken zu erklären. "Also. Ich finde es nicht schlimm. Mit Sechzehn weiß man eigentlich schon recht gut, natürlich mit einigen Ausnahmen, was man so will." Michelle klappte der Mund auf. "Aber Hallo? Der wäre acht Jahre älter und volljährig, während sie minderjährig ist!" Kevin zog eine Augenbraue nach oben. "Na und? Sie ist sechzehn, da kann man es in der Regel schon selbst entscheiden, wen man liebt. Und der wäre vierundzwanzig, ja? Sagt man nicht sowieso immer, dass Männer ihrem Alter Drei Jahre oder so hinterher hängen? Dann wäre er ja erst einundzwanzig, oder? Dann sind es auch nur noch fünf Jahre und das ist ja nun wirklich nicht schlimm!", rechnete er ihr vor und zuckte mit den Schultern. "Meine Mom ist zum Beispiel auch Sechs Jahre jünger als mein Dad. Die verstehen sich auch Prima und keiner hatte was dagegen. Okay, außer Opa, aber der ist immer überall dagegen! Ich sehe da nur ein Problem wenn Volljährige was mit Kindern unter Zwölf wollen, das geht gar nicht." Michelle sah ihn mit gerunzelter Stirn an. "Was denn?", fragte er deshalb und sie rümpfte die Nase. "Und was ist dann mit den Kindern zwischen Zwölf und Sechzehn?" Er geöffnete den Mund um zu antworten, beließ es aber dabei. "Gute Frage. Naja, Dreizehn ist auch nicht viel weiter als Zwölf. Vierzehn ist irgendwie so ein Mysterium und Fünfzehn... Naja, wenn es gut läuft würde ich es zu sechzehn zählen...", meinte er anschließend. Sie hätte am liebsten geschrien. Sie wusste nicht, ob sie es gut finden sollte, dass er das Thema so locker sah oder sich darüber freuen, weil damit ein neuer Kandidat für ihr 'Coming Out' gefunden war. "Warum eigentlich?", fragte Kevin sie plötzlich. "Ähm, nur so. Nadine hatte es nämlich letztens angesprochen und da hab ich mich halt gefragt, wie du das siehst." Er nickte verstehend. "Lust auf ein Stück Kuchen?", fragte er freudestrahlend. Sie nickte. "Ja, mit viel Sahne bitte!" Sie war mit dem Gefühlsumschwung von ihm gut zurecht bekommen. Sie hatten beide ein Stück Schwarzwälderkirschtorte und ein Stück Bienenstich gegessen. Sie hatten über belangloses Zeug wie Hobbies gesprochen, wo Michelle unbedingt bemerken musste, dass er in seinen Hobbies ziemlich Mainstream war. Er spielte Gitarre, hing gern mit seinen Freunden rum und fand es wahnsinnig geil Onlinespiele zu spielen. Dass sie überhaupt das Wort Mainstream benutzt hatte, hatte sie selbst überrascht, aber er schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass sie es falsch aussprach. Alles in allem war sie wirklich zufrieden, als sie bei sich zu Hause aus dem Auto steigen wollte. "Danke für den geilen Tag heute, Gecko!", strahlte sie ihn an. "Bitte gern. Können wir ruhig öfter machen, wenn du Lust hast, Euer Tiefwohlgeboren." Der Motor brummte und es wurde schon dunkel. Sie hatten wirklich den ganzen Tag zusammen verbracht. "Warum nennst du mich Tiefwohlgeboren? Reicht Michelle nicht? Meinetwegen nenn mich Mische, aber Tiefwohlgeboren?", meinte sie und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Kevin dachte einen Moment nach. Dann ließ er den Gang raus, zog die Handbremse an und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. "Naja, weil ich ja nicht Kleene sagen darf. Tiefwohlgeboren ist sowohl höflich, als auch eine Anspielung auf deine geringe Körpergröße..." Sie verdrehte die Augen. "Egal. Du wirst schon merken, dass es irgendwann auch genau den gleichen Status wie Kleene hat..." Sie schaute böse und grinste dabei. "Ich habe Angst." "Ich weiß!", freute sie sich im Gegenzug. "Warte!", meinte er schnell, bevor sie ganz aus dem Wagen aussteigen konnte, hielt sie dabei an der Hand fest. Er holte Luft, konnte aber nichts weiter sagen. Michelle lächelte sanft. "Ich weiß..." Sie wollte ihm die Hand entziehen, aber er zog einmal kräftig daran, sodass sie zu ihm fiel. Sie war nur ein paar Zentimeter von seinen Lippen entfernt, was er auch sogleich beseitigte. Er küsste sie. Ein Kribbeln machte sich in ihren Lippen breit, ihr Herz klopfte schneller und ihr Verstand setzte aus. Schüchtern öffnete sie die Lippen und Kevin nahm diese Einladung dankend an. Er zog sie mit einer Hand näher zu sich und sie ignorierte, dass sie halb auf der Handbremse lag. Seine Lippen waren weich und unglaublich warm, sein Drei-Tage-Bart kratzte sie leicht. Weich drückte er seine Lippen gegen ihre, spielte zuerst mit der Unteren, dann mit der oberen Lippe. Sie handelte wie aus einem Instinkt heraus, hielt sich an seinem Ärmel fest, drückte ihre Lippen fordernd gegen seine. Sie zuckte leicht zusammen, als seine Zunge über ihre Lippen strich. Zögernd folgte sie der Aufforderung und er leckte über ihre weiche Zunge. Anders als erwartetet war seine Zunge weich und nicht rau. Ein Hupen riss die beiden aus ihrem Kuss und Michelle merkte recht schnell, dass Kevin sich ausversehen auf dem Lenkrad abgestützt hatte. Sie starrte ihn knallrot an, sagte nichts und verschwand schnell aus dem Auto. Ein Pfeifen ertönte etwas weiter neben ihr und sie sah Robin unter der nächsten Laterne stehe, ungefähr sieben Meter weit weg. Sie wusste worauf sich das Pfeifen bezog, sie hätte ihm einen Spruch an den Kopf geworfen, wenn Sebastian nicht neben ihm gestanden hätte. Kapitel 11: ------------ Dieses Mal ohne Vorwort xD Iwie xD Viel Spaß Nikushimi Kapitel 11 Sie starrte zu Sebastian, der selbst nicht zu wissen schien, was er tun sollte. Die Autotür wurde geöffnet. "Hey, Michelle!" Kevin lief um das Auto rum wollte noch einmal mit ihr sprechen, aber das konnte sie nicht. "NEIN! Nein!" schrie sie und rannte zum Haus. Die Tür war nur angelehnt, so riss sie diese auf und schmiss sie zu. Sie lehnte sich an diese und rutschte runter, vergrub ihre Hände in ihren Haaren. Was hatte sie nur getan? Was hatte sie in diesem Auto, mit diesem Jungen, nur getan? Sie mochte ihn, das konnte sie nicht bestreiten. Sie mochte das Gefühl, was er bei ihr auslöste. Die Gelassenheit, die sie fühlen könnte. Den Blick, wie er sie ansah. Ihr wurde bewusst, dass er mit ihr über diese vermaledeite Aktion reden wollen würde. Das sie ihn wahrscheinlich damit verletzt hatte. Sie war schrecklich. Sie war eine schreckliche, widerliche Person. Sie fand sich noch widerlicher als schon davor. Davor war sie ein Weib gewesen, was einen Vierzehnjährigen liebte, aber jetzt war sie ein Weib was einen Vierzehnjährigen liebte und von einem Anderen die Zuneigung ersuchte, die sie bei dem Anderen nicht bekam. Das Flurlicht ging an und Michelle bäumte sich wieder auf, strich ihr Haar glatt, lächelte, bevor ihr Vater sie erblickte. "Na, Prinzessin, was machst du denn schon hier?" fragte er, nichts ahnend von dem Kampf, der in seiner Tochter tobte. "Ich bin grade wiedergekommen, sieht man doch!" Sie rollte mit den Augen und schmiss ihren Mantel in die Ecke. Sie schob sich verächtlich schnaubend an ihren Vater vorbei, auf direktem Weg in ihr Zimmer. Sie musste weg, weg von der Haustür, weg von den Menschen, die sie liebte. Sie sah in ihr Zimmer und wie erwartet war Nadine nicht darin. Sie kam niemals zu ihr, wenn Michelle vorher mit Schläge drohte. Sie schmiss sich auf ihr Bett, zog sich ihre Leggings aus und schnappte sich dann den Karton mit den Looney-Tunes, holte ihr Büchlein raus mit der Aufschrift "16 - 18" und schrieb da rein. »Ich bin ekelhaft. Ich hatte heute den schönsten Tag in meinem bisherigen Leben. Gecko war so nett und freundlich, hat mich alle meine Sorgen vergessen lassen. Selbst meine Gedanken zu Sebastian hatte er verschlossen. Ich war so glücklich, ich hätte den ganzen Tag heulen können, mich in seinen Armen verlieren können. Er hat mir mit einer unglaublichen Inbrunst verständlich gemacht, dass er immer für mich da sein würde. Er würde auf mich warten, bis ich bereit dazu wäre. Und dennoch glaube ich, ich habe ihn zerstört. Der Kuss im Auto war so schön, ich hätte niemals für möglich gehalten, dass sowas irgendwann einmal passieren könnte. Es hört sich jetzt wahrscheinlich fehl am Platz an, aber das war mein erster, richtiger Kuss. Das weißt du. Wenn man einen Kuss für Mama und Papa außer Acht lässt. Ich wäre am liebsten für immer in diesem Auto geblieben, für immer bei ihm. Als dann die Hupe losging, war es so, als ob man mir einen Kopfschuss gegeben hätte. Wie bei diesen Todesszenen, wenn die Leute sagen, dass sie ihr Leben noch mal an ihnen vorbeiziehen sehen, so wirkte es für mich. Ich sah noch einmal Sebastian vor mir und merkte, dass die Gefühle zu ihm immer noch größer waren, als ich sie für Gecko jemals empfinden könnte. Selbst wenn mich die Liebe zu Sebastian zerstört, ich werde nie jemanden mehr lieben können als ihn. Büchlein, du weißt wovon ich rede, du machst so vieles mit mir mit. Hörst dir meine Gedanken und Probleme an, wie ein kleines Rettungsboot, worin ich meine Gedanken einschließen kann. Und wenn's nur eine kleine Weile ist. Und wenn ich dadurch nur einschlafen kann, ohne in Zweifel und Angst unterzugehen. Hörst du mich, Büchlein? Ich habe Angst. Ich habe Angst, mit Gecko zu reden und Sebastian ins Gesicht zu sehen! Was soll ich tun? Ich würde Sebastian gern vergessen, aber wie soll ich es? Es tut so weh ihn zu ignorieren, der Versuch ist grausam. Wie gern würde ich zu ihm gehen und sagen dass der Kuss von mir und Gecko nichts bedeutet hatte? Wie gern würde ich ihm sagen, das mein Herz nur für ihn schlägt und niemals wieder für jemand anderen? Was würde ich alles dafür tun, das ich Vierzehn wäre?! Büchlein, ich habe Angst mein Leben weiter zu leben. Ich habe Angst, dass sich Gecko deswegen von mir abschottet, dass er jetzt nicht mehr für mich da wäre wann immer ich will. Ich bin so verzweifelt und hilflos, ich will weg hier.... Ich will nicht mehr damit zurechtkommen. Ich will-« Es klopfte an der Tür und Michelle japste auf, sie war so in ihrem Gedankengang verloren gewesen, dass sie einen Moment brauchte um zu realisieren, dass sie in ihrem Zimmer saß. Schnell schob sie ihr Büchlein unter das Kissen. "Ja, bitte?", fragte sie und atmete tief ein. Ein blonder Haarschopf wurde ins Zimmer gestreckt. "Hi Mische." sagte ihr kleiner Bruder, fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Sie hätte mit fast allen gerechnet, aber nicht mit ihrem Bruder. "Hi." antwortete sie knapp und barsch. Er kratzte sich am Ellenbogen und stand bedröppelt in der Tür. "Was willst du?" Er sah sie an, schloss die Tür und druckste für kurze Zeit herum. "Ähm, weißt du... Ich soll dir von diesen Typen grade-" "Nein, Halt die Klappe! Verschwinde! Verpiss dich. Raus! RAUS AUS MEINEM ZIMMER!" brüllte sie ihn an, schmiss ihre Kissen nach ihm. "Ich will nichts hören! Verschwinde, lass mich in Ruhe! Ich habe keinen Bock mehr!" kreischte sie weiter, es stiegen wieder Tränen auf. Kraftlos schmiss sie ihr letztes Kissen auf Robin, der in Abwehrhaltung auf das Ende des Bombardements wartete. Zerbrochen und ohne Antrieb saß Michelle auf ihrem Bett, was Robin die Sprache verschlug. Die Tränen kullerten ihr in Sturzbächen die Wangen herab und er ging zu ihr aufs Bett, schnappte sie sich und umarmte sie. Sie krallte sich an ihn, als wäre er das Einzige, was noch da wäre. Ihr kleiner Bruder streichelte ihr übers schwarze Haar, spielte mit den Strähnen, während sie sich die Seele aus dem Leibe weinte. Er hatte keine Ahnung was jetzt gerade mit ihr los war, denn er wusste, dass sie mehr als ein Problem hatte. Sie war launisch und unberechenbar. Es war auch nur eine Frage der Zeit bis sie wieder 'nen Kurzschluss hatte und anfing, ihn erneut zu verprügeln. Er beneidete seine Schwester nicht um ihr Leben. Sein Vater sagte oftmals, dass er Michelles Probleme gern hätte, zwar aus Jux, aber ihr Gehabe war kein Spaß mehr. Er schielte auf ihre Unterarme. Er hatte seine Mutter in der Küche belauschen können, als sie es seinem Vater erzählt hatte. Ihre Arme sahen wirklich schlimm aus, aber wenn sie es abstritt, wer sollte helfen? Etwas zwickte ihn in die Seite. "Au!" zischte er und starrte Michelle böse an. "Du bist ein Arschloch." murmelte sie gegen seine Brust. "Warum ich? Du bist doch ein viel Größeres!" Sie schwieg darauf und er machte sich darauf gefasst, eine gescheuert zu bekommen. "Das ist nicht witzig." flüsterte sie, setzte sich auf und sah ihren Bruder an. Er hingegen legte den Kopf schief. "Wie meinst du das?" Er wollte zwar nicht ihre Probleme haben, aber manchmal wünschte er sich, in ihr Hirn reinsehen zu können... Sie nahm seine Hand und strich über seine Fingernägel. Abwesend summte sie eine für ihn zusammenhangslose Melodie und Robin erinnerte sich unweigerlich an den ersten Abend, den er allein mit Michelle verbracht hatte. Seine Eltern waren ausgegangen und er war, wenns hoch kam, an die fünf Jahre gewesen. Damals war eines der schlimmsten Gewitter, die er je miterlebt hatte. Er war so verängstigt, dass er sich wirklich nass gemacht hatte und dann unter Tränen in Michelles Zimmer gegangen war. Sie hatte ihm frisches Zeug gegeben, mit in ihr Bett genommen und mit seinen Fingernägeln gespielt. Dabei hatte sie eine ähnliche Melodie gesummt. Er hatte sich bei seiner Schwester seitdem nie wieder so geborgen und wohl gefühlt wie in dieser einen Nacht. "Es tut mir Leid. Du bist ein guter Bruder. Ich hoffe du vergisst irgendwann alles, was ich dir jemals angetan habe. Du hast es nicht verdient, ein miserables Monster wie mich zur Schwester zu haben." Robins Mund wurde trocken, als er hörte, wie Michelle diese Worte aussprach. Einen solchen Hass hörte er zwar nicht zum ersten Mal von ihr, aber dieses Mal war dieser an sie selbst gerichtet, als an jemand anderen. Sie sah müde aus, endlos müde, als ob sie so vieles leid war. So einen Blick hatte er sich immer nur bei alten Menschen vorgestellt, die ihr ganzes Leben versaut hatten. "Was ist denn los mit dir, Mische?" fragte er heiser, seine Stimme wollte nicht mehr so, wie er wollte. Sie seufzte tief durch, sah ihn an- und lächelte. "So unglaublich viel, das ich gar nicht mehr weiß, wann ich über was davon nachdenken soll, du Stöpsel." Ihre ganze Stimmung war gekippt, sie sah wieder wie eine aufgeweckte, spontane Jugendliche aus. Sie lachte auf. "Du guckst, als ob du nen Toten gesehen hättest!" Sie stupste ihn gegen die Nase und sah ihn einen Moment nur an. Er hatte keine Ahnung was er jetzt tun sollte. Sollte er sie anschreien und sagen dass sie endlich zur Vernunft kommen sollte? Das sie jemanden von den kranken Produktionen ihres Hirn erzählen sollte? "Geh. Sebastian wartet bestimmt schon auf dich. Außerdem läuft gleich'n Blockbuster, den du schon seit Wochen gucken willst, oder nicht?" Sein Mund war trocken. Sie schubste ihn vom Bett. "Verschwinde. Los." Er wollte ihr noch so viel sagen, aber er konnte nicht. Sie stieß ihn weiter Richtung Tür, hörte nicht auf und er sah sie noch einmal an, bevor er mit dem letzten Stoß aus dem Zimmer stolperte. Er seufzte. Seine Schwester war schwierig. Zitternd schloss sie die Tür ab. Sie versuchte ruhig auszuatmen. Dann flitzte sie zum Bett und packte das Buch wieder in den Karton. Sie starrte noch ein paar Sekunden drauf. Niemand würde diesen Gedanken zu Ende hören. Nicht einmal das Buch selbst. Nervös schob sie den geschlossenen Karton unter ihr Bett. Sie schämte sich für den Gedanken, hatte Angst vor diesen. Michelle stand auf und tigerte in ihrem Zimmer auf und ab. Sie kratzte sich an ihrem Unterarm, riss die Kruste von den eitrigen Wunden und genoss förmlich den stechenden Schmerz, der sich durch ihren Arm zog. Ein leises vibrierendes Summen drang aus ihrer Tasche und sie hechtete danach, um es auszuschalten, ohne auf das Display zu gucken. Sie wollte nicht wissen wer es war. Wenn es Nadine war, würde sie sich noch einmal wann anders melden. Wenn es aber Gecko war, müsste er sich bis spätestens Montag damit abfinden, dass sie nicht mit ihm redete. Vielleicht würde sie aber auch alles dafür tun, die nächsten dreieinhalb Jahre nicht mehr zur Schule zu gehen. Grummelnd zog sie sich ihre Decke über den Kopf und verschanzte sich darunter. "Michelle, Schatz, komm schon, wir wollen frühstücken..." Ihre Mutter stand an ihrem Bett und streichelte unter der Decke hindurch ihren Fuß. "Mama~!" zog sie die Bezeichnung ihrer Mutter lang. Sie hatte keine Lust aufzustehen. Sie hatte zu gar nichts Lust. Nie wieder. Sie drehte sich noch ein paar Mal weiter mit ihrer Decke um sich selbst. Ihre Muter seufzte laut auf. "War es gestern so schlimm? Hat er dir etwas Böses getan?" fragte sie, legte ihre Hand auf die Stelle, wo sie von ausging, dass das die Schulter von Michelle sei. "Mama, ich habe dir gesagt es war gut. Aber. Lass. Mich. Endlich. Weiter. Schlafen!" brummte sie mit biestigem Unterton durch die Decke. Verstand ihre Mutter nicht, was sie wollte? Anscheinend doch, denn jetzt spürte sie, wie sich ihre Mutter erhob. "Okay, aber wenn du irgendwann über irgendetwas mit mir oder deinem Vater reden willst: Wir haben immer ein offenes Ohr für dich, Schatz." Mit diesen fürsorglichen Worten schloss die Mutter die Tür hinter sich Michelle fischte unter ihrem Kissen, nach ihrem Handy. Sie beschloss nachzusehen ob sich irgendwer noch einmal gemeldet hatte, obwohl sie wusste, dass nur eine Person ihr die SMS geschrieben haben konnte. Ihr war mitten in der Nacht auch bewusst geworden, dass Nadine ihm sogar die Nummer gegeben haben muss. Wie sie geahnt hatte, stand nicht Nadines Name auf dem Display ihres Handys, nachdem sie es eingeschaltet hatte. »Hi, Michelle. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir furchtbar Leid tut! Ich hätte dich niemals einfach so küssen dürfen! Ich bin so ein Idiot! Ich hoffe, dass du mich trotzdem noch als Freund, also Kumpel, haben willst. Ich fand es gestern nämlich unglaublich schön. Ich werde auch in dieser Hinsicht auf dich warten. Bis du bereit bist. Gecko.« Sie starrte die Nachricht an und es bildeten sich kleine Tränen in ihren Augenwinkeln. Er mochte sie noch. Erleichtert fing sie an zu lächeln, dann zu grinsen und anschließend lachte sie sogar halblaut. Wie einen Rettungsanker drückte sie ihr Handy an ihre Brust. Sie stand den ganzen Tag über nicht auf, lag im Bett und döste und dämmerte vor sich hin. Kapitel 12: ------------ Hallöchen :3 Diesmal is dieses Kappi ungebetat bis aufs Blut xD Das wird auch ca. eine Woche so bleiben, weil das tolle NikuNiku Urlaub hat und sich ausm Inet verpisst xD Deswegen pausiert diese Story auch ne Woche :'D Worum ich euch, meine lieben Leser, noch einmal bitten würde, ist das ihr mir vielleicht ein kurzes Statement über die Charas abgebt... Es muss nicht lang sein ein "mag ich" oder "mag ich nicht" zu den einzelnen Charas (Mische, Nadda, Gecko, Seb, Rob, Pascal ihr könnt auch was über die Eltern abgeben xD) reicht vollkommen, darf aber auch länger sein. Denn ich habe jetzt noch nen zweites, optionales Ende im Kopf, und dank eurer Meinung würde ich gern gucken, welches mehr Sinn macht. Wäre super von euch, wenn ihr mir etwas da lasst... Sei es als Kommi, GB-Eintrag oder ENS ^-^ Und nochmal ein herzliches Danke an für ihre ganzen einzigartigen und motivierenden Kommentare :* Nun aber viel Spaß hiermit :D Nikushimi Kapitel 12 Die SMS war deutlich gewesen, die Michelle diesen Morgen noch bekommen hatte, bevor sie Duschen war. Heute durfte sie wenigstens Mal eine Hose im Winter anziehen. Sie saß schon früh am Frühstückstisch, noch bevor ihr Vater und ihr Bruder fertig waren. Sie stupste ihr gekochtes Ei ein paar Mal mit den Finger an, ihr Blick wollte ständig nach oben wandern, zu Sebastian, der verschlafen zu der Herdplatte starrte. Ihre Mutter war Wäsche waschen und Milch aus dem Keller holen, wo die Beiden somit allein in der Küche saßen. Sie traute sich keinen Mucks zu machen, wollte sie nicht mit Sebastian reden. Sie hatte keinen Hunger. Sie saß nervös auf ihrem Stuhl, ihr Unterarm brannte höllisch, wobei sie versuchte nicht daran zu kratzen, obwohl dieser Moment der Beste dafür gewesen war. "Gibst du mir bitte das Salz?" Sie blickte zu Sebastian, der seien Hand in ihre Richtung gestreckte hatte. Sein Gesicht zeigte keine richtige Mimik, eher so, als ob er alles abgespült hätte. Aber seien Augen waren dennoch freundlich und gutmütig. Sie würde ihn zerstören wenn sie so weiter machte. Wortlos überreichte sie ihm das Salz, penibel darauf achtend, das sie seine Finger nicht berührte. "Danke." Sie zuckte mit den Schultern, wollte es cool abdanken, als er sie seltsam anstarrte. Sie blickte ihn ins Gesicht, merkte dass dieser Blick nicht gut war. "Was?" fragte sie. Warum sah er sie plötzlich so... strafend an? Er sagte keinen Ton, hielt die Hand in gleicher Höhe, gleiche Position, bewegte sich kein Stück mehr. Michelle hatte keine Ahnung wie sie darauf reagieren sollte, sah das Sebastian überhaupt nicht ähnlich, dass er Jemanden so anstarrte. Aber sie starrte unentwegt zurück. Ihr wurde mulmig zumute, denn so langsam machten sich wieder Szenarien in ihrem Kopf breit. "Wer war das gestern?" Sie brauchte eine Minute um zu verstehen, dass Sebastian gerade mit ihr geredet hatte und vor allem, was er gesagt hatte. Sie bekam keinen Ton raus, obwohl sie wie aus einer Pistole geschossen Antworten wollte. Sie schluckte schwer. "Ein Freund." antwortete sie langsam, aber bestimmt. Warum fragte er sie das so plötzlich? "Und knutscht du mit jedem 'Freund' so rum?" Michelle entglitten sie Gesichtszüge. Bitte was?! Sie konnte gar nicht mehr aufhören ihn entsetzt anzusehen. Was war denn mit Sebastian auf einmal los? Das war überhaupt nicht seien Art! Ihr Herz klopfte schneller, wurde nervöser als zuvor schon. Sie wusste gar nicht was sie sagen sollte. Sie hatte das Gefühl das sie sich rechtfertigen müsste, ihm sagen müsste, das es ein versehen war. Ein Ausrutscher. Ihr Mund klappte auf und zu wie bei einem Fisch auf Land. "Na?" drängte Sebastian auf die Antwort. Michelle keuchte auf, musste fassungslos anfangen zu kichern. "Was geht dich das an?" fragte sie dagegen, irgendwie musste sie diese Situation doch umgehen können! Er musste merken dass da etwas im Busch war, denn sein Gesicht sprach Bände. "Genau genommen nichts... Aber es scheint ja auch so, als ob meine Sachen dich etwas angingen..." meinte er und zog eine Augenbraue hoch. In einem Bruchteil einer Sekunde begriff sie was er meinte. Franziska. "Och komm, das is ja wohl nicht zu Vergleichen! Zumal es nicht wegen dir, sondern wegen Robin war." pampte sie ihn an. Er beließ seien Augenbraue nach oben gerichtet und sah sie stumm an. Michelle starrte zurück, bis ihr ein Licht aufging. Sie wollte, dass er sie nicht mehr mochte. Gleichzeitig wollte sie, dass sie ihn ignorieren konnte, obwohl sie ihn liebte. Wenn sie eine Lüge, oder Halbwahrheit in ihrem Fall, erzählen würde... Sie seufzte theatralisch. "Ertappt, Okay?! Das war Kevin und ich hab mich in ihn verliebt! Zufrieden, kleiner Scheißer?!" brauste sie auf, nahm ihre Tasche, und stürmte aus der Küche. In den Keller rief sie noch einmal, dass sie das Auto ihrer Mutter nehmen würde und machte sich auf den Weg zur Schule. Eine halbe Stunde zu früh. Mit dem Salz in der Hand starrte Sebastian ihr hinterher. Seine Brust hatte sich zusammen geschnürt, konnte kaum einatmen. Sie hatte sich in Jemanden verliebt? Er wusste nicht, was auf einmal mit ihm los war, warum ihn das so fertig machte. Er sorgte sich um sie, ja, aber er hätte niemals für möglich gehalten, dass sich Michelle in Jemanden verlieben könnte. Sie war halt nicht der Typ für so etwas... Robin kam in die Küche und blieb in der Tür stehen. "Was geht denn mit dir?" fragte er, als er sich wieder in Bewegung setzte und aus dem Topf ein EI holte. "N-Nichts..." Im selben Augenblick bemerkte Sebastian seinen Fehler gegenüber Robin. Dieser hatte sich auch schon neben ihn auf die Eckbank gequetscht und ihn in den Schwitzkasten gekommen. Er schälte mit einer Hand sein Ei, starrte dann Sebastian von oben herab an. "Das kannst du deiner Oma erzählen. Das seh ich doch, das was nicht stimmt." Das stimmte auffallend, sodass Sebastian seufzte. "Ja, Michelle saß hier gerade. Sonst nichts." Robin verdrehte und schnaubte. "Kannst du nicht einmal aufhören von ihr zu labern? Sie wird dich immer fertig machen, das is neuerdings ihr Charakter. Die Michelle von Früher wird nicht mehr wiederkommen, Seb. Das is ja der Scheiß." Robin entließ ihn aus dem Schwitzkasten und starrte ins Leere. "Du vermisst sie auch, oder?" fragte Sebastian zimperlich. Robin zischte und zeigte auf sein blasser gewordenes Veilchen. "Meinst du es macht mir Spaß verprügelt zu werden? Nein. Aber es beruhigt mich, dass Michelle sich dadurch wieder etwas normalisieren kann. Ich will nicht dass meine Schwester nen Psycho wird, wie so manch andere." Robin war aufgestanden und hatte sich einen Chai-Latte gemacht. Sebastian starrte auf den Tisch. "Akzeptiere es einfach, Seb." Verzweifelt rieb sieh Sebastian durchs Gesicht. "Huch, Jungs, müsst ihr nicht zum Bus?" fragte die Mutter, als sie endlich aus dem Keller kam. Sebastian schaute zur Uhr und fluchte. Robin packte ihm am Arm und rannte mit ihm, Jacke unterm Arm, Tasche auf halb Acht zur Bushaltestelle. Robin schrie vor Wut, als der Bus gerade um die Ecke bog und sie ihn somit verpasst hatten. "SCHEISSE!" schrie er und setzte sich auf den Boden. Sebastian sah dem Bus hinterher. "Ich hab gar nicht auf die Zeit geachtet..." meinte er und sah zu Robin runter.“Denkst du ich? Ich hab gar nicht bemerkt dass es schon so spät war. Ich könnt kotzen!" Robin fuchtelte wild vor Wut mit Armen und Beinen herum. "Warum zum Teufel immer wir?!" "Wollt ihr mitfahren?" fragte eine Stimme, die Robin bekannt vorkam. "Huh?!" fragte er deshalb und sah zu dem blauen BMW der neben Sebastian und ihm gehalten hatte. "Pascal?" fragte Sebastian und starrte den Jungen an, der aus dem Fenster des Autos starrte. "Japp, genau der. Ihr habt den Bus verpasst? Wir können euch mitnehmen, wenn ihr wollt." Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen. "Warum lagst du eigentlich auf dem Boden?" fragte Pascal dann, als er sich nach Vorne zu seiner Mutter gesetzt hatte, sodass Sebastian und Robin Hinten sitzen konnten. Robin kratzte sich verlegen an der Wange. "DAS is unwichtig..." Sie wartete seit einigen Minuten am Parkplatz. Sie hatte keine Lust ins Gebäude zu gehen, nicht nur aus Angst das sie Kevin begegnen würde, nein, auch das Nadine sie sehen könnte. Sie seufzte und hielt sich ihre behandschuhten Hände ins Gesicht, damit es wieder etwas warm werden könnte. Ihre Zehen waren taub und sie dachte darüber nach, ob Nadine ihr erlaubte gefütterte Schuhe zu kaufen. Einige Schüler fuhren auf den Parkplatz, kloppten sich förmlich um die Plätze, während Michelle unbeeindruckt an ihrem Auto gelehnt wartete. Sie japste auf, als sie sah, wie Kevin mit Herrn Jakobs aus dem Auto des Lehrers stiegen. Sein Opa schien sich kein Stück mehr dafür zu interessieren, was Kevin tat, denn Herr Jakobs ging schnurstracks zum Gebäude. Kevin hingegen drehte sich ein paar Mal um, als ob er etwas suchen würde. Als sein Kopf in ihrer Richtung hängen blieb, duckte sie sich. Peinlicher gings ja nun wirklich nicht mehr. Sie betete dass er sie nicht gesehen hatte, aber so wie sie ihr Leben kannte, hatte er sie definitiv erkannt. Sie hoffte dass er mit 'auf dich warten' meinte, das er jetzt nicht rüber kommen würde. "Hi..." Sie hatte das Gefühl das sie heulen müsste. Warum hoffte sie überhaupt noch? Sie fing an zu zittern und sie spürte, dass sich Tränen sammeln wollten. Das machte sie fertig. "Hi." sagte sie, mit halb erstickter Stimme, stellte sich wieder hin, traute sich aber nicht in sein Gesicht zu sehen. "Sorry, das ich einfach so rüber gekommen bin, aber ich wusste nicht, ob du die SMS bekommen hast. Oder ob dein Bruder es dir ausrichten konnte. Aber es tut mir Leid, wegen dem... Naja. Du weißt schon." Sie bekam Gänsehaut und starrte fest zu Boden. "Kuss." "Wie bitte?" fragte Kevin, lehnte sich etwas zu ihr runter. "Es tut dir Leid wegen des Kusses. Du kannst es ruhig aussprechen." Sie wunderte sich selbst darüber was sie von sich gab. Er anscheinend auch, denn er fing auf eine verlegenen Art und Weise an, den Schnee hin und her zu schrabben. Es herrschte extrem unangenehmes Schweigen, anders als am Samstag, kam es Michelle in den Sinn. Ihr Herz schlug unregelmäßig und sie bekam schlecht Luft. "H-hast du denn... Naja, darüber nachgedacht? Ich meine, ich würde es verstehen, wenn du mich erstmal nicht mehr sehen willst oder überhaupt nicht mehr...! Aber... Nunja. Mich würde das- so schwul es auch klingt- traurig machen." Sie drehte sich zu ihm und legte eine Hand auf seinen Oberarm und sie zwang sich ihn offen in die Augen zu sehen. Das hatte er wenigstens verdient. "Geck- Kevin. Ich mag dich. Ich mag dich wirklich, aber..." Sie atmete tief durch. "Es is total kompliziert bei mir. Ich weiß nicht einmal wie lange noch, geschweige denn ob es sich irgendwann überhaupt einmal bessert. Der Kuss muss dir nicht im geringsten Leid tun. Es gefiel mir sogar. Aber ich weiß nicht, ob-" Ihr Gesicht wurde in die eiskalte Jacke ihres Gegenübers gedrückt. Bestimmt, aber nicht schmerzhaft. Er streichelte ihr Haar und murmelte ihr etwas ins Ohr. Sie lief knallrot an. "Jederzeit!" strahlte er sie an. Alle negativen Gefühle fielen von ihr ab und sie lächelte ihn sanft an. "Jederzeit." Grummelnd sah Sebastian Robin und Pascal nach, die sich unterhaltend von ihm entfernten. Heute war nicht sein Tag. Er fühlte sich seltsam ausgelaugt und unzufrieden. Zudem spukten ihm immer noch die Worte von Michelle durch den Kopf, die er bei weitem nicht akzeptieren wollte. Egal was Robin ihm riet. "Hey, Sebastian!" verwirrt sah er sich um, bis er ein paar Meter hinter sich Nadine erkannte. "Morgen, Nadine." "Na, was is denn mit dir los?" fragte sie ihn, als sie mit ihm in Zimmerlautstärke sprechen konnte. War ihm sein Gemütszustand so einfach anzusehen? "Nichts von Bedeutung. Wie gehts dir?" fragte er höflich nach, was Nadine überrascht blinzeln ließ, dann aber antwortete. "Alles Paletti. Hast du Michelle gesehen?" fragte sie, aber Sebastian schüttelte den Kopf. "Nein. Schon seit dem Frühstück nicht mehr." Nadine nickte langsam, schien nebenbei noch die Möglichkeiten für Michelles Aufenthalt abzuwiegen. "Wo is eigentlich Robin?" fragte sie dann und sah auch noch einmal nach ihm um. "Mit Pascal weg." Sie stoppte und sah ihn verwundert an. "Warum das denn? Ich dachte ihr geht immer zusammen zur Klasse." Sebastian wurde traurig, überspielte es aber gut. "Ach, die wollten sich nen Katalog von so ner komischen Skaterfirma ansehen." Er sah sie nicht an, traute es sich nicht, aber Nadine sagte nichts dazu. "Okay. Vielleicht is Michelle ja bei euch in der Klasse?" Nadine lachte und schüttelte den Kopf, legte ihren Arm um Sebastian. "Die würde eher aufn Jungenklo warten, als allein in unserer Klasse!" Sebastian zog die Augenbraue hoch. "Ach ja?" "Ja." Nadine zwinkerte ihm zu. "Komm, wir gehen rein. Is arschkalt hier...!" meinte sie und navigierte Sebastian widerwillig ins Schulgebäude. Als Nadine aber stehen blieb, versuchte Sebastian ihren Blickwinkel zu bestimmen, denn sie starrte wie eine Geisteskranke in Richtung Parkplatz. Fassungslos starrte er auf das Paar vor dem Auto. Michelle starrte zu Boden, bis sie den Größeren ansah, ihm die Hand auf die Schulter legte und ihm etwas erklärte. Und dieser zog sie einfach so in eine Umarmung, obwohl er sogar aus dieser Entfernung sehen konnte, dass sie noch geredet hatte! Er ballte unbewusst die Hände zu Fäusten und als er sie aus der Umarmung entließ, lächelte Michelle ihn an und hakte sich bei ihm ein! "Ich gehe rein...!" versuchte er so ruhig und unauffällig zu sagen, wie er konnte. Sebastian war immer ein ruhiger und höflicher Junge gewesen, aber dieser Typ- dieser Kevin, machte ihn rasend. "Kannst du überhaupt skaten?" fragte Pascal Robin, der auf dem Platz von ihm saß. Sie waren in der Klasse von Pascal, denn Robin hatte keine Lust Franziska und ihren dummen Sprüchen zu begegnen. Er kreuzte erneut einen Pullover im Katalog an, sah aber danach auf. "Ich habs angefangen, aber da es jetzt Winter is, hab ich nicht so Bock wegen dem Eis auf die Fresse zu fliegen..." Pascal lachte ihn aus. "Es gibt auch Skaterhallen! Da is kein Schnee und man kann Prima üben. Können ja mal zusammen hin gehen." Robin nickte. So langsam war ihm Pascal nicht nur sympathisch, er fand ihn sogar richtig genial. Sie hatten auch drei Stunden telefoniert, was Robin nie für Möglich gehalten hätte. Nicht nur weil er strikt gegen die Benutzung von Telefonen war, nein auch weil er persönlichen Kontakt bevorzugte. Sie grinsten sich einige Zeit an, bis Pascal stutzte. "Wo ist eigentlich dein bester Kumpel? Dieser Sebastian?" Robins Auge zuckte kurz. "Es ist nicht 'dieser' Sebastian, sondern einfach Sebastian. Ich kann dich gut leiden, deswegen warne ich dich noch mal besonders vor: Sebastian ist mein bester Freund, seit ich schreiben kann UND ich werde es nicht dulden, wenn Jemand abfällig über ihn spricht. Ob mit Absicht oder nicht ist völlig irrelevant. Okay?" er sah ihn mit verschränkten Armen abwartend an. "Geht klar. Sorry. Meinte ich aber wirklich nicht böse." "Wie gesagt: Absicht oder nicht ist irrelevant." Pascal setzte sich auf die Tischplatte und beugte sich etwas zu Robin herunter. "Das finde ich super. So erkennt man wahre Freunde!" Robin seufzte abfällig. "Wie auch immer, es klingelt gleich." "Wo war den nun Sebastian?" fragte Pascal dazwischen, hielt ihn an seiner Kapuze der Jacke fest. Er sah sich um. "Er wollte in die Klasse gehen. Ist doch klar." Pascal legte den Kopf schief und verzog das Gesicht zu einer begriffsstutzigen Grimasse. "Aber er hätte doch mit rüber kommen können..." Robin boxte ihn gegen die Schulter. "Hätte er, wollte aber nicht!" Und damit verschwand Robin aus der Klasse, ließ Pascal verwirrt zurück. Mochte Sebastian ihn etwa nicht? Kapitel 13: ------------ Vorwort (zu Nachwort degradiert) kommt Nach dem Kappi (wens interessiert xD Viel Spaß mit dem Kappi Nikushimi Kapitel 13 Sie war glücklich. Sie war froh, das Kevin sie noch mochte, aber seien Definition von 'auf dich warten' konnte sie noch immer nicht genau abschätzen. Sie seufzte, während sie sich von ihm durch die Schule, zu ihrer Klasse führen ließ. Ihre Mitschüler sahen sie schräg an. War ja auch kein Wunder, er war ja vor ein paar Tagen noch der Neue gewesen, dem sie zwischen die Beine getreten hatte. Er drückte sie näher zu sich. "Ich bin froh, dass du mich noch magst!" flüsterte er ihr halblaut ins Ohr, wobei wie wieder rot anlief. Er brachte ihr Herz auf eine ungewohnte Art und Weise zum höher schlagen. Sie drückte ihm ihre andere Hand ins Gesicht. "Mach das nicht, das is peinlich!" meinte sie und sah sich um. Einige Mädchen tuschelten und sahen zu ihnen rüber. Wahrscheinlich so was wie sein Fanclub, den sie ihm durchaus zutraute. Jetzt wurde ihr auch bewusst, das Nadine zu hundert Prozent schon wusste, was hier abging. Innerlich schrie sie und sah patzig zu Kevin. Dieser stutzte. "Was denn?" fragte er und sah ihrer Meinung nach aus wie ein geschlagener Welpe. Sie seufzte, umarmte seinen Arm fester und lächelte ihn an. "Nichts!" An der Klasse angekommen, klingelte es schon während Kevin ihre Hand nahm, einen sachten Kuss drauf gab und sich mit: "Bis später, eure Tiefwohlgeboren." verabschiedete. Zur Antwort schlug sie ihm gegen die Schulter. "Dummkopf." sagte sie noch, verschwand dann aber in der Klasse, wo Nadine schon direkt vor ihr wartete. "Na~?" fragte sie flötend. Michelle schielte sie böse an, sagte aber nichts, nur um sich schweigend auf ihren Platz zu setzen. Sie musste jetzt ungewöhnlich viel Ruhe aufbringen um Nadine nicht ins Gesicht zu springen. So viel Freude sie auch bei Kevin fühlte, genauso schnell schien sie zu verfliegen. "Ich habe gehört dass ihr euch geküsst habt?" fragte sie auch sofort und ohne Umschweife. Michelle starrte sie verständnislos an. "Geht das vielleicht noch lauter?!" zischte sie ihre Freundin an. Nadine schien überrascht. "Warum denn so empfindlich heute?" Michelle öffnete den Mund, konnte aber nichts darauf antworten. In ihrem Hinterkopf machte sich der Gedanke breit, dass es wegen Sebastian war, aber sie schüttelte den Kopf. "Okay..." "Moment Mal, woher weißt du das eigentlich?" fragte sie Nadine perplex. Das hätte sie eigentlich gar nicht wissen dürfen, weil es doch nur- "Robin?!" beantwortete sie ihre Frage selbst und ihr Gesicht verfinsterte sich. Dieser kleine Spinner! Aber Nadine schüttelte verwundert den Kopf. "Nein, das war Sebastian." Ihr Kopf schien wie leer gefegt, kein Gedanke war auch nur fest genug, dass man ihn greifen könnte. Wie ein Nebel schob sich der Name Sebastian durch ihren Kopf. "S-Sebastian...?" ratlos sah sie ihrer Freundin ins Gesicht, die sie anstrahlte. "Ja! Das hat er am Samstagabend gesimst, als ich im 'Persona' war! Oh, da muss ich dir auch was erzählen! Da war son echt schnieker Typ. Groß, schwarzhaarig, braun gebrannt. Er hieß Daniel und er hat mich dann-" Michelle schaltete bei dem Redefluss ihrer Freundin einfach ab und wandte sich ihren eigenen Gedankengang zu. Warum zum Teufel sollte Sebastian Nadine so etwas schreiben? Würde das sein Verhalten von heute Morgen erklären? Nein, das würde es nicht. Verzweifelt vergrub Michelle ihr Gesicht in ihren Händen, verbargen ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Ihr ging es nicht gut. Es ging ihr jetzt definitiv nicht gut. Ihre Brust tat ihr weh, es schmerzte und schnürte sie zusammen. Sebastian hatte Nadine von dem Kuss erzählt, den er gesehen hatte. Er hatte gesehen wie sie sich zu Kevin gebeugt hatte. Er hatte gesehen dass es ihr gefiel. Er hatte es Nadine geschrieben. Er fragte sie heute Morgen aus. Er fand es augenscheinlich nicht gut. "Mische?", fragte Nadine Stimme direkt neben ihrem Ohr, "Gehts dir nicht gut?" Ihre Hand strich über Michelles Rücken, aber sie musste sich beherrschen nicht zu kotzen oder anfangen zu heulen. Nadine japste erschrocken auf, als Michelle aufsprang, aus der Klasse stürmte und den Gang in Richtung Toiletten ansteuerte. Der Lehrer wich zur Seite aus, während Michelle versuchte an sich zu halten, aber das Rennen machte ihre Übelkeit nur noch schlimmer. Es überkam sie einfach so, spuckte mitten in den Flur, nur noch einen Gang von der Toilette entfernt. Sie übergab sich noch zwei Mal in den Flur, bis sie heulend vor ihrem Erbrochenen auf die Knie fiel. Sie zitterte und es ging ihr wirklich nicht gut. "Mische!" Nadine schmiss sich neben ihre Freundin, peinlichst darauf bedacht nicht in die Kotze zu fassen und sah sich ihre Freundin an. "Hey, das is gar nicht so schlimm, der Hausmeister macht das schon weg. Du hast da ja nicht mit Absicht dahin gereihert, oder?" fragte Nadine in ihrem fürsorglichsten Ton, den Michelle von ihr kannte. Nadine half Michelle auf. "Komm, ich bring dich zum Erste-Hilfe-Raum. Und ich besorg dir eine Zahnbürste..." Sie verstand sie nicht. Kevin hätte ihn beinahe übersehen, wie er da locker-lässig an der Wand gelehnt wartete. Erst als er unmittelbar vor ihm war, stieß er sich von der Wand ab und stellte sich vor ihn. Er war sich sicher dass er ihn kannte. "Du bist Kevin, oder?" fragte der Junge vor ihn. Er war zwar ziemlich hoch gewachsen, sogar ein paar Zentimeter größer als er selbst, aber seinem Gesicht konnte man sein wahres Alter noch durchaus ansehen. "Ja, und?" fragte er etwas drängend, da es ja schon geklingelt hatte. "Und du kennst Michelle, oder?" fragte der Junge direkter. Jetzt viel ihm auf, woher er ihm so bekannt vorkam. Das war der Bengel, der mit dem Bruder von Michelle unterwegs gewesen war. Der hatte ihm am Samstag schon so seltsam angesehen. "Ja, natürlich. Jetzt komm mal endlich zum Punkt, ich muss in den Unterricht!" drängelte Kevin, war ihm das was der Möchtegern von ihm wollte doch völlig egal. "Ich will das du dich von ihr fernhältst." meinte er trocken. Kevin zog überrascht die Augenbrauen hoch. "Ach ja?" "Ja." Kevin musste lachen. "Okay, wenn du meinst. Aber leider wird das nicht gehen, denn ich höre nicht auf kleine Kinder. Sorry dafür. Aber ich werde es mir merken, dass du auf sie aufpasst. Mit ihrem Bruder seid ihr ja schon zwei... Also bis dann." Kevin stockte noch einmal, als der Möchtegern leise vor sich hinmurmelte. "Wie bitte?" fragte er noch einmal nach. Der Junge holte noch einmal Luft und sah ihn dann abwertend an. " 'Also stimmt es' habe ich gesagt." Kevin sah ihn irritiert an. "Wie meinst du das?" Er seufzte und sah ihn traurig an. Erst schien er nicht zu wissen, wie er es sagen sollte, bekam dann aber schlussendlich den Mund auf. "Sie sagte mir heute Morgen dass sie sich in dich verliebt hat." Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte Kevin es noch nicht gewusst. Seien Augen weiteten sich und er starrte Sebastian mit offenen Mund an. Da hatte er ja richtig Scheiße gebaut. Er wusste jetzt nicht was er tun sollte. "Sie hat das gesagt? Ernsthaft?!" fragte Kevin und seien Augen strahlten ihm nur so entgegen. Sebastian war sich sicher, dass sein Herz gerade einem Kollaps auswich. Sein Mund wurde trocken und seine Brust zog sich weiter zusammen. Wenn es stimmte, dass Michelle sich wirklich in den Typen da verliebt hatte, dann konnte er wohl nichts mehr dagegen tun. So wie der sich hier blamierte, schien es auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Er spürte wie eine ungewohnte Welle von einer Art Trauer über ihn zusammen brach. Er schluckte, dann nickte er. Eine verspätete Antwort auf Kevins Frage. Er wurde grob an den Schultern gepackt und musste somit in Kevins Gesicht blicken. "Danke. Du weißt nicht wie froh ich gerade bin!" Sebastian war sich sicher dass er es sich vorstellen konnte. Sein Gemütszustand veränderte sich. "Ich sage es dir nur einmal: Wenn sie auch nur eine Sekunde unglücklich ist, werde ich dich finden und dich fertig machen. Das schwöre ich dir." Mit diesen Worten fegte er die Hände von seinen Schultern, ignorierte Kevin der noch etwas sagen wollte und stapfte in Richtung Klassenzimmer. Er war sauer. Robin sah ihn erstaunt an, als er ein paar Minuten nach Unterrichtsbeginn in der Klasse ankam und sich wortlos setzte. "Herr Ließ, darf ich fragen warum Sie zu spät sind?" fragte seine Lehrerin streng. "Ich habe verschlafen..." meinte er tonlos, bemerkte den Blick von Robin aber ganz genau. Die Frau nickte nur und wandte sich dann wieder dem Unterrichtsthema zu. "Hey, wo warst du?" flüsterte ihm Robin von der Seite zu. Sebastian schüttelte den Kopf, er wollte jetzt sicherlich nicht darüber sprechen. Wenn Robin mit diesen Ach-so-tollen Pascal immer verschwinden konnte, konnte er das auch. Er fühlte sich beschissen. Seien Brust war immer noch auf ein Minimum geschnürt und diese seichte Art von Trauer die ihn umschlang war ebenfalls noch nicht verschwunden. Erst verlor er Michelle an diesen Typen und dann machte sich Robin auch noch vom Acker. So langsam hatte er das Gefühl, das Niemand sich mehr für ihn interessierte. Selbst seien Eltern waren noch immer bei seiner Oma und hatten nicht wie versprochen angerufen um zu sagen, wie lange es voraussichtlich dauerte, bis sie wieder kamen. Ein Stupsen an seinem Arm ließ ihn zusammen zucken und er sah zur Seite, wo Robin ihm ein Zettelchen unterjubeln wollte. Er schob es weg, woraufhin Robin es ihm unter seinen Arm verfrachtete. Sebastian seufzte und las es. Sie lag zitternd auf eine dieser unbequemen und starren Liegen im Erste-Hilfe-Raum, während Nadine und die Schulärztin ihr eine Decke suchten. Ihr war Schwindelig und sie konnte kaum einen zusammenhängenden Gedanken fassen. Alles an ihr fühlte sich schwer an und sie wollte einfach nur noch weg. Einfach aufstehen und losrennen, soweit sie konnte. Ihr Hals schmerzte und der Geschmack von ihrem Erbrochenen klammerte sich eiskalt in ihrem Mund fest. "Hier." Mitleidlos gab die Ärztin ihr die Decke, aber Michelle war zu zittrig um auch nur annähernd Ernsthaft nach der Decke zu greifen. Nadine griff die Decke aus der Hand der Schulärztin und deckte Michelle behutsam zu. "Alles gut, Süße? Willste nen Schluck Wasser? Würde dir bestimmt gut tun, oder?" Nadines Worte lullten sie ein, auch wenn sie nicht ganz wusste was sie sagte- Hilfsbereit und Fürsorglich waren sie alle Male. Das wusste sie und sie würde immer darauf zählen können. Nadine schien ein paar Sekunden zu warten, dann stand sie auf und suchte ein Glas. Die Schulärztin beachtete die beiden Mädchen kaum, vor allem, weil sie den Vorfall von Michelle und dem Mädchenklospiegel noch immer im Gedächtnis hatte. Sie spürte wie Nadine sie sanft an der Schulter berührte. "Du musst die zum Trinken aufsetzten, Honey." Michelle versuchte es schwerfällig, aber Nadine übernahm die ganze Arbeit. Ihr stiegen beinahe die Tränen erneut auf, aber diesmal aus dem Grund, weil sie sich so schwach und Hilflos vorkam. Nadine sorgte sich so sehr um sie. Ein Kuss auf die Stirn und Unterstützung beim Trinken, dass reichte um erneute Tränen über ihre Wangen laufen zu lassen. "Hey, Süße! Alles gut, vielleicht hast du heute nur was Schlechtes gegessen. Frau Phillips, haben sie Magentabletten hier?" drehte sich Nadine zu der Schulärztin, laut grummelnd erhob sich die Frau auch. "Altes Waschweib..." murmelte Nadine in sich hinein und strich Michelle das Haar aus dem Gesicht. "Ich... Ich weiß nicht was ich tun soll..." Nadine hielt mit dem Streicheln inne und schaute sie an, musste angestrengt den leisen Worten lauschen. "Was meinst du, Honey?" Michelle holte tief und zittrig Luft, atmete verkrampft aus. "Ich weiß nicht ob ich das kann. Ich mag Kevin, aber ich kann nicht mit ihm zusammen sein. Aber er ist so..." Michelle stockte und wusste nicht, wie sie Kevin beschreiben sollte. Wie er war. Wie glücklich er sie machte, aber sie ihn nur ausnutzte. Sie fühlte sich schrecklich. Und das Sebastian so auf den Kuss von ihr und Kevin reagierte, brachte sie schier um den Verstand. "Anhänglich? Traumprinzig? Ergebend deiner bescheidenen Existenz?" Nadine hatte die Augenbrauen gehoben. Michelle schwieg und endlich hatte die olle Schulärztin die Tabletten gebracht, die Nadine Michelle auch unverzüglich in den Hals schob. Sie legte sie wieder hin, nachdem Michelle das Glas Wasser geleert hatte. Ein Kuss auf die Wange und ein "Lass dich doch einfach auf Kevin ein. Je länger du wartest, desto schwieriger wird es. Außerdem ist ein fester Freund für dich mal wirklich nötig. Immerhin schreit deine Jungfräulichkeit gerade zu mir: 'Hilf mir! Hilf mir! Befreie mich aus dieser Schmach!' " Michelle konnte Nadine gerade so die Zunge heraus strecken.“Ich hoffe du verreckst an deinen schlechten Witzen." stammelte sich Michelle zurecht, worüber Nadine nur lachen konnte. "Ich sage den Lehrern Bescheid. Aber das mit Kevin meinte ich ernst. Zudem: Wenn du wieder fit bist, ich habe ne Zahnbürste neben deine Liege gelegt." Mit diesen Worten ging Nadine und ließ Michelle mit dieser Schulärztin allein, die sie noch drei Meter weiter schnaubend Atmen hören konnte. Ihr Kopf füllte sich mit Watte um sie vor dem nächsten Gedankengang zu schützen, denn jetzt wollte sie nicht darüber nachdenken, ob sie Nadines Ratschlag folgen sollte. Dadurch würde alles nur noch schlimmer werden. Sie drehte sich um und rollte sich in die Decke und driftete langsam in diesen traumlosen Schlaf. ________________________________________________________________ Puh, eigentlich wollte ich schon am Mittwoch fertig sein aber, HA, da hatte sich mir was in den Weg gestellt xD Mein Urlaub war auch eigentlich ganz gut *-* Danke der Nachfrage :D So: Vielen Dank für die Feedbacks für die Charas, die mir WIRKLICH weiter geholfen haben *___* Denn ich habe jetzt das perfekte Ende hierfür gefunden :D Ich bilde mir jetzt einfach Mal ein, das ALLE dieses Ende lieben werden xD Aber Nein, das Ende kommt noch nicht xD Das dauert noch ein wenig :'D WER Bei Facebook ist, kann ja auch ma meine Seite liken: http://www.facebook.com/pages/Nikushimi/244328399028693 Da lade ich nen paar Infos, Updates oder was weiß ich über ID (I'm disgusting) hoch. Ihr könnt mich auch dort zutexten, ich tue ncihts lieber als mich ablenken zu lassen xD Ernsthaft .___. Kapitel 14: ------------ www.facebook.com/pages/Nikushimi/244328399028693 Everyday I'm facebooking xD Wieder einmal Schleichwerbung xD Ihr dürft ruhig liken, ich habe keiner Stalker auf euch angesetzt, versprochen xD Nikushimi Kapitel 14 Das Stupsen gegen ihre Schulter ließ sie Orientierungslos aus dem Schlaf schrecken. Panisch starrte sie in Robins blaue Augen. "Hi... Gehts dir besser?" fragte er ohne Umschweife und hob eine Augenbraue. Michelle starrte ihn einige Sekunden an, dann nickte sie. "Gut. Du hast ja auch den ganzen Vormittag gepennt..." Sie schwang sich von der Liege auf. "Was?!" Wenn sie saß konnte sie Robin perfekt ins Gesicht sehen, wobei sie aber auch bemerkte, dass hinter ihm Nadine und Sebastian standen. Nadine kam einen Schritt vor und strich ihr die Haare glatt. "Jap. Ich habe den Lehrern gesagt dass du hier liegst. Ich habe jede Pause mal geschaut, aber du warst wie im Koma..." sie lächelte Michelle an. Michelle nickte. Sie fühlte sich noch recht schwerfällig, schwang aber schon die Beine über den Rand der Liege. "Habt ihr was zu trinken?" fragte sie und man hörte ihr an, dass ihr Mund staubtrocken war. Robin verschwand kurz und holte ihr ein Glas Wasser. "Ihr seid klasse." meinte sie und trank einen Schluck. "Wissen wir. Der Hausmeister war übrigens nicht sauer, zwar auch nicht begeistert aber okay..." Die Schulärztin war nicht mehr im Raum, die Vorhänge waren zugezogen und außerhalb des Raumes hörte sie auch nicht das typische Durcheinander was nach der Schulzeit eigentlich entstand. "Wie spät ist es?" fragte Michelle dann. Robin sah auf die Uhr. "Halb Zwei." Sie riss die Augen auf. "Wir hatten doch schon seit einer halben Stunde Schluss! Warum weckt ihr mich jetzt erst?!" Nadine patschte ihre Schulter. "Weil du totes Tier schwer zu wecken bist!" meinte sie und streckte Michelle die Zunge heraus. "Ach? Wo ist jetzt dein 'Honey' und 'Süße', huh? Wenn ich krank bin, hab ich das verdient, ja? Sonst nicht, oder wie?" fragte sie mit einer gespielten Schnute. Nadine lachte und Robin auch. "Du Mische, ich habe mich heute mit Pascal verabredet, der übrigens schon auf mich wartet. Wenn du fit genug bist zum Autofahren, nimmste dann Seb mit?" fragte er und klatschte die Hände bittend zusammen. Ihre Gesichtszüge entglitten ihr haltlos und sie starrte ihn entgeistert an. Sie sollte ihn allein mitnehmen? Sie sah zu Nadine. "Fährst du heute mit zu mir?" fragte Michelle voller Hoffnung, wobei sie all ihre Kraft brauchte, damit ihre Stimme nicht zitterte. Ihre beste Freundin hob beschwichtigend die Hände. "Sorry Süße, meine Mom hat mir vorhin ne SMS geschrieben. Sie ist wieder da." Michelle ließ den Kopf hängen. "Jetzt darf ich auch noch Chauffeur spielen..." Ihr Innerste tobte. Jetzt durfte sie nach diesem 'super' Gespräch von heute Morgen auch noch mit ihm allein im Auto sitzen. Sie hatte ja nicht schon genug Probleme. Zwangsläufig drifteten ihre Gedanken zu Kevin. "Wo is denn Gecko?" Noch bevor sie wusste, was da aus ihrem Mund kam, grinste Nadine sie schon an. "Der is mit Jakobs schon wieder nach Hause gefahren. Aber er war voll besorgt um dich! Hach, war das süß! Er ist so ein Sunnyboy!" schwärmte ihr Nadine vor, wobei Michelle verwirrt das Gesicht verzog. "Ach ja?" "Ja!" flötete sie und grinste zu Robin. "Oder?" Dieser nickte bedächtig. "Du nimmst Seb also gleich mit, ja? Gut, ich bin dann weg. Sag Mama dass ich heute gebracht werde. Bye!" Er winkte noch einmal in die Runde und ohne noch ein weiteres Wort war Robin schon aus dem Zimmer geflohen. Jetzt erst viel Michelle auf, wie geknickt Sebastian wirkte und in ihrem Kopf hämmerte es. Wie gern sie ihn trösten würde...! Sie schüttelte den Kopf und Nadine erhob ihre Stimme. "So, Süße. Ich muss auch. Dir gehts bestimmt schon wieder fit. Schreist ja rum wie ne Irre... Bis Morgen. Bis Morgen Sebastian." verabschiedete sie sich auch und gab Michelle noch einen Kuss und eine Umarmung. "Lesbe." "Nein, beste Freundin!" schnaubte sie ihr entgegen und war wie ein Windhauch verschwunden. Betretenes Schweigen umhüllte sie und Sebastian. Ihr Herz schien auf einmal langsamer und schwerfälliger zu schlagen. Ihr Mund wurde wieder trocken und sie war sichtlich nervös, versuchte es aber ungeschickt zu überspielen. Sie erhob sich, legte die Decke zusammen, nahm ihre Tasche und Jacke, während sie zur Tür ging. "Kommst du?" fragte sie tonlos. Das Unbehagen zerrte an ihr, sie hatte das Gefühl das ihr wieder schlecht werden würde. Sebastian setzte sich ohne ein Wort in Bewegung und starrte seltsam abwesend auf den Boden. Den Weg aus dem Schulgebäude musste sie immer wieder über ihre Schulter schielen, denn der Vierzehnjährige sah so aus, als ob er jederzeit einfach so stehen bleiben könnte. Sie entriegelte das Auto mit dem Schlüssel, legte ihre Tasche auf die Rückbank. Sie war die Einzige auf dem Parkplatz, bis auf das Auto des Direktors. Sie setzte sich schon ins Auto und schaltete die Sitzheizung an. Einige Sekunden vergingen, in denen sie sich schon fast wieder wohler gefühlt hatte, aber Sebastian ließ dann doch nicht solange auf sich warten. Er stieg ein und starrte auch jetzt nur aus dem Fenster. Eigentlich war jetzt genau so ein Augenblick, wo sie ihn dazu bringen konnte, dass er sie hasste. Sie müsste ihn nur weiter ignorieren, dann hatte sie eine wunderbare Grundlage geschaffen. Sie war so kurz davor. "Was hast du?" Ihr Herz verkrampfte sich, als ihr die Wörter über die Lippen kamen. Es dauerte einen Augenblick bis Sebastian den Kopf hob und ihr ins Gesicht sah. Sie besaß zwar nicht die beste Menschenkenntnis und sie konnte auch nicht Gedankenlesen, aber in diesem Moment wusste sie, das es Sebastian genauso beschissen ging wie ihr. Sie sah ihm unentwegt in die Augen. Sie wollte irgendetwas tun, damit er nicht mehr so abgestumpft vor sich hin starrte. Sie wollte ihn in die Arme ziehen, ihn trösten, ihm zeigen wie sehr sie ihn liebte. Damit er wusste, das er nicht allein war. Ihre Fingerspitzen fingen an zu kribbeln, ihre Zehen wackelten nervös in ihren Schuhen herum und ihr Herz schlug schneller. Wenn sie ihn jetzt einfach umarmen würde? Würde es schlimme Folgen haben? Würde er sie weg stoßen, nachdem sie so verbittert versucht hat ihn dazu zu bringen sie zu hassen? War er so geistlos wegen ihr oder aus einem anderen Grund? Sie war so neugierig. Sie wollte, dass er mit ihr sprach. Sie wollte das er ihr seine ganzen Gedankengänge eröffnete die er jemals gedacht hatte. "Tut mir Leid." meinte er tonlos und senkte wieder den Blick. Das verwirrte sie ungemein. Sprachlos klappte ihr Mund zweimal auf, bis sie endlich ihre Sprache wieder gefunden hatte. "Was denn?" fragte sie und es hörte sich wirklich seltsam an. Höher und spitzer als sonst. Er fixierte erst wahllose Dinge auf dem Armaturenbrett, ehe er wieder zu Michelle sah. "Wegen heute Morgen. Ich hatte kein Recht so etwas zu sagen." Das hatte sie nicht erwartet. "Und warum hast du es dann getan?" fragte Michelle ohne zu überlegen und klappte sofort wieder den Mund zu. Sebastian krallte seine Hände in die Jeans, wirkte ganz schön angespannt. Sie war so dumm, dass man es schon fast gar nicht mehr messen konnte. Sie seufzte laut aus und parkte aus, bevor ihr noch dümmere Sprüche rausrutschten. Immer wieder spitzelte sie zu ihm rüber. Innerlich verprügelte sie sich selbst dafür, dass ihr dieser Spruch ausgerutscht war. Hätte sie nichts gesagt, wäre er nicht so muffelig geworden. Er hatte wahrscheinlich viel zu viel Zeit mit ihrem kleinen Bruder verbracht. Sie stutzte. Warum war Sebastian eigentlich nicht mit Robin mitgegangen? An einer Ampel starrte sie ihn von der Seite an. Er war in seiner Haltung schon etwas lockerer geworden, wobei sie davon ausging, dass er wieder etwas runter gekommen ist. "Warum bist du eigentlich nicht mit zu Robin und diesem... Kerl?" fragte sie. Ihr war doch allen ernstes der Name von dem Neuen entfallen. Das war natürlich ne tolle Voraussetzung für ein gutes Gespräch. Die Namen vergessen. "Er heißt Pascal." meinte Sebastian schlicht, schwieg aber weiterhin. "Mir doch Latte wie der heißt, das war ja nicht die Frage." sie klang pampiger als beabsichtigt, sodass sie hoffte, dass er nicht wieder anfing zu schmollen. Tat er zum Glück auch nicht sondern schnaubte. "Alter, hast du gerade geschnaubt?" Niemand schnaubte so abfällig, wenn sie schlechte Laune hatte. Das war ein böser Fehler, selbst für den Jungen den sie liebte. "Schnaub niemals wieder, wenn ich sauer bin, kapiert?! Sonst gibts Hagelwetter!" zischte sie ihn an. Es hupte hinter ihr, aber sie ignorierte es. Er blickte ihr trotzig ins Gesicht, starrte sie an und manchmal zuckten seine Lippen so, als wollte er etwas sagen. Dann reckte er das Kinn und sah starr nach vorn. Sie hätte ihm am liebsten erwürgt. Er zeigte ihr lässig die kalte Schulter und Michelle musste sich wirklich beherrschen ihm nicht eine zu knallen. Sie atmete tief ein, legte den Gang ein und fuhr los als es wieder grün wurde. "Elendige Pubertät..." murmelte sie zornig vor sich hin.“Reicht ja nicht das Robin so meckerig wird, jetzt auch noch du..." Bald parkte sie vor der Garage, schnallte sich ab und stieg aus. Schnell fischte sie ihre Tasche aus dem Auto und wartete ungeduldig auf Sebastian. "Na hopp! Wirds bald? Es is kalt hier!" nörgelte sie und ging schon einige Meter zur Haustür, als Sebastian dann endlich die Autotür zugeschmissen hatte, verriegelte sie es. Sie stampfte pampig zur Haustür. "Sei doch nicht so fies, Michelle..." Sie blieb wie angewurzelt stehen und hob eine Augenbraue. "Wie bitte? Ich soll nicht fies sein? Ich bin nicht fies, Sebastian. Ich bin sauer. Und ich habe keine Lust mich mit dir zu unterhalten, wenn du wegen jedem Wort eingeschnappt bist. Punkt." Daraufhin wirbelte sie wieder auf ihren Absätzen zur Tür, schloss auf und während sie ihre Sachen in die Ecke schmiss, klaute sie sich das Telefon von der Kommode neben der Garderobe. Ihre Mutter war im Wohnzimmer, schälte Kartoffeln und sah eine ihrer Soaps im Nachmittagsfernsehen. Sie sagte kurz Hallo, stampfte dann die Treppe hinauf und wählte schon auf der Treppe Nadines Handynummer. Verdutzt wurde abgenommen. "Ja?" fragte sie in den Hörer und Michelle war sich hundertprozentig sicher, dass Nadine eine gehobene Augenbraue hatte. "Ich hasse dich." meinte sie monoton ins Telefon und legte ohne weiteres einfach auf. Sie ließ das Telefon im oberen Stockwerk liegen und verschwand in ihrem Zimmer. Sie ragte ihre Bettwäsche vom Bett, schmiss sie auf das Sofa und holte ihr Büchlein unterm Bett hervor. Sie klappte es auf, nahm sich ihren Stift uns schrieb wild ihre Wut herunter. Seufzend schloss sie es wieder und starrte zur Wand, auf dessen Rückseite sich Robins Zimmer befand und vermutlich Sebastian drin saß. In ihrem Kopf wurde ihr immer klarer das sie mal wieder Blind vor Wut gehandelt hatte, was sich jetzt aber schlecht Rückgängig machen ließ. So mussten sowohl sie, als auch Sebastian durch. Ihr Handy klingelte und sie sah aufs Display. Nadine. Sie tat einen Teufel daran zugehen und sich von ihr darüber ausquetschen zu lassen, weil sie einen Grund für Michelles "Ich hasse dich." haben wollte. Aber da konnte ihre beste Freundin bis Morgen warten, egal wie sehr sie sich Heute um sie gekümmert hatte. Sie rümpfte die Nase und überlegte, was sie nun tun könnte. Im Fernsehen würde wieder nur Schwachsinn kommen und im Radio lief immer derselbe Mist. Wäre Robin da, würde sie ihn Nerven gehen. Aber jetzt war nur Sebastian da, der wahrscheinlich seien Hausaufgaben machte. Ihr Kopf pflückte ihr die Erinnerung vom Donnerstag heraus und sie erstarrte. Er hatte hier auf ihrem Bett gelegen und er hatte wunderbar gerochen. Sie hatte die Nacht nicht schlafen können. Sie schielte auf ihr Kopfkissen. Sie drehte es ohne lange darüber zu überlegen um und roch daran. Zimt, Vanille und Weichspüler. Sie hatte es nicht gewagt ihr Bett umzubeziehen. Nicht nachdem sie diesen Geruch für sich hatte. Ob der Vanillegeruch ein Shampoo war? Interessiert starrte sie ihr Kopfkissen an. Fragen konnte sie ihn nicht, wäre auch zu bescheuert gewesen. Der Gedanke ins Badezimmer zu hüpfen und die Shampooflaschen zu durchforsten kam ihr dann doch etwas... pervers rüber. Seufzend drückte sie ihr Kissen an sich und erschrak, als ihr Handy erneut losging. Entnervt nahm sie ihr Handy und wollte ihre Freundin schon Wegdrücken, als sie eine andere Handynummer sah. Stutzend nahm sie das Gespräch an. "Ja?" fragte sie unsicher ins Handy. "Eure Tiefwohlgeboren! Gehts dir wieder besser? Sorry das ich nicht da war, als die dich wecken wollten! Es tut mir so Leid-" "Jetzt bleib mal ruhig, Gecko! Ich lebe ja noch und war auch nicht sterbenskrank, man..." Sie hatte Kevins Handynummer nicht gespeichert, viel ihr nebenbei ein, als sie ihn wieder auf den Teppich bringen wollte. "Ja, aber ich wollte das du siehst das ich immer für dich da bin und dann bin ich nicht da! Das is doch nicht Sinn der Sache!" Sie verdrehte die Augen. "Hör Mal, es is überhaupt nicht schlimm, Nadine hat mir sofort erzählt, dass du dich um mich gesorgt hast." Ein erstauntes Japsen ertönte auf der anderen Seite und Michelle hob verstört die Augenbraue. "Also hat sie dir auch gesagt da sich jede Pause da war? Mit ihr?" Michelle Mund klappte auf. DAS hatte Nadine ihr nicht erzählt! Sie wurde knallrot, als ihr bewusst wurde, dass er sie öfters beim Schlafen beobachtet hatte. Er hatte GESEHEN wie sie schlief. Ihr Herz setzte aus. "W-Was?" fragte sie stockend ins Handy. "Ja, ich war mit ihr im Erste-Hilfe Raum, aber du warst immer am Schlafen." "Du bist ein Perverser, ist dir das klar? Du schaust wehrlosen Mädchen beim Schlafen zu. Du bist Pervers...!" "Wa-? Nein! Halt, was redest du da! Das...! Das stimmt doch gar nicht!" "Doch klar! Hat dich angemacht, wa?" "Warum sagst du so was?!" "Weil es witzig ist wie du reagierst!" "Das is nicht witzig, das is verstörend. Ich dachte du meinst das ernst!" Michelle musste fast lachen, weil sie nicht für Möglich gehalten hätte, dass Kevin so fassungslos darauf reagieren würde. Michelle lächelte mild. "Tut mir Leid. Aber mich hat es zuerst verstört, denn du hast mir beim Schlafen zugesehen. Das ist etwas merkwürdig." Kevin schwieg am anderen Ende der Leitung und schien zu überlegen. "Sorry, aber ich wollte wirklich nur sicher sein, das es nicht schlimmer wird. Hätte ja Wer-weiß-was sein können!" Michelle seufzte theatralisch. "Du denkst immer das Schlimmste, voll übel. Mach dir nicht immer so viele Sorgen. Vor allem nicht um mich." Sie schüttelte verständnislos den Kopf. Es war selten dass jemand so intensiv darauf bemüht war, dass es ihr Gut ging. Ihre Eltern waren zwar auch ständig um sie besorgt, aber nicht so... bemutternd. "Aber... Ich mache mir gern Sorgen um dich, Michelle. Ich mag dich, das weißt du." Die Worte gingen tief. Diese Worte gingen locker durch ihren Schutzwall und trafen Mitten in ihr Herz. Er konnte ihr offen zeigen wie er fühlte und schämte sich keine Sekunde dafür. Sie glaubte jedes seiner Worte und war sich sicher, niemals daran zweifeln zu müssen. Er war einer der ehrlichsten Menschen, den sie kannte. Und schon wieder fiel ihr ein, dass sie ihn noch gar nicht richtig kannte. Ihr Mund klappte auf und kein Wort kam raus. Nadines Worte hallten auf einmal in ihrem Kopf wieder. Ob sie sich wirklich auf ihn einlassen sollte? Er ließ zumindest die ganzen Fantasien über Sebastian verschwinden. Und sie mochte ihn. Sie mochte ihn sehr, aber dennoch konnte sie ihn nicht so lieben wie Sebastian. Ihr Kopf schmerzte. Wenn sie sich auf ihn einlassen würde, könnte sie Sebastian vergessen und aus diesem Grund hatte sie Sebastian auch am Morgen gesagt, das sie sich in Kevin verliebt hatte... "Hallo...? Michelle? Bist du noch dran? Hab ich wieder was Falsches gesagt? Hallo?" kam eine leicht panische Stimme aus dem Handy, welches langsam nach unter gesunken war, als Michelle geistesabwesend war. "Ja, ich bin noch dran. Und nein, du sagst immer noch nichts Falsches. Ich bin immer nur darüber überrascht, wie klar du dich ausdrückst." Er schwieg auf der anderen Seite. "Wolltest du eigentlich noch etwas oder wolltest du wirklich nur wissen obs mir besser geht?" "Äh... Nunja, eigentlich schon. Aber wenns dir besser geht: Willst du was Essen gehen? Dein Frühstück blieb ja nicht lang drin, oder?" fragte er amüsiert und wartete auf ihre Antwort. Erst jetzt merkte sie, dass sie wirklich hungrig war, obwohl sie davor genügend Zeit hatte, sich dessen bewusst zu werden. "Nee, meine Mutter kocht gerade Mittag. Robin ist auch nicht da und wenn keiner unten Auftaucht, dann ist sie wieder so beleidigt..." Ihre Mutter hasste es, wenn sie kochte und es dann keiner aß. "Wer ist denn alles da?" fragte er wieder und Michelle musste nicht lang überlegen. "Meine Mutter, Sebastian und ich. Mein Vater arbeitet ja und is deswegen nicht da. Robin isst wohl auch erst heute Abend, sowie Papa..." bestätigte sie sich noch einmal selbst. "Oh... Meinst du da bleibt noch etwas für einen Gast?" Michelle überlegte. "Naja, eigentlich schon. Da Sebastian zurzeit ja auch bei uns is, kocht Mama sowieso mehr als sonst. Warum eigentlich?" fragte sie verwirrt. Er lachte am anderen Ende und Michelle runzelte die Stirn. Was war denn jetzt so lustig? "Meinst du ich kann zum Essen zu euch kommen oder ist das Heute unpassend?" Michelle japste auf und ließ beinahe ihr Handy vor Schreck fallen. Lud der sich grad Selbst ein? Sie wusste nicht was sie sagen sollte und ihre Mutter würde sofort Ja sagen. So war sie nun mal. "Äh... Na, ich weiß nicht... Dagegen hätte wohl keiner etwas. Nur kennt dich meine Mama gar nicht..." gab sie murmelnd zu bedenken, aber Kevin schien das nicht zu verunsichern. "Keine Sorge, ich bin gut erzogen." Sie lachte auf. "Daran habe ich keinen Zweifel, bei deinem Opa..." "Gut, wann gibt es denn Essen?" fragte er und Michelle stand auf um die Tür zu öffnen. Sie schnupperte ein paar Mal. "Ungefähr in einer halben Stunde." meinte sie und war sich darüber sogar sehr sicher. "Hast du gerade gefragt?" "Nein, ich habe gerochen." "Nur gerochen? Und woher willst du das dann so genau wissen?" "Ich kenne meine Mama. Sie brät vorher immer die Schinkenröllchen an, wenn sie das kocht." "Wenn sie was kocht?" "Birnen, Bohnen und Speck natürlich!" "Da muss sich ja definitiv kommen, das kenn ich nicht Mal!" Michelle grinste. "Dann: Auf, Auf. Bis in einer halben Stunde." Kevin bestätigte und legte dann auf. "Mama?! Deck mal für einen mehr! Ich bekomme gleich Besuch!" schrie sie durch das halbe Haus. Die Stimme ihrer Mutter hallte aus dem Wohnzimmer zurück. "Kommt Nadine etwa?!" Michelle seufzte. "Nein, Gecko kommt!" Kapitel 15: ------------ So, nach langer Zeit des Umziehens, des Einräumens und putzens (bin immer noch nicht fertig xD) kommt das lang ersehnte 15. Kapitel xD Hatte ganz schön gedauert, hatte aber natürlich auch schon viel vorgearbeitet :3 Viel Spaß hiermit Nikushimi Kapitel 15 Michelle stand am Wohnzimmerfenster und wartete hibbelig auf den roten Audi von Kevin. Sie hatte sich umgezogen, die Zähne drei Mal geputzt und ihrer Mutter noch einmal erklärt, wer dieser 'Gecko' war. Sie blickte durch die weiße Gardine auf die verschneite Einfahrt. Die Heizung blies ihr die warme Luft unters Kinn, als ihre Mutter in der Tür erschien. "Michelle, deckst du bitte den Tisch?" Michelle verdrehte die Augen, nickte aber und nahm aus der Vitrine neben dem Esstisch das Geschirr. Im Sekundentakt sah sie aus dem Fenster, während sie schon das Besteck hinlegte. "Mama? Wie lange dauert das Essen noch?", fragte sie, lauthals aus dem Wohnzimmer hinaus. "Fünf Minuten!", rief diese zurück und Michelle klemmte sich wieder hinters Fenster. Als ein silberner Mercedes in der Einfahrt hielt, stutzte sie. Sie wartete einen Augenblick und es stieg doch tatsächlich Kevin aus. Verwirrt ging sie an die Tür und öffnete noch bevor Kevin klingeln konnte. "Warum hast du denn 'nen silbernen Mercedes? Ich dachte du fährst 'nen Audi?", war Michelles erste Frage und starrte das Auto hinter, an. Dieser grinste und schaute über seine Schulter. "Der war inner Werkstatt. Deswegen bin ich mit Opa zur Schule gefahren.", meinte er und sah sie wieder an. Sie schaute hoch in sein Gesicht und kniff die Augen zusammen. "Aber wem gehörte dann der Audi?" Kevin zog die Augenbrauen hoch und antwortete wie selbstverständlich. "Na, meinem Opa..." Sie riss ihn am Kragen zu sich runter und starrte ihm wütend in die Augen. "Du hast zugelassen, dass wir uns im Auto deines OPAS küssen?!" Kevin grinste frech und streckte ihr die Zunge heraus. "Du bist so ein...!" Sie ließ ihn los, boxte ihm aber gegen die Schulter. „Au!" "Selbst Schuld!", zischte sie ihn an, zog ihn aber ins Haus rein, weil so langsam der Zwischenflur kalt wurde. Bissig starrte sie ihn an, ging aber ohne weiteres Gemecker ins Haus hinein. "Mama, Gecko ist da.", meinte sie und wies ihrem Besuch an, die Schuhe und Jacke auszuziehen. "Du nennst mich hier Gecko?", fragte er verdutzt und stellte seine Schuhe gerade nebeneinander. Sie nickte stumm und ihre Mutter kam aus der Küche, einen Topf in der einen Hand, in der anderen drei Untersetzer. Michelle hastete zu ihr und nahm ihr den Topf ab. "Mensch, Mama! Gleich fällt's!", zischte sie sie an und wies Kevin mit einem Kopfnicken ins Wohnzimmer. Dieser staunte erst einmal über die Größe und sah dann zur kleinen, aber feinen Essecke. Michelle stellte den Topf auf einen der Untersetzer, die schnell von ihrer Mutter hinlegt wurden. Dann wischte sich diese schnell die Hände an der Schürze ab und begrüßte Kevin. "Hallo, ich bin Michelles Mutter. Sophia Brauer." Sie lächelte ihn freundlich an und Michelle verdrehte wieder einmal die Augen. Kevin grinste freundlich und verbeugte sich. "Kevin Korner, genannt Gecko. Freut mich Sie kennen zu lernen, Frau Brauer." Ihre Mutter kicherte vergnügt und Michelle verdrehte die Augen. "Kannste das nicht wenigstens hier unterlassen? Du meintest du bist gut erzogen...!" "Du kannst dich hier hinsetzen, Kevin. Da ist noch frei.", überging ihre Mutter den Einwand ihrer Tochter und schob Kevin sachte zu dem Stuhl in Richtung Fenster. Die Mutter verschwand der Küche, holte weitere Töpfe. Kevin wank Michelle ein Stückchen näher, als ihre Mutter in der Küche hantierte. "Deine Mutter is ja voll nett!" Sie sah ihn verwundert an. "Na was denkst du denn?" Er musste lachen. "Bei deinem Charakter hätte ich es mir anders vorgestellt." "Da kannst du dich bei ihrem Vater bedanken, der hat sie nur mit schlechten Eigenschaften ins Leben geschickt.", sagte Michelle Mutter seelenruhig, als sie wieder in das Wohnzimmer kam. Kevin lachte und Michelle guckte böse. "Sehr nett." Die Mutter kam zu Michelle rum und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Hab dich lieb." "Glaub ich jetzt mal so.", grinste sie ihre Mutter an. Michelle setzte sich zu Kevin, rechts neben ihn und sah ihn an. Dann lächelte sie und wies auf die Töpfe. "Das ist 'Birnen, Bohnen und Speck'. Das schmeckt göttlich!" Er nickte und sie warteten kurz. "Sebastian, kommst du runter?", rief ihre Mutter die Treppe herauf und Michelle versteifte sich. Sie hatte total vergessen, dass Sebastian mitaß. Es dauerte keine Minute als Sebastian ins Wohnzimmer kam, nachdem ihre Mutter ihn gerufen hatte. Er schien auch nicht so ganz den Anblick von Kevin genießen zu können, denn seine Miene verzog sich auch argwöhnisch. Still und etwas reserviert setzte er sich Michelle gegenüber und zog seinen Stuhl wieder an den Tisch. Ihre Mutter setzte sich Kevin gegenüber und Michelles und Sebastians Blicke trafen sich. Stumm starrten sie einander an und Michelle konnte es nicht ertragen. Sie war so dumm gewesen nicht einmal genauer zu überlegen. Sie hatte Kevin doch auch gesagt, dass Sebastian mitaß. Auf einmal wurde ihr wieder schlecht, versuchte es aber runter zu kämpfen. Wenn ihre Mutter jetzt merkte, dass es ihr nicht gut ging, würde sie ein riesiges Trara machen. Sie wand den Blick von Sebastian ab und ihr ganzer Gedankenhaushalt drehte sich auf den Kopf. Ihre Hände fingen an zu zittern. Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht recht. "Sebastian, kennst du Kevin schon?", fragte ihre Mutter und Sebastian nickte stumm. Dann tat sie Jedem etwas auf und Michelle starrte auf ihren Teller. "Das sieht ja... voll seltsam aus.", meinte Kevin und schob mit seiner Gabel ein Schinkenröllchen zur Seite. In den Schinken waren ein paar Bohnen gewickelt und waren angebraten. Ebenso waren Birnen aus der Dose und Kartoffeln dabei. "Das sieht nicht seltsam aus, das ist verdammt lecker. Iss!", pampte Michelle und stach in eines der Röllchen und stopfte es Kevin in den Mund, der zu seinem Glück schnell genug reagierte. "Michelle! Das macht man nicht!", meckerte ihre Mutter und Kevin musste sich zusammenreißen, dass ihm beim Kauen nicht der Inhalt wieder herausfiel. "Man beschwert sich auch nicht über Essen.", meinte sie und zog trotzig eine Schnute. Sebastian aß still seine Portion und Michelle konnte sich nicht aufhalten, ihn dabei zu beobachten. Sie bemerkte, wie er Kevin ab und zu einen undefinierbaren Blick zuwarf. Es schien ihr so, als ob er ihn nicht abkonnte. Sie versuchte sich zu beherrschen. Der Junge, den sie über alles liebte, hasste womöglich den Jungen, der sie glücklich machte. Sie atmete so still wie möglich ein und aus. Ihre Finger begannen zu kribbeln, als ob diese eingeschlafen wären. "Das schmeckt richtig gut, Frau Brauer." "Du kannst mich Sophia nennen.", bot sie ihm an und Kevins Blick erhellte sich. "Okay, Sophia." Michelle bekam wieder von der Umgebung mit und sah Kevin vielsagend an. "Du bist voll der Frauenheld..." Verwirrt sah Kevin sie an aber sie musste dabei lächeln. "Was? Nein, bin ich nicht!" "Oh doch, das bist du...", mischte sich Sophia mit ein und Michelle lachte. "Eins zu Null für mich!", lachte sie weiter und aß auch endlich einmal etwas von ihrem Teller. Es war schon recht abgekühlt, doch als ihr Blick Sebastians traf blieb es ihr im Hals stecken. Er sah sie eindringlich an und so langsam überkam sie das Gefühl, das er sie hasste... Ihr fiel die Gabel aus der Hand und sie starrte zu Sebastian. Er hasste sie. Er hasste sie. Er hasste sie. Ganz anders als erwartet erfüllte sie es nicht mit Freude. Anders als erwartet musste sie die Tränen und den Würgereflex bekämpfen. Sie hatte Scheiße gebaut und zum ersten Mal in ihrem Leben wurde es ihr so schlagartig und brutal bewusst. "Ups...", kam es tonlos über ihre Lippen und sie lächelte gekünstelt. Sie nahm die Gabel wieder in die Hand und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Nicht hier, nicht jetzt. Nicht bei Kevin und schon gar nicht bei ihrer Mutter. Sebastian schien zu merken, dass etwas nicht stimmt, denn er hörte nicht auf, sie anzustarren. "Was denn los?" fragte ihre Mutter und Michelle versuchte überrascht zu wirken. "Hä? Ich weiß nicht was du meinst..." Dann legte sich eine Hand auf Michelles Rücken und sie zuckte dieses Mal wirklich überrascht zusammen. Kevin sah die besorgt an. "Gehts dir wieder schlecht?" Wie gerne hätte sie gesagt, dass ihr kotzübel ist, sie am liebsten heulen würde wie ein kleines Kind und jemand sie umarmen und beruhigen sollte. Wie sehr wünschte sie sich, dass sie all das nicht veranstaltet hätte, mit der Hoffnung, dass Sebastian sie hassen würde. Sie schüttelte den Kopf. "Dir war heute schlecht?", fragte ihre Mutter und starrte Michelle verwundert an. Diesmal erhob Sebastian seine Stimme und für Michelle hörte es sich an, als ob er sie mit der Tonlage in Stücke reißen wollte. "Den ganzen Vormittag lang. Nadine meinte auch, dass sie sich in den Schulgang übergeben hat." Ihre Mutter riss die Augenbrauen hoch und kam zu ihrer Tochter um den Tisch gelaufen. "Möchtest du dich hinlegen? Brauchst du eine Tablette." Michelle hob die Hände und hielt ihre Mutter so auf Abstand. Wenn sie sich jetzt auch noch so sorgenvoll um sie kümmern würde, würde sie definitiv anfangen zu heulen. "Alles gut, ich kotz schon nicht. Ich war mir gerade nur nicht ganz sicher, ja?", wimmelte sie die beiden Glucken ab und versuchte, ruhig und tief einzuatmen. Ihre Hände waren nun taub, sie spürte das Kribbeln nicht mehr und ihr Kopf pulsierte wie unter Hammerschlägen. Sie vermied es Sebastian anzusehen und nebenbei die Blicke von ihrer Mutter und Kevin zu ignorieren. Sie wurde noch nervöser und das klamme, kalte Gefühl, das ihr Herz gepackt hatte und nun zusammenquetschte, brachte sie schier um den Verstand. Zitternd aß sie ihre Portion auf, immer wieder damit kämpfend, nicht durchzudrehen und wie verrückt um sich zu schlagen. "Du solltest dich wirklich noch einmal hinlegen. Du siehst echt blass aus.", meinte Kevin, als er sich am Abend verabschiedete. Er, ihre Mutter und sie selbst hatten noch eine Zeit im Wohnzimmer gesessen und Uno gespielt. Michelle fragte sich bis jetzt immer noch, wie ihre Mutter und Kevin sie dazu bringen konnten, dieses vermaledeite Spiel auch nur anzufassen. Sebastian war ohne viele Worte ins Zimmer gegangen. Sie lächelte ihn schief an, machte sich wirklich keine Gedanken darum, wie bescheuert sie wohl gerade aussah. "Mach ich. Komm du gut nach Hause, kapiert?", konnte sie noch lässig von sich geben, ohne dass ihr Kopf den nächsten Urknall startete. Er sah sie einige Sekunden unentschlossen an, biss sich auf die Lippe, öffnete sie wieder um etwas zu sagen- und schloss den Mund doch wieder. "Was ist denn?", fragte Michelle ungeduldig. Sie senkte den Kopf und rieb sich die Schläfe, doch es wurde immer schlimmer. Eine Hand strich ihr die Haare zur Seite und sie schaute hoch. Kevin sah sie besorgt an. "Was denn? Bitte komm zur Sache, mein Schädel dröhnt." Er nahm die Hand von ihrer Wange, die er beim Wegstreichen der Strähne dort ruhen ließ und kam ein Stückchen näher zu ihrem Gesicht. Sie konnte seinen Atem in ihrem Gesicht spüren und seine braunen Augen sahen sanft in ihre. "Eigentlich wollte ich dich fragen, ob ich dich zum Abschied noch einmal küssen dürfte, aber..." Sie zog ihn an der Nase etwas weiter nach unten. "Dann dachtest du, du versuchst das einfach mal, ja?" Michelle rümpfte die Nase und sah finster drein. Kevin betastete vorsichtig seine Nase, nachdem sie wieder losgelassen hatte. Sie seufzte abgenervt und sah hoch zu Kevin, der schielend versuchte, auf seine Nase zu sehen. Michelle kicherte und zog ihm am Kragen seiner Jacke zu sich, küsste ihn auf die Wange. "Schlaf gut, Gecko." Sie hätte am liebsten noch zwei Minuten gewartet, bevor sie wieder reingegangen wäre, aber sie wollte die freudige Reaktion von Kevin doch lieber nicht sehen. Sie wusste aber definitiv, dass er sich gerade tierisch darüber freute, dass sie ihn einen Kuss gegeben hatte. Sie konnte es selbst kaum glauben. Sie ging langsam und leise zu ihrem Zimmer, öffnete ihre Tür, doch bevor sie endgültig eintrat, starrte sie Robins Zimmertür an. Aus heiterem Himmel entfuhr ihr ein Schluchzen und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Sie riss ihre Augen auf, als auch noch die Tür aufging und Sebastian im Flur stand. Perplex blieb er stehen. Michelle wusste sofort, dass er ihre Tränen bemerkte und ihr Geschniefe gewiss nicht zu überhören war. Sie sahen sich an. Das Unbehagen umhüllte alle beide, nur hatte es bei Sebastian den Effekt, dass die ganze kühle Art wie durch ein Fingerschnippen von ihm abfiel und er zu ihr rüberkam. Mit jedem Schritt, den er näher kam, quollen ihr mehr Tränen über ihre Hand, mit der sie eisern versuchte, ihre Laute zu unterdrücken. Als er nur eine knappe Entfernung vor ihr stehen blieb, konnte er locker auf sie niederblicken. Sie traute sich nicht, hinaufzublicken, aber er bückte sich so weit zu ihr herunter, bis er auf Augenhöhe war. "Tut mir Leid, Michelle." Ein Wimmern entwich ihr. War sie denn so schwach, dass sie jetzt so einfach zerbrach? War sie so schwach, dass sie acht Jahre harte Arbeit einfach so wegschmiss? Wie lange hatte sie gebraucht eine Fassade zu errichten? Und an einem Abend sollte sie bis auf den Grund niedergerissen werden. Sie schüttelte den Kopf kräftig und trotzend den explodierenden Sternen hinter ihren geschlossenen Augen. Sie hatte jetzt endlich was sie wollte. Warum war sie nicht glücklich? Warum befreite sie dieses Gefühl nicht so wie in ihren Vorstellungen? Warum? "Freust du dich nicht für mich?", jaulte sie los, verschwand in ihrem Zimmer und wollte sie Tür zuschmeißen, aber Sebastian hielt seinen Schuh in die Tür. "Wie freuen? Wegen diesem Kevin?" Michelle verstand diese Situation nicht. Sie wusste nicht, warum sie Sebastian das gefragt hatte und sie wusste bei bestem Willen auch nicht, warum er darauf antwortete. Warum war sie so am Ende? Warum konnte sie nicht einfach alle Probleme wegschnippen? "Doch, irgendwie schon. Aber ich kann den nicht leiden, Michelle! Hörst du? Es tut mir Leid wie ich vorhin war und es tut mir auch Leid wie ich heute reagiert habe! Aber ich mag diesen Schwachkopf einfach nicht!" Michelle hörte auf, die Tür zuzudrücken und Sebastian unterließ, es diese aufzustoßen. "Es tut mir einfach Leid, weil ich überhaupt nicht das Recht dazu habe, dir zu sagen was du tun und lassen sollst. Nur da Robin sich nicht dafür zu interessieren scheint, dachte ich, dass ich das übernehme. Immerhin kennen wir uns doch auch schon so lange. Seit acht Jahren..." Sie hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und zitterte am ganzen Körper. Er wollte sie nur beschützen? Er wollte sie nur vor Kevin beschützen? Sie wischte sich ihr Gesicht in ihrem Ärmel trocken, dann zog sie ganz langsam die Tür wieder auf und Sebastian nahm sofort seinen Fuß weg. Sie sah ihn an. Es tat ihm wirklich Leid. Sie konnte es in seiner gesamten Haltung erkennen, aber vor allem in seinen riesigen, kindlichen Augen. Unruhig huschten seine Augen durch ihr Gesicht, aber ihres blieb eisern und kummervoll. Ihre Gefühle hatten Achterbahn gespielt und das nicht im guten Sinne. Ihr wurde wieder schlecht und ihre Angst schnürte ihr trotz dessen die Kehle zu. Ihr wurde kalt und sie fing an zu zittern, nicht vor Angst, sondern weil sie das Gefühl hatte erneut brechen zu müssen. Ihr war schwindelig und sie krallte sich in die Tür. "Es tut mir wirklich Leid...", meinte er. Michelle stieß ihn zur Seite, schlug die Badezimmertür hinter sich zu und übergab sich. Kapitel 16: ------------ Wohaa bald is Weihnachten :D Und am Freitag der Weltuntergang xD Wenn die Welt wirklich untergehen sollte, würde ich hier in letzter Sekunde das Ende verraten xD Ich will euch ja nicht unwissend sterben lassen :D Da ich aber nicht hoffe das das passieren würde, sag ich euch: Es werden noch viele Kapitel kommen xD Nun denn, viel Spaß hiermit Nikushimi Kapitel 16 Sie wachte in ihrem Bett auf. Der Wecker gab keinen Ton von sich und der Morgen war ungewohnt hell. Quälend schälte sie sich aus ihrem Bett und öffnete die Rollläden, aus deren Spalten die verräterische Helligkeit drang. Der Schnee glitzerte in der Sonne und Michelle bemerkte allmählich, dass es keine sechs Uhr morgens mehr sein konnte. Ihr Blick wanderte zur Weckeruhr. Halb zwölf. Ohne Hektik ging sie runter in die Küche und sah sich um. Sie war leer. Dann ging sie ins Wohnzimmer und ihre Mutter wischte dort Staub. "Morgen, Mama." Ihr Hals war trocken und Michelle konnte kaum sprechen. Ihre Mutter lächelte sie an und nahm sie in den Arm. "Alles gut? Ich habe in der Schule angerufen und gesagt dass du heute nicht kommst." Michelle drückte sich an ihre Mutter. Sie hatte gestern kaum noch etwas von ihrer Umgebung mitbekommen. Sie hatte gehört, wie Sebastian nach ihrer Mutter gerufen hatte und diese dann ins Bad gelaufen war, ihrer Tochter die Haare gehalten hatte. Sebastian stand die ganze Zeit an der Tür und führte die Befehle aus, die ihre Mutter ihm gab. Als ihr Vater und auch Robin nach Hause kam, wurde sie ins Bett getragen. Ihr war es gestern nicht gut gegangen. Sie hatte nie einen sensiblen Magen gehabt, aber das hatte alles in den Schatten gestellt. "Ich habe einen Termin bei Doktor Henner gemacht." Michelle stöhnte auf. Sie hasste diesen Arzt. Mehr als alles andere auf der Welt. Sie zog die Handschuhe an und riss die Folien ab. Endlich konnte sie nach einer Woche wieder arbeiten. Letzte Woche durfte sie nicht kommen, da sie Krank geschrieben war. Als sie bei diesem Doktor Henner gewesen ist, hatte dieser festgestellt, dass ihre Übelkeit von zu viel Stress herrührt. Sie hatte eine halbe Stunde seine forschen Fragen beantwortet. Seit diesem Vorfall mit dem Spiegel wussten sowohl ihr Hausarzt als auch ihre ganzen anderen Ärzte- selbst der Zahnarzt- bescheid. Sie hatte befürchtet, dass sofort solche Fragen kommen, aber sie musste es halt über sich ergehen lassen. Als sie halbwegs gut geflunkert hatte, meinte der Arzt, dass sie Tabletten nehmen müsste um den Stress zu reduzieren. Aus einem Impuls heraus, den sie sich selbst am wenigsten erklären konnte, hatte sie ihren Doktor gefragt, er sich nicht irren würde und sie eher Magen-Darm-Grippe hatte. Widerwillig fragte er sie nach normalen Symptomen. Lieber hatte sie sich mit Magen-Darm krankschreiben lassen, als Tabletten zu Schlucken und als gestresstes Wrack zu gelten. Frau Osterdorf hatte sich gefreut, als Michelle sie angerufen hatte um zu fragen, ob sie helfen dürfte. Nun stand sie in ihrem Laden und half ihr wieder die Lieferung frischer Blumen zu sortieren. Die Dame war in ziemlichen Stress, denn es waren ein paar Bestellungen für einen Hochzeitsstrauß und Tischgesteck, sowie einen Trauerkranz eingegangen. Michelle übernahm die Aufgabe kleinere Sträuße zu binden. Ebenso übernahm sie die Kasse, damit Frau Osterdorf problemlos Arbeiten konnte. "Wie geht es dir?" fragte Frau Osterdorf und Michelle erschrak ein wenig. Michelle band neben ihr die kleinen Sträuße, während sie um den Barren mit den Tischgestecken umherlief, hier und dort noch eine Blume hineinsteckte. "Auf jedenfall besser." meinte sie und zuckte mit den Schultern. Einige Sekunden war es wieder ruhig, dann erhob Frau Osterdorf wieder ihre Stimme. "Du wirkst nicht mehr so glücklich wie letztens... Was ist los?" Michelle starrte ihre Fast-Chefin entgeistert an. Diese hob nur fragend die Augenbrauen. Michelle stotterte ein paar zusammenhanglose Brocken deutscher Sprache heraus dann sah sie zu Boden. "Mädchen, du bist immer so schlecht drauf. Woher kommt das? Du bist doch sonst immer so fröhlich..." sprach sie gutmütig auf Michelle ein. Sie überlegte einen Moment. Frau Osterdorf würde nie Jemanden etwas erzählen, wenn Michelle es ihr sagen würde. Ohne weiter darüber nachzudenken fragte sie die Floristin, was ihr durch den Kopf ging. "Frau Osterdorf, waren sie schon einmal in zwei Jungen gleichzeitig verliebt?" und Frau Osterdorf gab einen Überraschten Laut von sich. "Och Kindchen, Liebesprobleme? In deinem Alter? Die Jugend ist heute aber wirklich früh dran... Aber ja, das war ich mal." Michelle musste unwillkürlich bei Frau Osterdorfs überforderten Blicks lachen. Dann ebbte das Lachen zu einem Lächeln ab. "Hatten Sie dann auch das Problem, dass Sie den, den sie niemals haben konnten mehr liebten als den, den Sie haben konnten?" Frau Osterdorf antwortete nicht sofort. Sie ließ auch ihre Arbeitsmaterialien sinken und legte diese auf den Tisch. Nachdenklich betrachtete sie Michelles Gesicht. Ein besorgter Schatten legte sich über ihr Gesicht. "Kindchen, ich hab schon viele Männer in meinem Leben geliebt und ich habe auch viele gehasst. Einige konnte ich haben, einige nicht. Aber du, du bist nicht wie ich. Du bist sensibler. Also musst du immer eines bedenken: Mit welchen von den beiden wärst du glücklicher?" Sprachlos und mit geweiteten Augen sah sie die Frau vor sich an. Langsam senkte sie wieder den Blick und als Kunden den Laden betraten, ging Frau Osterdorf sie bedienen. Haltlos fiel Michelle in ihre Gedanken, die wie tosende Brandungen ihre Gefühle zerrissen. Sie wollte sich gar nicht entscheiden. Sie liebte Sebastian ohne Zweifel mehr, aber Kevin konnte sie um einiges glücklicher machen. Wer würde ihr versichern, dass Sebastian ihre Liebe erwidern würde? Und ob sie dann genauso glücklicher wäre? Wer aber würde ihr versichern, dass Kevin sie immer so glücklich machen würde? Und ob das wirklich Liebe war oder nur der jämmerliche Versuch aus dieser widerlichen Haut heraus zu kommen? Ihr Kopf fing an zu schmerzen. Dabei hatte sie die letzte Woche den Stress so gut von sich fern gehalten. Da keiner sie so wirklich besuchen wollte und ihre halbe Familie kaum anwesend war, hatte sie sich schon fast geglaubt, dass ihr Leben wieder aufwärts gehen könnte. "Michelle, Liebes, würdest du den jungen Herren bitte bedienen?" fragte Frau Osterdorf; der Laden war voller geworden. Die Schultern gestrafft und ein Kopfschütteln später, kam Michelle hinter dem Vorrang hervor, der die Werkbank von der Verkaufsfläche trennte. "Oh, eure Tiefwohlgeboren?!" Kevin grinste überrascht, während Michelle am liebsten tot umfallen würde. Wenn ihr Leben scheiße war, dann immer volle Ladung. Sie versuchte sich zu fassen, nicht das Frau Osterdorf noch merkte, dass er einer der Jungs war. "Ja, ich und du sollst mich doch nicht mehr so nennen..." Sie wurde rot, als Frau Osterdorf ihren Kopf schief legte, um so ihren Kunden als auch Michelle zuhören zu können. Die nette Frau Osterdorf konnte zwar den Mund halten, war aber mindestens genauso neugierig wie Nadine. "Verzeihung, aber denken Sie, Sie können mir einen wundervollen Blumenstrauß zaubern? Meine Mutter hat heute Geburtstag und da könnte ich noch einen wundervollen Blumenstrauß gebrauchen." fragte er. Michelle blinzelte einmal, dann schaute sie rüber zu Frau Osterdorf. "Ähm Geck- Kevin. Wie groß soll der denn sein?" Jetzt stutzt Kevin und überlegte kurz. "Naja, mittelgroß? Geht das? Mit so Blumen die heißen irgendwie Gerbara und zwei oder drei Rosen?" Michelle musste auf einmal grinsen. "Du meinst Gerbera und ja, klar geht das." Michelle wollte gerade fragen, ob sie auch schon den mittelgroßen Strauß binden durfte, wobei Frau Osterdorf ihr schon zuvor gekommen war und ihr schon das Nest in die Hand drückte. Für größere Blumensträuße war es, je nach Art des Straußes, notwendig eine Art Schlaufe aus dünnen Ästen als Gerüst zu verwenden. "Ähm, welche Farben sollen denn die Gerbera und die Rosen haben?" fragte Michelle, nachdem sie das Grünzeug schon hergerichtet hatte. Kevin grinste ohne zu zögern. "Darfst du entscheiden." Für diese Aussage hätte sie ihm das Halbfertige am liebsten ins Gesicht geschmissen. Es gab nichts Schlimmeres als einer Floristin zu sagen 'Darfst du entscheiden'. Aber Michelle atmete einmal tief durch und sah dann auf die Vasen. Es dauerte keine fünf Sekunden da hatte sie vier gelbe Gerbera und zwei blassorange Rosen herausgeholt. Nach dem prüfenden Blick von Frau Osterdorf konnte sie Kevin seinen Strauß verkaufen. "Alter, der is ja richtig gut! Wie viel bekommst du für das geniale Ding?" Michelle wurde rot und stammelte etwas von zwölf Euro. Kevin wollte schon gehen, da drehte er sich noch mal um. "Kommst du Montag wieder zur Schule?" Sie nickte. Er strahlte sie an und verabschiedete sich dann. Zeitgleich verschwanden auch die Kunden von Frau Osterdorf, weshalb sie Michelle wieder einen Fünfziger in die Hand drückte und sie wissend anlächelte. "Der Junge sieht aber gut aus, Kindchen. Ich hoffe das dass einer von den beiden ist. Du darfst jetzt übrigens auch wieder nach Hause gehen. Der Ansturm kommt bestimmt nicht mehr." Mechanisch tat Michelle wie ihr geheißen und fand sich auch bald wieder in ihrem Zimmer in ihrem Haus wieder. Erledigt schrieb sie das Geschehene in ihr Büchlein, dann stellte sie den CD-Player so laut er zuließ. Ihre The Dome Lieder dröhnten durch ihr Zimmer und ein paar Minuten lang ließ sie sich so beschallen, dann nahm sie das Telefon zur Hand und rief Nadine an. "Thomann?" "Brauer?" "Ich hoffe das ich dir das nächste Mal mehr Wert bin, als das du mir sagst du hasst mich und dann zwei Tage später Robin als Boten schickst..." "Boah, jetzt tu mal nicht so angepisst, du weißt dass das Spaß war." "Trotzdem, ich bin beleidigt." "Und was soll ich gegen deinen Sturkopf machen?" fragte Michelle und verdrehte die Augen. Nadine war ihrer Meinung viel zu empfindlich in der Hinsicht. "Am Montag in Sommerkleid und Sandalen zur Schule kommen." Michelle verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke und hustete sich die Seele aus dem Leib. "Was?! Bist du dumm?!" Einige Minuten war es still und Michelle wartete auf einen Lachkrampf am anderen Ende. Der ausblieb. "Das Weiße mit den schwarzen Kletterblumen?" "Ja und deine weißen Sandalen!" Michelle fragte sich ob diese Strafe überhaupt angebracht war. "Okay. Wenn ich ne Blasenentzündung bekomme, darfst du Nackt im See baden!" "Abgemacht. Warum hast du eigentlich angerufen?" fragte Nadine, die abrupt einen Schönes-Wetter-Ton angeschlagen hatte. Michelle kramte nach ihrem Schulranzen. "Ich verstehe die Matheaufgabe von gestern nicht. Robin hat mir auch nicht gesagt, ob du ihm was dazu gesagt hattest..." "Ne, hab ich nicht. Ich geb dir jetzt erstmal die gelösten Aufgaben durch, ich muss dir das am Montag persönlich erklären. Hör zu..." Michelle hatte alles brav aufgeschrieben, wie Nadine es ihr durchgesagt hatte, dann bedankte sie sich bei ihrer Freundin und legte auf. Geschafft schmiss sie das Zeug von ihrem Bett und ging duschen. Nadine hatte ihr gesagt, dass sie die Aufgaben von heute auch wieder mitgegeben hatte. Michelle freute sich über ihre Freundin die ihr immer alles hinterher trug. Gedankenversunken ließ sie das Wasser auf ihren Kopf niederprasseln. Morgen war Samstag und sie wusste nicht was sie machen sollte. Sie war die ganze Woche zuhause gewesen und hatte Däumchen gedreht. Selbst ihr Zimmer war picobello sauber. Sie stellte das Wasser ab und wickelte sich in ihren Bademantel, nahm den Föhn im gleichen Handgriff mit in ihr Zimmer. Sie föhnte sich die Haare und fragte sich, ob Nadine Morgen wieder etwas mit ihrer Mutter unternehmen würde. Ungern erinnerte sie sich an die Bestrafung und seufzte. Sie verstand diese Kuh nicht und stellte den Föhn ab, nachdem ihre Haare wieder trocken waren. In gewohnter Manier legte sie den Föhn wieder in den Flur vor ihre Tür und blickte verblufft auf, als sie ein paar in Socken gehüllte Füße erblickte. Ihre Gesichtszüge entglitten ihr aufs Feinste, als sie Sebastian erkannte, der etwas unbeholfen dastand und nicht wusste was er sagen sollte. Er hatte seine eine Hand noch immer erhoben, war wohl im Inbegriff gewesen anzuklopfen. Michelle schob den Bademantel unauffällig noch weiter zu als er eh schon war, in der Hoffnung dass Sebastian dieses Bild ganz schnell wieder vergessen würde, falls er überhaupt etwas gesehen hatte dass es zu vergessen gab. Interessiert hob sie die Augenbrauen an und fragte so beiläufig wie möglich, was Sebastian wollte. "I-ich, äh, soll dir das hier von, äh, Robin geben..." meinte er stammelnd und gab ihr eine Mappe in die Hand. Höchstwahrscheinlich ihre Hausaufgaben von heute. Michelle nickte und sah ihn dann einige Sekunden stumm an. "Noch etwas?" fragte sie und Sebastian schüttelte heftig seinen Kopf. Seine braunen Haare flogen ihm wild um das Gesicht, was Michelle unheimlich süß fand. Sie zuckte zusammen, als sie ihre Gedanken bemerkte. Sie sagte "Danke" und verschwand blitzschnell im Zimmer. Sie atmete tief ein und aus, in der Hoffnung diesen Gedanken wie ein Kammerjäger die Schädlinge auszurotten. Unbeholfen durchfummelte sie ihren Kleiderschrank um sich Klamotten zu suchen, die folglich überhaupt nicht zusammen passten. Ein in verschiedenen Grüntönen geringelter Pullover und eine lilane Strumpfhose unter einem alten grauen Omarock. Sie musste lachen, als sie sich so im Spiegel sah. Sie merkte sich den Tipp sich unmöglich zusammenpassende Klamotten zu suchen, um abgelenkt zu sein. Es funktionierte wunderbar. Selbst ihre Mutter musste lachen, als sie das Telefon wieder ins Wohnzimmer gebracht hatte, wo sie mal wieder das Essen vorschälte. Strahlend ging sie wieder hoch in ihr Zimmer ohne zu übersehen, dass Sebastian neben diesem wartete. "Ist noch was?" fragte sie perplex und Sebastian nahm einen Blumenstrauß von seiner Seite. Sie blieb wie angewurzelt stehen und starrte Sebastian an. Hatte er gerade allen ernstes einen Blumenstrauß in der Hand? Ihr Herz rutschte ihr in die Hose und sie wurde knallrot. Sie wusste nicht was sie tun sollte und hoffte, das er sie nur reinlegen wollte. Woher hatte er diesen Strauß überhaupt? Als er rein gekommen war, hatte er keinen in der Hand gehabt. Ihr kam ein Szenario in den Kopf, wie er sich vor ihr hinkniete und sie anlächelte. Sie schnappte nach Luft und versuchte die Gedanken abzuschütteln. Diese ganze Woche war doch so gut gewesen...! Sebastian blickte einmal auf den Blumenstrauß und hielt Michelle ihn dann hin. "Der lag vor der Tür." Ihr Mund klappte auf. Sie wusste jetzt wirklich nicht ob sie erleichtert war, dass der Strauß nicht von Sebastian war oder weil das Szenario in ihrem Kopf unterbrochen war. Sie kam die paar Schritte auf ihn zu, langsam, als würde sie in einem Raubtierkäfig feststecken. Vorsichtig nahm sie ihm den Strauß ab, ganz erpicht darauf, seien Hände nicht zu berühren. "Da oben ist ein Kärtchen..." Michelle blickte ihn aus großen Augen an. Dieser Strauß war wunderschön und ihre Lieblingsblumen waren darin. Eine Sonnenblume, ein paar Mohnblumen und viele blaufarbene Kornblumen. "Oh Gott, das sind Kornblumen!" Michelle achtete darauf keine von den Mohnblumenblüten zu zerstören, betrachtete den großen Strauß von allen Seiten. "Magst du Kornblumen?" fragte Sebastian mit belegter Stimme, die Michelle wieder vom Strauß aufsehen ließ und sie ihn lange anblickte. Dann nickte sie. "Ja, sehr." Dann nickte er und sah betreten zur Seite. "Ja, den... den wollte ich dir nur geben. Nicht das der bei der Kälte kaputt geht." meinte er und diesmal war er derjenige, der Fluchtartig verschwand. Strahlend nahm sie den Strauß mit in ihr Zimmer und sah sich, nachdem sie sich auf das Bett gesetzt hatte, das Kärtchen an. »Was wäre ich für ein Mann, wenn ich nur einer Frau einen Blumenstrauß kaufen würde? Wenn es nur zwei Frauen in meinem Leben gibt, warum sollte die andere also leer ausgehen? So darfst du dich jetzt mit diesem Strauß glücklich schätzen, eine von diesen beiden Frauen zu sein. Ich hoffe er gefällt dir; Die Frau Osterdorf war sich nämlich absolut sicher. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und freue mich darauf, dein wunderschönes Gesicht am Montag wieder zu sehen, meine liebe Michelle. Gecko. P.S.: Die zweite Frau ist meine Mutter, falls du es vergessen hast ;)« Michelle musste lachen, als sie den letzten Satz las. Wie hätte sie ihren eigen gebundenen Strauß für Kevins Mutter vergessen können? Ein unlöschbares Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, dann sah sie sich in ihrem Zimmer um. Der einzige Platz, der dieses Straußes würdig war, war neben ihrem Bett auf der Fensterbank. Sie legte ihn sanft aufs Bett, dann lief sie in die Küche und suchte sich eine Vase die groß genug war für diesen herrlichen Strauß. Als sie ihn in die Vase stellte, machte sich ein Gedanke breit, bei dem sie grinsen musste. Kevin schien zu viel Geld haben zu müssen, denn diese Blumen waren einige der Teuersten. Sie nahm ihr Handy zur Hand und schrieb ihm eine Dankes-SMS. Dann grinste sie freudig und warf sich rücklings aufs Bett. Kapitel 17: ------------ Puh, Glück gehabt: Die Welt steht noch xD Eigentlich vorhersehbar, aber auch Irgendwie enttäuschend xD Aber zum Glück können wir so Weihnachten erleben udn auch das neue Kapitel von I'm disgusting begrüßen :D Hierbei hatte ich mega Spaß. hoffe das ihr den auch habt. Also: Frohe Weihnachten udn massenhaft Liebe udn Geschenke ^-^ Nikushimi Kapitel 17 Das Wochenende hatte sie gelangweilt mit einem Nintendo DS Spiel von Robin überlebt. Ein paar mal hätte sie den Handheld beinahe gegen die Wand geschmettert, wenn beim zwanzigsten Versuch immer noch kein Weiterkommen in Sicht war. Jetzt hatte sie sich geduscht und besah sich gerade ihre Strafe die sie anziehen sollte. Niedergeschlagen rutschte sie in das Kleid hinein und zog sich die Sandalen an. Ihr Vater sah sie in der Küche sprachlos an. "Is bei dir der Sommer ausgebrochen?" "Nein, Nadines Rachelust..." ihr Vater nickte verstehend und aß weiter. Michelle zog ihre laufende Nase hoch und bedachte dem Aufschnitt vor sich. Sie hatte eigentlich keinen Hunger, hatte aber auch seit zwei Tagen nicht ordentlich gegessen. Sie nahm sich einen Toast und beschmierte ihn mit Butter. Dann legte sie da etwas Schinken drauf uns aß es widerwillig. Robins Blick sagte alles, was er hätte sagen könnte, bei Michelles Anblick. "Ein Ton, Kollege Schnürschuh. Ein Ton..." drohte sie ihm mit vollem Mund und ihr Vater grinste freudig. Robin hingegen setzte sich schweigend auf die Eckbank und Sebastian gleich hinterher. Jetzt schauten sowohl ihr Vater als auch Michelle selbst verdutzt zu Robin. "Alter, was geht denn mit dir?" fragte Michelle, jetzt mit leerem Mund. "Wo bleibt denn der trotzige Spruch am Morgen?" fragte auch der Vater nach. Robin sah die beiden mit gehobenen Augenbrauen an. "Ich hab halt gute Laune..." meinte er, während er mit den Schultern zuckte. "Warum trägst du ein Kleid?" fragte ihre Mutter, die gerade durch die Küchentür trat und Tiefkühlgemüse in einer Tüte mitbrachte. "Nadine hat Mordgedanken an unserer Tochter." "Ich hoffe, dass du einen Mantel mitnimmst, Fräulein." mahnte ihre Mutter in einem strengen Ton, den Michelle stutzen ließ. "Sie wird mich dazu verdonnern ohne Mantel rumzurennen! Die zieht mich wieder vor der halben Bevölkerung aus! Ich nehm ne Jacke mit, okay? Ne wärmere..." Der Blick ihrer Mutter sprach Bände. "Also ich finde das Kleid steht dir." Alle Blicke wanderten zu Robin, der desinteressiert in sein Brötchen biss. "Und außerdem fährst du doch mit dem Auto." meinte er und stopfte sich den Rest in den Mund. "Aber selbst mit dem Auto ist es zu kalt, Robin! Wenn du irgendwann so was machst-" "Ich trage keine Kleider...!" "Ich meine ohne Jacke zur Schule zu gehen! Dann lese ich dir eigenhändig die Leviten!" fuchtelte sie mit einem Brotmesser in die Richtung von Robin rum. Der verdrehte die Augen und sein Vater grinste. "Ich finde das echt sexy wenn du drohst...!" Einstimmiges und angewidertes Stöhnen erfüllte die Küche. Michelle hielt sich die Ohren zu, Robin ließ sein neu angefangenes Brötchen zu Brettchen fallen und Sebastian wusste nicht wo er hinschauen sollte oder was er tun sollte. Andreas Brauer fing lauthals an zu lachen über die Reaktion der Kinder. "Oh Gott, ich muss euch irgendwann noch einmal ins Gesicht schauen! Oh, Gott ich sterbe...!" jaulte Michelle. "Ey, du stirbst wenigstens früher als ich!" warf Robin dazwischen. Sein Vater grinste triumphal und gab seiner Frau einen leidenschaftlichen Kuss, bevor er die Treppe hoch ging und sich für die Arbeit fertig machte. "Gott, ihr seid ekelhaft!" maulte Robin und ließ sein Brötchen endgültig liegen. "Daran ist nichts ekelhaftes, ihr macht das doch auch!" Michelle schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. "Erstens sind wir jünger und Zweitens keine Eltern. Bei uns is das noch schön anzusehen!" Ihre Mutter gab ihr einen Klaps auf den Hinterkopf. "Junge Dame, hüte deine Zunge!" Michelle ignorierte ihre Mutter, als sich ihr Handy laut summend bemerkbar machte. Sie las die neue Nachricht und sah ihre Mutter böse an. "Nadine will dass ich mit dem Bus fahre, damit ich mich so richtig blamiere. Also muss ich jetzt los." Michelle wirbelte vom Tisch hoch, während Robin Sebastian von der Seite besah. Dieser sah ihn ratlos an. "Wird wohl nichts mit Auto. Willst du bei Pascal mitfahren, der kommt bald." Michelle hatte mitbekommen, das Pascals Mutter ihn des Öfteren abholte und zur Schule fuhr, wobei Sebastian aber jedes Mal die Einladung abwies. Auch dieses Mal. "Nein, ich fahr dann lieber mit dem Bus." Und Robin hatte es aufgegeben, nach einem Grund zu fragen. Sie sammelte eine ältere Jacke von der Garderobe und streifte sich diese über. Sebastian hatte seine Schuhe neben ihr weggenommen und zog sie sich jetzt an. Ihre Blicke trafen sich. Schnell schaute Michelle weg. Ihr war es immer noch peinlich, dass er ihr den Strauß gegeben hatte und sie dachte es käme von ihm. Sie war wirklich erleichtert gewesen, das dem nicht so war. Ihr Herz wäre in diesem Moment wohl zersprungen vor Glück. Sie hätte einen Nervenzusammenbruch erlitten, weil sie sich gefreut hätte. Im Nachhinein war es wohl besser so, denn sie war sich genauso sicher, dass diese ganzen Hirngespinste Ausgeburt ihrer ekeligen Fantasie war. Sie merkte nur noch, wie sie etwas in die Jacken gedrückt wurde und bemerkte so, das Sebastian sich über sie gelehnt hatte um an seinen Mantel zu kommen. Sie wurde knallrot und starrte ihn an. "Oh..." meinte er nur und sah sie entschuldigend an. Das er ihr Herzklopfen verursachte, schien er nicht gemerkt zu haben. Sie reckte das Kinn und holte in der Küche ihr Essen ab, dann ging sie, sich noch einen Schal von der Garderobe schnappend, in die eisige Kälte hinaus. Sie hatte Glück das es Draußen langsam wärmer wurde und es wenigstens um die Fünf Grad war. Schnellen Schrittes ging sie zur Bushaltestelle, wobei Sebastian mühelos mithalten konnte, nachdem er sie eingeholt hatte. Ihr Herz klopfte immer noch, freute sich über Sebastians Anwesenheit, aber gleichermaßen fand sie es schrecklich. Er schmiss ihr immer wieder von der Seite einen sorgenvollen Blick zu, während Michelle ihren Körper in Bewegung hielt. Es waren zwar keine Minusgrade mehr, aber dafür wehte der Wind. Sie bibberte und klapperte mit den Zähnen. "Soll ich dir meine Jacke geben?" fragte er und war schon im Inbegriff seinen Mantel zu öffnen. Michelle hielt ihn am Arm fest. "Ganz bestimmt nicht, es is saukalt hier, da läufst du garantiert nicht nur im Pulli rum! Wenn Mama das erfährt bin sowohl ich, als auch du- mausetot." Verdutzt sah er sie an, dann sah er auf ihre Hand an seinem Arm. Sie riss diese wie von einer Biene gestochen fort und starrte in die Richtung, aus der der Bus kommen müsste. Wie aus einem glücklichen Zufall, kam dieser auch gerade um die Ecke gebogen. Bevor sie den ersten Schritt in den Bus tat, atmete sie tief durch. Jetzt brauchte sie ihr ganzes Selbstbewusstsein, was sie irgendwie besaß. Sofort vielen die Hälfte der Blicke auf sie; Die anderen folgten, nachdem deren Aufmerksamkeit zum Einstieg gerichtet wurde. Michelle schluckte ihr Unwohlsein runter und ging zielsicher auf einen der freien Sitzbänke zu. Sie rutschte ans Fenster durch, was sie einen Moment später bereute, da Sebastian sich sogleich neben sie setzte. Sie sah sich einmal grob um, dann sah sie Sebastian an. "Hier ist doch noch massig frei..." Sie erntete nur einen unschlüssigen Blick, aber keine Antwort. Sie seufzte und starrte aus dem Fenster. "Ernsthaft! Genau jetzt, in diesem Moment hasse ich dich so sehr das ich heulen könnte!" wetterte Michelle Nadine im Schulgang zu ihrem Klassenzimmer an. Nadine hingegen lächelte ihr strahlendstes Lächeln und umarmte ihre Freundin. "Ich liebe dich." "Und ich hasse dich. Ich hoffe ich bekomme ne Blasenentzündung. Ich filme dich wenn du badest und stelle es ins Netz. Ich werde es: 'Das nackte Häschen in der Wassergrube' nennen." Michelle schob ihr Gesicht in der Halsbeuge von Nadine und ließ sich von ihr durch das Haar streicheln. Sie wurden seltsam angesehen, aber Nadine störte sich weniger daran, als Michelle es jemals könnte. "Ich finde das super süß und aufopfernd von dir, dass du wirklich so für mich in die Schule gekommen bist, Süße." schnurrte ihr Nadine ins Ohr, Michelle hingegen schnaubte. "Eigentlich hättest du das gar nicht verdient." murmelte Michelle in ihre Haut und ließ sich unter halblauter Beschallung der neusten Nachrichten in die Klasse manövrieren. Deprimiert setzte sie sich auf ihren Platz, dann kam schon der Lehrer. "Miss Brauer, sind Sie bereits in den Wechseljahren oder haben Sie einfach Hitze?" Ihre Gesichtszüge entglitten und ihr Hirn setzte aus. "Was wollen Sie denn hier?!" blaffte sie entrüstet drauf los, einige ihrer Mitschüler klatschten sich die Hände ins Gesicht. Einige vor Entsetzen, andere weil sie dieses unsagbar lose Mundwerk nicht fassen konnten. "Ich vertrete euch heute." zischte Herr Jakobs ihr zu und schmetterte, ob aus Versehen oder nicht, seine Mappen auf das Pult. So leicht konnte man die Begnadigung durch den Enkel in Scherben zersplittern sehen. Mit erstaunter Miene und abgestützten Kopf beobachtete Kevin Michelle, wie sie in seiner Klasse vor Wut tobte. Nadine hingegen lackierte ihre Fingernägel, während sie auf seinem Tisch saß. Sie schien sich kein bisschen darüber zu stören, wie ihre beste Freundin gerade von Kevins Klassenkameraden schief angesehen wurde. "Sag ma, hat der eigentlich schlecht geschissen?! Dieser Typ regt mich so auf! So was is doch bestimmt strafbar oder so! Nadine, dass musst du doch wissen! Du weißt immer alles! Als ob ich in den Wechseljahren wäre! Am liebsten würde ich ihm richtig eine geben!" schrie sie und schlug protestierend um sich. Ein belustigtes Grinsen zog sich über Kevins Gesicht, sagte aber nichts dazu. Er mochte es ihr so zuzusehen. "Wie hat der überhaupt ne Frau kennen gelernt? Sag ma, is deinen Oma blind oder so? Blind und Taub? Is die überhaupt noch mit dem verheiratet? Waren die überhaupt verheiratet? Darf so was heiraten?!" Michelle warf sich die Hände über den Kopf und versuchte etwas runter zu kommen. Ein zurückhaltendes Räuspern erklang neben Michelle, was an Kevin gerichtet war. Es kam von einer blonden Klassenkameradin seinerseits. Michelle kannte sie länger, denn das Mädchen ging schon Jahrelang in ihre Parallelklasse. Ihre Stimme war leise und ziemlich tonlos, als sie anfing zu sprechen. "Ähm, Kevin? Meinst du, du könntest dafür sorgen, dass deine Freundin hier nicht so rumzetert? Die Anderen fühlen sich stark belästigt..." Michelles Augenbrauen schossen nach oben. Ihr ging es momentan nicht darum, dass das Mädel sie als seine Freundin bezeichnet hatte, es ging eher darum, dass sie sie einfach überging. Michelle schmiss ergebend ihre Hände in Schulterhöhe. "Schuldigung, mach ich nie wieder. Aber schön das du wenigstens so viel Mut besitzt es mir ins Gesicht zu sagen. Sehr, wirklich sehr erwachsen...!" dramatisierte sie es. Die Blonde zuckte erschrocken zusammen und hob schützend die Hände, falls Michelle doch ausholen wollte. "Michelle, es tut mir Leid, aber-" "Halt doch einfach Mal deine Klappe und tu was man dir sagt!" Genervt sprang ein Typ von seinem Stuhl auf und ging zu Michelle rüber. Drohend baute er sich vor sie auf. Auch er war fast ein nen Kopf größer als sie. Sowie die halbe Schule. "Und wenn ich nicht will?" fragte Michelle unbeeindruckt, obwohl sie sich noch längst nicht so sicher fühlte. Sie hatte schon einige Raufereien hinter sich, aber dieser Typ war damals schon ein harter Brocken gewesen. Doch bevor der Typ noch Michelle oder Nadine einschreiten konnte, legte Kevin einen Arm um Michelle und sah seinen Gegenüber an. "Das reicht jetzt. Ich verstehe euch und sie weiß es jetzt. Also, ist es jetzt geklärt." Der Junge schnaubte und blickte arrogant auf Michelle hinab, die beinahe einen erneuten Tobsuchtsanfall erlitt. "Wie kann man so ein Monster nur seien Freundin nennen?" murmelte er, nachdem er sich umgedreht hatte und sich wieder setzen wollte. "Wie bitte?" presste Michelle zwischen ihren Zähnen durch und Kevin hielt den Griff um sie fester. Der Junge drehte sich um, taxierte sie einmal Abfällig und grinste spöttisch. "Ich hab mich gefragt, wie man so etwas wie dich seien Freundin nennen kann. Ich würde dich gar nicht ertragen können, darum beineide ich Kevin auch nicht." Die Klasse um ihn herum jubelte auf und grölte. "Du könntest sie nicht ertragen, weil sie viel zu gut für dich ist. Eigentlich bist du nur neidisch, weil du selbst nie eine so wunderschöne, selbstbewusste und kluge Freundin abbekommst wie ich." meinte Kevin mit ruhiger Stimme und strich Michelle eine Strähne hinters Ohr, beließ seinen Arm nach der Geste wieder auf der Schulter. Das Gesicht von dem Typen verdunkelte sich. "So, genug mit der Kindergartenmasche, Leute! Alle Atmen jetzt einmal tief durch, dann reißt ihr euch am Riemen und geht eures Weges. Michelle?" Nadine war aufgestanden, hatte zweimal in die Hände geklatscht und wank Michelle aus der Klasse heraus. Diese sah noch einmal niedergeschlagen zu Kevin, dann setzte sie sich langsam in Bewegung. Der Junge riss hinter ihr Grimassen, als Nadine die paar Schritte zu ihm in Windeseile überbrücke und ihn am Kragen packte. "Hör mir mal gut zu, Sportsfreund. Noch eine Sache gegen Michelle und du wirst mich kennen lernen! Ich bin eine sehr geduldige und tolerante Zeitgenossin, aber auch ich habe meine Grenzen, an denen du gerade kratzt. Entweder du lässt sie jetzt in Ruhe oder du wirst diesen Tag auf ewig bereuen. Vielleicht nicht heute. Vielleicht auch nicht Morgen. Vielleicht auch nicht in zwanzig Jahren. Aber dieser Tag wird kommen. Und das ist nicht irgendeine leere Drohung, haben wir uns da verstanden?" fragte sie, starrte ihm ohne zu blinzeln in die Augen. Der Junge nickte. Mit einem geübten Kopfwippen schwang sie ihre Haare wieder über die Schulter, dann verließ sie mit Michelle das Klassenzimmer. Kevin stand da und hatte die Augenbrauen in die Höhe gezogen. Nadine konnte genauso unappetitlich werden wie Michelle. Er musste unwillkürlich grinsen. Sein Blick änderte sich ins Verwirrte, als Nadine wieder herein kam, den Jungen noch einmal anblickte und dann seinen Kopf gegen die Wand klatschte. Danach sah sie auf ihre Hand, den Jungen der wie ein Kleinkind anfing zu heulen ignorierend, zuckte mit den Schultern und ging wieder. Kevin verstand diese Situation zwar nicht, aber er beließ es dabei. "Also ich fand das jetzt nicht so befreiend wie du immer meintest. Mir tut eher die Hand davon weh. Wohl mehr Drücken, als versuchen zu Schlagen, oder?" fragte Nadine total unbeeindruckt ihre Freundin. Michelle nickte niedergeschlagen. Überwiegend ignorierte sie die Beleidigungen ihrer Mitschüler, seit sie Nadine kannte. Aber dieser dumme Typ hatte so richtig ins Schwarze bei ihr getroffen. Warum zum Teufel mochte Kevin sie eigentlich? Wenn sie so zurück dachte, müsste er eigentlich bei ihrem Anblick das weite suchen. Sie seufzte. Sein Kopf war wohl nicht ganz in Ordnung. Vielleicht war sein Fluchtinstinkt ausgefallen? Oder er hatte Mal eine Gehirnerschütterung uns seitdem drückte irgendetwas auf seinen gesunden Menschenverstand. Das konnte ja auch sein. Sie verstand ihn nicht. Sie beließ es dabei und folgte ihrer Freundin in die Klasse. Sie hatte den ganzen Tag schon Gänsehaut, bei jedem Windzug klapperte sie unkontrolliert mit den Zähnen. Ihr Rücken war verspannt durch das ständige Zittern und sie sah böse zu Nadine. Diese grinste sie an und erzählte dann, dass erst Letztens jemand in der Arktis erfroren war. Michelle verdrehte die Augen und sah aus dem Fenster. Das war ja ein gutes Thema. Es ging wieder die Tür auf und ein Schüler kam rein. Perplex starrten Nadine und Michelle den Jungen an, der Michelle einen Zettel auf den Tisch legte. "Was ist das?" fragte sie, aber der Junge lief einfach wieder heraus. Einige Mädchen tuschelten darüber, dass es ein Liebesbrief war, was Michelle dazu veranlasste den Zettel argwöhnisch zu betrachten. "Ich mach das nicht auf." meinte sie und schob ihn etwas von sich. Nadine ließ sich diese Geste nicht zweimal zeigen und schnappte ihn sich. Sie las ihn, dann wurde ich Gesicht recht blass. Michelle zuppelte Nadine an ihrem Pullover. "Was denn?" fragte sie drängelnd. Nadine hielt ihn ihr hin und Michelles Mund klappte auf. Das war ein Brief von Direktor, der besagte das sie heute eine Stunde nachsitzen müsste. "Was zum Teufel?!" wetterte sie und zerriss den Zettel. Dann fiel ihr Blick auf den Lehrer der ruhig lächelnd den Raum betrat. "Ich hasse Sie." meinte Michelle und sah Herrn Jakobs angewidert an. Kapitel 18: ------------ Gnahhhh Dieses Kappi hat mich auf die Palme gebracht, nicht nur das meine Prüfungen meiner Ausbildung bald anstehen, genauso wie die meiner Fahrschule und ich dann auch noch mit dem Nachweisheft zurück liege, nein, jetzt werden mir Michelle und Sebastian hier auch noch sensibel >___> Die Kappis werden jetzt immer schwieriger, weil wegen Michelle Hirngängen... Dabei kann ich das doch so voll nciht ab. Mische, jetzt hab doch mal Arsch in der Hose xD Viel Spaß, Nikushimi Kapitel 18 Ihr Blick lang unbewegt auf der Uhr, die nur noch fünfzehn Sekunden brauchte um das Stundenende anzuzeigen. Sie zappelte mit dem Fuß und hatte schon ihre Schultasche gepackt. Nadine war der Meinung gewesen, dass sie schnell nach Hause müsste, sonst hätte sie mit nachgesessen. Der Lehrer der heute hierfür abgestellt wurde, las einen Roman und Michelle fragte sich, ob er überhaupt etwas mitbekam. Sie war nicht alleine hier, aber es wurde selten geredet. Nicht das man es nicht durfte, es wollte nur keiner. Die Schulglocke schrillte und Michelle war die erste auf den Beinen. Wenn sie sich schnell genug beeilte, bekam sie noch den Bus, sonst musste sie eine Stunde lang bei Arscheskälte warten. In einem Sommerkleid. "Frau Brauer?" Sie hatte es nicht einmal bis zur Tür geschafft, als der Nachsitzlehrer sie rief. Übertrieben grinsend ging sie zu ihm, schrieb den Bus ab. "Herr Jakobs hat mir aufgetragen Ihre Aufgaben einzusammeln." Michelle klappte der Mund auf. Dieser Trottel hatte gesagt der soll sie einsammeln? Knallrot zog sie einen Zettel aus ihrer Tasche und gab sie dem Lehrer. Dieser sah das fast leere Blatt an. "Wie viele Aufgaben sollten Sie machen?" "Dreizehn." "Wie viele haben Sie gemacht?" "Drei." Der Lehrer seufzte und schüttelte den Kopf. Michelle grinste, verabschiedete sich und lief schnell aus dem Raum heraus, bevor sie sich noch eine Standpauke anhören durfte. Sie sah im Schulflur auf die Uhr. Der Bus war schon weg. Jetzt musste sie nicht nur eine Stunde warten, sie musste auch noch eine halbe Stunde zur nächsten Bushaltestelle gehen. Grummelnd starrte sie aus dem Fenster. Jetzt regnete es auch noch. Sie trat gegen die Schulwand und fluchte. Eine Putzfrau sah sie entgeistert an, machte aber schnell weiter, als sie Michelles Blick traf. Missgelaunt starrte sie nach Draußen und überlegte sich eine Möglichkeit Trocken an die Bushaltestelle zu kommen. Sie besaß keine Jacke an der eine Kapuze war, was sie in diesem Moment bereute. Sie seufzte und ging dann nach Draußen, es dauerte keine zwei Sekunden da waren ihre Haare schon halb nass. Sie drehte sich zu den Schritten um die auf sie zu kamen und erblickte Sebastian, der schnell seinen Regenschirm öffnete und diesen über sie hielt. Ratlos sah sie ihn an. "Hättest du noch ein paar Sekunden gewartet, hätte ich dich vorher gesehen." meinte er etwas aus der Puste. "Was machst du denn hier? Ich dachte du hattest schon Schluss." ging Michelle gar nicht darauf ein, sondern stellte ihm die Frage. Ihre Finger zuppelten nervös am Kleidersaum und sie vermied es ihm in die Augen zu sehen. Es reichte ja nicht dass er heute Morgen schon die ganze Zeit bei ihr war, nein jetzt musste er auch noch nach der Schule nerven. Und das noch knapp eine Stunde. Sie und ihr Büchlein waren zu dem Schluss gekommen, dass es eine der dümmsten Ideen in der Geschichte der Menschheit gewesen war, ihn dazu zu bringen sie zu hassen. Der bittere Nachgeschmack blieb und sie hatte ununterbrochen das klamme Gefühl in der Brust, freute sich aber ebenso ihn zu sehen. Ihr Wunsch ihn in die Arme zu schließen und ihn nie wieder los zu lassen, raubte ihr fast den Verstand. Ihre Gedanken kreisten nur um ihn, wenn sie allein war. Aber sobald Kevin aufkreuzte dachte nicht eine Sekunde an ihn. Sie fühlte sich so, als ob sie beide betrügen würde, aber im Endeffekt würde sie nur Kevin betrügen. Ein tippen an ihre Schulter holte sie in die Wirklichkeit zurück. Erwartend sah Sebastian sie an. "Was denn?" "Ich habe dich gefragt ob wir nicht langsam los müssen, nachdem du mich fünf Minuten lang ignoriert hast..." seufzte er und nahm sie sacht an der Hand mit. "Hallo?! Lässt du mal los? Ich kann allein gehen!" pflaumte sie ihn garstig an, riss ihre Hand aus seiner. Sie schnaubte und schaute provokant weg, damit er ihre Röte nicht sah. Ihr Gesicht glühte. "Wir müssen uns dann aber ran halten. Sonst müssen wir wieder eine Stunde warten..." widerwillig ging sie wieder neben ihn und sie gingen ein Stück lang schweigend nebeneinander her. "Ist Robin wieder bei diesem Vollpfosten?" fragte Michelle, weil sie die Stille nicht mehr ertragen konnte und sie sich wirklich gewundert hatte, das Robin schon wieder bei diesem Typen war. Sebastian hatte zur Bestätigung nur genickt, was Michelle gerade so aus den Augenwinkeln mitbekam. "Ich mag den nicht. Robin is nur noch voll selten Zuhause und labert die ganze Zeit nur noch netten Kram. Weißt du ob dieser... Depp vielleicht Exorzist is?" fragte Michelle weiter. Sie hasste es wenn er zu diesem Thema nur schwieg. Er sagte nichts und Michelle verdrehte die Augen. Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und sah auf die Uhr. Sie hatten noch ungefähr zwanzig Minuten zu laufen und sie schnaubte. Sie konnte jetzt kaum noch ihre Zehen spüren. Dass durch den Regen der einst so schöne Schnee nur noch ekelhafter Matsch war, verbesserte ihre Lage nicht. Wie aufs Stichwort rutschte sie aus, krallte sich an Sebastian fest und fiel rücklings auf den Bürgersteig. Im Bruchteil einer Sekunde war sie klatschnass, selbst der heldenhafte Versuch von Sebastian sie gleich wieder auf die Beine ziehen zu wollen misslang. Da er nicht Mitgefallen war, versuchte er es erneut. Michelles Kleid klebte an ihr wie eine zweite Haut und sie fror und zitterte wie Espenlaub. "Alles gut? Hast du dir weh getan?" fragte Sebastian und sah sie fragend an. "Ob es mir gut geht? Ich hole mir gerade den Tod! Natürlich geht es mir da gut! Ich bin klitschnass. Ich bin dreckig. Und wir müssen noch Fünfundzwanzig Minuten in der Arscheskälte stehen!" schrie sie. Sie war nicht sauer auf Sebastian, sie war sauer auf die ganze Welt. Sie war unzufrieden und fror. Das war der schlimmste Tag in ihrem Leben. Ein Rascheln ließ sie stutzen und Sebastian war dabei seinen Mantel auszuziehen. Sie schlug ihm auf die Finger. "Nein!" blaffte sie ihn an und stampfte weiter. Ihr war ihr nasses Kleid egal. Ihr waren ihre kalten Füße egal. Ihr war der Regen egal und es war ihr auch egal, dass sie vor lauter Tränen kaum noch etwas sehen konnte. Fluchend und schreiend machte sie ihrem Ärger Luft. Einige Passanten sahen sie komisch an und noch viel seltsamere Blicke bekam Sebastian zugeworfen, der versuchte mit ihr mitzuhalten, aber auch genügend Abstand zu haben. "Du erkältest dich wieder!" traute er sich endlich zu sagen, aber Michelle ignorierte ihn. Sturen Schrittes ging sie weiter, es waren nur noch ein paar Meter zur Bushaltestelle, an der sie stehen blieb und bockig auf die Seitenwand starrte. Sebastian seufzte als er sie eingeholt hatte. "Ich friere eh nicht." "Schön für dich." "Michelle bitte!" "Nein!" keifte sie ihn an. "Lass mich doch einfach Mal in Ruhe. Manchmal bist du mir echt zu anstrengend! Akzeptiere doch einfach Mal was ich sage!" Sie schlug halbherzig seine Schulter. "Erst wenn du Mal akzeptierst was ich sage! Du wirst krank, wenn du weiter so rumstehst! Also sei nicht so stur und zieh diesen dummen Mantel an!" Bestimmt hielt er Michelle seinen Mantel entgegen, den er kurzerhand ausgezogen hatte. Entgeistert starrte sie zurück, zeigte ihm einen Vogel. "Den ziehst du selber wieder an!" Ein Blickduell entstand und Michelle rümpfte die Nase. Das er so stur sein konnte raubte ihr die Nerven. Warum ließ er ihre Sachen nicht ihre Sachen sein und kümmerte sich um seinen eigenen Dreck? Aber jetzt stand er vor ihr und zwang sie seinen Mantel anzuziehen. Seinen Mantel, der ganz und gar nach ihm roch. Das konnte sie nicht. Wenn sie das täte, würde weder heute Abend schlafen können, noch ihm irgendwann wieder ins Gesicht schauen. "Ich zieh den nicht wieder an. Entweder ziehst du den an oder keiner von uns trägt ihn." meinte Sebastian und zuckte mit den Schultern, hielt den Mantel zu ihr. Michelle schmiss die Hände in die Luft. "Warum bist du son Kleinkind?! Ich bin volljährig, ich kann entscheiden wann ich son behinderten Mantel anziehe und wann nicht!" Sie atmete tief ein und aus, versuchte sich zu beruhigen, denn sie selbst merkte langsam, dass der Grund des Streites vollkommen schwachsinnig war. Sie sah zu Sebastian, der sie stumm musterte. "Warum behandelt mich jeder immer wie ein kleines Kind, das nicht weiß was es tut? Ich bin Vierzehn, man! Ich kann ja mal so langsam selbst entscheiden was Richtig ist und was nicht!" Michelle schlug ihn gegen die Schulter. "Eben weil du erst Vierzehn bist! Du bist noch längst nicht so weit, dass du weißt was dein Handeln für Konsequenzen haben kann! Deswegen behandelt dich jeder so." "Aber ich werde bald Fünfzehn! Robin ist auch Fünfzehn und dem traut man immer mehr zu als mir!" aufgeregt sah er zu Michelle. Er kochte förmlich und verzog das Gesicht. Michelle schnaubte. "Weil der Spinner leider erwachsener und verantwortungsbewusster ist als du. Traut man ihm nicht zu, ist aber so. Ich versteh sowieso nicht, warum alle Kinder immer so schnell erwachsen werden wollen, verdammt! Das ist nicht so toll! Du musst alles anfangen allein zu lösen! Du musst dich selber um dein Geld kümmern, eine Arbeit suchen, Verantwortungsbewusst handeln, für die Entscheidungen die man trifft grade stehen und... und seine beschissenen Probleme selbst lösen. Wenn du erwachsen bist, kannst du nicht immer zu Mami und Papi rennen und dich bei ihnen ausheulen! Irgendwann sind auch die tot und dann bist du vollkommen allein! Dann gibt es keinen mehr, mit dem du über deine Probleme reden kannst." Michelle kamen wieder die Tränen. Sebastian konnte es nicht verstehen, weil er sich dessen noch nicht bewusst war. Alles würde mit der Zeit kommen und irgendwann wachte man auf und merkte, dass man erwachsen geworden ist, mit allem selbst klarkommen muss. Michelle hasste diese Tage, an denen ihr Dinge bewusst wurden, die klar und offensichtlich waren, aber nie richtig erkannt wurden. Sie traute sich nicht in Sebastians Gesicht zu sehen, er war bestimmt geknickt. Er war immer viel zu schnell geknickt. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie er musste sie nicht schon wieder heulen sehen, dafür war sie zu Stolz. Es war nicht fair, das man einfach so erwachsen wurde, ohne gefragt zu werden. Michelle kam noch lange nicht damit klar, dass sie erwachsen wurde. "Es ist nicht fair. Ich will nicht, dass dir das genauso passiert, Sebastian. Ich finde das nicht richtig und du solltest noch so lange Kind bleiben wie möglich, weil es irgendwann einfach weg ist...!" Es wurde noch dunkel um sie herum, was sie durch ihre Hände und Tränen sehen konnte. Sebastian hatte seinen Mantel über ihren Kopf gelegt, sie wollte schon losbrüllen, als sie sah, wie Sebastian sie anschaute, nachdem sie den Mantel vom Kopf gerissen hatte. Sie war es nicht gewohnt, dass er sie so nachdenklich ansah und dabei so erwachsen aussah. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und sah demonstrativ weg. Wenn sie ihn jetzt so sah, wusste sie wieder warum die Entscheidung zwischen ihm und Kevin so schwer war. Er war eigentlich nicht nur das Kind, sondern auch auf dem Weg ein Mann zu werden. Etwas, was sie immer fürchtete. Wenn er irgendwann wirklich als Mann galt, würde sie noch immer älter sein als er. Und vielleicht würde er dann schon eine andere mögen... Sie schüttelte den Kopf. Sie könnte ihn nicht gehen lassen. Nicht seitdem ihr bewusst war, wie sehr sie ihn liebte. Nicht seitdem ihr bewusst war wie sehr sie ihn brauchte und wie sehr es sie schmerzte. Sie wischte sich die Tränen schneller von den Wangen, je mehr sie flossen. Sie konnte es nicht ertragen wenn er bei ihr war und noch weniger konnte sie es ertragen wenn er weg war. Sie schlug gegen das Bushäuschen. Und schlug wieder darauf ein. Sie versank in ihrer Wut die sich wieder aufstaute. Wut auf sich selbst, weil sie wieder ekelhafte Gedanken hegte. Eine Hand packte sie und zog sie vom Häuschen weg. "Bist du noch ganz dicht?!" fragte Sebastian aufgebracht. "Du könntest dir deine Hand brechen oder so!" Diesmal machte es Sebastian ihr nicht so leicht ihre Hand zu entreißen und sein Griff verfestigte sich. Michelle wollte weg von ihm. Je länger er bei ihr war, desto schlechter wurde ihr Einfluss auf ihn. Sie war wie eine Krankheit, die ihn befiel ohne dass er es wusste. Sie kam sich dreckig vor. So unsagbar abartig. Wie konnte er nur in ihrer Nähe sein? Sie verstand es nicht. Sie zog kräftiger und riss an ihrem Arm bis es wehtat. "Lass mich los verdammt!" brüllte sie ihn an. "Beruhige dich erstmal! Ich will nicht dass du dir bei deinem Dickkopf noch wehtust! Mich nennst du hier Kind, aber selber bist du um keinen Grad besser!" fuhr er sie an, nahm ihr bestimmt den Mantel aus der Hand und legte ihr ihn um die Schultern. Der Bus kam nur einige Minuten später und die Fahrerin sah Michelle überrascht an. Sie wollte sie schon ansprechen, aber Sebastian hob die Hand und schüttelte den Kopf. Sie fuhr diese Strecke schon seit über fünfundzwanzig Jahren und kannte jedes Kind, so auch Michelle und Sebastian. Sebastian zog Michelle am Handgelenk hinter sich her. Michelle ließ sich mitziehen, hatte keine Kraft mehr sich zu wehren, nachdem ihr das Gesagte bis ins Mark gewandert war. Erst Herr Jakobs, dann die aus ihrer Parallelklasse und jetzt Sebastian. Das war der schlimmste Tag in ihrem ganzen Leben. Sie hätte die Sache mit Herrn Jakobs und mit dem Mädchen einfach ins Büchlein geschrieben und nächsten Tag wieder ohne Probleme und mit einem Lächeln auf den Lippen in die Schule gegangen. Aber durch Sebastian ging es tiefer. Viel, viel tiefer als sie es jemals erwartet hätte. Sie war ein schlechter Mensch. Sebastian zog sie aus dem Bus heraus, nachdem die Busfahrerin einen Moment länger wartete, damit Sebastian sie aus dem Bus manövrieren konnte. Besorgt guckte er immer auf Michelle, die nur ging, wenn er sie zog. Sie schien unendlich in Gedanken versunken zu sein, aber das konnte er verkraften, solange sie den Mantel an ließ und mitkam. So sehr sie sich gewehrt hatte als er sie festgehalten hatte, umso mehr schien sie es nicht mehr zu stören. Vor der Haustür kramte er den Hausschüssel raus, schloss auf und lief sogleich Michelles Mutter in die Arme. "Oh Gott, ich hab mir schon sorgen gemacht wo ihr beiden geblieben seid." meinte sie und sah zu Michelle, die abwesend auf den Boden starrte. Michelle bemerkte erst wieder was von ihrer Umgebung, als ihre Füße nass wurden und ihr etwas vor die Nase gehalten wurde. Ein Fußbad und Kakao. Sie sah in die Augen ihrer Mutter, sagte aber nichts. Wenn sie Glück hatte, merkte sie nicht was los war und würde sie mit Fragen in Ruhe lassen. "Du bist vollkommen unterkühlt! Du fühlst dich an wie eine Leiche. Ich glaub ich muss mit Nadine mal ein ernstes Wörtchen reden. Sie wird doch langsam echt meschugge, dich so in die Kälte gehen zu lassen!" wütete ihre Mutter und sah sich nach dem Telefon um. Aber Michelle schüttelte den Kopf. "Nein, is schon in Ordnung. Is ja nicht ihre Schuld." flüsterte sie knapp, traute sich kaum lauter zu sprechen. Sie fühlte sich ausgelaugt und widerlich. Sie trank einen Schluck vom Kakao und stellte ihn auf den Tisch. Sie hatte keine Lust mehr. Auf gar nichts. Ihre Mutter kam wieder zu ihr und kniete sich vor sie. Sie versuchte ihr ins Gesicht zu sehen, aber Michelle sah etwas zur Seite. "Alles gut mit dir? Ist irgendetwas passiert?" fragte sie und in dem Hals ihrer Tochter bildete sich ein Kloß. Wie gern sie ihrer Mutter alles erzählt hätte, aber sie konnte nicht. Sie würde sie nicht verstehen und für ekelhaft halten. Sie würde allen zustimmen, was für ein schlechter Mensch ihre Tochter wäre und ihr auch sagen, dass sie kindisch war. Sie wollte das alles nicht. Sie sollte noch denken, dass es ihr gut ging. Und sie vielleicht doch nicht ekelhaft war. So schüttelte Michelle den Kopf. "Alles gut. Bin nur müde." meinte sie und ihre Mutter sah sie einige Sekunden misstrauisch an. Dann nickte sie und stand wieder auf. In dem Moment sah Michelle auch Sebastian, der sie vom Esstisch aus ansah. Er sah direkt neben der Schrankwand vorbei, wie sie vor dem Fernseher auf einem Sessel saß und ihre Mutter belog. Er sagte nichts, aber Michelle konnte die tausend Fragen und Vorwürfe durchaus erkennen. Kapitel 19: ------------ Lang wars her und es tut mir auch wirklich leid ^-^' Wer sich nochmal in der Zwischenzeit informieren möchte, der kann immer noch gern bei http://www.facebook.com/pages/Nikushimi/244328399028693 nachschauen. Dort werd ich meistens den Stand aktualisieren ^-^ Und falls ich es mal nicht schaffe zu uppen oder so xD Genug heraus gezögert: Viel Spaß beim Lesen Nikushimi Kapitel 19 Sie traute sich kaum nach Links oder Rechts zu schauen. Ihre Mutter schälte rechts von ihr Kartoffeln und Links saß Sebastian und machte am Esstisch Hausaufgaben. Immer wieder spürte sie die argwöhnischen Blicke auf sich ruhen, was sie langsam in den Wahnsinn trieb. Aber ihre Mutter ließ sie nicht einmal aufstehen, solange ihre Tochter noch blau unterlaufene Lippen hatte. Genervt schlürfte sie an ihrem neuen Kakao, den ihre Mutter vor ein paar Minuten gebracht hatte. "Schlürf nicht so Michelle." tadelte ihre Mutter und Michelle verdrehte die Augen. Seufzend stellte sie den Kakao wieder auf den Tisch und sah ihre Mutter an. "Darf ich jetzt gehen?" Sophia packte den Kartoffelschäler und den Topf zur Seite, hob Michelles Kinn an und besah sie sich. Ihre Mutter nickte widerwillig und ließ ihre Tochter gewähren. Michelle stand auf, nahm sich das Handtuch um ihre Füße zu trocknen und griff sich ihre Schultasche um damit schnell in ihrem Zimmer zu verschwinden. Entnervt knallte sie diesen auch schon in die nächste Ecke und kramte sich ihr Büchlein unterm Bett hervor. Ruppig schmiss sie ihr Bettzeug von der Matratze und warf sich selbst darauf. Der Kugelschreiber schrappte unerträglich laut über das Papier und zerriss es beinahe. Michelle hatte keine Lust mehr. Sie war sauer. Sie war missverstanden. Und sie ging sich selbst auf die Nerven. In einer fließenden Bewegung nahm sie eine Ecke des Büchleins und ließ es auf die Wand zu schnellen. Ein dumpfer Laut und es lag aufgeschlagen da. Michelle beobachtete es teilnahmslos, warte ob es sich vielleicht regte. Sie schrie auf und schmiss sich auf den Rücken rum. Sie hob die Hand und besah sich ihre Unterarme. Der Schorf war nur noch Dekoration, wenn man ihn abkratzte blieb rosarote Haut zurück, die aussah wie bei Neugeborenen. Bevor sie sich wieder die Haut blutig kratzte, die so schön neu aussah, betrachtete sie sich die Narben auf ihren Fingerkuppen. Sie würde immer daran denken müssen. Sie würde sie niemals wieder los werden. Aber auf eine verdrehte Art und Weise, wollte sie es nicht einmal mehr. Jetzt im Moment sahen die Narben so wunderschön und wertvoll aus. Sie würde immer wissen, das diese wunderbaren Narben durch ein Mädchen entstanden, die sich selbst so widerlich und ekelhaft fand, dass sie in einen Spiegel geschlagen hatte. Ein unangenehmes Gefühl brachte sie darauf auf ihren Arm zu sehen, an dem das Blut wieder floss. Sie hatte zu stark gekratzt. Schnell stand sie auf und hastete ins Bad um sich mit einer riesigen Menge Klopapier das Blut vom Arm zu wischen, welches fröhlich vor sich hingeflossen war. Ein Schauer durchfuhr sie und sie drehte sich um. Ihre Mutter stand mit einer Ladung frisch gewaschenen Handtüchern im Bad. Michelle traute sich nicht einmal zu atmen, so scharf sah ihre Mutter sie an. Sie legte die Handtücher zur Seite, nahm Michelle wortlos das Knäul Klopapier aus der Hand und tupfte selbst das Blut damit weg. Das kühle Schweigen ihrer Mutter machte Michelle Angst. Gleich würde sie ihr einen Vortag halten. Sie ausquetschen. Ihr klar machen, dass sie endlich ihren Mund aufmachen sollte und mit ihrem Problemen rausrücken sollte. Aber Sophia sagte gar nichts. Sie nahm einen Waschlappen, machte ihn kurz nass und wusch das getrocknete Blut vorsichtig weg. Michelle sah ihr nicht eine Sekunde in die Augen. Flach atmend lauschte Michelle, wie ihre Mutter den Waschlappen in das Waschbecken warf, sich ihre Hände wusch und dann die Handtücher ins Schränkchen räumte. Sophia würdigte sie keines Blickes mehr und schloss hinter sich die Badezimmertür. Sie sie starrte zur Tür, aber sah sie nicht wirklich. Auf einmal fühlte sie sich so, als ob sie etwas unrechtes getan hätte. Als ob ihre Mutter irgendetwas erwarteten würde, was nicht unbedingt die Darbietung ihres Gedankenhaushaltes war. Ohne darüber nachzudenken ging Michelle die Treppe runter, drückte sich an die Wand neben der Tür und spähte unauffällig hindurch. Sebastian war nicht mehr am Tisch, dass war gut. Sie ging ins Wohnzimmer hinein und schaute auch um die Trennwand, wo ihre Mutter gerade die Sendung zuende schaute. Still ging Michelle um die Wand rum und setzte sich auf das Sofa, was schräg hinter dem Sessel ihrer Mutter stand. Sie besah sich ihre Fingernägel und saß einfach nur da, während Sophia wortlos weiter schaute. Nervös wartete Michelle bis die Sendung zu ende war und rückte dann einen Platz weiter zu ihrer Mutter. Michelle wollte gerade etwas sagen, da blieben ihr die Worte im Hals stecken. Sie wusste nicht einmal was sie jetzt sagen sollte! Und innerlich haute sie sich gerade den Kopf blutig, weil sie keine Sekunde darüber nachgedacht hatte. Sie war wirklich strunzdämlich. "Ich hab dich lieb." Sie sah ihre Mutter nicht an, aber Michelles Worte ließen ihre Mutter sich zu sich umdrehen. Eine Weile sagte ihre Mutter gar nichts, bis sie Michelle an der Schulter antippte um ihr zu deuten, dass sie zu ihr kommen sollte. Ihre Tochter setzte sich auf die Lehne und Sophia nahm ihre Tochter in den Arm. "Ich dich auch. Und deshalb möchte ich, dass du weißt dass du wirklich immer zu mir kommen kannst, Michelle. Egal wie belanglos es dir erscheinen mag. Ich kann dir nicht helfen, wenn du den Mund nicht aufmachst, verstehst du?" Michelle nickte. "Heute wurde ich in der Schule blöd angemacht, weil ich mich mal wieder lauthals über Herrn Jakobs aufgeregt habe..." meinte Michelle und merkte erst jetzt, was sie da gesagt hatte. Sie könnte sich gerade selbst Ohrfeigen, aber Sophia streichelte ihrer Tochter beruhigend durchs Haar. "Lass sie doch alle reden. Die sind nur neidisch, weil sie nicht so ein lautes Organ haben wie du." "Mama!" "Sag ich doch... Wirklich. Du bist gut wie du bist, Michelle. Du solltest stolz darauf sein, dass du deine Meinung frei heraus sagen kannst. Nicht jedes Mädchen hat ein solches Selbstbewusstsein wie du." redete ihr ihre Mutter gut zu und lächelte sie an. Dann wandelte sich das Lächeln in ein süffisantes Grinsen. "Da wir gerade beim Thema sind-" "Welches Thema?" fragte Michelle dazwischen. "Wie läuft es denn so mit 'Gecko'?" Sie starrte ihre Mutter von der Lehne herab an und wurde knallrot. "Wie kannst du mich so etwas fragen?!" japste sie auf, ergriff aber nicht die Flucht. "Natürlich mit meinem Mund, ist doch klar. Ist er nett zu dir? Er wirkte sehr nett auf mich, aber ist er es immer noch?" Ihre Mutter driftete in ein halbes Selbstgespräch ab, was Michelle nur belächelte. "Ja, er ist noch nett. Und wird er wahrscheinlich auch immer bleiben. Mach dir darüber mal keine Sorgen." Sophia streichelte ihrer Tochter einmal sachte durchs Haar. "Ich freue mich darüber, wenn du mit mir redest, Michelle. Das macht mich wirklich glücklich." Michelle wurde rot und nickte. Leise schloss er die Haustür auf und winkte nochmal dem Auto in der Ausfahrt zu. Er fühlte sich wie ein Schwerverbrecher, als er so leise wie er konnte, versuchte ins Haus zu gelangen. Er schloss die Tür wieder hinter sich, zog seine Schuhe und Jacke leise aus um diese dann weg zu stellen. Er schaffte es, lautlos bis zum Treppenansatz zu kommen, als das Flurlicht anging. "Antanzen, Freundchen." Die Stimme seines Vaters ließ Robin erstarren und dann genervt die Schultern hängen lassen. Er tat wie ihm Befohlen, schleifte seine Schultasche hinter sich her und setzte sich aufs Sofa ins Wohnzimmer. Seine Mutter saß in ihrem Stammsessel und sein Vater setzte sich neben ihn aufs Sofa, legte die Füße auf den Tisch, nahm sie aber gleich wieder runter bei dem Blick seiner Frau. "Weißt du warum du hier sitzt?" fragte seine Mutter, die ihn auch eingehend betrachtete. Da sollte Michelle noch einmal behaupten sie wäre nicht streng. Sie erlebte es nur nie. Aber er nickte. Als dann einige Sekunden später nichts kam, antwortete er ihr. "Weil es schon nach Dreiundzwanzig Uhr ist." "Und wann wolltest du Zuhause sein?" fragte Sophia gnadenlos weiter. "Um Zweiundzwanzig Uhr." "Und wie oft bist du nun zu spät nach Hause gekommen?" fragte sie, lehnte sich etwas in ihrem Sitz zurück. Robin zuckte zusammen und sah wie ein geschlagener Hund zu seiner Mutter. "Das dritte Mal." "Und wo liegt da der Fehler, junger Mann?" "Das man sich nicht mehr hundertprozentig auf mich verlassen kann." Robin ließ den Kopf hängen und puhlte an seinen Fingernägeln herum. Er gab es ja zu, dass seine Mutter verdammt oft ein Auge zudrückte, aber das so eine Art Verhör nötig war, bezweifelte er. "Und wenn du das Alles weißt, kannst du mir dann auch verraten, warum du zu spät kommst?" Sein Vater sah ihn mehr oder weniger unbeteiligt von der Seite an, als er diese Frage stellte. Die Beiden glaubten wohl seit längerer Zeit nicht mehr an die Wirkung von 'Guter Bulle, Böser Bulle'. Robin machte den Mund auf, konnte aber keine wirkliche Erklärung finden. "Weiß ich nicht." meinte er deshalb ehrlich, sah aber zur Seite weg. Gott, er fühlte sich wie ein kleines Kind. Sophia seufzte und rieb sich einmal durchs Gesicht. Sie sah ihn einige Zeit mit dem Kopf auf ihren Händen gestützt an, dann stand sie auf. "Es würde mir reichen, dass wenn du weißt dass du es nicht mehr Pünktlich schaffst, wenigstens Anrufst. Ich habe nämlich genauso wenig Lust irgendwann eine Straßengrabenleiche als deine zu identifizieren, weil ich nicht wusste wo du bist oder was du gemacht hast." Sie blieb stehen, nachdem sie Anstalten gemacht hatte das Wohnzimmer zu verlassen, dieses Gespräch als beendet zu erklären. Sie drehte sich noch einmal um. "Was sagt eigentlich Pascals Mutter dazu? Immerhin fährt sie dich doch immer nach Hause, oder?" Robin riss die Augen auf. Pascals Mutter war der Traum jedes Sohnes. Sie fragte nicht, tat alles was man wollte und störte nicht, wenn sie nicht sollte. Wenn Robin und Pascal beschlossen, dass er jetzt nach Hause könnte, dann ging er zwei Minuten nach unten und kam mit der Nachricht wieder hoch, dass Robin sich anziehen sollte. Seine Mutter war wie ein abgerichtetes Hündchen, hatte Robin das Gefühl. Aber so wie es sich anhörte, war seine Mutter zwanghaft so. Pascal hatte es 'Übermutter' genannt. "Sie drängelt immer, aber wenn wir so trödeln, kann sie ja auch nichts dafür." log er. Er wusste nicht inwieweit er das erzählen durfte. Immerhin war das ja verdammt privat, da würde er sich hüten einfach so rum zu plappern. Seine Mutter nickte und ging aus dem Wohnzimmer. "Hast du Schwein gehabt..." meinte sein Vater und strich sich seine schulterlangen Haare zurück. Robin nickte nur, nahm seine Schultasche die er neben sich liegen gelassen hatte und ging leise hoch. Als er an Michelles Zimmer vorbei kam, lauschte er einmal an der Tür, hörte aber nichts außer dem Fernseher. Er wusste nicht genau was er erwartet hätte, aber es machte ihn auf eine seltsame Art und Weise froh, dass er nur den Fernseher hörte. Obwohl er gern angeklopft und etwas Smalltalk betrieben hätte. Als er ins sein Zimmer ging, wunderte er sich nicht wirklich, dass das Licht und der Fernseher schon aus war. Das Flurlicht erhellte das Schlafsofa von Sebastian, der auch bis zum Kinn in seine Decke eingewickelt war und vermutlich schlief. Robin schlich sich bis zu seinem Nachtisch, an der er seine Leselampe befestigt hatte und schaltete diese an, ging zurück zur Tür und schloss diese. "Bist du noch wach?" fragte er leise ins Halbdunkel in dem Sebastian lag. Seine Atmung war immer noch gleichermaßen regelmäßig, sodass Robin seufzte. Er wusste das Sebastian sauer auf ihn sein würde. Das er wahrscheinlich schon längst war. Innerlich sprach er sich Mut zu, dass es nicht mehr lange dauern würde und er Sebastian Alles erzählen konnte, während er sich umzog. Sebastian und er waren schon ewig befreundet, durch Dick und Dünn gegangen. Auch wenn das nicht Robins bester Plan war, wusste er, dass Sebastian nicht einfach diese Freundschaft canceln würde. Er sah auf Sebastians Rücken, der sich durchs Atmen hob und senkte. Es tat ihm Leid, dass er ihn einfach so ins kalte Wasser der Selbstständigkeit schmiss, nur damit er selbst seine eigene Selbstständigkeit erweitern konnte. Er schnaubte. Er war ein beschissener bester Freund. »Dank dir bin ich halbtot Zuhause angekommen. Mama wollte dir schon den Arsch aufreißen.« »Hätte sie eh nicht, sie liebt mich dafür viel zu sehr. « »Das glaubst nur du. So wie die aussah... Ich habe sogar ein Fußbad bekommen, weil meine Zehen schon blau-lila gewesen sind.« »Nu stell dich mal nicht so an. Ist doch nur etwas Kälte gewesen...« »Wegen dem Nachsitzen musste ich eine Std an der Busse warten.« »Du hast den Bus nicht bekommen? o.O« »Schreib ich Chinesisch?« »Oh, Süße, das tut mir jetzt wirklich Leid! D': « »Ich hoffe für dich das das kein Sarkasmus is...« »Der Smiley soll ausdrücken dass es mir wirklich Leid tut... D: « »...« Michelle schob ihr Handy wieder unter das Kissen. Sie konnte nicht wirklich viel mit den Smilies anfangen, aber einige erkannte sie dank Nadine zumindest. Sie zog ihre laufende Nase hoch und sah zum Fernseher. Sie zappte durch die Kanäle, als sie sich das Hartz-IV-TV nicht mehr ansehen konnte und endete irgendwann bei einem Musiksender. Besser als gar nichts. Sie wartete darauf, das Nadine noch irgendetwas zu melden hatte, aber es kam auch zehn Minuten später nichts mehr. Unzufrieden grummelte sie auf und rollte sich auf die Bauchlage. Die Hausaufgaben hatte sie schon gemacht, das Gespräch mit ihrer Mutter hatte sie auch verkraftet. Ihre Mutter... Michelle seufzte, krallte nach ihrem Kopfkissen und biss hinein. Sie wusste das sie in ihren Pflichten als Mutter Voll und Ganz aufging, wenn man sie ließ. Nichts freute sie mehr als das. Außer natürlich Ehefrau zu sein, wie sie es immer so schön betonte. Bei der Erinnerung des Blickes den ihre Mutter ihrem Ehemann dabei zugeworfen hatte schüttelte es Michelle. Sowas wollte man bei aller Liebe nicht von seinen Eltern zusehen bekommen. Das Summen ihres Handys ließ sie wieder das Kissen vom Gesicht nehmen. Als es erneut summte, bemerkte Michelle, das es ein Anruf war. Sie sah auf den Namen und ihr Gesicht erhellte sich. "Hi." "Hi. Wie gehts dir?" fragte Kevins Stimme träge von der anderen Seite. "Naja, ich lebe noch und dir?" fragte sie ebenfalls. "Joa. Muss, ne?" Kurzes Schweigen. Längeres Schweigen. Stille. Michelle wartete auf irgendeinen Grund von Kevin, weshalb er angerufen hatte, aber es kam einfach nichts. "Sonst noch... irgendwas?" fragte sie belustigt. "... Eigentlich nicht." "Also hast du nur angerufen um zu fragen wies mir geht?" fragte sie und strich ihr Kopfkissen glatt. "Und um deine Stimme hören zu können." Michelles Augen weiteten sich und ihre Hand krallte sich in ihre Kopfkissen. "W-was?!" quietschte sie erschrocken. Kevin lachte am anderen Ende. Sie fand das nicht so amüsant wie er, aber ein Lächeln ließ sich nicht zurückhalten. "Sag doch nicht einfach sowas! Das- Das is echt peinlich!" Das Lachen wandelte sich in ein Glucksen und dann konnte Kevin wieder sprechen. "Ich sage nur das, was ich auch so meine." Einige Sekunden der Stille kam wieder über die Beiden. "Du sag mal, warum hörst du dich eigentlich so müde an?" fragte Michelle, wollte nicht weiter auf das Thema eingehen, weil sie echt nicht wusste, was man darauf antworten sollte. Ein stutzendes Geräusch erklang. "Wa-? Warum ich so müde klinge? Ich bin müde. Vielleicht liegt es daran, eure Tiefwohlgeboren." Man hörte sein Schmunzeln. Michelle murrte. "Und warum rufst du dann noch an und schläfst nicht einfach ein? Immerhin ist es gleich nach Zwölf. Da fällt mir auch auf, wie unhöflich du eigentlich bist um diese Uhrzeit noch anzurufen. Is Zweiundzwanzig Uhr nicht irgendwie die goldene Grenze? Was würde nur dein Opa dazu sagen? Der würde dir bestimmt den Arschvoll deines Lebens verpassen. Sag mal, wie lange hat der eigentlich noch vor Lehrer zu sein, wenn wir schon bei dem Thema sind? Ich hoffe nicht allzulang-" "Luft holen, bitte." Das brachte Michelle vollkommen aus ihrem Redefluss und schwieg deshalb. Kevin dagegen lachte einmal kurz auf. "Ich konnte nicht schlafen, ohne dich zu fragen. Immerhin hattest du heute ja kaum was an, oder?" fragte er. "Na komm, als ob dich das gestört hätte...!" platzte es ihr beiläufig heraus, als sie den Sender änderte. Geschockt lauschte sie was am anderen Ende passierte. "Um ehrlich zu sein: Ja, dein Anblick hat mich kein bisschen gestört. Im Gegenteil: Der hat mir sogar richtig gefallen." Sie überhörte nicht den bedenklichen Unterton. Er machte sich also wirklich Gedanken darüber, wie er etwas in ihrer Gegenwart ausdrückte... "W-wirklich?" fragte sie jetzt. "Natürlich, sonst würd eich es ja nicht sagen, oder? Da freut man so richtig auf den Sommer!" er klang wie ein Schuljunge, dem man versprochen hatte, das er vor dem Essen noch ein Eis bekam. Michelles Herz klopfte schlagartig schneller und sie fühlte sich leicht wie eine Feder. "Ähm... meinst du wir könnten Morgen mal unter vier Augen miteinander reden?" fragte er jetzt etwas ernster, nachdem der letzte Moment aus Schweigen bestand. Verdutzt nickte Michelle, bis ihr bewusst wurde, das er es überhaupt nicht sehen konnte. "Klar. Über was denn?" "Wenn ich es dir jetzt schon sagen würde, wäre das Gespräch Morgen doch nutzlos, oder nicht?" Das leuchtete Michelle ein. "Stimmt auffallend. Okay. Nun gut, komm Morgen einfach in meine Klasse oder so. Zeit habe ich ja irgendwie immer." "Gut, mach ich." bestätigte Kevin, dann machte er einen Laut, als ob er was sagen wollte, verstummte dann aber wieder. "Huh?" fragte Michelle hingegen nicht viel geistreicher. "Gute Nacht?" es war eine Frage, was Michelle zum grinsen brachte. "Ja, gute Nacht. Schlaf gut und träum schön." meinte sie und ihr Finger wanderte schon zum Aus-Knopf. "Da hätte ich noch schnell ne Frage...!" sagte er noch hastig. "Die wäre?" "Um schön träumen zu können bräuchte ich noch eine Information..." "...." Michelle wartete. "Trägst du im Sommer Bikinis?" Sie hoffte, dass das Tuten des beendeten Anrufes ihn erschreckte und er sich wirklich schämte diese Frage gestellt zu haben. Sowas konnte man doch nicht einfach so fragen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)