Jahr um Jahr dasselbe Spiel von Alaiya ([Persona 4] Kanji X Naoto) ================================================================================ Kapitel 3: Der dritte Versuch ----------------------------- Tatsumi Kanji war kein „Schlägertyp“ mehr, wenn auch ein Schulschwänzer. Tatsumi Kanji war jemand, über den kaum noch wer sprach in Inaba, und wenn man die Leute fragte, so würden sie einem höchstens sagen, dass es der Sohn von den Inhabern des Tatsumi Textilgeschäftes war. Nun, und eventuell sagte man noch etwas über die blondierten Haare und die Piercings, doch ansonsten gab es nicht viel zu erzählen über Tatsumi Kanji, der seinen Eltern oftmals im Laden aushalf. Noch immer hatte Tatsumi Kanji Geheimnisse, doch fühlte er immer mehr, dass es niemanden gab, mit denen er diese teilen konnte. Denn es war ruhig geworden in Inaba. Ruhig und nun wirklich furchtbar einsam. Von der einstigen Gruppe, die mit ihren Personas die Schatten auf der anderen Seite des Fernsehers besiegt hatten, war nur noch Kanji übrig. Kanji und Kuma, wenn man ihn mitzählte, denn der Bär besuchte diese Seite doch immer wieder. Um Kanji zu nerven, um mit Mädchen zu flirten und um mit Nanako zu spielen. Doch ansonsten...? Yu hatte den kleinen Ort das letzte Mal während der Sommerferien besucht – für Nanako. Yosuke und Chie studierten in Okina auf einer drittklassigen Universität. Und obwohl die Stadt eigentlich nicht all zu weit von Inaba entfernt war, kamen sie nur noch selten zu Besuch. Yukiko selbst studierte in Kyoto, auf einer Universität für Hotelmanagement und Ästhetik. Sie war noch seltener gesehen. Rise oder besser Risette hatte letztens sogar eine kleine Welttournee gemacht. Selbst wenn sie in ihren Heimatort zurückkam, war es schwer mit ihr zu reden. Und selbst Naoto war gegangen. Sie besuchte für das letzte Jahr eine Schule in Yagakoro, nachdem dort einige Jugendliche, darunter offenbar einer ihrer Kindheitsfreunde, verschwunden waren. Damals, als Yu Inaba verlassen hatte, hatte Kuma gesagt, dass es egal wäre wo sie seien, denn immerhin gab es das Band ihrer Herzen, das sie verband. Doch mittlerweile fragte sich Kanji, ob dieses Band nicht schon gerissen war – wenn es überhaupt existiert hatte. Vielleicht lag es daran, dass Kanji niemals enge Freunde gehabt hatte, doch langsam fragte er sich, ob das einzige, was sie verbunden hatte, wirklich die Mission gewesen war andere zu retten. Und beinahe wünschte er sich, dass wieder etwas in Inaba passieren würde – auch wenn er wusste, dass es egoistisch war. Das Ende des Schuljahrs näherte sich und die letzten Prüfungen waren schon geschrieben. Viele von Kanjis Mitschülern nutzten die Zeit, um am Wochenende wegzufahren, während andere sich auf ihre Aufnahmeprüfungen vorbereiteten. Kanji schwänzte die meisten Tage die Schule. Er wusste nicht, was er nun machen sollte. Natürlich wurde auch von ihm erwartet, dass er studieren würde. Doch wenn er darüber nachdachte, wusste er nicht wirklich was. Natürlich könnte er eine Kurzuni besuchen oder Hauswirtschaft studieren. Natürlich gab es auch diverse Studiengänge, die sich mit Textilkunde oder anderen Handarbeiten beschäftigten. Aber es schreckte ihn ab, dass er in diesen Studiengängen wahrscheinlich doch zu der männlichen Minderheit gehören würde. Und was würden die anderen dazu sagen? Ja, auch wenn er es selbst nicht erkannte, war er zumindest was sein Denken anging sehr in alte Muster zurückgefallen. Nur, dass er die Wut, die sich dadurch anstaute, nicht mehr an anderen ausließ, sondern in sich selbst hineinfraß. Immerhin war auch er selbst die Person, für die er die meiste Wut empfand. Der 14. März kam und ging, und der Anhänger, den er einst für Naoto gemacht hatte, lag in der Schublade von Kanjis Schreibtisch. Nur noch wenige Tage war das Schuljahrsende entfernt und es regnete einmal wieder in Inaba, als es an der Tür der Familie Tatsumi schellte. Kanji war allein im Haus, da seine Mutter vorne im Geschäft arbeitete. So stand er etwas grummelig vom Fernseher auf und ging zur Tür, um zu öffnen, beinahe davon ausgehend, dass es eine Zustellung war. Stattdessen grinsten ihm Kuma und Nanako entgegen. Wäre nicht Nanako dabei gewesen – Kanji hätte Kuma die Tür ins Gesicht geschlagen. Doch da die mittlerweile Neunjährige kaum etwas dafür konnte, dass einem der vermeintliche Schönling, der natürlich nicht im Geringsten gealtert war, den letzten Nerv raubte, tat er es nicht. „Hallo, Kanji“, flötete Kuma, der immer unhöflicher zu werden schien, während sich Nanako förmlich verbeugte. „Hallo, Tatsumi-san.“ „Dürfen wir reinkommen, kuma?“ Dabei wartete Kuma nicht einmal auf eine Antwort, sondern ging einfach an Kanji vorbei, zog sich die Schuhe aus und marschierte ins Wohnzimmer. Kanji verdrehte die Augen. „Von mir aus“, murmelte er. „Vielen Dank“, erwiderte Nanako, die ganz im Gegensatz zu ihrer Begleitung gut erzogen war, zog sich ihre Schuhe aus und stellte ihren Regenschirm ordentlich gegen die Wand. Während er die Tür schloss, seufzte Kanji. „Was macht ihr hier?“ „Och, kuma, ich passe auf Nanako-chan auf, und wir waren gerade etwas einkaufen... Aber da ich kein Geld habe, dachte ich, du könntest uns ja was zu essen machen“, meinte Kuma und setzte sich gemütlich auf das Sofa im Wohnzimmer des kleinen Hauses. Ja, jetzt kann man ja nicht mehr auf Yosukes Kosten essen, hmm?, dachte sich Kanji, aber schluckte auch diese Worte herunter, denn auch für dieses Verhalten konnte Nanako ja nichts. „Wir haben nicht viel im Haus“, murmelte er nur. „Das macht nichts, Tatsumi-san“, erwiderte Nanako brav. „Es muss auch nicht sein. Ich habe keinen Hunger.“ Erneutes Seufzen. „Du bist ein liebes Mädchen, Nanako-chan“, murmelte Kanji gerührt. „Ich schau mal, was ich machen kann.“ Etwas später also briet er den Rest des Reis, der noch vom Frühstück übrig war, mit Ei, Fleisch und ein wenig Gemüse an, während im Wohnzimmer der Fernseher lief. Erst als er mit drei Tellern ins Wohnzimmer zurückkam, bemerkte er, dass einzig Nanako vor dem Fernseher saß. „Wo ist Kuma?“, fragte er. Nanako sah ihn an. „Vielleicht ist er auf die Toilette gegangen.“ Kanji runzelte die Stirn. Ging Kuma überhaupt auf die Toilette? Irgendwas erschien ihm seltsam, und als er vom Obergeschoss des Hauses ein Scheppern hörte, wusste er auch was es war. Er rannte die hölzerne Treppe hinauf und sah, dass die Tür zu seinem Zimmer offen stand und Kuma dort auf dem Boden saß, auf dem auch ein Teil von Kanjis Pinseln und Modellierwerkzeugen verteilt lag. „Was macht du in meinem Zimmer, blöder Bär?“, rief er aus. Kuma versuchte sich einmal wieder an einem unschuldigen, möglichst mitleidserregenden Blick, der bisher aber nur bei Frauen mittleren Alters gewirkt hatte, jedoch nicht bei Kanji. Dieser packte ihn am Kragen und warf ihn aus dem Zimmer, ehe er die Tür seines Zimmers zuknallte. Dann griff er nach dem Handgelenk des vermeintlichen Jungen und zerrte ihn – ungeachtet seines zappelnden Protestes – die Treppe hinunter. Auf der Hälfte des Weges blieb er stehen. „Hör zu, ich schmeiße dich Nervensäge nur nicht raus, weil Nanako-chan dabei ist, aber wenn du noch einmal meine Sachen anfasst, kannst du was erleben!“ „Entschuldige, kuma“, murmelte Kuma mit jammernden Tonfall. „Ich hab es ja nicht so gemeint.“ „Ja, sicher“, erwiderte Kanji und zerrte ihn den Rest der Treppe hinab. „Nervender Bär.“ Die Ferien begannen schließlich, und Kanji wusste, dass er eigentlich schon zu spät dran war, sich für eine Aufnahmeprüfung anzumelden. Er war noch immer unentschlossen. Die meisten Tage verbrachte er aktuell, wenn er nicht seiner Mutter half, damit, dass er in seinem Zimmer herumsaß oder gelangweilt die Einkaufsstraße rauf und runter ging. Zumindest – als kleiner Lichtblick – hatte er schon seit mehreren Tagen nichts mehr von Kuma gesehen oder gehört. An einem der nun endlich sonnigen Tage saß Kanji einmal wieder in Aiyas und aß ganz normalen Ramen (der im Gegensatz zum Regenspezial zumindest bezahlbar war), da er keine Lust gehabt hatte zu kochen. Es war Mittag und leer im kleinen Restaurant, was dazu führte, dass er sich permanent von der scheinbar gelangweilten Aika beobachtet fühlte, während er seine Schüssel leerte. Da wurde die hölzerne Tür zum Laden aufgeschoben. „Herzlich Willkommen“, rief Aika aus und verbeugte sich. „Hallo“, erwiderte der Neuankömmling und setzte sich neben Kanji an die Tresen. Dieser brauchte etwas, um die Stimme richtig zuzuordnen, doch als er aufsah, verschluckte er sich fast ein einer Nudel und begann zu husten. „Lange nicht gesehen“, meinte Naoto ruhig und warf ihm einen Seitenblick zu. „Du...“, war das einzige, was Kanji hervorbrachte. „Ich wollte mich für den Anhänger bedanken“, fuhr sie fort und holte ihr Handy hervor, an dem tatsächlich sein blauer Bärenanhänger hing. Der junge Mann starrte noch mehr, denn er hatte nicht einmal bemerkt, dass der Anhänger aus seiner Schreibtischschublade verschwunden war. „Ich find ihn süß“, meinte sie weiter und lächelte. Er schwieg und sah sie an. Mittlerweile hatte Naoto ziemlich lange Haare, auch wenn sie noch immer Hosen, Hemd und Krawatte trug. „Wusstest du, dass Kuma auch aus anderen Fernsehern kommen kann?“, fragte sie. „Ich nämlich nicht. Auch wenn es eigentlich logisch ist. Ich mein, wir können ja auch andere Fernseher nutzen, um zur anderen Seite zu kommen.“ Hatte Kuma etwa...?! „Wie... Wie ist der Fall in Yagakoro gelaufen?“, erkundigte er sich schließlich und wandte sich dabei bemüht gleichgültig seinem Ramen wieder zu. „Gut“, antwortete sie. „Es sind nur wieder einige seltsame Dinge passiert...“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann es euch morgen erzählen.“ „Morgen?“ Verwirrt sah er auf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kuma es dir nicht erzählt hat“, stellte sie fest. „Was?“ „Narukami-kun kommt morgen und bleibt für eine Woche bei Dojima“, sagte sie. „Deswegen bin ich doch auch hier.“ Kanji schwieg. Tatsächlich konnte er sich nicht vorstellen, dass Kuma ihm davon nichts erzählt hatte, zumal er sich normalerweise die Lippen fusselig redete, was alles, das seinen „Sensei“ betraf, anging. Dies brachte ihn unumgänglich zu der Annahme, dass es irgendwie geplant war. Kuma hatte in seinem Zimmer den Anhänger gesucht und er hatte es (irgendwie) geschafft, ihm etwas zu verheimlichen. Und wahrscheinlich wusste auch Nanako davon. Doch es blieb die Frage, wessen Idee es war – denn er war sich sicher, dass es nicht Kumas war. Während sie bestellte, war Naoto Kanji immer wieder Seitenblicke zu. „Weißt du“, meinte sie schließlich. „Du bist irgendwie schon ein seltsamer Kerl. Aber eigentlich bist du recht nett. Und, uhm, ja...“ Sie schwieg kurz. „Danke für den Anhänger. Du kommst doch morgen, oder?“, setzte sie dann noch hinterher. „Klar“, meinte er nur aus dem Mundwinkel und wagte es kaum sie anzusehen. Aika servierte Naoto ihren Ramen, und die junge Detektivin begann zu essen, während Kanji mit hochrotem Kopf neben ihr saß. Jetzt hatte sie schon seinen Anhänger und er brachte noch immer kein Wort hervor. Jetzt sag schon was! Jetzt sag, rief eine Stimme in seinem Kopf, aber er brachte kein Wort hervor, sondern saß nur schweigend neben ihr, während sie aß. Schließlich hatte sie aufgegessen und stand auf. „Wir sehen uns morgen?“, fragte sie, nachdem sie bezahlt hatte. „Ja“, antwortete er und hätte sich am liebsten geohrfeigt. Schließlich, gerade als Naoto die Tür erreicht hatte, stand er auf einmal auf. „Shirogane-san“, begann er kleinlaut und verstummte dann wieder. Überrascht drehte sie sich um. Er schluckte. „Naoto“, fuhr er schließlich fort. „Ich...“ Sein Blick glitt wieder zu Boden. „Also ich...“ „Was?“, fragte sie, als er wieder haderte. „Also, was ich dir schon länger sagen wollte“, brachte er schließlich – wenn auch vielleicht etwas zu schnell hervor. „Ich... Ich...“ Er stotterte. „Ich mag dich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)