Jahr um Jahr dasselbe Spiel von Alaiya ([Persona 4] Kanji X Naoto) ================================================================================ Kapitel 2: Der zweite Versuch ----------------------------- Es war kaum zu glauben, doch es war ruhig geworden in Inaba. Vielleicht bemerkten es die normalen Leute nicht, denn alles, was sie von den Ereignissen im Jahr zuvor mitbekommen hatten, waren drei Todesfälle und das Verschwinden mehrerer Jugendlicher, doch für Tatsumi Kanji und seine Freunde war die neue Ruhe nur allzu gegenwärtig. Es war friedlich geworden in Inaba, friedlich, ruhig und nahezu langweilig. Und nun wo Yu zurück bei seinen Eltern war, die Welt im Fernseher schön und idyllisch, und für Yukiko, Yosuke und Chie die letzten Prüfungen an der Senior High anfingen, wurde es still in der Gruppe. Es war vorherzusehen gewesen, dachte sich Kanji. Natürlich war es das. Denn wirklich, was hatte sie verbunden, wenn nicht die Freundschaft zu Yu und die Mission, die Leute aus der Schattenwelt zu retten? Sie hatten kaum gemeinsame Interessen, hatten kaum etwas worüber sie reden konnten, und letzten Endes hatten die drei, die nun die Abschlussklasse besuchten, auch genug damit zu tun, sich auf eventuelle Aufnahmeprüfungen der Universitäten vorzubereiten (etwas, worunter gerade Yosuke, der sich ständig darüber beklagte, dass sein Kopf nicht zum Lernen, sondern zum gut Aussehen gedacht war, litt). Und vielleicht war es auch gut, dass wieder Alltag einkehrte, dachte sich Kanji. Doch trotzdem konnte er sich nicht helfen. Es war langweilig geworden. Langweilig und auch irgendwie ein bisschen einsam. Rise trat nun wieder als Risette auf und war nur selten in Inaba zu sehen. Und Naoto... Nun, zumindest ging Naoto noch zur Schule, aber allein in diesem Jahr hatte sie zwei Fälle – einen in Tokyo und einen in Nagoya – verfolgt und erfolgreich gelöst. Doch tatsächlich war sie fast diejenige aus der ehemaligen Gruppe, mit der Kanji am meisten Kontakt hatte, auch wenn sich wenig daran geändert hatte, dass er nervös wurde und oftmals kein Wort über die Lippen bekam. Nun gut, natürlich gab es auch noch Kuma, der, wie sie schon beim Abschied von Yu voraus gesagt hatte, beinahe jeden Tag aus dem Fernseher in Junes kam und noch immer eine Menge Mitteilungsbedarf hatte. Zumal es eine Frage gab, mit der er sie regelmäßig bedrängte. „Gibt es was Neues von Sensei, kuma?“ Erwartungsvoll sah der zierliche blonde Junge Kanji an, welcher beinahe einen Herzinfarkt erlitten hatte, als der andere aus dem Fernseher neben ihm gesprungen war. Er war mitten in der Elektroabteilung von Junes, und nach wie vor schienen die normalen Menschen nicht zu bemerken, wenn jemand in den Fernseher verschwand oder aus eben diesem hervorsprang. „Nichts“, grummelte Kanji. „Musst du das jedes Mal fragen?“ „Aber, kuma, ich vermisse meinen Sensei doch so sehr“, seufzte der zierliche Junge melodramatisch. „Ob er seinen Kuma vergessen hat?“ Auch Kanji seufzte, jedoch eher genervt als dramatisch, und ging einfach weiter. Natürlich konnte man Kuma nicht einfach so stehen lassen. Er kam ihm hinterher gerannt. „Jetzt warte doch auf mich, kuma!“, rief er aus. „Du nervst“, schnauzte Kanji ihn an. „Du bist gemein, kuma“, jammerte er, ließ sich dadurch aber nicht davon abhalten ihm zu folgen. „Na und?“ Kanji bemühte sich, sich nicht nach Kuma umzudrehen. „Ich muss noch was tun. Ich kaufe für meine Mutter ein.“ „Oh, dann helfe ich dir, kuma!“, bot der vermeintliche Bär sofort an und plapperte munter – nun, eigentlich eher traurig – weiter, während sie sich auf den Weg zum Lebensmittelmarkt in Junes machten: „In letzter Zeit schaut ihr so wenig vorbei, kuma. Kuma denkt schon, dass ihr ihn vergessen habt. Aber auf der anderen Seite ist alles in Ordnung, kuma. Wie geht es eigentlich Chie-chan und Yukiko-chan und Naoto-chan? Ob sie Kuma wohl vermissen, kuma? Und Rise-chan hat Kuma schon so lange nicht mehr gesehen...“ Leider waren sie nun zu weit von der Elektroabteilung entfernt, um den Bären zurück in den Fernseher zu schmeißen, und so kam es, dass neben „kuma“ die häufigsten Wörter, die Kanji in der nächsten halben Stunde hörte, „Chie-chan“, „Yukiko-chan“, „Naoto-chan“ und natürlich „Rise-chan“ waren. Als sie Junes schließlich verließen, regnete es – mal wieder. Und Kanji fand es auf einmal wesentlich weniger schade, dass sie einander seltener sahen. Er selbst hatte zwei Einkaufstüten für zu Hause dabei, während auch Kuma eine kleinere Tüte begeistert (nun war er wirklich begeistert) neben sich her schwingen ließ. „Hey!“, hörten sie, gerade als sie das Kaufhaus verließen, eine bekannte Stimme und sahen Yosuke, der von der Imbissbude vor Junes auf sie zugelaufen kam. „Yosuke-san!“, begrüßte Kuma ihn freudig. „Gibt es etwas Neues von Sensei?“ „Nicht seit gestern“, erwiderte Yosuke wesentlich weniger genervt, als Kanji zuvor. „Und, kuma, weißt du, wo Yukiko-chan, Chie-chan und Naoto-chan sind?“, fragte Kuma weiter. „Ich muss ihnen dass hier geben!“ Er hielt das Tütchen hoch. „Was ist das denn?“, erkundigte sich Yosuke. „Schokolade, kuma!“ Yosuke grinste. „Aha, ein White Day Present?“ Er sah zu Kanji. „Hast du ihm etwas Geld gegeben?“ Der Angesprochene grummelte nur, „Soweit kommt es noch“, während Kuma fröhlich die Frage beantwortete: „Kuma hat es auf deinen Namen gekauft, kuma!“ „Das ist nicht fair!“, rief Yosuke sofort aus. „Ich komm aktuell eh kaum zum arbeiten, wegen der ganzen Lernerei! Wenn du dir was leisten willst, geh selbst wieder arbeiten. Du bist ja zumindest als Maskottchen zu gebrauchen.“ „Nö“, antwortete der vermeintliche Jüngling. „Kuma hat doch schon einen Job! Kuma passt auf die andere Seite auf, kuma, jawohl!“ Kurz schien es, als würde Yosuke etwas erwidern wollen, doch dann seufzte er nur und hielt seinen Schirm nun so, dass zumindest Kanji drunter stehen konnte. „Ich bin fertig“, stellte er fest. „Lasst uns zu Aiyas gehen. Ich hab Hunger und in zwei Stunden hab ich Nachhilfe.“ „Aber, ich...“, begann Kanji und wollte eigentlich sagen, dass er die Einkäufe ja nach Hause bringen musste. Doch dann überlegte er es sich anders. Yosuke sah wirklich geschafft aus, beinahe (aber nur beinahe) bemitleidenswert. Und immerhin hatte er selbst noch nichts gegessen, als konnte es vielleicht nicht schaden, zumal das Aiyas nur ein paar Häuser von dem Haus seiner Familie entfernt war. Eine Entscheidung, die er bald bereuen würde. Als sie in Aiyas saßen und Aika ihnen an den Tresen das Regentagsspezialmenü servierte (Kuma aß wieder auf Yosukes Kosten) war es nun am „Prinz von Junes“ zu jammern. „Man, das ganze lernen macht mich fertig“, murmelte er. „Mein Kopf ist einfach nicht dafür gemacht. Da bleibt einfach nichts hängen.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich sag es dir, es ist einfach nicht meine Bestimmung auf die Universität zu gehen...“ Er seufzte. „Davon will nur mein Dad nichts hören“, setzte er dann murmelnd hinterher. Er widmete sich der Schüssel mit Fleisch und schwieg so zumindest für einige Minuten, während auch Kanji es ihm gleichtat und etwas aß – ohne große Hoffnung jemals zum Grund der Schüssel vorzudringen. Wenn er so darüber nachdachte, was es schon beinahe Verschwendung. Allein der Gedanke daran, wie viele – vor allem Schüler – sich immer wieder an dem Spezialmenü probierten und scheiterten, und wie viel Fleisch demnach weggeschmissen wurde. Wobei... Vielleicht verwendeten sie das Fleisch auch wieder... Er sah zu Aika, die ihnen stumm und mit ihrem üblichen ausdruckslosen Gesicht beim Essen zusah. Ein unappetitlicher Gedanke. Er versuchte an etwas anderes zu denken und aß weiter – nicht zuletzt in der recht unrealistischen Hoffnung, sich 3000 Yen so sparen zu können. „Man“, rief Yosuke nach einer Weile – seine Schüssel war kaum leerer als vorher, zumindest schien es so – und rieb sich den Bauch. „Ich frag mich ernsthaft, wie Yu das geschafft hat!“ Kanji zuckte mit den Schultern. „Sensei war halt etwas Besonderes, kuma“, stellte Kuma fest, der schon vor einigen Minuten aufgegeben hatte und nun – neben Kanji – saß und den Kopf auf den Tisch gebettet hatte. „Ja, man, mit einem besonderen Magen“, meinte Yosuke. „Aber es ist wirklich unmöglich“, murmelte Kanji. Der Ältere nickte zustimmend und seufzte. Dann setzte er auf einmal einen gekünstelt ernsten Blick auf. „Aber mal was anderes, Kanji“, meinte er auf einmal. „So zwischen uns Männern: Wir läuft es zwischen dir und Naoto?“ Kanji sah ihn entgeistert an. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Ach, komm schon“, erwiderte Yosuke. „Du weißt, dass wir alle wissen, dass du auf sie stehst.“ „Alle bis auf Naoto selbst“, stimmte Kuma fröhlich zu. Kanji wich Yosukes Blick aus und wurde unfreiwillig rot. „Das ist doch Blödsinn“, meinte er schnell. „Ich mein, sie ist eine tolle Freundin und eine gute Detektivin und...“ Sieht auch irgendwie gut aus, hätte er beinahe gesagt, zumal Naoto im letzten Jahr begonnen hatte, sich die Haare wachsen zu lassen, hielt sich aber rechtzeitig davon ab. Yosukes Blick sagte alles. Vor allem, dass er ihn durchschaut hatte. Er schlug ihm auf die Schulter. „Sei ein Mann, Kanji!“, meinte er laut. „Du musst ihr sagen, was du fühlst!“ „Sagt der richtige“, erwiderte Kanji missmutig. „Was soll das heißen?“ „Na, ist ja nicht so, als hättest du so viel Ahnung davon.“ Kanji sah ihn entgeistert an. „Hey, ich hab es zumindest schon versucht“, murmelte Yosuke. Kuma grinste. „Und jedes Mal einen Korb bekommen, kuma.“ Für einen Moment herrschte Schweigen, ehe sich Yosuke erneut räusperte. „Es geht hier nicht um mich, sondern um unseren guten Kanji!“ Erneut klopfte er ihm auf die Schulter. „Du musst mal über deinen Schatten springen. Ernsthaft: Als du dachtest Naoto sei ein Kerl, hättest du ihr beinahe etwas gestanden, und jetzt bringst du es nicht über dich?!“ Er schwieg und sah ihn misstrauisch an. „Oder bist du wirklich vom anderen Ufer?“ Kanji ballte die Hand. „Geht dich nichts an!“ Auch das wurde von Yosuke – der sich offenbar bestens auf Kanjis Selbstkontrolle verließ – ignoriert. „Du musst über deinen Schatten springen, man. Ich mein, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sie dir einen Korb gibt. Und hey, das bringt dich sicher nicht um.“ „Du sagst es, Bruder“, murmelte Kuma, der mit Körben nahezu täglich Erfahrungen machte. Etwas ratlos schwieg Kanji, da ihm außer ein weiteres „Mischt euch nichts ein“ nicht viel zu erwidern einfiel; und er wusste, dass dies ignoriert werden würde. „Gib dir einen Schubs“, meinte Yosuke. „Nimm dir ein Beispiel an Kuma. Der schreckt auch nie zurück.“ „Genau, Kuma!“ Kanji seufzte. „Ich sag dir was, man“, fuhr Yosuke unbeirrt fort. „Schenk ihr eine Kleinigkeit. Und je nachdem, wie sie reagiert, kannst du ihr ja immer noch sagen, dass es rein freundschaftlich ist.“ „Ich...“, setzte Kanji an, als Kuma etwas bemerkte. „Was ist denn das?“, fragte er und fischte den blauen Anhänger, den Kanji praktisch seit einem Jahr mit sich herumtrug, aus dessen Uniformtasche. Schnell schnappte der Zweitklässler ihm den blauen Teddy aus der Hand. „Finger weg von meinen Sachen!“ „Das ist nicht zufällig ein Geschenk für Naoto?“, fragte Yosuke neugierig. „Das...“, begann Kanji und starrte zum wahrscheinlich tausendsten Mal auf den Anhänger in seiner Hand. „Ich könnte es liefern“, bot Aika ausdruckslos an, die offenbar die ganze Zeit mitgehört hatte. „Ich...“, murmelte Kanji und ließ den Anhänger wieder in seiner Tasche verschwinden. Dann holte er auf einmal Geld aus der Tasche und legte 3000 Yen auf den Tresen. „Ich muss die Sachen nach Hause bringen“, meinte er, stand auf und verließ das Lokal. Für Shirogane Naoto war White Day ein Tag wie jeder andere auch. Selbiges galt, selbstverständlich, für Valentinstag, aber auch für Halloween, Weihnachten und all die anderen Feste, die in Japan vorrangig zum Ankurbeln der Verkäufe in den Supermärkten gedacht war. Ja, um genau zu sein hatte sie vollkommen ausgeblendet, dass es diesen Tag überhaupt gab. Sie schaute die Morgennachrichten, las die Zeitung und ging dann zur Schule. Sie hatte schon ganz vergessen, dass White Day war. Auch wenn sie ihre Haare wachsen ließ, trug sie weiterhin die Jungenuniform der Yasogami Highschool. Sie mochte keine Röcke. „Shi... Shirogane...“, hörte sie ihren Namen, als sie das Schultor erreichte, und sah Kanji etwas unschlüssig an eben diesem stehen. Er wirkte angespannt. „Naoto...“, fuhr er fort. Sie zog eine Augenbraue hoch. Kanji wirkte immer etwas seltsam auf sie. Warum war er nur so angespannt? „Guten Morgen, Kanji“, meinte sie trotzdem freundlich. „Uhm, morgen“, erwiderte er. Er scharrte mit einem Fuß auf dem Asphalt. „Ich... Ich...“, stotterte er dann weiter und hielt dabei die Hände hinter dem Rücken, fast als würde er irgendwas verstecken. „Ja?“, hakte sie nach. Er schwieg für einen Moment und errötete. Dann seufzte er tief. „Ich soll dich von Kuma grüßen“, presste er dann hervor. „Er würde sich sicher freuen, wenn du mal auf der anderen Seite vorbei schaust...“ Sie sah ihn verwirrt an. Und dafür so ein Aufstand? Nun... Gut, sie verstand Tatsumi Kanji einfach nicht. Dabei schien er eigentlich ein netter Junge zu sein. Zumal er sie damals gerettet hatte... Schließlich lächelte sie. „Wir haben ja bald Ferien“, meinte sie und schwieg dann etwas unentschlossen. „Lass uns reingehen, sonst kommen wir noch zu spät.“ „Klar“, meinte Kanji, und irgendwie wirkte er niedergeschlagen, während er ihr hinein folgte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)