Un Monstre á Paris von SainzDeRouse (Eine Liebe in Trümmern, eine Andere wächst) ================================================================================ Kapitel 7: Die, in der die Nachtigall den Singvogel küsst --------------------------------------------------------- Kapitel 7: Die, in der die Nachtigall den Singvogel küsst   Wie ein Häufchen Elend saß Lucille auf der Chaiselongue, eingekuschelt in ihrer Decke und hatte bereits die gesamte Ecke von dieser mit ihren Tränen getränkt. Seit Tagen war sie nicht mehr aus ihrer Wohnung gekommen, aß kaum etwas und wandelte wie eine Witwe trauernd durch die Wohnung. Niemandem machte sie die Tür auf, weder ihrer Tante Carlotta, noch ihrer Freundin Maud. Sogar die Fenster waren abgedunkelt und sie hatte keinen Handschlag in der Wohnung mehr getan. Zunächst hatte sie sich in Francoeurs Zimmer verbarrikadiert, doch hatte sie den Schmerz um den Verlust bald nicht mehr ertragen. Nachdem Francoeur im grünen Nebel verschwunden war, war Lucille wutentbrannt auf Raoul losgegangen, hatte mit voller Kraft auf ihn eingeschlagen, ihn verwünscht, verflucht und zum Teufel gejagt. Als Raoul begriffen hatte was er angerichtet hatte, war er auf die Knie gegangen, Tränen waren seine Wangen entlang gelaufen und er bot an, alles wieder in Ordnung zu bringen, doch verscheuchte ihn Lucille hasserfüllt und brachte Stunden damit zu in der dunklen Gasse nach Francoeur zu suchen. Jedoch ohne Erfolg. Sie hatte gehofft das er sich wieder in ihr Ohr setzen und zu ihr sprechen würde, doch geschah nicht dergleichen. Egal wie lange sie still dagesessen und darauf gewartet hatte. Francoeur war fort. Endgültig fort. Für immer. Es war nicht nur sein Ende, sondern auch der ihrige. Nie wieder wollte sie singen und auf dieser Bühne stehen, die sie sich ohne Francoeur nicht mehr vorstellen konnte. Alles war grau und trostlos ohne ihn. Warum nur hatte Raoul ihr das Liebste genommen? Wie konnte er es wagen, aus einem verletzten Stolz heraus, ihr etwas so schreckliches anzutun? Sie verabscheute Raoul mit ganzem Herzen und wünschte ihm die Krätze an den Hals. In ihrem Morgenmantel gehüllt lief sie ins Bad und starrte in den Spiegel. Sie war nicht mehr die Selbe. Eine dünne, blasse Frau, mit fettigem Haaransatz, dunklen Ringen unter den Augen und geröteten Augen sah ihr entgegen. Ein fürchterlicher Anblick. Nichts, wirklich rein gar nichts war mehr von der alten Lucille übrig geblieben. Plötzlich klopfte es heftig an der Tür und sie zuckte zusammen. „Lucille? Lucille bist du da?“, rief die Stimme ihrer Tante vor der Wohnungstür. „Liebes, mach die Tür auf, ich bitte dich. Ich mache mir solche Sorgen, wir alle machen uns Sorgen, öffne die Tür Kleines.“ Genervt schlurfte Lucille zur Tür. „Lasst mich in Ruhe“, sagte sie nur und lief wieder in ihren Salon. „Lucille Frémir, du öffnest nun sofort die Tür oder ich rufe die Polizei“, drohte ihre Tante und klopfte weiter energisch an die Tür. Nachdem Lucille ihr widerwillig geöffnet hatte, fiel Carlotta in ihrer Wohnung ein wie ein Überfallkommando. „Oh Kind, wie siehst du nur aus? Hier, ich habe dir etwas zu Essen mitgebracht, du bist ja nur noch Haut und Knochen“, redete sie drauf los, ging in die Küche und schüttete Lucille etwas Hühnersuppe in eine Schüssel. „Komm Liebes, du musst dich stärken.“ Ohne Widersprüche zu leisten setzte Lucille sich an den Tisch und schaufelte langsam einen Löffel nach dem anderen in ihren Mund. In ihrem Magen hatte sogleich wieder das Rumoren angefangen, als sie den leckeren Geruch wahrgenommen hatte, doch sie selbst verspürte keine große Lust zu essen. „Lucille, ich will das du wieder im Cabaret auftrittst. Mir ist bewusst das du trauerst, doch du kannst dich nicht ewig hier in deiner Wohnung verkriechen“, sagte sie, lief durch die Wohnung, zog die Vorhänge zurück und öffnete die Fenster um frische Luft in die Wohnung hinein zu lassen. Besorgt blickte sie sich in die unaufgeräumte Wohnung um, Lucille hatte sich wahrlich völlig gehen lassen. „Was hältst du davon, Liebes?“, fragte Carlotta als sie sich zu Lucille gesetzt hatte. „Francoeur ist für immer fort. Wie soll ich singen wenn er nicht mehr da ist.“ „Auch zuvor hast du schon gesungen und er ist ja schließlich nicht tot, er ist nur... wieder er selbst. Und vielleicht ist es auch besser so, Kleines. Wie lange hättest du ihn denn noch verstecken können? Irgendwann wäre alles aufgeflogen und die ganze Stadt hätte Jagd auf das Monster von Paris gemacht.“ „Doch er ist tot. Sonst wäre er doch bei mir, doch das ist er nicht. Raoul, dieser Mistkerl hat ihn auf dem Gewissen. Er hat ihn mit diesem Ungeziefermittel vollgeräuchert, sicherlich ist er gestorben“, schluchzte sie und brach wieder weinend zusammen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht war Carlotta bei ihrer lieben Nichte geblieben um sie zu trösten. Hatte die Wohnung aufgeräumt und Lucille in die Badewanne gesteckt. Stundenlang hatte sie sich ihre Klagen angehört und musste sich selbst zusammenreißen um nicht selbst immer wieder zu weinen, sie hatte Francoeur schließlich sehr gemocht. Nicht weil durch ihm sich noch mehr Zuschauer ins Cabaret verirrt hatten, sondern auch weil er Lucille glücklich gemacht und erfolgreich aufgemuntert hatte, wenn sie mal wieder einmal Streit mit Raoul gehabt hatte. Nach zwei weiteren Tagen, in der Obhut ihrer Tante hatte Lucille sich etwas gefangen und war bereit wieder im L'Oiseau Rare zu singen. Denn ihre Tante hatte Recht, das Leben ging weiter und Francoeur hätte nicht gewollt das sie aufhörte. ******** Am ersten Abend ihrer Karriere ohne Francoeur, saß sie gedankenverloren in ihrer Garderobe vor ihrem Frisiertisch und starrte auf dem Kamm, mit dem er nach ihrer ersten Begegnung gespielt hatte. Wie in Trance richtete sie sich ihre Frisur und schminkte sich ein wenig. Plötzlich wurde sie von einem sachten Klopfen an der Tür aus ihren Gedanken gerissen. „Herein“, sagte sie und drehte sich zur Tür. „Bonjour Mademoiselle, ich will sie nicht stören, doch wollte ich mich als Sänger bei Ihnen bewerben“, streckte ein junger Mann den Kopf herein. „Als Sänger bewerben aber... wir suchen doch niemanden. Oder hat...“ „Ja... äh.. Ihre Tante sagte mir ich solle zu Ihnen gehen, wo Monsieur Francoeur seine Karriere beendet hat.“ „Karriere beendet?“, hauchte sie. „KARRIERE BEENDET, ER HAT SIE NICHT BEENDET, SIE SCHNÖSEL, ER... er... Wie können Sie es wagen mich zu belästigen, kaum das er... fort ist. Vergessen Sie was Ihnen meine Tante gesagt hat, VERSCHWINDEN SIE!“, rief sie wütend aus und warf ihre Bürste in Richtung der Tür. Tränen stiegen in ihre Augen, doch war sie so wütend das sie nicht bereit war wie ein nasser Tränensack hier zu sitzen. So stand sie denn auf und suchte ihre Tante auf. „EIN BEWERBER? JETZT?“, rief sie, als sie diese hinter der Bühne gefunden hatte. „Kind, was schreist du denn so, was für ein Bewerber?“, fragte die ältere Dame erstaunt und sah ihre Nichte verständnislos an. „Da war ein Mann in meiner Garderobe, der sich als Sänger bewerben wollte, wo Francoeur nun nicht mehr da ist, er sagte du hättest ihn zu mir geschickt.“ „Ich? Nein, mein Kleines, mir hat sich niemand vorgestellt und ich hätte es nicht gewagt, sogleich einen Nachfolger zu suchen ohne dein Einverständnis.“ „Aber wer..?“ „Vielleicht nur ein Taugenichts, der sich eine Chance erhofft hatte, vergiss ihn, Kleines. Nur zieh dich schnell um, du bist in wenigen Minuten dran.“ Gesagt, getan. Lucille wunderte sich nicht weiter über diesem merkwürdigen Besucher, zog ihr weißes Kleid über, dessen Anblick ihr das Herz brach, hatte es Francoeur doch vor Kurzem so vorzüglich ändern lassen und stand sogleich hinter dem roten Vorhang, bereit aufzutreten. Noch einmal würde sie das Duett, welches sie mit Francoeur geteilt hatte, singen... allein. Für ihn, auch wenn es ihr das Herz brechen würde. Vor der Bühne wurde es still, auf ein Zeichen eines Bühnenarbeiters öffnete sich der Vorhang und sie trat auf die Bühne. Es war ein befremdendes Gefühl, als wäre sie seit Jahren nicht mehr auf einer Bühne gestanden und alles nur noch wie weit entfernte Erinnerungen schienen. Lucille holte tief Luft und ging für einen kurzen Moment noch einmal in sich. Diesmal sang sie mit wirklicher Trauer, mit wirklichem Bedauern und nach einigen Worten setzte auch das Orchester ein. Jeder irrt durch das Dunkel der Welt. Blind vor Ehrgeiz – stumm vor Schmerz. Hofft auf ein Licht, das die Nacht erhellt. Folgt der Pflicht, verrät das Herz. Heute kommt mir das unglaublich vor. Weil ich so nicht leben will. Heute kommt mir das unglaublich vor. Weil ich so nicht lieben will. Ich will für dich Tag für Tag, Ehrlich und gut sein, frei und stark.   Sie trat bis zum vorderen Rand der Bühne, ließ ihren Blick durch die Menge schweifen, Tränen sammelten sich in ihren Augen.   Jeder irrt durch das Dunkel der Zeit, man gewinnt und wird besiegt. Lernt zu leben mit Lüge und Streit. Wer nicht kämpft, der unterliegt. Ich will nicht seh'n, was zwischen uns steht, weil ich so nicht leben will. Ich will nicht seh'n, was zwischen uns steht. Weil ich so nicht lieben will. Ich trag' einen Traum in mir: Ein neues Leben nur mit dir.   Es war schwer sich zusammenzureißen. Doch sie würde es tun. Für Francoeur. Sie würde nur noch für ihn singen und vielleicht, konnte er es ja hören, wo immer er auch sein mag. Von deinem Mut getragen, will ich durchs Dunkel gehen Bis in ein and’res Leben, wo wir zwei uns wiedersehen   Plötzlich stahl ihr jemand ihren Einsatz und kam ihr zuvor. Verwirrt sah sie sich um, wer hatte sich nur unerlaubt auf die Bühne geschlichen? Der junge Mann von vorhin, der sie in ihrer Garderobe aufgesucht hatte, kam auf die Bühne, sah sie aus diesen ausdrucksstarken Augen an und sang. Jeder irrt durch das Dunkel der Welt, jeder wächst durch Schmerz und Not. Sie kannte diese Stimme wie keine andere, sie erkannte diese bezaubernden roten Augen, das konnte nur... Doch das konnte er nicht sein, selbst wenn er noch immer diesen weißen Anzug trug, den Schlapphut, die Maske, doch... War er es tatsächlich? Wie in Trance kam sie ihm entgegen, als zöge er sie an wie die Erdanziehungskraft und begann ebenfalls zu singen. Zwei, die Liebe zusammenhält Schreckt kein Leid und trennt kein Tod Francoeur. Er war es. Er musste es sein. Nur er besaß diese liebliche Stimme, diese feuerroten Augen. Was war nur geschehen, es stand ihr ganz klar ein Mensch gegenüber und kein zwei Meter großer Floh. Ich verachte, was man mit uns macht Weil ich so nicht leben will Lucille sah zu ihm hinauf und begegnete nur Liebe in seinem Blick. Mit den letzten gesungenen Worten beende sie das Lied. Doch war ihre Stimme nicht mehr voller Trauer und Verzweiflung. Sondern voller Liebe und Hoffnung. Ich verachte was man mit uns macht, weil ich so nicht lieben will. Ich will immer bei dir sein. Von jetzt an niemals mehr allein.   Die tosende Menge stand auf, klatschte und pfiff. Rosen flogen auf die Bühne und es wurde nach einer Zugabe geschrien. Doch das alles bekam Lucille nur wie durch eine dichte Wand aus Nebel mit. Nichts war mehr wichtig nur er. Wo sie nun umzingelt von Menschen waren, sah sie ihn nur fragend an. Wie konnte es sein das er nun als Mensch vor ihr stand? Doch das war nicht wichtig, es war ihr egal, hauptsache er ist wieder bei ihr. Sie spürte die Tränen in ihren Augen nicht als sie sich ihm in die Arme warf und ein Kuss auf die Lippen drückte.   „Der Professor lässt sich nicht so leicht einschüchtern, wie Raoul geglaubt hatte“, flüsterte er ihr ins Ohr und drückte sie fest an sich. „Das war hervorragend“, kam Carlotta nun plötzlich auf die Bühne. „Wen darf ich unsere Zuschauer vorstellen, Monsieur?“, fragte sie und blickte ihn neugierig an, vor allem da ihre Nichte, diesem Fremden nun plötzlich in den Armen lag, was sie sich nicht erklären konnte. Warnend warf Lucille ihm einen eindringlichen Blick zu, und er verstand. Für die Menschen war Francoeur nun fort und es wäre mehr als verwirrend, wenn der nächste Star den selben Namen hatte. „Ich bin... Monsieur Erik!“, sagte er nur und schloss Lucille wieder in seine Arme.   !!!ENDE!!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)