ohne Vater von Sen-San ================================================================================ Kapitel 3: Geschichten ---------------------- Egal wie sehr Motomichi es liebte, durch das Haus und über die Wiesen zu rennen, er liebte es wenigstens genauso sehr den Geschichten seiner Mutter zu lauschen. Einst waren es Gute-Nacht-Geschichten. Heute sind es Geschichten am Nachmittag oder zu sonst irgendeiner Zeit. Oft mag er Gescheiten hören wenn es Zeit für den Tee am Nachmittag ist. Seine Mutter und er trinken dann immer Tee und essen süßes Gebäck während ihn seine Mutter Gescheiten aus Zeiten vor der großen Katastrophe erzählt, die sie von ihrer Mutter schon erzählt bekam. Um nichts auf der Welt würde er diese Gescheiten aufgeben. Nicht einmal um unter der strahlenden Sonnen zu spielen und herumzutoben. Auch Heute war es schon fast Zeit für den Tee. Da die Bediensteten frei haben, müssen Motomichi und seine Mutter den Tee selbst kochen und das Gebäck auf den Servierteller legen. Selten machen sie es nicht. Im Gegenteil, oft bekommen die bediensteten frei um bei ihren Familien zu sein. Senju weiß wie es ist, einen Menschen zu verlieren, den man über alles liebt, aber keine Zeit hat etwas mit diesem zu unternehmen. Allein aus diesem Grund haben die Bediensteten oft das Glück des freien bezahlten Tages. Es dauerte nicht lange und der Tee war fertig. Beide hatten schon viel Erfahrung in dessen Zubereitung. Außerdem macht es ihnen immer Spaß etwas selbst zu erledigen als es erledigen zu lassen. Nun begaben sich die zwei in den ersten Stock, in den westlichen Flügel des großen Hauses. Es war kein Schloss und kein Palast, sondern ein großes Haus. Es wurde vom roten König erbaut. Speziell für Senju und ihren Sohn. Senju wollte nicht mehr in Dazaifu leben, im Palast ihres verstorbenen Mannes. Dort leben die Erinnerungen und Schmerzen nur zu sehr auf. Ein kleines Dorf im Süden Kyushus ist genau das richtige. Hier ist es schön ruhig und die Umgebung mit all den grünen Bäumen und Wiesen ermuntert das Herz der jungen Frau. Senju und ihr Sohn erreichten eine große Tür. Motomichi öffnete sie und zum Vorschein kam ein großes, hoch gewachsenes Zimmer. Auf der linken Seite war ein riesiges Fenster durch das die Sonnenstrahlen drangen. Die Strahlen fluteten das ganze Zimmer mit hellem Licht. Ein Anblick wie in einem Märchenbuch oder einem Traum. In der Mitte des Zimmers stand ein kleiner runder Tisch. An dessen gegenüberliegenden Seiten standen 2 Stühle. Auf jeder Seite einer. Ohne ein Wort zu sagen gingen beide zu einem Stuhl, stellten den Tee und die Kekse auf den Tisch und setzten sich. Motomichi allerdings stand gleich wieder auf und ging zum großen Fenster. Dort angekommen, zog er die weiße, lichtdurchdrungene Gardine zur Seite und öffnete das Fenster. Er schritt hinaus, schloss die Augen und ließ sich vom Wind die Haare aus dem Gesicht wehen. Es war ein leichter warmer Wind. “Lass uns draußen Tee trinken. Die Sonne scheint so herrlich und der Wind ist nicht mehr so stark wie heute Morgen.“ “Gut.“ antwortete seine Mutter. “Hilf mir den Tisch und die Stühle hinaustragen.“ forderte sie ihn dann auf. Ein zustimmendes Nicken folgte dem und schon machte er sich auf den Weg wieder ins Zimmer und zum Tisch. “Ich nehme den Schweren Tisch und du den Tee und die Kekse.“ orderte der Junge. So geschah es auch. Nachdem Motomichi den Tisch auf den großen Balkon gestellt hat ging er wieder ins Zimmer zurück um von dort die Stühle hinauszutragen. Senju stellte unterdessen den Tee mit den Keksen auf den Tisch. Sie stellte jedem einen kleinen Teller und eine Tasse hin. Schon kam Motomichi aus der Gardine hervor mit jeweils einem Stuhl unter jedem Arm. Einen stellte er seiner Mutter bereit und einen sich selbst. “Ein wirklich herrlicher Tag.“ Bemerkte Senju und erhob ihren Kopf gen strahlend blauem Himmel. “Ja.“ stimmte ihr Sohn einfach zu. Auch er hob seinen Kopf und betrachtete den Himmel. Eine kleine Windböe kam von den Wiesen herüber und wuschelte die Haare beider etwas durcheinander. Senju und Motomichi sahen sich an und beide begannen zu lächeln. Dieses Lächeln wandelte sich schnell zu einem lachen. Motomichi war dabei lauter als seine Mutter. Senju hielt sich die Hand vor den Mund. Ihren Kopf neigte sie dabei nach unten, sodass keiner ihr Lachen sah. Motomichi allerdings, war vom Anblick her, das komplette Gegenteil. Sein Kopf war zum Himmel gerichtet. Jeder, der ihn angesehen hätte, hätte die oberen Backenzähne ohne Mühe erblicken können. Seine Hände waren über seinem Bauch ausgebreitet. In diesen Positionen lachten beide einige Minuten lang, bis sie sich wieder beruhigten. Motomichis Haare waren vollkommen zerzaust. Senjus Haare waren es nicht so sehr. Sie hatte sich die Haare geflochten und hochgesteckt. Daher hatte der Wind eine geringere Angriffsfläche. Als sie sich wieder beruhigt hatten, setzten sie sich an den Tisch. Der Tee war schon lauwarm, genau richtig zum trinken. Der Tee wurde in jede Tasse gegossen und die Kekse in Angriff genommen. Es dauerte nicht lange bis Senju ihren Blick Richtung Wiese schweifen lies. “Wie idyllisch.“ Meinte sie. “Ja. Das reinste Paradies.“ “Früher war es hier auch schon so schön. Es beruhigt richtig die Bäume zu beobachten, wie sie im Wind tanzen.“ Motomichi hatte für solch langweilige Tätigkeiten kein Verständnis. Das war auch nicht weiter verwunderlich. In ihm floss junges, voller Tatenkraft strotzendes Blut. Das Blut seines Vaters. “So etwas ist doch langweilig, Mutter.“ “Das weiß ich. Du siehst es anders als ich. Du bist noch jung und voller Energie, die verbraucht werden will. Aber übertreib es nicht. In meinem Alter wirst du nicht mehr so über die Wiesen jagen und die Schmetterlinge verfolgen.“ “Wenn du das sagst, wird es schon stimmen.“ Nun schweifte auch sein Blick über die Wiesen bis zum Meer. Die Sonne stand noch weit über dem Meeresspiegel obwohl es schon recht spät war. “man sieht, dass es Frühling wird.“ Meinte er. “Ja. Das ist schön. Jetzt werden auch die Abende und Nächte wieder wärmer.“ “Mutter.“ “Ja?“ “Erzähl mir eine Geschichte. Die Geschichte über das alte Land in der Wüste.“ “Die Geschichte hast du doch schon so oft gehört.“ “Trotzdem! Sie gefällt mir so sehr.“ “Also gut. Es gibt noch Heute ein Land in der Wüste. In einer sehr alten Wüste. Durch ihr fließt ein sehr langer Fluss. Er spendet das Leben in dieser Wüste.“ Voller Spannung und Faszination sah Motomichi seine Mutter an. “Die Geschichte dieser Wüste ist weit älter als unsere Zeitrechnung. Die Menschen dort verehrten ihren König.“ “Um ihre Verehrung Ausdruck zu verleihen bauten sie große steinerne Gebäude. Es waren keine gewöhnlichen Gebäude. Die Gebäude hatten vier Ecken und je weiter sie in den Himmel reichten, umso näher kamen sie einander. An der Spitze gingen die Ecken der Gebäude zusammen.“ “Diese Gebäude waren ein Wunderwerk der damaligen Baukunst. Und noch heute ist das Geheimnis wie sie das damals vollbracht hatten, nicht endgültig gelüftet. Diese viereckigen, in den Himmel ragende Gebäude waren so markant, dass man das Aussehen aller solcher Gegenstände, egal ob aus Sand, Papier oder sonst einen Stoffe bestehend, Pyramide nennen.“ “Diese Pyramiden waren das Grab der verehrten Könige, die von den Menschen als Pharaonen bezeichnet wurden. Die Menschen verehrten aber nicht nur den Pharao. Sie verehrten auch die Götter. Alle diese Götter standen für etwas bestimmtes. Manche für eine reiche Ernte, manche für den Tod und dessen Wächter. Aber ein Gott war der König, der Erschaffer der Welt. Natürlich nur in den Augen dieser Menschen.“ Motomichi war so gebannt von der Erzählung, dass er kaum bemerkte wie er seiner Mutter immer näher kam und fast vom Stuhl fiel. “Dieser Gott der Götter nannten sie Ra. Er symbolisierte die Sonne.“ Ein lautes stumpfes Poltern war zu hören. Nun war Motomichi von seinem Stuhl gefallen. Normalerweise passiert es nur ganz selten, dass er vom Stuhl fällt, aber es passiert. Seine Mutter fing an zu lachen. Wider hielt sie sich eine Hand vor den Mund. Aber diesmal konnte man ihr lächelndes Gesicht noch sehen. Ein schöner Anblick. Jedes dieser Lacher machte Motomichi glücklich. Manchmal machte seine Mutter den Eindruck, a la wäre sie todunglücklich. Aber in solchen Momenten freut er sich immer sehr. “Mach weiter mit deiner Geschichte.“ Forderte er seine Mutter auf, während er sich selbst vom Fußboden erhob, den Stuhl wieder hinstellte und sich setzte. “Tut mir Leid, Motomichi. Das war nur so lustig.“ Lachte sie weiter. Senju versuchte wieder ernst zu werden. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. “Also gut. Dann werde ich weiter erzählen.“ Motomichi nickte zustimmend und hörte ihr wieder mit all seiner Aufmerksamkeit zu. Senju fuhr fort mit der Geschichte. Einige Male unterbrach sie um von ihrem Tee zu trinken und einen Keks zu essen. Während Motomichi zuhörte, nahm auch er sich öfters einen Keks und trank von dem Tee. Vom Stuhl ist er aber die ganze Zeit nicht mehr gefallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)