Der Tod und andere Normalitäten von 19Rei-Sama ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Kapitel 11 Ich setzte mich gerade hin, als bereits mehrere Stimmen meinen Namen riefen. Erschrocken blickte ich auf und erkannte einige meiner Klassenkameraden, die gerade durch die Tür im Klassenraum traten und überrascht die Augen aufrissen ob meines Anblicks. Vor zwei Tagen hatte ich dieses Zwischen-Mai-und-mir-läuft-nix-Gespräch mit Keith geführt und heute, an einem Freitag, hatte ich meinen ersten Schultag nach Lexis' Besuch – und natürlich wussten bereits alle von der Pseudo-Muttiretter-Geschichte. Ich sah mit hochgezogener Augenbraue zu Keith, der neben mir stand und mich verschämt ansah – er hatte es also verbreitet. „Kaná, geht es dir etwa schon besser? Mai und Keith meinten, du würdest schlimm aussehen!“, fragte Alice als erste und beugte sich zu mir hinunter. „Ja, genau – wie kommt es eigentlich, dass du dich mit einer ganzen Band anlegst? Dazu noch, während sie bewaffnet sind!“, kam von Gerret die Frage, während Eric und Lucy lieber wissen wollten, wie sich die „gerettete Mutter“ bei mir bedankt hatte. Ich rollte innerlich die Augen, allerdings musste ich ihnen ja nicht unter die Nase reiben, dass diese Geschichte reine Erfindung und sie absolute Nervensägen waren. Geduldig beantwortete ich also alle Fragen – bis endlich jemand auf die Idee kam, mich aus dieser Situation zu befreien. „Ach Leute, lasst ihn doch erst einmal wieder in der Schule ankommen!“, drängelte sich Mai durch die Menge, bis sie vor meinem Tisch stand und schnaubend die Arme verschränkte. „Sonst kommt er noch auf die Idee, gleich wieder nach Hause zu gehen – wollt ihr das wirklich?“ Ich musste lächeln – Mai wusste, wie sie die anderen überzeugen konnte. Einerseits wollten sie mich weiter ausfragen, aber andererseits war dies ja nicht möglich, wenn ich nicht da war – sie würden also alles häppchenweise über den Schultag verteilen müssen. Murrend und mit verzogenen Gesichtern teilten sich dann auch endlich die Massen vor meinem Tisch und jeder ging zu seinem eigenen Platz. Mai und Keith wandten sich währenddessen mir zu. „Schön, dass du wieder da bist!“, meinte Mai dann mit einem breiten Lächeln, ich nickte dankbar – natürlich wusste sie, weshalb. „Sag mal, Kaná, meinst du, du bist fit genug um heute Nachmittag mit auf den Sportplatz zu kommen?“ Jetzt musste ich nachdenken bevor ich antwortete – die anderen wussten nicht, dass meine Wunden beinahe vollständig verheilt waren und für gewöhnlich wären sie es wohl nicht einmal Ansatzweise, daher konnte ich nicht alles tun, was ich sonst tat. „Also – mitkommen kann ich bestimmt, aber was irgendwelche Spiele angeht muss ich passen.“, erklärte ich mit bedacht und wie erwünscht sprang Keith darauf an – ich vergaß zu oft, dass ich nicht gerade sitzen oder stehen konnte, dass ich hin und wieder „vor Schmerzen das Gesicht verziehen“ musste. Es waren jedes mal aufs Neue Kleinigkeiten, die mich bei guten Beobachtungen auffliegen lassen würden. „Ich denke, das passt schon – wir wollten Basketball spielen gehen und brauchen noch einen Schiedsrichter! Da du dich eh kaum bewegen kannst, passt du ziemlich gut in die Rolle!“, erwiderte Keith grinsend und schnappte sich den Stuhl vom Platz vor mir, auf welchen er sich sinken ließ. „Meinetwegen, im Gegensatz zu manch anderen kann ich schließlich die Regeln.“, entgegnete ich dann und Mai find an zu lachen. „Aber Kaná, sei doch nicht immer so fies gegenüber deinen Klassenkameraden!“, meinte sie kichernd – ich wusste allerdings, dass sie genauso dachte wie ich. Als das Lachen Mais endete, sah sich mich und Keith nachdenklich an, ehe sie wieder ihre Stimme erhob. „Kann ich nachher vielleicht auch mitkommen? Ich gucke euch gerne zu! Also, was sagt ihr?“, fragte sie und setzte ihre Rehaugen auf. Noch bevor ich hätte etwas sagen können, hatte Keith bereits freudestrahlend zugestimmt und der Blondine geraten, immer auf ihn zu achten, da er sicherlich einen Korb für sie werfen würde – das übliche eben. Wenn man es von dieser Seite aus betrachtet also ein völlig normaler Schultag. Als es zum Ende der letzten Stunde läutete, packte ich behutsam meine Sachen zusammen. „Ich warte dann unten auf dich!“, meinte Keith und ging bereits aus dem Raum, ebenso wie die meisten anderen. Mai kam währenddessen zu mir herüber. „Kaná. Sag, können wir einen Moment reden?“, fragte sie mit leicht erröteten Wangen. Ich musterte sie kurz fragend, nickte aber schließlich und stand langsam auf, schulterte meine Tasche und ergriff meine Jacke. „Wohin soll's denn gehen?“, fragte ich und sah hinüber zur Tür, der wir uns näherten. „Oh, nicht weit – ich will nur kurz unter vier Augen mit dir reden.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn du meinst.“ Gemeinsam verließen wir den Klassenraum und durchquerten einen Teil des Schulflurs auf dieser Etage, bis Mai mich in einen leeren Raum zog, in welchem über Winter unsere Schulpflanzen Platz fanden. Vorsichtig schloss die Blondine die Tür, ehe sie sich zu mir umdrehte und sich räusperte. Oh Himmel … Ich hoffte sehr, dass es nicht das war, was ich glaubte. „Kaná, ich …“, sie räusperte sich erneut und drehte sich dann wieder von mir weg. „Wir kennen uns jetzt schon so lange, Kaná. Du bist mir zu einem guten Freund geworden und zudem bist du mir sehr … wichtig. Ich … Ich weiß, dass es deiner Gefühlswelt nicht entspricht, aber ich denke, du hast ein Recht es zu erfahren.“ Mais Stimme brach an dieser Stelle und ich sah, wie warme Tränen zu Boden fielen, ein Schluchzen ertönte. „Es tut mir Leid, dich damit belästigen zu müssen, Kaná, aber schon seit ein paar Jahren hege ich diese Gefühle für dich. Ich dachte, es würde eine Phase sein, eben weil wir uns doch schon so lange kennen, aber es wird immer schlimmer …“ Ich schluckte, sie ebenso. Dann drehte sie sich zu mir und blickte mir in die Augen, während weiterhin die Tränen aus den ihrigen quollen. „Kaná, ich … ich habe dich wirklich sehr, sehr gern.“, endete sie und brach nun vollends in Tränen aus, schlug die Hände vor ihr Gesicht und versuchte, alles zu verstecken. Ich kann sie doch nicht einfach stehen lassen … Ich ließ Tasche und Jacke fallen und trat näher zu ihr, nahm sie in den Arm und strich vorsichtig über ihr langes Haar. „Tut mir Leid, Mai … ich weiß schon lange von deinen Gefühlen, ich kenne dich schließlich besser als die meisten anderen. Mai, ich will nicht, dass das zwischen uns steht.“ Ihr Schluchzen wurde lauter und sie krallte sich schließlich in meine Arme, während ihre Tränen mein Hemd durchnässten. Mai hatte in den letzten Jahren für mich stark an Wert gewonnen, sie hatte mir das Einfinden in eine neue Umgebung erheblich erleichtert und war auch die folgenden Jahre immer die erste, die bemerkte, wenn es mir nicht gut ging. Mir wurde klar, dass sie viel mehr von mir wusste, als ich Preis geben wollte. Aber mir wurde auch klar, dass sie wohl eine gute Freundin wäre, wenn ich wie sie in der Tageswelt leben würde. Es vergingen mehrere Minuten, bevor ihr Schluchzen langsam nachließ und schließlich völlig verebbte, ebenso ihre Tränen. Langsam löste sie sich von mir und blickte mir lächelnd ins Gesicht. „Danke, Kaná. Du bist ein guter Mensch!“, sagte sie leise. „Mai, ich wollte nicht …“ „Du wolltest nicht, dass ich unter diesem Gefühlen leide – aber jetzt, wo es geklärt ist, geht es mir ohnehin schon viel besser!“, erklärte bei bestimmt und drehte sich der Tür zu, ehe sie sich die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte und mit einem Handspiegel das Make-Up überprüfte. Als sie es für gut befand, sagte sie: „Komm, Kaná, die anderen warten schon auf uns!“ Sie öffnete die Tür und trat heraus, während ich mir eiligst die Jacke überzog, damit man mein nasses Hemd nicht bemerkte. Dann erst ergriff ich meine Tasche und folgte Mai aus dem Raum und anschließend den Schulflur entlang, bis wir den Haupteingang und damit die anderen erreichten. „Wo wart ihr denn so lange?“, begrüßten sie uns und drehten sich zum gehen um. Natürlich antworteten wir nicht, sondern liefen einfach mit den anderen mit, bis wir etwa zwanzig Minuten später endlich den Sportplatz erreichten. Die Jungen meiner Klasse holten einen Ball für das Spiel, während ich mir einen Platz am Spielfeldrand suchte und mich dort auf einen Stuhl stellte. Ich konnte nicht am Rand mitlaufen, das würde merkwürdig erscheinen, aber Alice und Mai boten mir ihre Hilfe an und übernahmen die andere Seite, während Eric mir den Ball zuwarf. Möge das Spiel beginnen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)