Vergiss-es-Rum von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Die Angst um einen Freund ------------------------------------ Die Sonne stand deutlich über dem Horizont, als Zorro hörte, wie jemand die Leiter zum Ausguck herauf kletterte. Er spähte zur Öffnung im Boden und erkannte Namis orangen Schopf, der von unten auftauchte. „Hey Zorro, beweg deinen Hintern runter, wir frühstücken“, wies ihn die Navigatorin an. Sein Magen beantwortete den Befehl mit einem Knurren. „Hatte der Brüllaffe heute keine Lust rumzuschreien, dass du extra hier rauf kommst?“, fragte er die junge Frau. „Wenn du damit Sanji meinst, der ist krank. Er hat sich wieder ins Bett gelegt, nachdem er das Frühstück zubereitet hatte“, erklärte sie. „Hm“, meinte Zorro nur und folgte Nami nach unten in den Speisesaal. Wie Chopper ihm aufgetragen hatte, nahm er zwei der Tabletten, die er vom Doc bekommen hatte und spülte sie mit Wasser runter. Skeptisch setzte er sich an den Tisch. Von seinem Teller her lachte ihn ein ebenso fröhlich gelb-weisses Spiegelei an, wie am Tag zu vor. Zögerlich schnitt er ein Stück davon ab und führte die Gabel zum Mund. Sein Magen reagierte mit lautem Knurren, ansonsten tat sich nichts. Choppers Medizin schien zu wirken. Also verschlang Zorro zufrieden Spiegeleier, Speck, Schinken und Brötchen. Als Ruffy versuchte, ihm ein halbes Würstchen vom Teller zu stehlen, packte er seinen Gummiarm und hob drohend die Gabel. „Ach Menno, nach gestern dachte ich, du wärst neuerdings zu langsam, um dein Essen zu verteidigen“, beklagte sich der Kapitän enttäuscht. „Falsch gedacht“, erwiderte Zorro grinsend und verspeiste genüsslich das Würstchen, das er vor Ruffy gerettet hatte. Das Frühstück verlief wie immer: Ruffy stibitzte jeden Happen, den seine Crewmitglieder einen Moment aus den Augen liessen und wer beklaut wurde, beschwerte sich anschliessend lauthals. Die Strahlen der Morgensonne erhellten den Speisesaal auf eine unvergleichliche Weise und durch die offene Tür strömte erfrischend kühle Morgenluft herein. Wäre Sanji mit von der Partie gewesen, wäre es ein perfekter Start in den Tag gewesen, doch wenn die Bande nicht vollständig war, fühlte es sich irgendwie nicht richtig an, egal wie schön das Wetter und wie frisch die Brise waren – ohne Sanji war es nicht dasselbe. Zorro sah auf Sanjis Platz. Nicht, dass der Koch besonders lange dort sass während des Frühstücks. Ständig rannte er zwischen Kombüse und Tisch hin und her, um noch schnell ein paar Spiegeleier fertig zu braten, noch mehr Brötchen aus dem Ofen zu holen oder Nami noch etwas Speck zu bringen, wenn Ruffy den ihren erwischt hatte. Zorros Blick wanderte in die Küche. Sanjis Schürze hing an ihrem Platz, was komisch war. Es war falsch. Falsch, dass sie nicht um Sanjis Hüften gebunden ihren Zweck erfüllte. Und es war einfach total falsch, dass der blonde Koch im Bett lag und sie alleine frühstücken liess. Für einen Moment hatte der Schwertkämpfer den Eindruck, als müsste er sich das Frühstück nochmals durch den Kopf gehen lassen, doch der Streit, der zwischen Nami und Ruffy wegen eines Schokohörnchens ausgebrochen war, lenkte ihn rechtzeitig ab. „Zorro, warte“, rief ihm Chopper nach dem Essen hinterher, als er wieder nach oben klettern wollte. Zorro stoppte und drehte sich mit einem „Hm?“ zu Chopper um. „Geht’s dir wieder besser?“, fragte der Doktor. „Alles bestens“, bestätigte der Grünhaarige, eine Hand schon an der Leiter. Chopper strahlte. „Sehr gut, das freut mich“, meinte er und sah zu Boden. Ein sicheres Zeichen dafür, dass den Schiffsarzt etwas bedrückte, selbst Zorro kannte diese Geste. Er nahm die Hand von der Sprosse, verschränkte die Arme und wartete darauf, dass der Doc weiterredete. „Das ist wirklich toll, nur leider ist Sanji jetzt krank. Ein Virus hat ihn erwischt, ich weiss aber noch nicht, welches“, fuhr er zerknirscht fort. „Der Schnitzelklopfer kommt schon wieder auf die Beine“, versuchte Zorro, das Rentier aufzumuntern. „Denkst du?“, hakte Chopper nach. „Aber sicher. Der ist hart im Nehmen“, lachte Zorro. „Du hast Recht“, grinste Chopper. „Danke, Zorro“, sagte er, ehe er sich in Richtung Krankenzimmer davon machte. Zorro sah ihm hinterher. Er war auf dem Weg zu Sanji, um sich um ihn zu kümmern. Es war wirklich gut, dass sie einen Schiffsarzt hatten, so wusste man, dass seine Freunde in guten Händen waren, wenn sie krank oder verletzt waren. Man wusste, dass kranke Köche ordentlich versorgt wurden, so dass sie einen bald wieder bestens bekochen konnten. Man wusste, dass der blonde Smutje in wenigen Tagen wieder in der Küche stehen würde, wo er hin gehörte. ER wusste, dass sein Lieblingsstreitkollege in absehbarer Zeit morgens wieder mit ihm frühstücken würde und dass er ihn nach dem Essen würde triezen können, bis er einen seiner wunderbaren Wutanfälle bekam und so herrlich in die Luft-. Zorro schüttelte irritiert den Kopf und stieg die Leiter hoch. Es war offensichtlich: Der Tag ohne Nahrung hatte ihm definitiv geschadet. Im Ausguck angekommen machte er sich sofort hochmotiviert ans Training. Jetzt, da er seinem Körper die Nahrung, die er brauchte, wieder zuführen konnte, musste er sich nicht mehr darum sorgen, dass seine Muskelmasse schwinden könnte und er konnte sich wieder voll und ganz seinem Ziel widmen, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden. Wie ein Wilder stemmte er Gewichte und machte allerlei Kraftübungen. Der Schweiss rann ihm übers Gesicht und über die Brust und er fühlte sich grossartig. Gegen Mittag erschien erneut Namis Kopf aus dem Boden und die Navigatorin informierte ihn darüber, dass die nächste Mahlzeit anstand. Bevor er der Kartenzeichnerin folgte, nahm er wieder die zwei Pillen, die Chopper ihm verordnet hatte und beeilte sich dann, zu Tisch zu kommen. Er ass erneut mit grossem Appetit. Zwar schmeckte das Essen nicht ganz so toll, wie wenn Sanji kochte, doch hatten sich Nami und Lysop die grösste Mühe gegeben und das Menü war mehr als annehmbar. Offenbar ging es Sanji doch schlechter, als Zorro zuerst angenommen hatte, denn Chopper hatte es vorgezogen, seine Mahlzeit im Krankenzimmer einzunehmen. Dennoch, ernsthafte Sorgen macht er sich nicht um seinen Nakama. Nach dem Essen verdonnerte Nami Ruffy und Brook zum Abwaschen und der Kapitän beschwerte sich lautstark darüber, dass er sich ums Aufräumen kümmern musste. Zorro verschwand sogleich wieder nach oben, um ein Nickerchen zu halten. Nach dem harten Training am Morgen hatte er sich das mehr als verdient. Er machte es sich in seiner bevorzugten Ecke bequem und schloss die Augen. Seine Hand glitt an seine Hüfte. Gut, alle drei Schwerter waren da. Er konnte also beruhigt- Moment, waren sie auch ganz sicher da? Zorro öffnete das rechte Auge einen Spalt breit. Tatsächlich, da waren sie. Drei Stück. Wie immer. Wie es sein sollte. Alles in Ordnung. Er lehnte sich zurück und schloss die Lider. Allerdings konnte man sich heutzutage doch nie sicher sein, dass alles Wichtige noch da war, wenn man aufwachte. Manchmal verschwand etwas Wertvolles einfach so mir nichts, dir nichts über Nacht und wenn man morgens aufwachte, war es weg. „Ahhh!“, knurrte Zorro. Er schien wirklich einen Dachschaden zu haben. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Es war total verdreht: Seit mehr als 24 Stunden hatte er nicht mehr geschlafen. Er müsste todmüde sein, doch ein beständiger Adrenalin-Kick und die Sorge, etwas von Bedeutung verloren zu haben, liessen ihn nicht zur Ruhe kommen. „Na schön, mehr Zeit um zu trainieren“, sagte er zu sich selber und setzte sein Programm fort. >>>>>>> Die Tage zogen dahin und Zorro konnte noch immer nicht schlafen. Seltsamerweise fühlte er sich trotzdem topfit, also kümmerte es ihn wenig und er nutzte die dadurch längeren Tage für zusätzliche Trainingseinheiten. Sanjis Zustand hatte sich in den letzten zwei Tagen arg verschlechtert und er befand sich inzwischen in einem komaartigen Zustand. Die ganze Crew war ziemlich mitgenommen und vor allem Nami war mittlerweile merklich beunruhigt. Wenigstens gehörte Zorros Magenproblem endgültig der Vergangenheit an: Es war nun eine Woche her, seit er die letzten zwei Tabletten genommen hatte und er ass mit unverändert grossem Appetit. Umso überraschter war er, als ihn der Schiffsarzt an einem bewölkten Vormittag kurz vor dem Mittagessen aufsuchte, um mit ihm über seine Schlaflosigkeit zu reden. „Zorro? Bist du da?“, rief das Rentier und sein Geweih erschien am Aufstieg. „Was gibt’s denn, Chopper?“, begrüsste Zorro ihn. „Sag mal, Zorro, wann hast du eigentlich das letzte Mal geschlafen?“, wollte der Doktor wissen und stellte seine Arzttasche neben sich auf den Boden. „Nach der Party auf der unbewohnten Insel“, antwortete der Angesprochene. Choppers Augen weiteten sich. „Aber Zorro, das war vor zwei Wochen!“, rief er entsetzt. „Mag sein“, erwiderte Zorro kurz angebunden, während er seine Hantel zurück in die Halterung legte. „Das ist gar nicht gut“, meinte das kleine Rentier, schnappte sich Zorros Arm und befestigte die Blutdruckmanschette am Oberarm. Er fühlte den Puls und hörte Herz und Lungen ab. Der Grünhaarige war vollkommen überrumpelt und liess die Untersuchung über sich ergehen. „Du solltest dich um dein Schlafproblem kümmern. Dein Puls rast förmlich und dein Herz schlägt zu schnell“, konstatierte der Schiffsarzt ernst. „Ach das“, murmelte der Schwertkämpfer abwesend. „Mein Puls rast schon, seit ich den komischen Rum getrunken habe. Das wird sich wieder einrenken“, meinte er leichthin. Hauptsache, das Gespräch würde bald ein Ende finden. Er war gerade nicht in der Stimmung, um über seine Schlafprobleme zu reden. Wenn man es genau nahm, war er nie in der Stimmung, über IRGENDEINES seiner Probleme zu reden. „Trainier nicht mehr so viel“, unterbrach das Rentier seine Gedanken. „Ruh dich wenigstens während der Nacht aus, auch wenn du nicht schlafen kannst, in Ordnung?“, bat es eindringlich. Zorro zuckte mit den Schultern. „Meinetwegen“, war er einverstanden. Und obwohl er ein Dickschädel war, hatte er vor, Choppers Anweisungen zu befolgen. Die Schlagkraft ihrer Crew war durch Sanjis Ausfall ohnehin geschwächt, da war es nicht nötig, dass er auch noch ausfiel. Chopper machte seinen Job gut und er vertraute dem Rentier. Der Doc würde schon wissen, was gut für ihn war. Er hatte ihm ja auch bei seinem Magenproblem geholfen. Wobei ihm einfiel: „Was ist mit Essen?“, fragte er den kleinen Piraten. „Nami sagte, dass ich dich gleich mit runter bringen soll, wenn wir fertig sind. Das Essen steht bestimmt schon auf dem Tisch“, antwortete er, während er seine Utensilien zurück in die Tasche packte. „Sehr gut“, entgegnete Zorro und die zwei kletterten die Leiter hinunter. Das Mittagessen verlief sehr ruhig. Die Stimmung war gedrückt und die Mahlzeit bald beendet. Ruffy und Brook kümmerten sich ohne zu meckern um den Abwasch, Lysop und Franky verzogen sich in ihre Werkstätten um an irgendwelchen Erfindungen zu tüfteln und Chopper verschwand sofort ins Krankenzimmer zu Sanji. Zorro hatte sich aufs Sofa an der Wand gelegt und versuchte, sich zu entspannen. Sein Blick schweifte durch den Speisesaal. Ruffy und Brook trieben ihren Unfug beim Abwaschen und Robin unterstützte sie mit ihren helfenden Händen. Zorro sah zum Tisch und stellte überrascht fest, dass Nami zusammengesunken davor sass. Sie hatte den Kopf in die Hände gestützt und ihre orangefarbene Haarpracht verdeckte ihr Gesicht. Er erkannte, dass Tränen vor sie auf den Tisch tropften. Weinte sie? Wieso um alles in der Welt war sie am Weinen? Zorro setzte sich auf. „Was ist los, Nami?“, fragte er quer durch den Raum. „Gar nichts. Mir geht’s gut“, antwortete sie verschnupft. Ruffy und Brook verstummten, Robin liess ihre Hände verschwinden. „Dann ist ja alles bestens“, meinte Zorro und legte sich wieder hin. Er starrte an die Decke. Frauen. Die verstehe, wer will. Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass sich Robin zu Nami setzte und sie tröstend in den Arm nahm. „Beruhig dich, Sanji kommt wieder in Ordnung“, sagte die Archäologin leise zur Navigatorin. „Darum geht es also“, erkannte Zorro im Geiste. „Aber was ist, wenn er nicht wieder gesund wird?“, fragte Nami traurig. Zorro schluckte hart. Diese Möglichkeit hatte er nie in Betracht gezogen. Natürlich würde Sanji wieder gesund werden. Was fiel Nami ein, überhaupt an so was zu denken? Sie waren Piraten und Sanji war taff. Energisch stand er auf. „Hör zu, Nami. Daran darfst du nicht denken. Sanji packt das. Es bringt niemandem etwas, wenn du dich verrückt machst. Wir brauchen dich als Navigatorin und da darfst du dich von so was nicht ablenken lassen.“ Zorro hatte die junge Frau am Arm gepackt und sie gezwungen, ihn anzusehen. Sie blickte auf ihren Arm und begann zu schluchzen. „Zorro, sei nicht so grob, du tust ihr weh“, sagte Robin leise. Daran hatte er nicht gedacht. Nami war zwar kein Prinzesschen, trotzdem war sie ein Mädchen und kein Dojo-Dummie. Erschrocken liess er sie los, doch statt sich von ihm abzuwenden, schlang sie ihre Arme um ihn und heulte in sein weisses Poloshirt. Ihr heisser Atem erwärmte das T-Shirt und ihre Tränen durchweichten den Stoff. Überfordert sah Zorro zu Robin. Die Schwarzhaarige gestikulierte ihm, dass er seine Arme um Nami legen und sie trösten sollte. In einem Anflug von Panik tat Zorro, was Robin ihm mit Gesten geraten hatte und zu seiner Erleichterung beruhigte sich Nami bald wieder. Zehn Minuten später löste sie sich von dem Grünhaarigen und sah ihn entschuldigend an. „Zorro, ich will keinen unserer Freunde verlieren“, meinte sie gedämpft. „Das könnt‘ ich nicht ertragen“, erklärte sie kaum hörbar. Der Schwertkämpfer richtete sich auf und klopfte der Navigatorin auf die Schulter, während Robin ihr ein Taschentuch reichte. „Sanji wird wieder gesund“, sagte er bestimmt und trat hinaus aufs Deck. „Hoffe ich jedenfalls“, dachte er, während der aufziehende Sturm an seinen Kleidern zerrte und der Himmel sich verdunkelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)