Nachbarschaftshilfe von Gedankenchaotin ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Gedankenverloren blicke ich nun schon seit Stunden aus dem Fenster in meiner kleinen Wohnung, nachdem ich es mir auf meiner übergroßen Fensterbank mehr oder weniger gemütlich gemacht habe. Obwohl es draußen wirklich heiß ist und es das perfekte Wetter wäre, um mit den anderen ins Schwimmbad oder Eis essen zu gehen, hocke ich in eine Wolldecke eingemummelt hier, kann einfach nicht aufhören, an dich zu denken. In wenigen Wochen nähert sich dein Todestag zum zweiten Mal und bislang habe ich es einfach nicht geschafft, jemand anderes – außer meiner Bandkollegen – an mich heranzulassen, habe alle Versuche von diesen, mich zum Ausgehen oder Mitkommen zu überreden, abgewiesen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es so nicht ewig weitergehen kann, dass ich vermutlich gerade regelrecht zum Stubenhocker mutiere, aber kann ich dich doch nicht einfach vergessen, kann nicht einfach jemand anderes in den Teil meines Lebens lassen, den du bislang immer beherrscht hast und es auch noch immer tust. Seufzend fahre ich mir mit einer Hand durch die Haare und zucke leicht zusammen, als sich mein Telefon bemerkbar macht, weise den Anruf jedoch ab, immerhin weiß ich ganz genau, dass ich nur wieder zum Mitkommen überredet werden soll und darauf habe ich nun wirklich keine Lust. Mit einer einfachen Handbewegung werfe ich das Handy auf die Couch, lehne meinen Kopf erneut gegen den Fensterrahmen und blicke nach unten. Kaum merklich ziehe ich wenig später eine Augenbraue nach oben, als unten vor dem Haus ein Möbelwagen vorfährt, aus welchem wenig später Möbel ins Haus geschleppt werden, habe ich doch absolut nicht mitbekommen, dass hier jemand ausgezogen ist bzw. dass hier wieder jemand einziehen soll. In den nächsten Stunden beobachte ich die Umzugshelfer etwas, ist das doch eine gelungene Abwechslung zu meinen sonst so trüben Gedanken und kann mich sogar ab und an gegen ein leichtes Schmunzeln nicht wehren, wenn etwas nicht so klappt, wie es das vielleicht sollte, erinnert mich das doch sehr an meinen Umzug in diese Wohnung. Erst als bereits die Dämmerung einsetzt, rutsche ich langsam von der Fensterbank und lenke meine Schritte in Richtung Küche, um mir wenigstens eine Kleinigkeit zu essen zu machen. Gerade, als ich mich mit meinem Teller vor dem Fernseher niederlassen will, ertönt meine Türklingeln, welche mich doch etwas zusammen zucken lässt und im ersten Moment bilde ich mir sogar ein, du könntest zu mir zurück kommen, aber das ist einfach nicht mehr möglich. Kurz zögere ich, stelle meinen Teller dann aber dennoch an die Seite, um auf die Tür zuzulaufen, vor welcher mir nach dem Öffnen ein fremder, junger Mann gegenüber steht. „Hallooo..~, entschuldige, die Störung, aber hättest du vielleicht einen Eimer Wasser für mich. Ich bin gerade heute erst hier eingezogen und meine ganzen Anschlüsse funktionieren noch nicht und ich will ein paar meiner Möbel auswaschen, bevor ich meine Sachen reinschmeisse!“, redet er sofort auf mich ein, was mich im ersten Moment nur verwirrt blinzeln lässt, ehe ich ein kurzes „Ähm... sicher.“, von mir gebe und in Richtung Küche verschwinde, um ihm den gewünschten Eimer Wasser zu bringen. „Schick hast du's hier.“, ertönt wenig später die Stimme des Fremden unmittelbar hinter mir, welche mir eine Gänsehaut beschert und welche dazu führt, dass ich mir prompt den Kopf anstoße, nachdem ich meinen Eimer in meinem Wandschrank in der Küche nicht gleich finde. Kurz murre ich auf, ehe ich den Eimer nun doch aus dem Schrank ziehe und ihn mit Wasser fülle. Lediglich mit einem „Danke.“, reiche ich ihm diesen, zwinge mich förmlich zu einem höflichen Lächeln, während ich ihn dabei beobachtete, wie er wieder auf meine Wohnungstür zuläuft. „Ach, ich wohne übrigens direkt da drüben und mein Name ist Hiroki. Wenn du mal Lust auf einen Kaffee hast, klingel einfach.“, fügt er nun erneut hinzu und verschwindet anschließend mit seinem Eimer Wasser, lässt mich völlig verdattert zurück. Seufzend fahre ich mir mit einer Hand durch das Gesicht, schließe meine Tür anschließend und widme mich nun endlich meinem Essen, ehe ich mich nach einem eher langweiligen Abend vor dem Fernseher in mein Bett zurückziehe, mich nicht dagegen wehren kann, doch wieder von dir zu träumen. Eher frustriert erhebe ich mich am nächsten Morgen wieder, nachdem mich das Klingeln meines Weckers Gott sei Dank aus dem Schlaf gerissen hat, stelle mich unter die Dusche und frühstücke nur flüchtig, ehe ich meine Wohnung verlasse, um zu den täglichen Proben zu laufen, auch wenn ich mir jetzt schon denken kann, dass sie mich wieder ausfragen werden, warum ich nicht mitgekommen bin. Eher in Gedanken laufe ich die Treppe runter, übersehe prompt die letzte Stufe und rechne schon damit, unsanft den Fußboden kennenzulernen, als ich mich in zwei starken Armen wieder finde, wobei ein fast schon amüsiertes „Eigentlich war nur von Kaffee trinken die Rede und nicht davon, dass du gleich über mich herfällst.“, von dem Fremden von gestern erklingt, was mich selbst unwillkürlich zum Erröten bringt. Kapitel 2: ----------- Für einen Moment lang genieße ich es fast schon, diese unglaublich starken Arme um meinen Körper herum zu spüren, ehe ich mich doch wieder aufrichte, sofort einige Schritte zurückweiche. „Ent.. entschuldige, ich.. hab nicht aufgepasst.“, murmele ich sofort leise und hebe meinen Blick nur minimal, ist mir das ganze doch gerade einfach nur peinlich. „Ach was.. so süße Nachbarn wie dich fang, ich jederzeit auf.. vielleicht fällst du ja das nächste Mal absichtlich vor meine Füße.“, gibt er nun breit grinsend von sich, ehe er an mir vorbei, die Treppe hoch läuft. Völlig verdattert sehe ich ihm einen Moment lang nach, ehe ich nur mit einem gemurmelten „Nur noch Verrückte hier.“, den Kopf schüttele und aus dem Haus verschwinde, bin ich doch durch diesen ungeplanten Zwischenfall eh schon viel zu spät dran. Im Eiltempo lege ich den Weg zu dem kleinen Café zurück, in welchem wir uns regelmäßig treffen, lasse mich etwas schwerer atmend auf das Sofa in der Ecke nieder, welche schon zu unserer Ecke gehört, lehne mich einen Moment lang zurück. „Was ist denn mit dir los?“, will mein bester Freund sofort von mir wissen und mustert mich etwas, legt seinen Kopf fragend etwas schief. „Boah.. lass das. Du weißt, dass ich das hasse.“, murre ich sofort auf und sehe ihn nur aus den Augenwinkeln heraus an, kann nicht leugnen, dass mich die Begegnungen mit Hiroki schon ein wenig durcheinander gebracht haben. „Nichts, nichts. Alles in Ordnung. Hab bloss schlecht geschlafen und dann noch verschlafen.“, entgegne ich ihm sofort abwehrend, kann ich ihm doch unmöglich erzählen, dass ein völlig Fremder dafür verantwortlich ist, dass ich so durch den Wind bin. „Achso.“, gibt er im ersten Moment lediglich von sich und mustert mich erneut etwas, unterhält sich wenig später jedoch mit seinem Nebenmann, was ich fast schon erleichtert aufseufzend zur Kenntnis nehme, immerhin fragt er mich so nicht weiter aus. In den nächsten 2 Stunden kann ich mich sogar zu dem einen oder anderen Lachen durchringen, genieße ich die Zeit mit meinen Freunden doch jedes mal aufs Neue. Erst gegen Mittag erhebe ich mich wieder und verabschiede mich nach dem Bezahlen von meinen Freunden, entschließe mich aber dennoch erst noch dazu, noch ein wenig durch die Stadt zu schlendern. Nachdenklich laufe ich einfach nur durch die Innenstadt, bleibt an dem einen oder anderen Schaufenster stehen und finde doch nichts passendes, zumal ich plötzlich eigentlich gar nicht mehr richtig weiß, was ich überhaupt in der Stadt will. Seufzend drehe ich mich nun doch wieder um und laufe in die Richtung meiner Wohnung, krame nach meinem Schlüssel in der kleinen Umhängetasche, ohne welche ich eigentlich nie aus dem Haus gehe. „Na, was verloren in den Weiten deiner Tasche?“, erklingt wenig später die Stimme meines neues Nachbarn hinter mir, welche mich sichtlich zum zusammenzucken bringt und mich doch gleichzeitig erschaudern lässt. „Nee, habs schon gefunden.“, murmele ich leise und trete auf die Haustür zum um diese aufzuschließen, laufe langsam nach oben in „unser“ Stockwerk. „Darf ich dir zwei Fragen stellen?“, erklingt erneut seine Stimme hinter mir, was mich nun dazu bringt, eine Augenbraue hochzuziehen, ehe ich mich zu ihm umdrehe. „Komm ganz darauf an...“, beginne ich erst und mustere ihn etwas, verschränke meine Arme leicht vor der Brust, während ich mich kurz mit dem Rücken gegen meine Wohnungstür lehne. „Worauf..?“, will er erst wissen und sieht mich mit einem leichten Schmunzeln an, was ich eigentlich gar nicht ab kann und was mich – aus mir unerfindlichen Gründen – ein wenig nervös macht. „Äh.. was für Fragen es sind?“, gebe ich nicht wirklich geistreich von mir, bekomme von ihm im ersten Moment ein leises Lachen zurück. „Also erstens.. wüsste ich gerne deinen Namen und zweitens.. ob du am Wochenende zu meiner Einweihungsparty kommst, dann kann ich mich auch angemessen für deinen Eimer Wasser bedanken.“, gibt er nun augenblicklich von sich, entlockt mir erneut eine hochgezogene Augenbraue. „Ich heiß' Tomo, aber das musst du nicht, war schon okay. Das gehört sich doch so unter Nachbarn..“, entgegne ich mit einem flüchtigen Lächeln und nicke anschließend mit einem leisen Seufzen, als er abermals nachfragt, ob ich denn nun zu seiner Party komme oder nicht. „Super.. ich freu mich, Tomo-chan.“, erwiderte er sofort und drückt mir einen Kuss auf die Wange, lässt mich einfach auf dem Flur stehen und verschwindet in seiner Wohnung, ohne dass ich überhaupt noch die Chance habe, auf seine Aktion zu reagieren, auch wenn ihm reflexartig vermutlich echt eine geknallt hätte. Kapitel 3: ----------- Am Samstag laufe ich schließlich völlig unschlüssig durch mein Wohnzimmer, weiss einfach nicht, ob ich zu der Party heute abend wirklich gehen soll. Eigentlich könnte es vielleicht sogar ganz lustig werden, aber auf der anderen Seite.. ist eben morgen dein zweiter Todestag und bislang habe ich mich selbst in der Nacht davor komplett zurück gezogen. Ich weiss, dass ich mal wieder unter Leute muss, aber irgendwie.. irgendwie kommt es mir so vor, als würde ich dich betrügen, wenn ich mich einfach amüsieren gehe.. mit einem anderen. Einen meiner Freunde kann ich nicht mal fragen, denn ich weiss genau, dass sie mir dazu raten würde, einfach auf die Party zu gehen, einfach mal abzuschalten. Frustriert fahre ich mir mit einer Hand leicht durch die Haare, entschließe mich schließlich dazu, erstmal die Post von unten hochzuholen, auch wenn ich bezweifele, dass sich überhaupt irgendwas in meinem Briefkasten befindet. Momentan ist mir jede Ablenkung recht und wenn es nur ein paar Treppenstufen nach unten sind, auch wenn diese mich sofort wieder daran erinnern, dass ich gestern fast schon in seinen Armen gelegen habe. //Reiss dich zusammen, Tomo.//, ermahne ich mich selbst und trotte langsam nach unten, finde im Briefkasten lediglich einen Brief meiner Mutter, welche mir mindestens einmal im Monat schreibt und mich gerade um diese Zeit bittet, sie doch für ein paar Tage zu besuchen zu kommen. Ich weiss, dass sie es nur gut meint, aber eigentlich will ich einfach nur meine Ruhe und da ist auch die Party gerade eine verdammt schlechte Idee. "Uhh.. sieht aus wie ein Liebesbrief!", reisst mich kurz darauf die Stimme meines Nachbarn aus den Gedanken, was dazu führt, dass ich den Brief in meinen Händen fast fallen lasse. "Nein, oder bekommst du welche von deiner Mutter?, entgegne ich etwas knapper, als dass ich das vermutlich will, auch wenn er das nicht mal richtig zu bemerken scheint, steht er doch wieder mit diesem überdimensionalen Grinsen neben mir. "Ich wollte noch was für heute abend einkaufen. Du hast nicht zufällig ein wenig Zeit, um mir zu helfen?", erwidert er sofort, ohne auf meine Frage einzugehen, entlockt mir eine hochgezogener Augenbraue. "Eigentlich....", beginne ich gerade und komme doch nicht dazu, meinen Satz zu beenden, als er mich mit einem "Super.. ich kenne mich hier nämlich kaum aus und brauch dringend jemanden, der mir den nächsten Supermarkt zeigt.", förmlich aus dem Haus zieht. "Das hätte ich dir doch auch einfach sagen können.", murmele ich etwas verdattert, während mir nichts anders übrig bleibt, als ihm hinterher zu stolpern. Etwa zwei Stunden später komme ich mit 4 Tüten bewaffnet wieder vor seiner Tür zum Stehen, stelle die Tüten schwer atmend vor mir ab. "Ich dachte, du wolltest nur eine kleine Einweihungsparty veranstalten und nicht gleich das ganze Haus bewirtschaften.", richte ich trocken das Wort an ihn, bekomme jedoch nur ein kurzes Grinsen zurück. Etwas umständlich schließt er die Tür auf, deutet mir mit dem Kopf an, dass ich ihm doch einfach folgen soll. Kurz zögere ich, trete anschließend aber doch in seine Wohnung, in welcher er bereits in der Küche verschwunden ist. "Bring die Einkäufe einfach in die Küche, ich geh eben duschen.", höre ich seine Stimme, während ich noch meine Schuhe ausziehe und im nächsten Moment doch abrupt innehalte und ihn regelrecht anstarre, als er mit einem "Oder kommst du mit..?", direkt vor mir stehen bleibt, mich frech angrinst und sich auch selbst bereits sein Oberteil ausgezogen hat. Kapitel 4: ----------- Sofort spüre ich, dass sich meine Wangen ins Tiefrote verfärben, woraufhin ich meinen Blick sofort auf die Tüten in meinen Händen wende. „Äh.. nee.. ich räum lieber um.. äh.. aus... also die Tüten.“, stottere ich leise vor mich hin und verschwinde auch sofort in Richtung Küche, zwinge mich dabei förmlich, nicht unbedingt einen Blick auf den freien Oberkörper meines Nachbarn zu werfen. In der Küche stelle ich die Tüten zuerst auf dem Tisch ab, beginne ein Teil nach dem anderen auszupacken und halte doch sofort inne, als ich eine Packung Kondome aus einer der Tüten fische. Ohne, dass ich es kontrollieren kann, laufe ich erneut rot an, zumal ich gar nicht mitgekriegt habe, dass du diese überhaupt eingepackt hattest. Minutenlang starre ich auf die Packung in meiner Hand, ehe ich sie doch wieder in die Tüte fallen lasse, lediglich dass in den Kühlschrank räume, was dort vermutlich rein muss und anschließend aus der Wohnung verschwinde. Ich weiss, dass es vermutlich gerade nicht die feine, englische Art ist, einfach ohne ein Wort zu gehen, aber irgendwie hat mich der ganze Nachmittag extrem durcheinander gebracht und der Fund der Kondompackung war da nur das I-Tüpfelchen, auch wenn es mir eigentlich egal sein sollte, wozu und wie oft er sich Kondome kaufen geht. In meiner Wohnung angekommen, lasse ich die Tür lauter ins Schloss fallen, als dass ich das im ersten Moment will, hänge meine Jacke an der Garderobe auf und schlurfe langsam weiter in Richtung Wohnzimmer. Erneut lese ich den Brief meiner Mutter, überlege minutenlang, ob sie nicht doch Recht hat und ich mich für ein paar Tage zu ihr begeben soll, auch wenn das heisst, dass ich an deinem Todestag morgen nicht da sein werde. „Warum eigentlich nicht? Zum Friedhof kann ich auch vorher noch!“, murmele ich leise vor mich hin, bevor ich den Brief auf den Tisch lege, in mein Schlafzimmer trotte, um dort ein paar Sachen in eine Tasche zu packen. Keine halbe Stunde später stehe ich bereits im Flur, werfe einen flüchtigen Blick auf deine Wohnungstür, auch wenn mir prompt erneut das Bild von deinem freien Oberkörper ins Gedächtnis springt. Kurz schüttele ich den Kopf und flüchte förmlich die Treppe runter, fiepte leise auf, als ich ausgerechnet von ihm unten ein einfaches „Du verreist?“, zu hören bekommen, während er auf meine Tasche blickt. „Ano.. hai.. also.. ich muss.. ich will zu meiner Mutter..“, stottere ich erneut leise vor mich hin und komme mir inzwischen vor wie der letzte Idiot, auch wenn ich mir nicht mal erklären kann, warum er mich zu dermassen nervös macht. „Schade, dann kommst du wohl doch nicht zu meiner Einweihungsparty!“, entgegnet er sofort fast schon etwas enttäuscht, was mir sofort ein schlechtes Gewissen beschert, mich aber dennoch den Kopf schütteln lässt. „Iie, tut mir leid.“, gebe ich murmelnd zurück und dränge mich förmlich an ihm vorbei, spüre seinen Blick nur allzu deutlich in meinem Rücken. Tief hole ich draussen Luft, ehe ich die Strecke zur S-Bahn fast schon im Laufschritt zurücklege, als hätte ich Angst, er könnte mir doch noch folgen. Bereits nach einer Station steige ich wieder aus, lege den kurzen Weg bis zum Friedhof zurück, auch wenn ich zum Ende hin fast schon immer langsamer werde. Ebenso langsam schleiche ich förmlich an den anderen Gräbern vorbei, gehe vor deinem Grab in die Hocke und blicke einen Moment lang schweigend darauf. „Hey.. ich weiss, ich bin heute einen Tag zu früh dran, aber... Mama hat mich gebeten, zu ihr zu kommen und ich werde es dieses Mal annehmen.“, beginne ich nach ein paar Minuten, blicke auf das Datum, an welchem du mich für immer verlassen hast, an welchem du mich einfach verlassen hast, obwohl du versprochen hattest, immer bei mir zu bleiben. „Weisst du.. ich vermisse dich noch immer.. ich vermisse dein Lächeln, ich vermisse es, morgens von dir geweckt zu werden, ich vermisse einfach alles an dir, aber... aber da sind auch neue Gefühle, die ich einfach nicht einordnen kann. Neben mir ist ein neuer Nachbar eingezogen und er.. er verwirrt mich. Ich weiss einfach nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ich weiss einfach nicht, was ich von ihm halten soll.“, fahre ich leise und in einem leichten Redeschwall fort, streiche mir mit einer Hand eine Strähne aus dem Gesicht. „Er hat mich zu seiner Einweihungsparty eingeladen und doch sitze ich jetzt hier bei dir, kurz bevor ich mich zu Mama verkrümele. Ich weiss, du hast gesagt, ich soll mich nicht verkriechen, ich soll das Glück nicht einfach vorbeiziehen lassen, wenn es an meine Tür klopft, aber.. ich bin doch noch gar nicht bereit für ein neues Glück. Ich bin doch noch gar nicht dazu bereit, wieder glücklich zu sein.. ohne dich.“, wispere ich nun immer leise werdend, ehe ich mich mit einem ebenso leisen „Ich hab dich lieb und bin in ein paar Tagen wieder da..“, wieder erhebe und den Friedhof wieder verlasse. Langsam schleiche ich die Strasse zur Strassenbahn zurück, ertappe mich auf der Fahrt zu meiner Mutter doch gelegentlich dabei, dass ich an meinen Nachbarn und sein – eigentlich doch recht süsses – Lächeln denke. Am Bahnhof steige ich schließlich wieder aus und nehme mir zum Haus meiner Eltern ein Taxi, um schneller dorthin zu gelangen. „Tomo – Schatz. Ich habe schon gedacht, du kommst wieder nicht!“, werde ich noch vor der Haustür von meiner Mutter überfallen, welche mich sofort in eine Umarmung zieht. Mit einem flüchtigen Lächeln erwidere ich die Umarmung, stehe ihr und auch meinem Vater in den nächsten Stunden und auch beim Abendessen Rede und Antwort, was sich innerhalb der letzten Zeit so ereignet hat, zumal ich bei ihrem Geburtstag vor fast einem Jahr das letzte Mal hiergewesen war. Nach dem Abendessen ziehe ich mich recht schnell in mein altes Jugendzimmer zurück, auch wenn mich hier recht schnell wieder die Erinnerung an dich überkommt, immerhin waren wir oft genug zusammen hier. Leise seufzend lasse ich mich auf das Bett fallen und verschränke meine Arme hinter dem Kopf- Minutenlang starre ich regelrecht in Gedanken versunken an die Decke, bevor mich das Vibrieren meines Handys aus meinen Gedanken reisst. Damit rechnend, dass es einer meiner Freunde ist, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und blinzele doch lediglich verwirrt, als ich dort eine SMS vorfinde, welche mir ein „Du bist schuld daran, dass ich mich jetzt besaufen muss! Hiroki.“, anzeigt, kann ich mit seinen Worten doch nun gerade absolut nichts anfangen, zumal ich im erstsen Moment nicht mal richtig darüber nachdenke, woher du überhaupt meine Nummer hast. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Einen Moment lang sehe ich völlig verdattert auf mein Handy, ehe ich mich dazu durchringe, ein einfaches „Woher hast du meine Nummer?“, zu antworten, ohne auf seine eigentlichen Worte einzugehen. Ich kann mir durchaus denken, warum er mir das geschrieben hat, aber momentan bin ich viel zu durcheinander, als auch nur darüber nachzudenken, warum er sich meinetwegen betrinken muss, zumal ich das eigentlich als ein nicht sonderlich positives Gefühl empfinde. „Von deinem Freund.. Umi.“, erscheint prompt im selben Moment die Antwort, was mich die Augenbrauen zusammenzieht, ehe ich Umi ein sofortiges „Wie kannst du ihm einfach meine Nummer geben, ohne mich zu fragen?“, per SMS schicke, auch wenn ich seine Antwort schon förmlich hören bzw. sehen kann. Er selbst hat mir gestern beim Frühstück noch gesagt, dass ich mich doch einfach auf etwas neues einlassen soll, auf meinen Nachbarn. Eigentlich hat er auch gar nicht so unrecht und wenn ich genauer darüber nachdenke, habe ich die gesamte Fahrt über sogar an ihn gedacht, habe darüber nachgedacht, ob es nicht doch ein Fehler war, einfach zu fliehen. Etwas anderes habe ich nämlich gar nicht erst getan: Ich bin geflohen. Minutenlang sehe ich erneut auf mein Handy, ehe ich mich nach unten begebe und das Handy auf dem Bett liegen lasse, nachdem meine Mutter mich gerufen hat. Obwohl ich es eigentlich gar nicht will und selbst noch nicht weiss, erzähle ich ihr in den nächsten zwei Stunden von meinem Gefühlschaos, von meinen Schuldgefühlen dir gegenüber. „Du musst dich ihnen endlich stellen, Schatz. Sonst kannst du nie abschließen und mit Hiroki einen Neuanfang wagen.“, entgegnet sie fast schon mitfühlend, was mir ein leichtes Nicken entlockt. „Ich weiß, aber...“, beginne ich erst und hebe meinen Kopf abrupt zu ihr empor, als sie ein einfaches „Vielleicht solltest du einen Profi zu Rat ziehen!“, von sich gibt, mir etwas durch die Haare streicht. Es ist nicht so, dass ich schon darüber nachgedacht habe, aber ich kann doch nicht einfach zu einem Psychologen gehen, einem völlig Fremden davon erzählen, was in mir vorgeht und warum ich einfach nicht abschalten kann, einfach nicht vergessen kann. „Manchmal hilft es, sich einem völlig Fremden anzuvertrauen und er wäre darauf spezialisiert, dir zu helfen.“, entgegnet sie prompt, als hätte sie meine Gedanken gelesen, streicht mir etwas durch die Haare. „Ich.. denke darüber nach, ja?“, murmele ich eher zu mir selbst, als zu ihr, ehe ich mich erhebe, ihr und meinem Vater eine gute Nacht wünsche und anschließend nach oben in mein altes Zimmer verschwinde. Kurz zögere ich, nehme anschließend aber dennoch das Handy zur Hand. Zu meiner eigenen, überraschenden Enttäuschung habe ich lediglich eine SMS von Ben, welcher mir ein einfaches „Damit du wieder glücklich wirst.“, zurück geschickt hast, was mir ein leises Seufzen entlockt, ehe ich mich nach einem kurzen Abstecher ins Badezimmer unter meine Bettdecke verkrieche, recht schnell einschlafe. Am nächsten Morgen werde ich von dem Geruch frischer Croissants und dem Duft nach Kaffee förmlich aus dem Bett gelockt, woraufhin ich nur in Boxershorts nach unten in die Küche laufe, wie früher auch immer. „Morgen, mein Schatz. Hast du etwas geschlafen? Dein Vater ist schon arbeiten und ich muss gleich noch einkaufen. Magst du nicht mitkommen?“, werde ich dort in einem ganzen Redeschwall von meiner eigenen Mutter begrüßt, was mir ein Schmunzeln entlockt. In den letzten Jahren habe ich es zwar vermisst, morgens auf diese Art begrüßt zu werden, aber die Art, wie du mich morgens begrüßt hast, war dann doch um Längen besser, auch wenn mir das sofort wieder ein eher trauriges Lächeln entlockt. „Gerne. Ich war lange nicht mehr hier in der Innenstadt.“, entgegne ich ihr mit einem leichten Lächeln, lasse mich dabei am Tisch nieder, um mich dem Frühstück zu widmen, welches sie mir vor die Nase stellt. Großen Hunger habe ich zwar nicht unbedingt, aber ich weiss, dass sie mich nicht eher vom Tisch aufstehen lassen wird, bis ich etwas gegessen habe. Keine halbe Stunde später stehe ich fertig angezogen vor dem Wohnhaus meiner Eltern, inhaliere den Qualm einer angezündeten Zigarette, während ich auf meine Mutter warte. Ich habe schon länger nicht geraucht, eigentlich seid unser Beziehung nicht mehr, weil du den Qualm in unserer Wohnung und auf meinem Lippen nicht mochtest, aber momentan brauche ich diese Zigarette einfach. Ohne, dass ich etwas dagegen tun kann, schweifen meine Gedanken dennoch wieder zu Hiroki ab und der Tatsache, dass ich ihn mit meinem Verhalten vielleicht sogar verletzt haben könnte. „Das ist doch absurd.“, murmele ich eher zu mir selbst, als zu irgendjemandem, schnippse die Zigarette etwas von mir weg, nachdem meine Mutter die Haustür hinter mir mit einem „Da bin ich. Ich freue mich so sehr darüber, dass du mitkommst, mein Schatz.“, hinter sich geschlossen hat. „Ich mich auch, Mama.“, gebe ich mit einem flüchtigen Lächeln zurück, ehe ich doch vehement dagegen wehre, selbst mit ihrem Auto in die Stadt zu fahren, nachdem sie es mir angeboten hat. In der Stadt folge ich erst ihr durch die Geschäfte, bevor ich mich von ihr verabschiede, um alleine noch ein bisschen bummeln zu gehen und ihr vorher verspreche, mir ein Taxi nach Hause zu nehmen. Während sie ihren Einkäufen nachgegangen und noch ein bisschen durch die Geschäfte geschlendert ist, habe ich mich dazu entschlossen, ein kleines Geschenk für Hiroki zu besorgen. Erstens kann ich mich so vielleicht bei ihm entschuldigen und zweitens habe ich gleich etwas zur Einweihung für ihn, auch wenn ich noch nicht die geringste Ahnung habe, nach was ich überhaupt Ausschau halte. Betont langsam schlendere ich durch die Gegend, bleibe an dem einen oder anderen Geschäft stehen und zucke doch etwas zusammen, als hinter mir ein „Tomo? Dich habe ich ja ewig nicht gesehen.“, erklingt. Nur langsam drehe ich mich in Richtung der Stimme, lasse ein Lächeln auf meinen Lippen erscheinen, was sogar ehrlich gemeint ist. Schon länger habe ich deinen Bruder nicht gesehen, genauer gesagt, seit deiner Beerdigung nicht mehr, auch wenn wir uns immer wirklich gut verstanden haben. „Hey..“, gebe ich leise von mir und trete nur langsam etwas auf ihn zu, um ihn mit einer Umarmung zu Begrüßung. Ich selbst war es, der nach deinem Tod einfach den Kontakt abgebrochen hat, um nicht täglich an dich erinnert zu werden, auch wenn sich das als wahrlich unmöglich herausgestellt hat. „Wie geht es dir? Hast du.. Lust auf einen Kaffee?“, entgegnet er mir sofort, entlockt mir ein leichtes Nicken. Ich wollte immerhin neu anfangen und dazu gehört vielleicht auch, dass ich mich endlich mit deinem Bruder ausspreche und vielleicht sogar versuche, wieder eine Freundschaft zu ihm aufzubauen.. eine Freundschaft, wie wir sie früher hatten. „Gerne.“, füge ich meinem Nicken noch hinzu, ehe ich mich in Bewegung setze und in Richtung des Cafes auf der anderen Straßenseite schlendere, einfach voraussetze, dass er mitkommt. „Wohnst du noch immer in Tokyo?“, will er schließlich wissen, nachdem er wir ein paar übliche Floskeln ausgetauscht und uns jeder eine Tasse Kaffee bestellt haben. „Hai, auch noch in der selben Wohnung, auch... auch wenn mich dort alles an ihn erinnert.“, entgegne ich ihm immer leiser werdend, senke meinen Blick in meine Kaffeetasse. In den nächsten Momenten tauschen wir uns darüber aus, was uns besonders an dir gefallen hat und was uns zur Weissglut getrieben hat. Auch erzähle ich ihm von Hiroki, davon, was sich in den letzten Tagen ereignet hat und auch, dass er mich gehörig durcheinander bringt, obwohl ich dich noch immer nicht vergessen kann. „Du wirst ihn auch nie vergessen, Tomo. Aber sieh es als einen Neuanfang. Du sollst ja nicht gleich eine Beziehung mit Hiroki eingehen, aber er würde nicht wollen, dass du weiterhin Trübsal bläst. Er würde wollen, dass du wieder glücklich wirst, trotz dass du ihn immer in Erinnerung behälst.“, antwortet er mir mit einem Lächeln, was mich wiederrum zum Seufzen bringt. „Mag sein, aber mit meinem Abgang habe ich bei Hiroki eh verschissen. Ich kann froh sein, wenn er überhaupt noch ein Hallo für mich übrig hat.“, erwidere ich mit einem weiteren Seufzen, nehme anschließend einen großen Schluck aus meiner Kaffeetasse. „Wolltest du nicht ein Geschenk für ihn holen? Das wäre doch schon mal ein guter Anfang. Komm ich helfe dir auch.“, fordert er mich sofort auf und lächelte sanft, zieht mich auch augenblicklich auf die Füße. Eine Stunde später habe ich tatsächlich ein Geschenk für ihn gefunden und mich anschließend von deinem Bruder verabschiedet, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das Geschenk bei dir wirklich für Anklang sorgen wird. Langsam schlendere ich die Strasse entlang zum Wohnhaus meiner Eltern, nachdem ich mich entschlossen habe, zu Fuss zu gehen. Etwas irrtiert bleibe ich ein paar Meter vor dem Haus stehen, als ein Taxi vor diesem hält, ziehe wenig später jedoch scharf die Luft ein, als ausgerechnet Hiroki aus diesem steigt und sein Blick sofort auf mich fällt – habe ich mit ihm doch hier nun wirklich nicht gerechnet und ich weiß gerade echt nicht, wie ich mit diesem.. Überfall umgehen soll, sodass ich einfach an Ort und Stelle stehen bleibe und ihn regelrecht anstarre. -- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)