Can´t cange it von Akio21 ================================================================================ Kapitel 8: Handarbeit --------------------- Ganz gechillt saß ich an meinem Pult und strickte ein rosafarbenes Kätzchen. Die Gechilltheit in Person sozusagen. Es sollte besonders niedlich werden, denn ich wollte mindestens ein C, am besten ein B auf die Arbeit. Meine anderen Stricktiere waren in den Augen meines Lehrers allesamt in Ungnade gefallen. Ich wusste aber, je niedlicher das Tier, und es mussten immer Tiere sein, desto besser die Note. Wie ich dazu komme? Am Anfang des Schuljahres hatten wir im Stundenplan stehen, jeden Donnerstag, die ersten beiden Stunden für die Jungen Werkunterricht, Mädchen Handarbeit. Meinen Lehrer in Werkunterricht habe ich nur einmal gesehen, seither war er krank. Ich hatte ihn also quasi ein dreiviertel Jahr nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er brauchte Ruhe. Ein weitverbreitetes Symptom unter Erwachsenen. Sie brauchen ständig Ruhe. Nach der Arbeit brauchen sie erst mal Ruhe von der Arbeit, am Wochenende brauchen sie Ruhe von der Woche, am Sonntagabend brauchen sie Ruhe vor dem Montag, sie brauchen Ruhe von den Freunden, der Verwandtschaft, von der Ehefrau – oder auch Ehemann – von ihren Kindern, Ruhe von den Nachbarn und überhaupt. Auch die Schulleitung brauchte Ruhe, machte es sich daher sehr einfach und beschloss, anstatt einen neuen Lehrer einzustellen, das wir alle gemeinsam Handarbeit hatten. Die letzten Monate, Wochen und vor allem Donnerstage habe ich also regelmäßig die ersten beiden Stunden verflucht. Unser Handarbeitslehrer war ein ewig mürrisch drein blickender, finsterer Geselle, den ich noch nie lachen gesehen hatte. Stattdessen flößte er mir gewaltigen Respekt ein. Aber nicht nur mir. Sein Name war Gwendal von Voltaire und dachte ich anfangs noch, er mache so ein Gesicht, weil er mit seinem Schicksal haderte ein Handarbeitslehrer zu sein, wurde ich bald eines besseren belehrt. Stricken war mentales Training und sehr wichtig, erklärte er uns mal. Sonst sagte er eigentlich nie etwas. Und außer Stricken hatte er uns auch nichts beigebracht. Manche von uns hegten gar den Verdacht, er könne nichts anderes. Er brachte immer einen Korb voller Wolle mit, und ich griff demonstrativ nach der rosa Wolle. Als Zeichen, das mich das Lachen meiner Kameraden vorher nicht im Mindesten interessierte. Whatever, heute kam mir dieser Unterricht ganz gelegen. Jeder strickte absolut stumm vor sich hin, und zum ersten mal verstand ich das mit dem mentalen Training. Ich hatte einige Probleme im Kopf, die es zu lösen galt. Zum einen war da Wolfram, dessen Freund ich irgendwie geworden war. Ich erinnerte mich an gestern, als er sich als wahres Genie im Unterricht bewiesen hatte, und schaute zu ihm. Sein blondes Haar glänzte golden in der Sonne, sein Engelsgesicht dagegen war vor Unmut verzerrt, als er ungeduldig den Part, den er schon gestrickt hatte, wieder aufzog. Wahrscheinlich ein paar Maschen fallengelassen, dachte ich , so als Profi, der ich geworden war. Das hatte ich mir schon gedacht. Ich hätte gerne eine Wette abgeschlossen, ob er aufgrund seiner Ungeduld aufgeben , oder aufgrund seiner Hartnäckigkeit weitermachen würde. Auf Letzteres hätte ich meine gesamte Kohle gesetzt. Wolfram hatte meinen Blick bemerkt und lächelte mir zu. Ich lächelte zurück. Also, das war mein erstes Problem. Das zweite war mein Bruder, der vermutlich immer noch vor der Schule Wache hielt. Das dritte war Murata, der absolut überzeugt davon war, ich hätte mein Glück mit einem Kerl gefunden und das ganz nebenbei schrecklich komisch fand, kurz, ich stand allein mit all meinen Problemen da und das Vierte, ich musste schnellstmöglich mein Fahrrad zurückbekommen, bevor auch noch meine Eltern Fragen stellten. Vor zwei Tagen war meine Welt noch vollkommen in Ordnung gewesen. Sie war genauso wie es sich für einen männlichen Teenager gehörte. Nie hätte ich gedacht, das ich kurze Zeit später, also jetzt, mir über schon genannte Probleme den Kopf zerbrechen würde. Seit gestern morgen war einfach alles anders. Sogar ich selbst. Aber ich konnte weder die Zeit zurückdrehen, noch gewisse Dinge ungeschehen machen. Ich konnte es nicht ändern. Ich konnte nur versuchen, Schadensbegrenzung zu treiben, Lösungen mussten her. Die Welt wollte wieder gerade gerückt werden, ich wollte wieder selbst bestimmen, wo mein Weg lang ging. Nur wie. Zuerst mal Shori. Sollte ich ihm vielleicht doch reinen Wein einschenken? Was wäre, wenn ich Konrad fragen würde, ob er mich nach Hause fährt? Immerhin war er sehr nett gewesen, allerdings konnte man das von mir nicht behaupten. Welchen Grund sollte er also haben? Auf der andern Seite, ein Versuch konnte ja nicht schaden. Ich musste unbedingt Shori davon abhalten, weiterhin Wache zu schieben. Offenbar hatte mein gestriges Verhalten bewirkt, das sein Bruderkomplex wieder total durchgebrochen war, und wenn ich ihn nicht aus dem Weg räumte, würde er auch unweigerlich Wolfram begegnen, und der würde ihn vielleicht mit Bruder oder Schwager anreden. Ich glaubte, ihn mittlerweile so gut zu kennen, das ich ihm das absolut zutrauen würde. Um an mein Fahrrad zu kommen, musste ich zwangsweise wieder mit Wolfram fahren. Eine gute Gelegenheit es mit Konrad wenigstens zu versuchen. Es wäre ja auch nur für ein oder zwei Wochen, bis Shori sich wieder normal verhielt. Und wenn ich dann schon mit Wolfram fuhr, konnte ich ihm sein Hirngespinst sicherlich ausreden. Ich würde ihm ganz ruhig und sachlich erklären, dass es sich um ein Missverständnis hielt. Er würde es sicher verstehen, und er hatte bei Gott alle Chancen der Welt, sich jemand anderen auszusuchen, jemand der besser aussah als ich, vorzugsweise ein Mädchen. Damit erledigte sich Problem Nummer drei praktisch von alleine. Wenn Murata es von Wolfram hörte, würde er mir schon glauben. Geschafft, zufrieden hob ich mein kleines Kätzchen hoch, ich hatte ein richtig gutes Gefühl. Alles würde sich in Wohlgefallen auflösen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)