Wolfgang und Juli von Akio21 (Begegnung im Park) ================================================================================ Kapitel 5: Wo bin ich? ---------------------- Er hob sein Glas. Was genau er trank konnte ich nicht erkennen. Ob ich fragen sollte? Aber vielleicht blamierte ich mich dann wieder mit seinen Getränkekenntnissen. Lieber nicht. Das Risiko war mir zu hoch, und ich wollte nicht wieder seinen abschätzigen Blick sehen. Aber ich könnte ja mit ihm anstoßen? Ich sah in mein Glas und merkte das es leer war. „Oh.“ Wie auf Kommando kam der Kellner und brachte mir ein neues Glas. Ähm, Moment, herrschte hier vielleicht so etwas wie Trinkpflicht? „Ähm, Verzeihung, aber das habe ich nicht bestellt. Nehmen Sie es wieder mit.“ Vielleicht ging das ja auch aufs Haus, wäre möglich so nett wie die Leute hier waren. „Das ist schon in Ordnung, das hat der Herr dort,“ er zeigte auf einen etwa vierzigjährigen Mann der mir zu prostete, „für dich bestellt.“ Oh, wie nett. Ich hob das Glas und prostete meinerseits dem Mann zu, dass heißt, ich wollte es, wurde aber von Wolfram festgehalten. Erstaunt sah ich ihn an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ fragte er und seine grünen Augen schossen Blitze auf und durch mich hindurch. „Äh, wie?“ fragte ich leicht verwirrt. „Du führst ja wohl eine Art offener Beziehung, aber – du stehst doch nicht ernsthaft auf den alten geilen Knacker dort?! Habe ich mich so in dir getäuscht? Ist mir ja wirklich noch nie passiert.“ „Augenblick mal, wie kommst du denn darauf? Ich wollte mich nur für den Drink bedanken. Nichts weiter.“ Wolfram sah mich verblüfft an. Plötzlich schien er so etwas wie ein AHA-Erlebnis zu haben, denn er flüsterte wie jemand der eine für die Menschheit extrem wichtige Entdeckung gemacht hatte: „Naiv. Grenzenlos naiv.“ Dann beugte er sich näher zu mir und fragte, fast schon sanft, wie man eben mit einem Unterbelichteten redet: „Yuri, weißt du, was für eine Bar das hier ist?“ „Klar weiß ich was für eine Bar das ist. Aber ich bin nicht gay, ich bin nur...“ „Ich auch.“ Wolfram hielt noch immer meinen Arm fest. „Das wusste ich auch vorher,“ brummte ich. Er hatte schließlich selbst gesagt, er warte auf seinen schwulen Freund. Nun ja, das sein Freund schwul war hatte er nicht direkt gesagt, aber ich war einfach davon ausgegangen. Vielleicht waren beide hetero? Ich spürte den Wunsch mich bei Wolfram zu entschuldigen. „Ah Wolfram, tut mir ehrlich leid.“ Er nickte jetzt wieder zufrieden und wohlwollend. „Kein Problem.“ Und dann prostete er mir zu. Ich tat es ihm gleich, und - what the fuck? Verdammt was für ein Höllenzeug war mir da spendiert worden? Ich hatte einen kräftigen Schluck genommen und nun alle Mühe, die Flüssigkeit im Magen zu behalten. Wolfram redete, aber ich hörte nicht wirklich zu, ich schluckte und schluckte und schluckte, bis sich meine Kehle beruhigt hatte. „Also?“ fragte Wolfram gerade. O je, ich hatte keine Ahnung was er meinte, keine Ahnung was er erzählt hatte. Wenn ich fragen würde, würde er mich keines Blickes mehr würdigen, aufstehen und wortlos die Bar verlassen. Was tun? Gerade jetzt, wo er wieder – na ja mehr von mir hielt. Zum Teufel, das konnte mir doch eigentlich egal sein, aber dass war es nicht. Ich nickte. „Einverstanden.“ „Gut, dann morgen im Park.“ Morgen im Park, wollte er mich dort treffen? Gut möglich, ja sehr wahrscheinlich, er wollte mit mir und den Hunden spazieren gehen, aber wann? Wie sollte ich das jetzt nur heraus finden? Ich konnte doch nicht von morgens bis abends auf ihn warten, da würde Wolfgang niemals mitmachen. Der Drink kam mir überraschend zu nicht gewollter Hilfe, ich merkte, dass sich plötzlich alles in meinem Kopf drehte. Was für ein Zeug war das und wo waren die beiden anderen? Und wo Wolframs Kumpel? Und wo – es wurde plötzlich dunkel. Ich spürte einen unangenehmen Druck an meinem Arm und wollte, was auch immer das verursachte, abstreifen. Langsam schlug ich meine verklebten Augen auf. Ich lag irgendwo. Irgendwo auf einer weichen Ledercouch. Bordeauxrot. Wow. Jemand stand auf, und ich sah in seine Richtung. Der Mann packte grade einen Blutdruckmesser in einen Arztkoffer. Das Ding an meinem Arm war auch verschwunden. „Ich habe ihm ein Gegenmittel verabreicht, bin aber immer noch der Meinung, dass er zur Beobachtung ins Krankenhaus gehört.“ Die Stimme war mir unbekannt, ich versuchte vergeblich das Gesicht zu erkennen. „Um Himmelswillen, Shibuya hasst Krankenhäuser. Das würde er mir nie verzeihen.“ Das war Murata. Also war Murata da, aber wo war ich? Mein Kopf schmerzte entsetzlich, als ich versuchte mich zu erinnern. Stöhnend hob ich meine Hand an die Stirn. „Bist du jetzt wach Shibuya, ich meine richtig wach?“ wurde ich von Murata gefragt. „Was faselst du da, Murata?“ „Ein Glück, er ist wach.“ Antoine. Oh ja. Richtig. Diese Gaybar. Die und Wolfram. Hatte ich etwas Falsches gesagt und er hatte mich niedergeschlagen? „Es tut mir so leid, dass so etwas passiert ist“, Antoines Stimme klang schuldbewusst. „Ach Quatsch, ist doch nicht deine Schuld, wenn Shibuya einfach unbekannte Getränke zu sich nimmt.“ Unbekannte Getränke. Ja, da war etwas – ganz weit weg in meiner Erinnerung. „Trotzdem, ich hätte ihn nicht allein lassen dürfen“, Antoine klang immer noch schuldbewusst. Meine Hand war unterdessen auf der Unterlage hin und her gefahren und ich fühlte – eine Decke? „Nein, es ist nicht deine Schuld, Antoine“, lallte ich vor mich hin. Was war mit Wolfram? „Wolfram.“ „Ja Yuri, ich bin hier.“ Eine Hand umschloss die meine. Hä? Das war Wolframs Stimme, aber warum hielt er meine Hand? Hosted by Animexx e.V. 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