The Fall of Ideals von Yayoi ================================================================================ Kapitel 5: The Fall of Lies --------------------------- „Wach auf, Jesse!“ Fireball rüttelte Jesse eindringlich, der nach einer weiteren langen Nacht voller Alpträume auf der Couch eingeschlafen war. „Ich habe neue Informationen!“ Inzwischen erschrak Jesse nicht mehr, wenn Fireball ihn weckte, trotzdem war er sofort hellwach und setzte sich im gleichen Atemzug auf. „Was für Informationen?“ Fireball ließ sich auf den frei gewordenen Platz nieder, wo Sekunden vorher Jesses Beine ausgestreckt waren. Jesse bemerkte, dass Fireball ziemlich übermüdet aussah und seine Kleidung unordentlich war. Bevor sich Jesse in weitere Mutmaßungen über Fireballs Zustand verlor, entfaltete dieser umständlich das inzwischen zerknitterte Blatt mit der Zeichnung, das er aus seiner Hosentasche gezogen hatte. „Es handelt sich tatsächlich um die Weiterentwicklung eines Hyperantriebs“, platzte er mit der Neuigkeit heraus, kaum dass das Papier ausgebreitet auf dem Tisch lag. „Scheinbar wurde schon länger daran gearbeitet, aber erst jetzt sind die Testergebnisse wohl so vielversprechend, dass demnächst die Massenproduktion beginnen soll.“ „Massenproduktion? Bist du sicher?“, hakte Jesse nach und verengte seine Augen. Etwas schmeckte ihm nicht an der ganzen Sache, aber er wusste nicht genau, was. „Glaubst du mir etwa nicht?“, erwiderte Fireball leicht gereizt. Sein Blick traf den von Jesse, den die Gegenfrage auf dem falschen Fuß erwischt hatte. „Ich habe die Infos aus erster Hand!“ „Natürlich glaube ich dir! Ich frage mich nur, ob du vorsichtig genug warst, um an die Informationen heranzukommen, wenn du verstehst, was ich meine. Immerhin handelt es sich hierbei um sehr heikles Material, das den höchsten Geheimhaltungsstufen unterliegt!“ „Ich habe April nichts erzählt, beruhigt dich das?“, erwiderte Fireball säuerlich. „Ich bin kein Anfänger!“ „Wie hast du's gemacht?“, bohrte Jesse weiter, ungeachtet, dass er seinen Mitspieler damit noch mehr verärgerte. ‚Ich hätte besser mithören sollen’, fiel ihm ein, verärgert über seine eigene Gefühlswelt, die ihm übel mitspielte, aber bedauerlicherweise war es zu spät. Da er keinen Mitschnitt verfasst hatte, blieb ihm nur übrig, Fireball zur Rede zu stellen. ‚Wer hätte ahnen können, dass er nach diesem Wiedersehen tatsächlich daran denkt, die Informationen zu beschaffen?’ „Du willst es wohl genau wissen, was?“ Fireball schien es zu genießen, dass er am längeren Hebel saß. Vielleicht wollte er auch einfach einen Moment spüren lassen, dass er über ihn triumphierte, weil er die eindeutig besseren Karten bei April hatte, oder weshalb lehnte er sich gemütlich nach hinten und lächelte so selbstgefällig? „Also gut, wenn du eine Märchenstunde haben willst, sollst du sie bekommen. Wie du dir sicher denken kannst, hatten wir nach den ganzen Jahren, in den wir uns nicht gesehen haben, sehr viel nachzuholen und zu bereden. April … geht es gerade nicht besonders gut. Sie...“ Fireball unterbrach sich und überlegte, wieviel er Jesse erzählen sollte, der ihn mit versteinerter Miene abwartend anschaute. „Sie hat private Probleme. Außerdem ist sie Mama geworden, was die ganze Sache nicht gerade vereinfacht.“ „Verstehe“, sagte Jesse gedämpft. Egal, was er zu Fireball zu Beginn ihrer Mission gesagt hatten, er liebte April noch immer, das spürte er ganz deutlich, und im gleichen Zug wurde er wieder an sein verschwendetes Leben erinnert. Dass April für immer in unerreichbarer Ferne für ihn sein würde, wusste er allerdings auch. „Junge oder Mädchen?“ „Junge.“ Fireball machte eine wegwerfende Handbewegung, da er nicht nicht wollte, dass Jesse zuviele Details erfuhr. Auf diese Weise wollte Fireball sie wie ein Bodyguard vor Jesse abschotten und beschützen, denn im Unterbewusstsein war er sich der Konkurrenz von damals deutlich bewusst. „Jedenfalls haben wir uns sehr lange über Dies und Jenes unterhalten und darüber, was wir gerade so machen, also sie und ich. Sie wusste ziemlich genau über meine familiäre Situation Bescheid und ich habe ihr gesagt, dass ich im Moment als Detektiv unterwegs bin und auf Dinge gestoßen bin, die nicht so recht zusammenpassen wollen. Dann hab ich ihr die Zeichnung gezeigt.“ „Ist sie nicht argwöhnisch oder neugierig geworden, weshalb du dich auf einmal in anderer Leute Angelegenheiten mischst und als Amateur dann ausgerechnet auf so eine super-geheime Sache stößt?“ „Jeder hätte danach gefragt, oder?“ „Was hast du ihr erzählt?“ „Ich wollte sie nicht anlügen“, sagte Fireball und Jesse wurde leichenblass vor Schreck. „Deshalb habe ich ihr gesagt wie es ist, nämlich, dass ich nach dem ganzen Mist in meinem Leben einfach auf andere Gedanken kommen musste und deswegen einen Job als Detektiv angenommen habe. Ich habe ihr gesagt, dass ich sehr wahrscheinlich auf einen Fall von Industriespionage gestoßen bin, und sie hat mir geglaubt und mich gebeten, vorsichtig zu sein. Als ich es ihr versprochen habe, hat sie die Zeichnung angeschaut und mir gesagt, dass sie sogar an dem Antrieb mitgearbeitet hat, bevor sie schwanger wurde. Es handelte sich um ein Projekt für die Erforschung fremder Dimensionen, um neue Lebensräume zu erschließen. Sie erzählte mir, dass ein Testgelände eingerichtet werden sollte, um die Sprünge zu erforschen und durchzuführen. Das würde zumindest für die Outridersichtungen sprechen, von denen wir gehört haben.“ „Es könnte so oder so sein, es gibt immer keine stichhaltigen Beweise!“, stellte Jesse missmutig fest. Der Schreck saß ihm immer noch in den Knochen und es passte ihm gar nicht, sich auf Fireballs Einschätzung verlassen zu müssen. Umso mehr drängte die Zeit, endlich Ergebnisse zu bekommen. „Wir müssen diesen Antrieb in Aktion sehen und die Sprungkoordinaten besorgen, damit können wir ihn überführen!“, beschloss er und ballte seine Hand zur Faust. „Wie bist du inzwischen mit April verblieben?“ „Ich habe ihr versprochen zu helfen, soweit mir das möglich ist“, antwortete Fireball und fuhr sich durch sein länger gewordenes, strubbeliges Haar. „Sie weiß, dass ich diesen Auftrag zu Ende bringen möchte, und dass viel auf dem Spiel steht. Deswegen sollten wir uns lieber beeilen, die fehlenden Informationen zu bekommen. Ich möchte sie nicht länger alleine lassen als nötig.“ Jesse nickte langsam. Er hätte alles dafür gegeben, ihr zur Seite stehen zu dürfen. „Je eher, desto besser. Schließlich spielt die Zeit gegen uns und vielleicht ist der neue Krieg schon da, bevor wir die letzten Puzzlestückchen sammeln konnten.“ „Manchmal wünschte ich, ich könnte Saber einfach fragen, was er vorhat“, gestand Fireball. „Täte ich es, würde er wahrscheinlich alles leugnen, oder eine entsprechende Erklärung haben. Eine vertrackte Situation ist das!“ Deutlich konnte man den Unmut in seiner Stimme heraushören und dass es ihm unangenehm war, gegen seinen ehemaligen Chef zu ermitteln. „Was wirst du eigentlich machen, wenn die Mission beendet ist?“ Fireball drehte seinen Kopf und sah seinen Nebenmann erwartungsvoll an. „Darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, noch keine Gedanken gemacht“, antwortete Jesse überrascht. „Das entscheide ich wohl, wenn es soweit ist. Außerdem hängt alles von dem Ergebnis ab - und davon, ob du mich verrätst.“ Er grinste schief. „Wir wissen beide, dass du mich in der Hand hast, nur du kennst meinen Decknamen und mein Aussehen. Mir ist bewusst, welches Risiko ich damit eingegangen bin, mich dir zu zeigen, aber es war es wert, wenn sich die Anzeichen dessen, was Saber vorhaben könnte, bewahrheiten und wir dies verhindern.“ „Wenn sich alles als wahr herausstellen sollte, wirst du also nicht die Lorbeeren einstreichen?“, fragte Fireball verblüfft. „Nein, wie könnte ich? Wenn ich das täte, wäre ich wohl schneller hinter Gittern als Saber und der würde sich bestimmt irgendwie herauswinden. Ich würde ein hübsches Sümmchen darauf verwetten, dass er auf so ziemlich alle Eventualitäten vorbereitet ist und daher werde ich den Lorbeerkranz in eigenem Interesse anderen überlassen müssen, ich stehe nicht darauf, gesiebte Luft zu atmen.“ Ein leichtes Grinsen stahl ich auf Fireballs Gesicht. „Du überraschst mich immer wieder. Manchmal erwische ich mich dabei, zu denken, dass du kein so übler Kerl bist wie ich dich immer in Erinnerung hatte!“, sagte er. „Schade, dass du damals die Seiten gewechselt hast.“ „Die Vergangenheit kann man nicht ändern, leider.“ Jesse seufzte bedauernd auf und beugte sich wieder über das Blatt, um das Thema nicht vertiefen zu müssen. „Sag mal, hat April zufällig verraten, wo die Prototypen gebaut werden oder wo das Testgelände ist?“ Einen kurzen Moment überlegte der ehemalige Star Sheriff, ob er weiter im Damals bohren sollte, ließ es dann aber sein und antwortete stattdessen auf die aktuelle Frage: „Nein, hat sie nicht. Sie erwähnte nur, dass ausgebildete Ingenieure die Konstruktionen im Auftrag des Kavallerie-Oberkommandos durchgeführt haben und nur die Loyalsten und Besten dafür ausgewählt worden sind. Sie hat nebenbei bemerkt, dass nur drei Leute mit dieser Arbeit betraut waren. Die Outridersichtungen im Omikron-Sektor klingen für meinen Geschmack jedenfalls sehr verdächtig. Ich denke, dass wir die Gegend mal genauer unter die Lupe nehmen sollten, oder was meinst du?“ „Das ist die heißeste Spur, die wir haben“, stimmte Jesse zu. „Sieht so aus, dass wir wieder auf Reisen gehen.“ „Also los!“  Der Abflug der beiden blieb nicht unbemerkt. „Es ist tatsächlich diese miese kleine Ratte! Und Fireball macht gemeinsame Sache mit ihm!“ Colt warf sein Ultrazoom-Fernglas auf den Pilotensitz und aktivierte die Sensoren, um den Kurs des Schiffs aufzuzeichnen. Dass er ihnen folgen würde war so klar wie das Wasser in den oberbayrischen Bergseen, für die er so schwärmte. Als Kopfgeldjäger war es für ihn ein Leichtes gewesen, Fireballs Aufenthaltsort ausfindig zu machen und die Spur aufzunehmen. „Der Kerl hat tatsächlich mehr Leben wie eine Katze!“ Colt spürte wie heißer Zorn in ihm aufkochte und sein Blut in Wallung geriet. ‚Liz sagte, dass Fireball und ein ‚gemeinsamer Freund aus alten Tagen’ mich suchten. Ich frage mich wirklich, was das für ein Auftrag war, für den sie mich brauchten. Fireball hat zwar was gesagt, aber ich kann mich dummerweise nicht richtig erinnern, aber ich werde es herausfinden! Eines steht mal fest: wenn Jesse wieder auftaucht, kann das nichts Gutes bedeuten! Und so wie es aussieht, werde ich dich wieder einmal aus dem Schlamassel ziehen, Fire! Keine Ahnung, ob du in diesem Leben überhaupt noch einmal lernst, auf eigenen Füßen zu stehen!’ Eigentlich hatte Colt sich bei seinem besten Freund entschuldigen wollen, doch nun musste das warten. Erst einmal musste Klarheit in die Angelegenheit gebracht werden. ‚Colt, jetzt mal langsam!’, hielt er sich zurück. ‚Würde Fireball wirklich einfach so gemeinsame Sache mit diesem Verräter machen? Oder steckt vielmehr ein ausgereifter Plan von Jesse dahinter? Der hat ihm bestimmt irgendwas erzählt und ihn um den Finger gewickelt und Fireball ist, naiv wie er nun mal ist, darauf reingefallen.' In ausreichend großem Abstand folgte Colt den beiden, gerade so, dass er sie nicht verlor und selbst nicht gesehen wurde. Er wusste, dass die Reichweite der ursprünglich eingebauten Sensoren dieses Schiffstyps nicht besonders hoch war und so heruntergekommen, wie es aussah, waren sie niemals modernisiert worden. Trotzdem wollte der Cowboy kein Risiko eingehen und hielt den Abstand so, dass er nicht entdeckt würde. Hochkonzentriert jagte Colt dem schwarzen Gleiter hinterher und konnte keinen Anhaltspunkt finden, wohin die Reise führte. Zwar war er als Kopfgeldjäger einiges gewohnt, doch diese Verfolgungsjagd strengte ihn sehr an. Da Fireball und Jesse sich scheinbar am Steuer abwechselten und nur zum Tanken anhielten, fiel Colt ein Stückweit zurück. Nur wegen seiner moderneren Gerätschaften konnte er den Kurs des anderen Schiffs über weite Strecken aufzeichnen und berechnen. Weil der Phoenix schneller war als das fast schon museumsreife Schiff der beiden, bereitete es ihm keine nennenswerten Schwierigkeiten, den Vorsprung aufzuholen und an ihnen dranzubleiben. Mit seinem Bronco Buster wäre das nicht möglich gewesen. Unterwegs machte er deshalb Rast in einem Motel, in dem er sich außer etwas zu Essen auch ein paar Stunden Schlaf gönnte. Obendrein entschloss er sich dazu, zwei wichtige Telefonate zu führen. „Das ganze stinkt so sehr zum Himmel, da sind meine Socken nichts dagegen!“, murmelte er, während er die erste Verbindung herstellte und auf Antwort wartete. Nach ein paar Minuten war das Gespräch erledigt und er wusste, dass er das Richtige getan hatte. Jetzt war seine Aufgabe, den beiden weiterhin auf den Fersen zu bleiben und Meldungen über die aktuelle Position durchzugeben. Außerdem bekam Colt einen Verdacht genannt, dass das Ziel der Reise der Omikron-Sektor sein könnte, was mit dem derzeitigen Kursverlauf perfekt übereinstimmte. Er wählte die zweite Nummer; Liz musste einiges erfahren.  Saber Rider runzelte die Stirn, nachdem das Telefonat mit Colt beendet war, und strich nachdenklich über seinen Musketierbart. Colts Anruf hatte beunruhigende Neuigkeiten ergeben. Zwar wusste Saber, dass Jesse wieder in die menschliche Dimension zurückgekehrt war, allerdings hatte er ihn bisher weder ausfindig machen können noch die Gründe seiner Rückkehr erfahren. Es war möglich, dass Jesse einfach nur vor all den schrecklichen Erlebnissen in der Phantomzone, von denen Jean-Claude ihm berichtet hatte, geflohen war, ebenso wie dass er hinterhältige oder gar kriegerische Absichten hegte. Er war der Einzige, der Saber bei der Durchführung seiner Pläne gefährlich werden konnte, und dieses Wissen lag ihm die ganze Zeit über schwer im Magen. Deshalb wäre es ihm lieber gewesen, ihn von Anfang an unter seiner persönlichen Beobachtung - und damit unter Kontrolle - zu haben. Als er ein paar Jahre zuvor erfahren hatte, dass der ehemals vielversprechende Kadett das Gefecht gegen die Outrider überlebt hatte, war er zunächst überrascht gewesen, doch tief in seinem Inneren hatte er immer damit gerechnet. Jesse war zäh wie Unkraut, das immer wieder kam, egal wie sehr man es auszurotten versuchte. Ein paar Minuten später stellte er eine Verbindung her und Jean-Claude erschien auf dem Schirm. „Er ist aufgetaucht“, sagte Saber direkt, ohne sich mit einer Begrüßungsfloskel aufzuhalten. „Endlich“, nickte Jean. Es war unnötig zu erwähnen, von wem die Rede war. „Wo?“ „In Fortuna Hills. Jetzt ist er auf dem Weg zum Omikron-Sektor, und zwar zusammen mit Fireball.“ „Mit Fireball?“ Saber nickte. „Es kann nichts Gutes bedeuten, wenn sich einer meiner ehemaligen Teamkollegen mit Jesse zusammengetan hat, und dass sie auf den Weg zu unserem Testgelände sind, gefällt mir ganz und gar nicht. Irgendwas muss er ihm erzählt haben.“ „Wie hast du ihn aufgespürt?“ „Colt war es, der ihn gefunden hat. Scheinbar hat es etwas mit Fireball zu tun, wir hatten keine Zeit, uns über die Details auszutauschen. Ich habe Colt den Auftrag gegeben, die beiden gefangen zu nehmen und zum Red-Wing-Gefängnis zu bringen. Mittlerweile ist es zwar stillgelegt, aber die Zellen funktionieren und werden für unsere Zwecke ausreichen. Ich werde dorthin aufbrechen, wenn Colt sich gemeldet hat und du solltest dich dann auch auf den Weg machen.“ „Du willst sie also zur Rede stellen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, die Jean-Claude da traf. „Hast du bedacht, dass du unser Geheimnis verrätst, wenn ich mich zeige?“ „Vielleicht muss ich nichts verraten, aber ehrlich gesagt halte ich es für unwahrscheinlich. Jesse weiß irgendwas, da bin ich absolut sicher und man darf ihn nicht unterschätzen. Für den Fall der Fälle will ich auf alles vorbereitet sein. Ich werde mir die beiden persönlich vorknöpfen und mir anhören, was sie zu sagen haben. Insbesondere auf Fireballs Erklärung bin ich sehr gespannt.“ „Sofern Colt die beiden fängt.“ „Ich habe vollstes Vertrauen in Colts Fähigkeiten, auch wenn er vielleicht ein bisschen aus der Übung ist. Ich rechne mit einer umgehenden Festnahme und bin sicher, er wird diesen Auftrag mit Bravour meistern.“ „Jedenfalls dürfte er nicht gerade begeistert sein, wenn ich auf einmal vor ihm auftauche. Falls ich mich zeigen muss, sorge bitte dafür, dass er keinen Blaster in der Nähe hat, ich bin nicht lebensmüde.“ „Mach dir deswegen keine Sorgen, ich werde ihn im Griff haben. Ich melde mich wieder, Jean.“ Saber beendete das Gespräch und lehnte sich nach hinten, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. ‚Ich hoffe, dass ich recht behalte und ihn wirklich im Griff habe, falls er Jean sieht’, dachte Saber bei sich. Seine Gedanken führten ihn an die Anfänge von Jeans und seiner Zusammenarbeit vor ein paar Jahren. ‚Damals hatte Jean mir einen Funkspruch über Hypertransmitter gesendet, auf höchst vertraulicher Ebene und mich um ein persönliches Treffen gebeten. Nur er und ich, ohne Waffen, ohne Bodyguards, weit abseits des Zentrums. Irgendwie hatte ich schon immer eine vage Ahnung, dass die Outrider weiterhin in ihrer Dimension existierten, aber dass eine Rückkehr während meiner Amtszeit passierte, sollte wohl ein schlechter Scherz sein. Natürlich traute ich Jean nicht, und wir einigten uns darauf, dass ich ihm die Koordinaten des Treffens kurz vorher sende und ich meine Waffen behielt, als Zeichen dafür, dass er wirklich in friedlicher Absicht kam und es ihm ernst war. Den Treffpunkt hatte ich sehr sorgfältig ausgewählt und ihm die Koordinaten so kurzfristig mitgeteilt, dass er auf keinen Fall irgendeine Art Hinterhalt vorbereiten konnte. Dann beobachtete ich ihn und ließ ihn lange Zeit warten, was er sehr geduldig mit erhobenen Händen tat. Es war eine Prüfung, die ich ihm auferlegte und die er erst mit Bravour bestehen musste, ehe ich mich ihm zeigte. Entgegen aller Befürchtungen hielt er sich an unsere Verabredung und war allein gekommen, trug keine einzige Waffe bei sich und auch sein Gleiter war ein ziviles Modell, was mir mehrere Scans bestätigten. Schließlich ließ ich Steed aus dem Versteck treten und flog zu Jean hinüber. Als ich vor ihm landete, richtete ich mein Schwert auf ihn und er sah zu mir auf. „Danke, dass du gekommen bist, Saber“, sagte er und ich weiß noch, wie sehr ich von seinem skelettartigen Anblick erschrocken war. Trotzdem er sehr schwach auf mich wirkte, machte er nach wie vor keine Anstalten, seine Hände zu senken, er hatte sich mir völlig ausgeliefert. „Was hast du so Wichtiges mit mir zu besprechen, Jean?“, wollte ich wissen. „Ich bin hier als der amtierende König der Phantomzone und ich bitte dich darum, unser Leben zu retten“, war seine Antwort, während der er mir die ganze Zeit über in die Augen sah. „Unsere Nahrungsmittel und Energievorräte gehen uns aus. Krankheiten wüten in der Bevölkerung und wenn uns niemand hilft, werden wir bald aussterben.“ Ich weiß noch, dass mein Schwert kurz erzitterte, als er diese Bitte mit diesen schlichten, beinahe emotionslosen Worten vortrug und ich schloss meine Finger fester um den Griff. Zorn wallte in mir auf, der mit dem Gefühl, helfen zu wollen, kollidierte. Jean ahnte wahrscheinlich, was in mir vorging, aber er nutzte diese Schwäche, die uns Menschen eigen ist, nicht aus, um auf mich einzureden, sondern er schwieg, bis ich mich gesammelt hatte. „Warum sollte ich dem zustimmen, Jean-Claude? Ihr habt unsere Dimension überfallen und etliche Menschen getötet. Schon einmal sind wir auf ein Friedensangebot hereingefallen und jetzt kommst du nach all den Jahren hierher und bittest im Namen aller Outrider um euer Leben? Ist das ein weiterer, perfider Plan, das Mitleid der Menschen zu erregen und anschließend das Neue Grenzland zu erobern?“ „Nein, Saber. Ich kann dir nicht vorwerfen, dass du so denkst, denn das, was du sagst, entspricht der Wahrheit und ich kann sie nicht ungeschehen machen. Alles, worum ich dich bitten kann ist, mich anzuhören. Wirst du das tun?“ „Deswegen bin ich hier. Wir Menschen halten nichts von unnötigen Kriegen, aber wenn wir unser eigenes Leben verteidigen, tun wir dies ohne zu zögern.“ „Ich weiß und ich versichere dir, ich bin nicht hier, um einen neuen Krieg zu beginnen. Die Zeiten haben sich geändert. Es gab genug Kriege und Machtwechsel in unserer Dimension und die Phantomwesen wie du sie kennst, gibt es nicht mehr. Nach Jahren der Unruhe, von Krankheiten und fehlender Energie und Nahrung hat endlich ein Umdenken in der Bevölkerung stattgefunden. Sie fürchten schlichtweg um ihr Leben. Ich als ihr Anführer weiß nun nach etlichen Fehlschlägen keinen anderen Weg mehr als unsere ehemaligen Feinde um Hilfe zu bitten. Hier bin ich nun in friedlicher Absicht und bitte im Namen meines Volkes um Unterstützung. Niemand aus meiner Dimension weiß davon, dass ich diesen Weg gehe.“ In diesem Moment war ich jedoch sehr verunsichert, denn Jeans ausgemergelter Körper sprach seine ganz eigene Sprache. Trotz seiner offensichtlichen Unterlegenheit strahlte er die Stärke und die Würde eines wahren Anführers aus. Alles, was er tat, wirkte authentisch und aufrichtig. Sein Blick bat weder um Vergebung für das Vergangene noch hatte er etwas Flehendes an sich. Jean tat einfach das, was er tun musste und nutzte den letzten Weg, um sein Volk vor dem drohenden Untergang zu retten. Er setzte sein eigenes Leben aufs Spiel, um das seiner Leute zu retten. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich ihn betrachtete und über seine Worte sinnierte, das Schwert auf ihn gerichtet. Wie sollte ich nur herausfinden, ob er die Wahrheit sprach und ich seinen Worten Glauben schenken konnte? Admiral Eagles Worte erschienen in meinen Erinnerungen. Damals, kurz nachdem wir ihn aus den Fängen der Outrider befreit hatten, sagte er, dass es nicht darauf ankäme, wer den Krieg angefangen hat, und immerhin war dieser Krieg schon sehr lange her. Einen weiteren wollte weder Mensch noch Outrider erleben, dessen war und dessen bin ich mir sicher. Konnte ich also die angefragte Hilfe verwehren? Langsam ließ ich mich von Steed hinunter gleiten und trat vor Jean. Ich legte ihm die Klinge meines Schwertes auf die Schulter und ich sah, wie seine Arme vor Anstrengung zitterten. „Beweise mir, dass ich dir glauben kann“, verlangte ich und Jean senkte seinen Blick. „Du weißt, dass es nur einen Weg gibt, dir die Wahrheit zu zeigen“, erwiderte er, „Folge mir in die Phantomzone! Ich garantiere für deine Sicherheit, und mein Wort muss dir genügen.“ Ihm und auch mir war klar, dass nur ich allein diese Entscheidung treffen konnte, ob ich ihm vertrauen wollte oder nicht. Damit hing das Schicksal eines ganzen Volkes von meinem Wohlwollen ab, das wurde mir in diesem Moment sehr deutlich bewusst. Obwohl ich seit meiner Zeit als Star Sheriff die Outrider hasste, war es gleichzeitig meine Pflicht als Präsident des Neuen Grenzlandes den Frieden nachhaltig zu sichern. Hier bot sich eine Chance, die ich nicht verleugnen durfte. „Lass mich darüber nachdenken“, sagte ich und zog mein Schwert zurück. „Du kannst deine Arme herunternehmen.“ Jean tat, was ich ihm sagte und blieb regungslos stehen, so lange bis ich das Für und Wider abgewogen hatte. Ich würde mit ihm gehen und hatte einige Vorbereitungen getroffen, falls ich nicht zurückkehren würde: Funksprüche, Hinweise darauf, was geschehen war, einen detaillierten Bericht, die ich alle verschlüsselt absetzte und die in drei Tagen - sollte ich bis dahin nicht wieder im Neuen Grenzland sein - vertrauten Personen meiner Wahl zugestellt würden. Unter diesen befanden sich auch April, Colt und Fireball, meine ehemaligen Teamgefährten. „Zeig es mir“, verlangte ich von Jean, als ich wieder bei ihm war. Er sah mich dankbar an und ich erkannte den kleinen Hoffnungsschimmer, der kurz in seinen Augen aufglomm. Diese Regung zeigte mir, dass womöglich auch die Outrider etwas Menschlichkeit in sich trugen. Er hielt sein Wort und zeigte mir den Weg in seine Dimension. Niemand wusste von seinem Vorhaben und er hatte eine beachtliche Menge Energie verschwendet, um in das Neue Grenzland zu gelangen und mit mir zu sprechen. Ich tarnte mich als einer von ihnen und reiste mit ihm durch die wenigen, verstreuten Outridersiedlungen, die zwischen spitzen Felsen auf unfruchtbarem Boden errichtet worden waren. Überall wurde Jean von den Bewohnern begrüßt, fast schon angebetet, verbreitete Hoffnung und sprach aufmunternde Worte. Er zeigte mir die outriderischen Friedhöfe und zeigte mir ihre Gewächshäuser, in denen Pflanzen unter schwachem, künstlichem Licht gezüchtet wurden. Sie sahen allesamt ungesund aus und es wunderte mich nicht, weshalb die Outrider von Krankheiten heimgesucht wurden, die ihre Zahl weiter dezimierten. Jean erzählte mir, was nach dem Kriegsende passiert war und welche Wechsel es auf dem Thron gegeben hatte. Intrigen und Machtspielereien waren an der Tagesordnung, denn jeder wollte Nemesis’ Nachfolge antreten, um Rache am Neuen Grenzland zu üben. Deshalb hatte man auch Jesse am Leben erhalten, denn obwohl sie ihn hassten, setzten die zahlreichen Anführer ihre Hoffnung in ihn, dass sie mit seinem Wissen über die Menschen einen Sieg über unsere Dimension erringen würden. Fieberhaft wurde an Neuentwicklungen von Waffen und Hyperjumpern gearbeitet, Unmengen an Rohstoffen und Energie darauf verschwendet. Jean gestand, dass er es war, der eine Rebellion gegen die Machthaber angezettelt und den letzten Herrscher – Orat – vergiftet und so vom Thron beseitigt hatte, denn auch Orat verfolgte nur ein einziges Ziel und benutzte seinen Aberglauben dafür, die Outrider nach seinen Wünschen zu lenken. Er erzählte mir, dass er bereits durch seine Reden und diesen Anschlag das Vertrauen vieler gewonnen hatte, und daher sofort als neuer Anführer angesehen worden war. In dieser Position begann er damit, einen Plan zu entwickeln, wie die Phantomzone wieder aufgebaut werden konnte. Es machte ihn traurig zu sehen, dass sie trotz ihrer Bemühungen immer weniger wurden. Es kamen keine Kinder nach und die, die es bis hierher geschafft hatten, waren unterernährt und würden früher oder später von ihrem schwachen Immunsystem dahingerafft. Damals hatte Jean-Claude mir angeboten, dass er Jesse auslieferte, ich lehnte jedoch ab, da ich ihn in der Phantomzone unter Jeans Kontrolle für besser aufgehoben hielt. Mit dem heutigen Wissen hätte ich wohl besser anders entschieden. Jean und ich schlossen einen Vertrag, in dem ich die Unterstützung des Neuen Grenzlandes zusagte und er mich über jegliche Vorhaben der Phantomzone informierte und von kriegerischen Handlungen Abstand nahm. Meine Unterstützung bezog sich auf humanitäre Hilfe aller Art und es waren viele Neuentwicklungen und Forschungen nötig, um diese gewährleisten zu können. Da es in der Phantomzone an Energie mangelte und Jean deshalb nur höchst selten in das Neue Grenzland springen konnte, beschränkte sich unser Kontakt vorwiegend auf die Hypercomebene, wo ich einige streng codierte Kanäle eingerichtet habe. Andere Projekte erforderten viel Zeit und eine geschickte Vertragsgestaltung meinerseits, und manchmal waren Bestechungsgelder ein einfacher Weg, Stillschweigen zu erkaufen. Ich lernte, damit umzugehen, und tat es in dem besten Gewissen, das Neue Grenzland vor weiteren Kriegen mit den Outridern zu schützen. Leider macht Jesse Jean und mir jetzt das Leben schwer und ich bete inständig, dass Colt es schafft, ihn zu fangen. Wir können es uns nicht leisten, dass irgendetwas davon ans Tageslicht kommt.’  „Sieh mal einer an, da ist die geheime Basis“, flüsterte Fireball, der neben Jesse im Schutz einer Felswand lauerte und auf das in einem Tal eingelassene Gebäude herunterblickte, das aus einem etwas höheren Verwaltungstrakt, einem kleinen Tower und drei großen Hangars bestand. Zwei startende Gleiter hatten die Lage der Basis verraten, die sich auf ihrem Monitor durch keinerlei Kennung vom Boden des Planeten abzeichnete. Gerade noch rechtzeitig konnten Fireball und Jesse mit ihrem Schiff im benachbarten Tal Deckung suchen und parkten es kurzerhand unter einem Felsvorsprung. Nun waren sie mit ihren Jetpacks unterwegs, um die fehlenden Beweise zu sichern. Jesse checkte die Lage über ein Fernglas und reichte es an Fireball weiter, als er fertig war und sich mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. „Es gibt einen Hochspannungszaun und diverse Kameras. Wird also nicht leicht, ungesehen dort hinein zu gelangen, selbst wenn wir den Zaun überfliegen können. Dafür habe ich keine Selbstschussanlagen gesehen. Auf den Hangardächern befinden sich Sonnenkollektoren, eins der Tore ist offen, aber ich kann keine weiteren Gleiter sehen.“ „Mein Scan von vorhin zeigt, dass die Personaldecke hier nicht sonderlich hoch ist“, gab Fireball zu bedenken, während er nun selbst die Gegend sondierte. „Es gibt nur eine Besatzung von zehn Leuten, und mindestens zwei davon sind gerade losgeflogen. Wie groß ist also die Wahrscheinlichkeit, dass sie an irgendwelchen Überwachungsmonitoren hängen?“ „Wir sollten wenigstens den Schutz der Dunkelheit abwarten“, schlug Jesse vor, dem bewusst war, dass sie ein Risiko eingehen mussten, um an die Informationen heranzukommen, „und in der Nähe der Hangars über den Zaun fliegen, damit wir nicht quer über das Gelände müssen.“ „Versteht sich von selbst“, stimmte Fireball zu und legte das Fernglas beiseite. Ein paar Stunden später wurde es endlich dunkel. Solange hatten sie die Basis abwechselnd beobachtet, aber nichts war inzwischen passiert. Weder waren die Gleiter zurückgekehrt noch hatte sich einer der Mitarbeiter auf dem Gelände gezeigt, so dass es vermeintlich verlassen erschien. Lediglich das offenstehende Hangartor war geschlossen worden. Die beiden verließen ihre Aussichtsplattform und eilten zu Fuß im Schatten der Felsen hinunter ins Tal auf die andere Seite, damit sie sich nicht durch die Antriebe ihrer Jetpacks verrieten. Sie verständigten sich durch Handzeichen und eilten präzise wie die Ninjas voran und erst als sie eine geeignete Stelle gefunden hatten, zündeten sie ihre Jetpacks für einen kurzen Moment, um auf die andere Seite des Hochspannungszauns zu kommen. Nebeneinander drückten sie sich an eine der Mauern, verharrten kurz, aber es blieb ruhig. Da die Hangartore geschlossen waren, mussten sie einen anderen Eingang finden. Leise, aber zügig rannten sie an der Außenmauer entlang, bis Fireball eine Feuertreppe fand. Ohne lange zu überlegen stieg er hinauf und Jesse folgte ihm, wo sie unter den Sonnenkollektoren Deckung suchten. Hier oben gab es zwar keine Kameras, wie Jesse feststellte, aber vom Verwaltungsgebäude aus hatte man eine gute Aussicht auf das Dach. Auch wenn kein Licht in dem höheren Gebäude zu sehen war, war nicht ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter dort am Fenster stand und hinausschaute. „Dort ist einer der Lichtschächte offen!“, flüsterte Fireball und deutete auf eine Stelle ein paar Meter weiter. Tatsächlich hatte er gerade ihren Eingang gefunden. Vorsichtig spähten sie hinunter in die schwach beleuchtete Halle und konnten drei teilweise auseinandergenommene Gleiter sehen. Personen schienen nicht anwesend zu sein, was Jesse mittels der Nachtsichtfunktion des Fernglases überprüfte und Fireball signalisierte, dass alles in Ordnung war. Nacheinander stürzten sie in den Schacht und zündeten wieder nur kurz ihre Jetpacks, um leise auf dem 25 Meter tieferen Boden aufzusetzen. Es war nichts zu hören. Vorsichtig näherten sie sich dem ersten Schiff, dessen Antrieb komplett demontiert war. Die einzelnen Dichtungsringe, Verbindungsstücke und Schrauben lagen fein säuberlich aufgereiht auf einem der Tische und auf dem Boden. Daneben stand das Herzstück des Antriebs. „Wie auf der Zeichnung“, flüsterte Fireball fasziniert und trat zu dem Gehäuse, das ihn um fast zwei Meter überragte. „Sie verwenden herkömmliche Jetantriebe und modifizieren sie nach den Plänen“, stellte Jesse leise fest, der zu Fireball getreten war. Er berührte das Turbinenrad, das als Kranz um den ganzen Block befestigt war und stieß es ein wenig an. Trotz der Masse war es leichtgängig und drehte sich ein paar Schaufeln weiter. „Die Motoren der Hyperjumper sind nicht so komplex aufgebaut. Sichern wir diese Beweise und suchen dann im Büro nach den Aufzeichnungen der Testsprünge.“ Fireball nickte und Jesse zückte seine flache Kamera, um einige Nahaufnahmen zu schießen. Die Schlinge um Sabers Hals zog sich ein Stück weiter zu. Als die Fotos wenige Momente später geschossen waren, eilten sie leise zum Ausgang, der sie in den angeschlossenen Verwaltungstrakt führen würde. An der Wand hielten sie inne und lauschten nach sich nähernden Schritten, aber nach wie vor war es still. Es war beinahe unheimlich, dass alles so ruhig war. Vorsichtig lugte Fireball um die Ecke und sah direkt in den Lauf eines Blasters. „Hier ist Endstation!“ Ehe Fireball reagieren konnte, wurde er zurückgedrängt, und ein gezielter Schuss entsorgte Jesses Waffe, noch bevor er sie vollständig gezogen hatte. „Colt - natürlich“, stellte Jesse spöttisch fest und rieb seine Hand, die von dem Rückschlag ein wenig taub geworden war. Kein anderer außer Fireball konnte den Cowboy hierher gerufen haben und genau deshalb war er so scharf darauf gewesen, ihn zu finden. Und er, Jesse, war dieser blödsinnigen Mitleidsnummer völlig auf den Leim gegangen! Innerlich spottete er über sich selbst, dass er so weich geworden war und fühlte sich verraten, obwohl er sich Fireballs Loyalität bis vor ein paar Tagen nie zu hundert Prozent sicher gewesen war. Erst seit ihrem innigen Gespräch hatte er dem Star Sheriff mehr vertraut, umso bitterer schmeckte jetzt der Verrat. Colt hielt zwei Blaster auf sie gerichtet und sah Fireball ernst an. „Wieso arbeitest du mit dem zusammen? Sag mal, tickst du noch ganz richtig?“ „Colt, es ist nicht so wie du denkst! Hier geht so einiges vor sich, was nicht wirklich witzig ist! Wenn du mir damals zugehört hättest, dann-“ „Das kannst du deiner Großmutter erzählen, Fireball, ich glaube dir kein Wort. Sich auf die Seite von Überläufern zu stellen ist überhaupt nicht witzig, vor allem, wenn man selbst ein ehemaliger Star Sheriff ist! Und jetzt halt die Klappe und nehmt die Hände hoch!“ „Spart euch eure billige Amateur-Schauspielerei!“, ging Jesse dazwischen und zog blitzschnell Fireballs Blaster aus dessen Holster. Da er rechts neben ihm stand, musste er die Waffe, um keine Zeit zu verlieren, mit der linken Hand ziehen. Noch im Ziehen gab einen groben Schuss in Colts Richtung ab, stieß Fireball gegen ihn und zündete seinen Jetpack. Er würde sich definitiv nicht gefangen nehmen lassen! „JESSE!“, brüllte Colt ihm hinterher und sprintete los, ehe er selbst seinen Jetpack zündete, um die Verfolgungsjagd zu starten. Er feuerte aus beiden Blastern, aber weil Jesse immer wieder Haken schlug, verfehlten ihn die Strahlen bei weitem. Es war offensichtlich, dass er auf das Hallendach wollte, um von dort aus zu fliehen. Daher war es einfach für Colt, ihm den Weg abzuschneiden, er musste sich nur vor der Luke postieren. Auch Jesse erkannte das und änderte seine Taktik. Er musste einen Frontalangriff wagen. Es war ein reines Footballspiel, das zwischen den beiden Kontrahenten entstand, wobei der Raumgewinn mit Laserstrahlen erobert und verteidigt wurde. Fireball, wurde es zu bunt. Er hob den dritten Blaster vom Boden auf, in der Hoffnung, dass er noch funktionierte, und startete ebenfalls. „Hör uns endlich mal zu, Colt!“, brüllte Fireball zornig und schickte einen Laserstrahl zwischen die beiden Kämpfer. Diese Ablenkung brachte den entscheidenden Vorteil. Sowohl Colt als auch Jesse mussten dem Querschläger ausweichen. Danach war Colt schneller am Abzug und erwischte Jesse am Oberarm, so dass dieser reflexartig den Blaster fallen ließ. „Scheint so, als sei nach Jahrzehnten endlich entschieden, wer der Bessere von uns beiden ist, Verräter!“, schenkte er seinem Gegner einen triumphierenden, kalten Blick. „Du hattest nur Glück, Kuhtreiber, und darauf kann man sich nichts einbilden!“, spottete Jesse und drückte seine Hand auf die getroffene Stelle. Sein Raumanzug war versengt und er konnte das Blut spüren, das an seinem Arm herunterlief. Einige Tropfen fielen schon auf den Boden. „Runter mit dir!“, verlangte Colt und wedelte mit seinem Blaster. „Und du auch!“, wandte er sich an Fireball, von dem er keine Gefahr befürchtete. „Es wird euch eh nichts mehr bringen, wenn ihr mich habt“, grinste Jesse, der der Aufforderung nachkam und sich geschlagen gab. „Alles wird ans Tageslicht kommen, dafür habe ich gesorgt.“ „Schnauze!“, forderte Colt, und beobachtete jede von Jesses Bewegungen genauestens, ehe er ebenfalls auf dem Boden aufsetzte. „Colt, jetzt hör uns endlich mal zu!“, brauste Fireball auf, als er gelandet war. „Weißt du überhaupt, was du hier siehst?“ „Das gilt auch für dich, mein Freund“, zischte Colt und warf Fireball ein Paar elektromagnetischer Handschellen zu, nachdem er einen Blaster weggesteckt hatte. „Fessle ihn!“ Ungeschickt fing Fireball die Schellen mit links auf. „Verdammt nochmal, Colt! Interessiert dich denn gar nicht, was hier los ist?“ „Ich weiß genau, was hier gespielt wird und ich habe nicht vor, mir von Typen wie euch ein Märchen erzählen zu lassen. Aus dem Alter bin ich raus. Mach schon!“ Unter Colts kalt blitzenden Augen erkannte Fireball, dass es gerade keinen Sinn hatte, mit ihm zu diskutieren und er steckte seinen Blaster weg. Vielleicht würde er später zuhören, wenn sich die Gemüter ein bisschen beruhigt hatten. Mit einem gemurmelten „Tut mir leid“, legte er Jesse hinterrücks die Eisen an. „Spar dir deine Heuchelei“, erwiderte Jesse emotionslos und ließ die Prozedur über sich ergehen, ohne eine Miene zu verziehen. Fireball presste seine Lippen zusammen und wurde sich bewusst, in welcher Zwickmühle er sich befand. Er fühlte sich unendlich mies – er hatte Colt enttäuscht und Jesse auch. „Gut. Und jetzt gib mir deinen Blaster!“, verlangte Colt. „Colt…?“ „Ich meine es ernst, Fireball! Her damit!“ Fireball zögerte einen Moment, aber da Colts Mund sich nicht zu einem Grinsen verzog, reichte er ihm schließlich seine Waffe. Er sah zu wie Colt sie sofort in seinen Gürtel steckte, ließ sich ebenfalls fesseln und ersparte sich jeden weiteren Versuch, Colt von ihrer Unschuld überzeugen zu wollen. In diesem Moment konnte er den Abgrund, der zwischen ihm und seinem alten Freund klaffte, ganz deutlich fühlen und er presste verärgert seine Zähne aufeinander. Rennende Schritte näherten sich und Colt sah kurz auf. „Mr. Wilcox! Ist alles okay?“ Zwei der Angestellten der Basis kamen in den Hangar gerannt und schalteten von der Nachtbeleuchtung auf volle Beleuchtung um. „Ich hab alles unter Kontrolle! Bleiben Sie dort stehen und halten Sie sich aus der Angelegenheit heraus!“, wies er die beiden Männer an, ehe sie sich ihnen weiter näherten. „Befolgen Sie die Instruktionen, die ich Ihnen vorhin gegeben habe!“ „Wir haben Schüsse registriert, deshalb sind wir hier“, erklärte einer der beiden und trat einen Schritt vor, den Blaster gezückt. „Wie ich schon sagte, die Show ist vorbei. Gehen Sie zurück auf Ihre Posten und überlassen Sie mir den Rest! Sofort!“ „Wie Sie meinen.“ Zögernd wichen die beiden Wachen zurück und überließen Colt das Feld. „Was wird hier gespielt, Colt?“ Fireball verstand überhaupt nichts mehr. „Das werdet ihr schon sehen. Und jetzt los! Bewegt euch!“ Um seinen Worten mehr Druck zu verleihen, stieß er die Mündungsrohre der Blaster in Fireballs und Jesses Rücken. Während Fireball fieberhaft überlegte, wie sie aus diesem Schlamassel herauskommen konnten, hatte Jesse ein selbstgefälliges Lächeln aufgesetzt. Er hatte seinen Kopf gesenkt, wobei seine schwarzen Strähnen ihm ins Gesicht hingen und seinen Blick verdeckten, so dass Fireball nicht erkennen konnte, was in ihm vorging. „Wohin bringst du uns?“, setzte Fireball noch einmal neu an, als sie im Phoenix saßen. „Lass es gut sein, Fireball, du kannst deine Schauspielerei sein lassen“, sagte Jesse. Er hatte zwar verloren, aber nur zu einem Teil. Die Lunte brannte und Sabers Machenschaften würden ans Tageslicht kommen, ob er erwischt worden war oder nicht. So konnte er wenigstens einen kleinen Sieg davontragen, selbst wenn ihm der große Coup nicht gelungen war. „Wie meinst du das?“, zischte Fireball ihn wütend an. „Du hast ihn doch hergelockt, deshalb-“ „Haltet die Klappe, alle beide! Ich will von keinem von euch beiden irgendwas hören, klar?“, ging Colt dazwischen, als er sein Schiff startete. Er hatte seine Gefangenen durch ein codiertes, versenkbares Gitter hinter sich eingesperrt, das er eigens für seine Zeiten als Kopfgeldjäger hatte nachrüsten lassen. Schon einige Male hatte es ihm treue Dienste geleistet. „Von mir aus, Cowboy, die Wahrheit verträgst du sowieso nicht“, erwiderte Jesse und lehnte sich zurück, so gut es mit den Fesseln ging. Der Flug würde verdammt ungemütlich werden, aber er würde die Zähne zusammenbeißen und seine Schmerzen nicht zeigen, um Colts Triumpf nicht zu noch mehr zu schmücken. „Als ob du jemals die Wahrheit gesagt hättest, Jesse“, höhnte Colt und gab vollen Schub. Er wollte nicht mehr Zeit als nötig verlieren, die beiden im Red-Wing-Gefängnis abzuliefern. Kaum waren sie aus dem Orbit, setzte er eine verschlüsselte Meldung an Saber ab. „Colt, wie lange geht der Flug?“, mischte sich Fireball ein, der noch nicht aufgeben wollte. „Wenn es lange dauert, verblutet Jesse vielleicht.“ „Wäre nicht schade um ihn, oder?“, antwortete Colt kühl. „Aber du hast recht, sonst wird mein schönes Schiff total versaut.“ Er nahm einen Erste-Hilfe-Pack aus einem kleinen Fach in der Seite und schob es durch das Gitter zu Fireball. „Wenn dir so viel an ihm liegt, kannst du dich um ihn kümmern. Ich sage dir trotzdem nicht, wohin wir fliegen, das wirst du schon sehen.“ „Verbindlichsten Dank. Allerdings-“ Bevor Fireball ihn darauf aufmerksam machen konnte, dass er noch gefesselt war, sprangen seine Handschellen mit einem leisen Klacken auf. „Ich hab immer gedacht, dein Blut sei schwarz wie deine Seele“, bemerkte Colt trocken zu Jesse. „Deine Scherze waren schon immer schlecht gewesen, Kuhtreiber! Wie ich sehe, hat sich das mit den Jahren nicht gebessert. Erwarte jetzt nicht von mir, dass ich vor Dankbarkeit im Boden versinke.“ „Bestimmt nicht. Mir geht es einzig und allein um mein Schiff. Ich werde dir die Rechnung für die Reinigung schicken.“ „Tu das“, grinste Jesse und merkte, dass Fireball sich daran machte, Teile seines Raumanzugs abzulösen, um die Wunde versorgen zu können. „Wie bescheuert muss ich eigentlich sein, dass ich das mache?“, knurrte Fireball zornig mehr zu sich, als er den dünnen schwarzen Stoff des Shirts zerriss, das Jesse drunter trug. „Nach allem, was wir durchgemacht haben, hab ich nichts Besseres verdient, als dass du mich einen Lügner nennst? Du hast nie kapiert, was Freundschaft ausmacht und ich habe gedacht, dass wir das zumindest ein bisschen geworden sind! Ich habe dir wirklich geglaubt und vertraut! Ich bin so verdammt sauer!“ Fireball verknotete den Verband fester als beabsichtigt und sah nach oben. Ihre Blicke trafen sich, und Jesse erkannte die bittere Enttäuschung in Fireballs Augen. In diesem Moment war er sich nicht mehr sicher, ob er tatsächlich verraten worden war und er Fireball Unrecht tat. Fireball wandte sich ab und schaute hinaus ins All. Jesse sah in die andere Richtung und ein unwohles Gefühl beschwerte sein Herz. Während des Fluges herrschte eisige Stille. So gerne Fireball Colt alles erklären wollte, so wusste er, dass Colt nicht gewillt war, ihm zuzuhören. Er startete etliche Ansätze einer Erklärung, aber Colt ließ ignorierte ihn vehement. Jesse dagegen wusste, dass alles, was er sagte, an Colt abprallen würde, daher ließ er es gleich bleiben. Er hatte verloren hatte und er benötigte die Zeit, diese neuerliche Niederlage zu akzeptieren. Das war schon schwierig genug. Obwohl Colt die ganze Zeit über auf Höchstgeschwindigkeit flog, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich am Treffpunkt ankamen. Dunkel und einsam lag der stillgelegte Gefängnistrakt vor ihnen und kurze Zeit später landeten sie. Colt zog seinen Blaster und ließ das Gitter wieder im Boden verschwinden, ehe er das Verdeck öffnete. „Aussteigen!“, befahl er, und die beiden kamen der Aufforderung nach. „Warum hier?“, fragte Fireball sich, als er das alte Gefängnis erkannte. Es ergab in seinen Augen keinen Sinn. „Es gibt genug Gründe dafür“, sagte Colt unbestimmt und schob die beiden vorwärts zum Eingang. „Ich schätze, Saber kann uns schlecht unter Aufsicht aller Öffentlichkeit gefangen nehmen. Er würde ziemlich in Erklärungsnot geraten“, meinte Jesse trocken. „Ich vermute, dass wir sehr bald eine Audienz beim Präsidenten des Neuen Grenzlandes haben werden. Dann wirst du schon sehen, was los ist.“ „Was für ein schlaues Kerlchen du bist, Jesse“, spottete Colt und öffnete die Tür mit seiner alten EDM, die Colt aus Gewohnheit stets bei sich trug und die Saber Rider reaktiviert hatte. Automatisch sprang die Beleuchtung an und erhellte die langen, stählernen Flure. Nach zwei weiteren Schleusen standen sie im Herzen des Gefängnisses, in dem es mindestens 2000 Einzelzellen gab. „Ihr habt freie Auswahl“, gab sich Colt gespielt großzügig. „Welches Zimmerchen soll’s denn werden?“ Da er darauf nicht wirklich eine Antwort erwartete, schob er seine beiden Gefangenen in die nächsten Zellen, entfernte Jesses Handschellen und schloss ab. Hier im vorderen Bereich des Traktes gab es ein paar herkömmliche Gitterzellen, die mit Magnetschlössern und einem zusätzlichen altmodischen Riegelschloss gesichert waren, falls der Strom ausfallen sollte. Diese Kerker waren früher einmal dafür verwendet worden, Gefangene für ein paar Stunden zu verwahren, die in andere Gefängnisse überführt werden mussten oder für ihre Aussage vor Gericht abgeholt wurden. „Ihr macht euch gut da drin, besonders du, Jesse“, kostete Colt seinen Triumph noch einmal aus, aber Jesse ließ sich nicht provozieren. „Colt!“ Fireball umfasste zornig die Gitterstäbe, so dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Jetzt hör mir doch endlich zu! Du hast ja keine Ahnung, was hier gespielt wird!“ Der Angesprochene trat nahe an Fireball heran, so dass sich ihre Gesichter fast berührten. „Du scheinbar auch nicht!“ In Colts Stimme klang Bedauern mit, weil Fireball scheinbar noch immer nichts verstand. „Schade, dass du dich mit ihm eingelassen hast. Ich bin wirklich sehr auf deine Erklärung gespannt und hoffe für dich, dass sie verflucht gut ist!“ Dann trat er zurück und überließ die beiden sich selbst. „Du hast ja keine Ahnung! Saber steckt dahinter!“, brüllte Fireball ihm hinterher, aber Colt ließ sich davon nicht aufhalten. „Verrate mir nur eins, Fireball“, sagte Jesse, als er sich auf den Boden setzte und an die Wand lehnte, da es sonst keine Sitzgelegenheiten gab. Seine Stimme war frei von jeglichen Vorwürfen und sie klang müde. „Wann hast du mich verraten?“ „Wie oft soll ich es noch sagen? Ich habe dich nicht verraten!“, schleuderte er ihm hitzig entgegen. „Ich bin nicht wie du, aber das verstehst du ja nicht! Ja, ich war mehrfach kurz davor, Saber anzurufen, und ja, verdammt, einmal habe ich es sogar getan, aber ich habe nichts erzählt. Ihm nicht und Colt auch nicht!“ „Du brauchst mich nicht anzulügen. Ich habe immer damit gerechnet, dass das passieren wird, obwohl ich wirklich geglaubt habe, dass ich dir vertrauen kann“, sagte Jesse, lachte abermals kurz über seine eigene Dummheit und schloss erschöpft seine Augen. „Du bist so verblendet und erkennst die Wahrheit nie, Jesse, deswegen wirst du nie Freunde haben!“, giftete Fireball und ließ es dabei bewenden. Er blieb stehen und sah mit vor der Brust verschränkten Armen abwartend in die Richtung, in der Colt verschwunden war. Es verging eine gute Stunde, ehe man draußen einen landenden Gleiter hörte. Kurz darauf erschienen Colt und Saber vor den Zellen. Saber trug einen Raumanzug, der seinem alten Modell nachempfunden war, Blaster und Schwert an seinen Seiten, und Fireball fühlte sich an frühere Zeiten erinnert; mit dem Unterschied, dass er diesmal scheinbar auf der falschen Seite stand. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns unter solchen Umständen wiedersehen“, sagte Saber und seine Stimme hatte einen strengen Unterton. Er sah von Jesse, der am Boden saß und noch nicht einmal seinen Kopf hob, zu seinem ehemaligen Kollegen, der vor Zorn bebte. „Ich auch nicht, Saber“, erwiderte der Japaner und umschloss wieder so fest die Gitterstäbe, als wollte er sie gleich auseinanderbiegen. „Was zur Hölle treibst du für ein zwielichtiges Spielchen?“ „Ich hoffte, das könntest du mir erklären, Fireball“, entgegnete Saber ruhig, aber so als spräche er mit seinem Sohn, den er zurechtweisen musste. „Planst du ein Attentat auf mich?“ Diese Anschuldigung nahm Fireball den Wind aus den Segeln und er war einen Moment verwirrt. „Ein Attentat? Nein, natürlich nicht! Wo denkst du hin?“ „Das frage ich mich bei dir auch“, mischte sich Colt ein, „falls du überhaupt denkst! Mir scheint, diese Fähigkeit ist dir irgendwie abhandengekommen! Wie kannst du dich nur mit dem abgeben? Hast du denn alles vergessen, was er uns angetan hat? Er hat das Neue Grenzland verraten!“ „Ja, verdammt, das weiß ich zu gut!“, brüllte Fireball. „Und jetzt scheint es, als hätten wir einen neuen Verräter!“ Anklagend funkelte er Saber Rider an. „Weißt du überhaupt, was du da sagst?“, knurrte Colt, war mit einem Schritt bei Fireball und packte ihn durch die Gitterstäbe am Kragen. „Selbstverständlich weiß ich das, und wenn du endlich mal deine Lauscher aufsperren würdest, würdest du auch anders denken!“ Fireball ließ sich nicht von Colts Aggressivität beeindrucken. Er war sauer auf ihn und es schmerzte ihn, dass ihre Freundschaft einen tiefen Riss bekommen hatte. Colt war schon immer ein Sturkopf gewesen, er selbst ein Hitzkopf und diese Kombination war in dieser Situation höchst explosiv. Diesmal würde Fireball nicht nachgeben, er wusste, was er gesehen hatte, obwohl es an Absurdität kaum zu überbieten war. „Genug jetzt!“, sprach Saber ein Machtwort, ehe Colt Fireball einen Kinnhaken verpassen würde. „Ich habe euch hierher bringen lassen, weil ich eure Anschuldigungen hören will. Was habt ihr mir vorzuwerfen?“ „Warum an diesem geheimen Ort und nicht im Kavallerie-Oberkommando? Diese Frage solltest du dir auch stellen, Cowboy. Allem Anschein nach hat Saber die Hosen gestrichen voll, dass was an die Öffentlichkeit dringt. Oder er möchte selbst steuern, ob und was von unseren Ergebnissen bekannt wird. Das nennt man im Übrigen Zensur, falls du schon mal davon gehört hast, Kuhtreiber.“ „Du mieser-“ „Spar dir deinen Sarkasmus, Jesse“, unterbrach Saber, der sich nicht provozieren ließ „Ich könnte dich gleich vor sämtliche Gerichte meiner Wahl stellen, wenn dir das lieber ist. Stattdessen habe ich mich für diese Variante entschieden, denn immerhin habe ich ein Volk zu führen und die Auswirkungen zu berücksichtigen, die durch deine - zugegebenermaßen unerwünschte - Rückkehr ausgelöst würden.“ „Und welche Auswirkungen hat dein Verhalten, Saber?“, mischte sich Fireball zornig ein. „Du planst einen Krieg gegen die Phantomzone! Deine ganzen heimlichen Forschungsaufträge sprechen eine eindeutige Sprache! Ist dir dein Amt zu Kopf gestiegen oder was soll das?“ „Du wagst es!“ Erneut packte Colt Fireball am Kragen, um zuzuschlagen, da ging die Tür auf und er wurde abgelenkt. „Ganz so ist es nicht!“ „Jean-Claude!“, stellte Colt mit eisiger Stimme fest, ließ von Fireball ab und wollte seinen Blaster ziehen. Aber Saber hatte schon sein Schwert gezogen und es mit der flachen Seite auf Colts Arm gelegt, um ihn davon abzuhalten. „Stopp!“, befahl er harsch. „Keiner schießt!“ „Siehst du jetzt, was ich meine“, zischte Fireball zu Colt, der seine Backenzähne fest zusammenpresste. „Was macht diese Ratte hier?“, verlangte Colt von Saber zu wissen. Seine Hand hielt er in der Nähe des Blasters und er fixierte Jean-Claude, der sich nicht rührte. „Ich habe ihn nach deinem Anruf hierher bestellt“, antwortete Saber schlicht. „Tut mir leid, Saber, ich konnte nicht länger warten und einfach nur zuhören“, erklärte Jean-Claude, der neben Saber getreten war und keine Anstalten machte, seine Waffe zu ziehen. Er sah von Colt zu Fireball und zu Jesse, die ihn böse, misstrauisch und überrascht anschauten. „Guten Tag, die Herren.“ „Du klagst mich an, mit Jesse zusammenzuarbeiten, und was macht Saber?“, giftete Fireball in Colts Richtung. „Was wird hier gespielt, verdammt?“ Ihm wurde es zu viel und er musste seinem aufwallenden Zorn Luft machen, indem er mit der Faust gegen die Gitterstäbe schlug, so dass ein hohler Klang durch die Gänge hallte. Jesse erhob sich vom Boden und kam neugierig nach vorne. Dieses Spiel hatte eine ganz neue Wendung angenommen. „Das würde mich allerdings auch sehr interessieren“, sagte er überrascht. „Colt?“ Saber versuchte Colts Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Wenn du nur mit der Wimper zuckst, schieße ich dich über den Haufen“, zischte Colt und ließ seinen alten Feind nicht eine Sekunde lang aus den Augen. „Niemand erschießt hier irgendwen! Ihr legt jetzt sofort eure Blaster weg. Werft sie dort rüber“, wies Saber beide an. Er nahm das Schwert ein Stück zurück, blieb aber angespannt. In diesem Moment vertraute er dem hinter ihm stehenden Jean mehr als Colt, der unberechenbar war, was seinen Hass auf diesen Outrider anging. Er hörte wie Jeans Blaster über den Boden zur gegenüberliegenden Zelle schlidderte. Colt zögerte und Saber sah, wie es hinter seiner Stirn rumorte. Er machte sich auf alles gefasst und würde Colt im Zweifelsfall mit dem Schwert die Waffe aus der Hand schlagen. 'Mach schon, Cowboy!', drängte er ihn in Gedanken und sah wie Colts Augen vor Wut dunkler wurden. Unbändiger Hass und Enttäuschung waren darin zu erkennen, aber Saber hielt dagegen. Er unterließ es, Colt mit Worten umzustimmen, ihr Gefecht beschränkte sich auf ihre Blicke. „Du hast besser eine verdammt gute Erklärung oder ich vergesse mich!“, knurrte Colt, als er den Blaster wegwarf. „Ich wusste, auf dich ist Verlass, mein Bester.“ Saber fiel ein großer Stein vom Herzen und der von Jean war wahrscheinlich sogar noch größer. „Der Fairness halber solltest du deine Waffen ebenfalls ablegen, Saber“, bemerkte Jesse kühl. „Gerade du sprichst von Fairness, Überläufer! Du weißt nicht mal, was das ist!“, zischte Colt, der Jesse insgeheim zustimmte, sich aber lieber die Zunge abbiss als dies offen zuzugeben. Saber legte seinen Blaster und das Schwert ebenfalls auf den Boden und kickte beides zu den anderen. Er brauchte keine Waffen als Zeichen seiner Autorität. „Damit sollte der Fairness Genüge getan sein.“ „Spuck 's schon aus!“ Colt verschränkte seine Arme und funkelte Saber herausfordernd an. „Es ist so wie Jean sagt - wir haben tatsächlich eine Übereinkunft zur Kollaboration“, ließ Saber die Katze aus dem Sack, „allerdings nicht so wie ihr vielleicht denkt. Es handelt sich um humanitäre Hilfe, die das Überleben der Outrider sichert. Jean-Claude bat mich darum.“ „Humanitäre Hilfe?“, wiederholte Jesse überrascht. „Für die Outrider?“ Fireball glaubte sich verhört zu haben. „Bist du noch ganz bei Sinnen?“ Colt ballte seine Hand zur Faust und zitterte vor Wut. „Das ist Verrat!“ Fireballs Stimme hatte einen anklagenden Unterton. „Du hast darum gebeten? Ihn?“, wandte Jesse sich verwirrt an den Outrider. „So ist es. Welche Wahl blieb mir schon?“ Jean-Claude zuckte mit den Schultern und sah Jesse ernst an. „Ohne fremde Hilfe wären wir untergegangen. Du weißt selbst, dass die Lage in unserer Dimension äußerst kritisch ist. Nach den unzähligen Machtwechseln und Kriegen sind unsere Ressourcen soweit aufgebraucht oder zerstört, dass ein Überleben unserer Rasse nur eine Frage der Zeit ist. Wäre Saber nicht gewesen, wären wir jetzt wahrscheinlich schon ausgestorben.“ „Das ist ein Trick! Eine Falle!“, warf Colt sich wütend dazwischen. „Sie werden uns wieder angreifen, wenn sie genug Energie haben! Wie kannst du nur so dumm sein und einem Outrider glauben, Saber!“ Er konnte es nicht fassen, wie Saber nach all ihren Erlebnissen und Reinfällen so unglaublich unbedarft und naiv sein konnte. „Diesmal nicht, Colt“, erwiderte Saber ruhig. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Jean lügt nicht.“ „Du hast … was?“ „Saber, heißt das etwa, dass du in der Phantomzone warst?“ Fireball traute sich gar nicht, die Unglaublichkeit dieser Worte auszusprechen. Seine Hände zitterten, als er die Gitter fester umklammerte. „Es war ein Risiko, aber ich musste mich persönlich von der Situation vor Ort überzeugen. Das ist unerlässlich, um eine Entscheidung eines solchen Ausmaßes treffen zu können.“ Dachten die beiden wirklich, dass er den Outridern gegenüber so vertrauenselig war? Sie sollten ihn eigentlich besser kennen. „Mit dem kleinen Zusatz, dass du sie ohne die Einwohner des Neuen Grenzlandes getroffen hast“, merkte Fireball kalt an und seine Augen funkelten zornig. „Ich glaube nicht, dass du noch sonderlich viele Wähler hättest, wüssten sie, was du getan hast!“ „Das hat sich bald erübrigt“, mischte sich Jesse ein und lächelte dunkel. „Vor unserem Abflug habe ich Nachrichten an alle großen Sender abgesetzt, die ihnen zugestellt werden, sollten wir bis heute nicht zurück sein. Verabschiede dich schon einmal von deinem Posten, Saber!“ „Verabschiede du dich von deinen einfältigen Träumen, Mr. Jason Barista“, erwiderte Saber ebenso kühl lächelnd. „Es war ein Kinderspiel, deinen E-Mail-Account zu hacken und die Nachrichten abzufangen, nachdem Colt dich gefunden und mir deinen Decknamen verraten hat. Selbstverständlich auch die, die du mit gewöhnlicher Post verschickt hast.“ „Nein! Das … das kann nicht sein!“ Entsetzt starrte Jesse Saber an, der einen Schritt näher kam und mit leicht angehobenen Mundwinkeln seinen Triumpf auskostete. Es brauchte schon etwas mehr, um ihn hinters Licht zu führen. Saber trat an das Gitter heran und sah auf Jesse herunter. „Nebenbei - Vincent habe ich vor ein paar Tagen entlassen.“ Jesse fühlte sich, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde und er umfasste das Zellengitter fest. Sein mühsam errichtetes Kartenhaus stürzte komplett in sich zusammen und übrig blieb – nichts. seine Pläne waren gescheitert, bei Fireball, bei Colt und jetzt zum Schluss bei Saber. Jesse senkte seinen Kopf und lehnte ihn niedergeschlagen an die kalten Stäbe. Er musste wohl endlich einsehen, dass er immer auf der Seite der Verlierer stand. Diese Erkenntnis schmeckte am bittersten von allen. „Was für Nachrichten waren das, Jesse?“, wollte Jean wissen. „Ist doch auch egal.“ „Nein, es ist nicht egal. Sag schon!“ Jesse spürte wie sich Wut in ihm breit machte und er sah Jean-Claude zornig an, der hinter Saber stand. Er hatte ja keine Ahnung, wieviel Arbeit das alles gewesen war, wie lange er dafür gekämpft hatte! „Es waren Beweise, dass Saber einen neuerlichen Krieg gegen die Outrider plant; Statistiken über die Abbaumenge in der angeblich stillgelegten Kyrilliummine, Zeichnungen für einen neuartigen Hyperantrieb und zum Nachbau der Tritonmaterie, und das ist nur ein kleiner Teil davon. Wir haben Dokumente über Schmiergelder gesammelt, Geheimhaltungsvereinbarungen, fingierte Verträge und so weiter und so fort. Das alles sind die Puzzlestückchen zu einem großen Gesamtbild.“ „Leider mit einer falschen Interpretation. Trotzdem bewundere ich deine Hartnäckigkeit und Fantasie, mit der du deine Idee verfolgt hast“, merkte Saber an und wandte sich ab, um zur Nachbarzelle zu gehen. “Schade nur, dass Jesse dich aufs Glatteis führen konnte, Fireball. Ich bin sehr enttäuscht von dir.“ „Genau wie ich von dir, Saber! Als Freund und als Präsident. Du planst zwar keinen Krieg, aber wie um alles in der Welt kannst du so eine wichtige Entscheidung alleine treffen? Ich meine, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren?“ Fireball gab sich gar nicht die Mühe, seine Wut zu verbergen. „Ich hätte garantiert nicht zugestimmt“, knurrte Colt mit vor der Brust verschränkten Armen. Saber wurde wütend über die Vorwürfe seiner Freunde. Sie kapierten solche Sachen einfach nicht, sie waren stur und nicht in der Lage, in diesen Ausmaßen zu denken. „Ich allein trage die Verantwortung dafür. Wahrscheinlich könnt ihr euch nicht einmal ansatzweise vorstellen, was das für Konsequenzen auf das tägliche Leben haben würde, wenn das herauskäme. Das kann nur jemand verstehen, der an der Spitze eines Volkes steht.“ „So überheblich habe ich dich noch nie reden hören, Saber!“ Fireball ließ sich nicht beeindrucken, aber innerlich kochte er vor Wut. „Hast du mit dem Königreich Jarr gesprochen? Oder mit einem anderen Oberhaupt von einem der Vereinigten Planeten? Wie zur Hölle kannst du dir anmaßen, alleine über diese Dinge zu entscheiden?“ Er schrie jetzt regelrecht. „Weil ich der Präsident des gesamten Neuen Grenzlandes bin! Das befugt mich dazu“, brüllte Saber zurück und brach ab. Er hatte die Kontrolle verloren, das war sonst nicht seine Art. „Totaler Fall von Größenwahn“, kommentierte Jesse. „Das ist sonst wohl eher deine Spezialität“, erwiderte Colt abfällig, ohne den Blick von Saber abzuwenden. Dann trat er einen Schritt auf ihn zu und brachte Saber dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Du hast den Outridern, unseren Feinden, wirklich Kyrillium gegeben? Einfach so?“ Die unausgesproche Frage „Bist du noch ganz dicht?“, die im Raum schwebte, war unüberhörbar. „Das hab ich dir zu erklären versucht, aber du wolltest ja nicht zuhören!“, zischte Fireball in die Richtung des Cowboys, der aber nur genervt abwinkte. Er wollte die Antwort von Saber persönlich hören. „Es ist wie Fireball gesagt hat“, bestätigte dieser jetzt wieder ruhig und zeigte ein leichtes Stirnrunzeln. Auf einmal fühlte er sich, als säße er auf der Anklagebank, aber soweit durfte er es nicht kommen lassen. Er war der Präsident des Neuen Grenzlandes! „Es ist unsere menschliche Pflicht, angefragte Hilfe zu gewähren! Habt ihr das etwa vergessen?“ Verdammt, er erklärte sich! Kam das einem Schuldeingeständnis gleich? „Deine verfluchte Pflicht als Präsident ist es, unsere Dimension zu beschützen und nicht die Feinde einzuladen!“, brüllte Colt los. „Hast du den Verstand verloren? Weißt du verdammt noch mal nicht mehr, was die uns angetan haben?“ Angreifend deutete er auf Jean-Claude. „Keineswegs, Colt“, antwortete Saber beherrscht. „Die Zeiten haben sich geändert und die Vergangenheit ist vorbei.“ „Die Schuld liegt bei mir“, mischte sich Jean-Claude ein, der sich unterstützend neben Saber stellte. „Auch ich habe als Anführer eine Entscheidung ohne das Wissen meines Volkes getroffen, weil ich mir nicht mehr zu helfen wusste.“ „Dann krepiert doch einfach! Das würde uns einiges erleichtern!“, schrie Colt aufgebracht. „Colt!“, maßregelte Fireball den Kopfgeldjäger, was ihm einen vernichtenden Blick einbrachte. „In der Phantomzone haben wir die andere Seite der Medaille“, sagte Jesse nachdenklich, der sich mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt hatte. „Jean wird von allen bewundert und als Retter verehrt, weil er sich für sein Volk einsetzt und nicht für egoistische, machtgetriebene Zwecke.“ „Und das kannst du beurteilen, Verräter? Ha, dass ich nicht lache!“, warf Colt spöttisch ein, „Du würdest doch am liebsten selbst den Thron unter deinem Hintern haben, oder?“ „Die Zeiten sind längst vorbei“, winkte Jesse ab. „Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass jeder Outrider uneingeschränkt zu Jeans Entscheidung steht, ob er nun davon weiß oder nicht. Hier im Neuen Grenzland würden massive Proteste ausbrechen, wenn nicht, Schlimmeres, und Saber müsste um sein Leben fürchten.“ „Und was heißt das? Wie geht es jetzt weiter?“, fragte Fireball in die Runde, aber er sah nur in ratlose Gesichter. „Ich werde die Hilfeleistungen auf keinen Fall unterlassen, einschränken oder aussetzen“, verkündete Saber angriffslustig, womit er Jean eine Wiederholung seiner Bitte ersparte. „Wenn du es mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, ein Volk auszurotten, dann kämpfe gegen mich, Colt!“ „Für was hältst du mich, einen Mörder?“ „Jetzt haltet mal die Pferde still, alle beide!“, dämpfte Fireball den herausfordernden Ton des Präsidenten, ehe es zu einem unvorhersehbaren Tumult kam. „Wir sollten einen kühlen Kopf bewahren.“ „Das kommt ausgerechnet von dir“, merkte Colt hitzig an. „Fireball hat recht, wir sollten uns alle wieder beruhigen“, mahnte Saber. „Niemand verspürt den Wunsch zu sterben, weder du, Colt, noch Fireball, oder Jean, Jesse oder ich. Erst recht will niemand so elendig vor sich hin krepieren wie es bei den Outridern gerade der Fall ist – anders kann man diesen Zustand nicht beschreiben. Wenn ihr das mit eigenen Augen sehen könntet, würdet ihr wahrscheinlich anders darüber denken!“ Jesse lief bei Sabers drastischen Worten ein eisiger Schauer über den Rücken, als sich einige lose Fäden offener Fragen wie von selbst zusammenfügten. Wäre Saber nicht gewesen, hätte auch ihn dieses grausame Schicksal ereilt. Ohne Sabers Einsatz hätte es nicht die Ersatzteile gegeben, die Jesse für die Instandsetzung seines Gleiters benötigte und auch er hatte von den Hilfslieferungen profitiert, was nichts anderes bedeutete, als dass er nicht nur Jean-Claude sein Leben verdankte, sondern auch seinem ehemaligen Feind Saber Rider. Jesse konnte nicht anders als Saber für seine Aufopferungsbereitschaft, Menschlichkeit und seine Weitsichtigkeit zu bewundern, und er fühlte sich miserabel und schlecht, weil er nur an seine niederen, abgrundtiefen Rachepläne im Fokus hatte, eine rein egoistische Sicht. Dass Saber trotz der Vergangenheit so großmütig war, zeigte Jesse deutlich, dass er selbst scheinbar jegliche Menschlichkeit in sich verloren hatte, obwohl er wieder hierher zurück gekehrt war, um ein Leben als Mensch zu führen. Saber hatte seine Träume einfältig genannt und Jesse musste ihm ehrlicherweise zustimmen. Dieser Widerspruch und diese ironische Erkenntnis ließ seinen letzten innigen Wunsch, Saber von seinem Amt zu entheben und ihm alles Wichtige zu nehmen, schlagartig zu einem Nichts in sich zusammen schrumpfen. Einige Outrider hatten ihm übel mitgespielt, aber Jean-Claude hatte ihn gerettet und versucht, ihm ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Unwillkürlich dachte er an Liz, die ebenso gütig war wie Saber und Jean. Er wollte nicht, dass Jean-Claude starb. „Es ist nur eine Idee...“, murmelte er. „Was für eine Idee?“, hakte Jean-Claude nach, der bei ihm an der Zelle stand. „Eine Möglichkeit wäre, das Hilfegesuch nachzuholen. Man müsste die Vertreter aller Planeten zusammenzurufen und du müsstest dein Anliegen öffentlich vortragen“, sagte Jesse zögerlich in das betretene Schweigen hinein. „Allerdings haben alle-“ „Du spuckst ganz schön große Töne da drin, Überläufer!“, unterbrach Colt wütend. „Du meinst, du kommst dann dort raus, was? Dass ich nicht lache! Da mach ich nicht mit!“ „Bitte, Colt!“ Jean stellte sich zwischen Jesse und Colt. „Wir werden später entscheiden, was mit Jesse geschieht, jetzt steht das nicht zur Debatte!“ „Sehr richtig.“ Saber strich nachdenklich durch seinen Bart. Die Angelegenheit war hochkomplex und nicht einfach zu lösen. Ja, er musste zugeben, dass Fireball recht hatte mit seinen Vorwürfen. Andererseits hatte er sich strafbar gemacht, indem er ihm, dem Präsidenten, nachspionierte. Das war Landesverrat, und Fireball war somit wie Jesse als Staatsfeind zu betrachten. ‚Aber steht es mir überhaupt zu, darüber zu urteilen, wo ich unsere Dimension auch in gewisser Weise hintergangen habe? Man kann es nicht anders als Amtsmissbrauch nennen, obwohl ich in den besten Absichten gehandelt habe. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, ehe jemand irgendetwas heraus bekommt und mich damit verrät oder erpresst.’ Er sah in die Runde. Jesse lehnte in Gedanken versunken an der Wand, die Arme verschränkt und ein Bein über das andere geschlagen. Fireball umklammerte das Zellengitter und biss sich auf die Zähne, während er fieberhaft nach einer Lösung suchte. Colt hatte die Fäuste so fest geballt, dass sie zitterten, und fixierte Jean-Claude, der wiederum den Cowboy anfunkelte. 'Mit diesem Wissen kann ich keinen von ihnen einfach so gehen und die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Früher wäre Fireball für mich durchs Feuer gegangen, aber würde er das heute noch genauso tun? Wir haben uns als Freunde voneinander entfernt und unsere eigenen Leben gelebt. Vielleicht ist er noch so loyal wie früher, aber auf ein Vielleicht kann ich mich in meiner Situation nicht verlassen. Jesse ist nur ein Halm im Wind, ein unkalkulierbarer Risikofaktor und man weiß nie, welche Pläne er als nächstes schmiedet oder auf welche Seite er sich stellt. Wenn ich mein Amt verliere, kann ich die Hilfe nicht mehr gewähren und die Outrider wären dem Untergang geweiht. Diese Last will ich nicht auf meinen Schultern tragen und kann sie nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, und ich glaube, Fireball und Colt sind ebenso wenig bereit dazu. Colt wäre es wahrscheinlich am liebsten, wenn die Outrider niemals aufgetaucht wären. So wären sie sich selbst überlassen gewesen, und er müsste sich nicht mit diesen schwierigen Gedanken auseinandersetzen. Wenn ich Colt gehen ließe, würde er sofort wieder Jagd auf sie machen und wir hätten irgendwann einen neuen Krieg... ' „Die Bitte wiederholen?“, unterbrach Jean-Claude Sabers Nachdenken. Er fühlte sich nicht wohl mit Jesses Idee, aber er verstand das Problem, in dem Saber steckte, und das in letzter Konsequenz nur, weil Jesse überlebt hatte und einen Rachefeldzug plante. 'Das mache ich auf keinen Fall! Wie hätte ich ahnen können, dass es ihm mit diesen schlechten technischen Voraussetzungen gelingt, zu fliehen? Was wäre, wenn seine Pläne geglückt wären? Ich könnte...' Jean-Claudes Blick glitt zu den Waffen, die auf der anderen Seite des Ganges auf dem Boden lagen. Einen Moment lang ruhten seine Augen auf seinem Blaster, dann schloss er sie. 'Nein! Ich sollte mich schämen, solch abtrünnigen Gedanken auch nur für einen Bruchteil einer Sekunde in Erwägung gezogen zu haben. Saber vertraut mir, ich vertraue ihm. Ich darf ihm nicht den geringsten Anlass geben, mir zu misstrauen und ich muss vor allem an mein Volk denken und an die zukünftigen Generationen. Es darf kein neuer Krieg ausbrechen!' Jean-Claude schluckte trocken. 'Ich habe Fehler gemacht, indem ich Jesse falsch eingeschätzt und zu kurzsichtig gedacht habe. Warum soll er für meine Fehler büßen müssen? Aber Colt wird auf keinen Fall zulassen, dass Saber die Unterstützung weiter durchführt; er hasst uns nach wie vor. „So kommen wir nicht weiter“, stellte Saber entschlossen fest und riss Jean-Claude aus seiner Gedankenflut. „Wir brauchten ein Schiedsgericht!“ „Wie meinst du das?“, fragten Colt und Fireball gleichzeitig. „Das ist eine heikle Angelegenheit, Saber“, bemerkte Jean-Claude eindringlich. „Wir können nicht noch mehr Mitwisser gebrauchen.“ „Ich weiß. Aber wir fünf werden uns nicht über die weitere Vorgehensweise einigen können. Daher müssen wir diese Entscheidung in die Hände anderer legen. Damit es fair ausgeht, werden es zwei Personen sein, eine aus der Phantomzone, eine aus unserer Dimension, und egal wie das Ergebnis aussieht, wir werden uns alle daran gebunden fühlen.“ „Das ist ein hinterhältiger Kuhhandel!“, knurrte Colt. „Mit Kühen kennst du dich doch aus, Kuhtreiber. Oder hast du eine bessere Idee?“, sagte Jesse kühl. „Wenn wir keine Lösung finden, glaubst du nicht ernsthaft, dass du einfach so davonmarschieren könntest wie bisher? Dann wärst du dümmer als ich dich bisher gehalten habe. Denk doch mal nach! Saber und du wärt Feinde, das gleiche gilt für Fireball, und von mir brauchen wir erst gar nicht zu reden!“ „Du übertreibst!“, schnaubte Colt, aber sein Spott war nicht ganz so scharf wie üblicherweise. Dass Saber nicht widersprach sagte ihm alles, was er wissen musste. Er hatte vorhin deutlich gemacht, dass er die Outrider sogar gegen seine alten Freunde verteidigen würde und sogar sein eigenes Leben dafür einsetzte. Ein Wahnsinn, der seinen Hass schürte und ihn gleichzeitig zum Nachdenken brachte. „Ich möchte nicht, dass irgendwer wegen uns eingesperrt oder gejagt wird“, beschwichtigte Jean-Claude die erhitzten Gemüter, „deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir eine Lösung finden, mit der wir alle leben können, und zwar miteinander und in Frieden. Wir Outrider wünschen uns nichts sehnlicher als das.“ „Das gleiche wünschen sich die Menschen“, erwiderte Saber, der Colt fixierte, und die Art wie er das aussprach, machte deutlich, dass nichts an seinem Standpunkt über die Hilfe für die Outrider ändern würde. „Es gibt wohl keinen Zweifel, dass wir alle dem zustimmen. Trotzdem sitzen wir allesamt ganz schön in der Tinte“, motzte Fireball unzufrieden. „Aber wer könnte überhaupt so ein Schiedsrichter sein? Wir können nicht einfach so irgendwen X-beliebigen fragen, sondern es muss jemand sein, dem wir vertrauen!“ „Das versteht sich von selbst“, nickte Saber, dem nicht daran gelegen war, dass irgendetwas von dieser geheimen Verschwörung an die breite Masse gelangte. Sie saßen vielleicht nicht nur ganz schön in der Tinte, wie Fireball das ausdrückte, sondern wahrscheinlich sogar gemeinsam in einem Boot, wenn sie irgendwie eine Lösung finden könnten. Sie brauchten Personen mit Fähigkeiten zum logischen und globalem Denken und Analysieren, mit Verständnis für Gerechtigkeit und einem gewissen Feingefühl und Geschick für die Situation – und jemandem, dem sie bedingungslos vertrauten. „Jean? Ich hoffe, du hast jemanden, dem du diese Aufgabe übertragen kannst. Bring denjenigen hierher. Ich werde April kontaktieren.“  Freudig überrascht nahm April das Hypercomgespräch an. „Hallo Saber!“ „Guten Morgen, April. Ich hoffe, ich rufe nicht ungelegen an“ Saber lächelte ihr auf dem kleinen Monitor entgegen. „Nein, ganz im Gegenteil. Du hast einen guten Zeitpunkt erwischt, Colin schläft endlich mal, nachdem er mich die ganze Nacht auf Trab gehalten hat und ich genieße solange die Ruhe. Schön, dass du dich mal meldest, ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich anrufen wollte, schließlich hast du als Präsident so viel zu tun.“ „Ja, die Zeiten haben sich geändert, für alle von uns.“ „Leider“, stimmte April zu und setzte sich auf die Couch, wo sie Colins Stoffhäschen in die Hand nahm und nachdenklich betrachtete. „Vor ein paar Tagen war Fireball bei mir. Witzig, nicht? Erst hört man jahrelang nichts voneinander und dann innerhalb von einer Woche gleich von zwei Exkollegen auf einmal. Mich würde es nicht wundern, wenn Colt auch noch auftaucht.“ „Das ist er schon“, sagte Saber und April merkte, dass das Gespräch eine andere Richtung einahm und ernster wurde. „Bist du allein?“ Obwohl sie die Antwort kannte, sah sich April in ihrer Wohnung um. Ein nervöses Kribbeln breitete sich in ihr aus. „Ich bin allein. Saber, was ist los? Ist alles Ordnung mit dir?“ „Ich brauche dringend deine Hilfe, April. Kannst du zu mir kommen?“ „Meine Hilfe?“ April war durcheinander. „Wofür? Was ist passiert?“ Ihr Blick fiel wieder auf das Stofftier in ihrer Hand. „Und Colin?“ „Ich weiß, dass ich sehr viel von dir verlange, April, aber du bist in diesem Fall die Einzige, der ich vertrauen kann. Es wäre gut, wenn du deinen Sohn für ein paar Tage zu einer Freundin geben könntest. Wenn es nicht nötig wäre, würde ich dich nicht darum bitten.“ „Das klingt für mich eher so, als ob ich gar keine andere Wahl hätte“, stellte April fest, die ein bisschen überfordert war. „Was ist es, wenn dir nicht einmal deine Beraterstäbe helfen können?“ Saber schaute April ernst an und sie merkte, dass sich ihre Finger fest um das Hypercom verspannten. „Du wirst es verstehen und genauso sehen, wenn ich es dir gleich erkläre. Das hier ist eine maximal verschlüsselte Verbindung und ich weiß, dass ich mich hundertprozentig auf dich verlassen kann, dass du mit niemandem darüber sprichst.“ „Du kannst dich so wie früher auf mich verlassen, Saber“, versprach April und sah Saber leicht nicken. „Danke. Ich habe nie daran gezweifelt.“ Er schenkte ihr abermals eines seiner selten gewordenen Lächeln. „Es geht um die Outrider, um Fireball und Jesse Blue. Leider musste ich Fireball inhaftieren lassen, denn er arbeitete gemeinsam mit Jesse Blue an einer Intrige gegen mich. Colt hat die beiden gefangen. Allerdings ist es nicht ganz so einfach, denn es geht um mehr als es den Anschein hat und es würde zu lange dauern, dir alles über Hypercom zu erklären. Es wäre besser, wenn wir das in einem persönlichen Gespräch klären könnten.“ 'Fireball inhaftiert? Mit Jesse? Und Colt hat dabei geholfen?' April wurde bei diesen haarsträubenden Informationen ganz schwindelig. „Wo ist Colt?“ „Ich bin hier“, hörte sie seine Stimme im Hintergrund und kurz darauf wie er sich neben Saber ins Bild schob. Er sah sehr mitgenommen aus und verägert. Sein angeborerer Optimismus schien völlig von ihm gewichen zu sein, und trotzdem tat es gut, ihn wieder zu sehen. „Es wäre wirklich gut, wenn du herkommen würdest, Prinzessin.“ April schwieg, dann nickte sie nach einem Moment. „Natürlich. Ich werde kommen.“ „Danke und ich weiß das sehr zu schätzen“, antwortete Saber. „Ich übermittle dir die Koordinaten und reaktiviere deine EDM. Erinnerst du dich noch an unseren Geheimcode, damals auf der Akademie?“ „Sicher.“ „Gut. Diesen brauchst du, um die Daten zu entschlüsseln.“ „Ich mache mich so schnell wie möglich auf den Weg.“ Nachdem sie aufgelegt hatte, sackte April bestürzt in ihre Couch. Es kam nicht alle Tage vor, dass der Präsident des Neuen Grenzlandes einen um Hilfe fragte, erst recht nicht in einer solchen Angelegenheit. 'Fireball intregiert mit Jesse gegen Saber? Warum macht er das? Woher kommt Jesse so plötzlich? Warum sind die Outrider nicht vernichtet, wir haben ihren Planeten doch damals zerstört! Wird es einen neuen Krieg geben?' April erschauderte bei dem Gedanken, obwohl sie erst kürzlich Fireball gegenüber behauptet hatte, sie würde sich die alten Zeiten zurück wünschen. Angesichts der nicht mehr ganz so abwegigen Bedrohung eines dritten Phantomkriegs war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Ihr Hypercom piepte abermals, als Saber die Koordinaten sendete. Sofort machte sie sich daran, die Daten zu entschlüsseln und erfuhr nach ein paar Minuten das Ziel ihrer Reise. Dann packte sie hastig ein paar Sachen für Colin zusammen, weckte ihn, was ihr ein neuerliches Schreikonzert bescherte und brachte ihn zu ihrem Vater, damit er sich während ihrer Abwesenheit um ihn kümmerte. Sie konnte ihm nicht einmal erklären, warum sie für ein paar Tage fort musste, aber sie las in seinem Gesicht genau, dass er befürchtete, sie würde sich einfach aus dem Staub machen. Konnte sie ihm das wirklich verübeln, so etwas von ihr zu denken, wo sie ihn quasi mit ihrem plärrenden Sohn alleine ließ und sich auf eine Reise begab, deren Ziel sie nicht nennen durfte? Kaum saß sie am Steuer ihres Silver Comet verflogen die trübinnigen Gedanken und sie spürte den alten Drang nach Abenteuern in sich und genoss dieses Gefühl eine Zeitlang, bis die Sorgen während des langen Fluges zum Red-Wing-Gefängnis wieder in den Vordergrund rückten.  Mitten in der Nacht landete April. Sie war froh, dass sie endlich am Ziel angekommen war und endlich erfahren würde, was passiert war. Die letzten Stunden waren ihre Mutmaßungen immer abstruser geworden. War sie einem Scherz erlegen? Oder war Saber entführt worden und hatte ihr etwas zwischen den Zeilen mitzuteilen versucht? War es eine Falle? Etliche Male hatte sie die Koordinaten neu entschlüsselt, um zu prüfen, ob sie etwas übersehen hatte – aber das Ergebnis war jedes Mal das gleiche. Dann musste sie an Colts Ausdruck denken und sie wusste, dass es keine Falle war. Er scherzte mit so etwas nicht und er inhaftierte Fireball nicht einfach so zum Spaß. Trotzdem war es besser, vorsichtig zu sein. Ihre Scans hatten nichts Verdächtiges angezeigt und sie erkannte Sabers Schiff, was vor dem stillgelegten Gefängnis geparkt war. Das andere war ihr unbekannt, aber als sie die Kennung überprüfte und Colts Namen auf dem Display angezeigt bekam, fühlte sie sich beruhigt. Ihre EDM gab den Zugang zu dem riesigen Gebäudekomplex frei und sie beschloss, zuerst zu den Zellen zu gehen. Sie wollte es mit eigenen Augen sehen und insbesondere Jesse wollte sie gegenüber treten, ohne dass sie jemand dabei beobachtete. Dass sie deshalb so angespannt, beinahe aufgeregt war, überraschte sie ein wenig. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie einfach nicht wusste, was sie erwartete, zumindest redete sie sich das ein. Alles war ruhig und das Licht gedämpft, als sie leise eintrat und nach ihnen suchte. Zuerst sah sie Fireball, der sich am Boden auf der Seite zusammengerollt und tief und fest schlief. Es tat ihr weh, in eingesperrt zu sehen und sie fühlte sich von ihm hintergangen. Sie hatte ihm geholfen und er hatte ihr nicht einmal ein Sterbenswörtchen von Jesse erzählt, nicht einmal die kleinste Andeutung gemacht. Sie spürte, wie Ärger in ihr aufkam, als sie an seine dubiosen Erklärungen dachte, er sei auf einen Fall von Industriespionage gestoßen; sie hatte ihm geglaubt, dabei war es nichts als eine dreiste Lüge! Andererseits war er so hilfsbereit und einfühlsam wie damals, wenn es ihr schlecht ging. Sie wagte kaum, ihren Blick in die Zelle nebenan zu lenken. Jesse lehnte in einer Ecke, ein Bein angezogen, das andere ausgestreckt. Sein Kinn war zur Brust gesunken, und er schien zu schlafen, wie sie erleichtert feststellte. Fasziniert betrachtete April den ehemaligen Kadetten, der sein Haar schwarz gefärbt hatte, und ihr Atem beschleunigte sich. Nie hätte sie sich ausgemalt, ihren alten Feind noch einmal wiederzusehen. „Ich habe gedacht, du seist tot.“ Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern. Die Worte zerschnitten die Stille und Jesse, der seit jeher einen leichten Schlaf gehabt hatte, schreckte hoch. Stahlblaue Augen trafen auf meeresblaue und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Jesse fing sich als erster und vergewisserte sich, dass sein Zellennachbar schlief und richtete seine Sicht wieder nach vorne. Sie stand immer noch da in ihrem weißen Raumanzug. Es war also kein Traum. Lautlos kam er auf die Füße und näherte sich ihr zögerlich. „Du bist es tatsächlich“, flüsterte sie, wobei sie jede seiner Bewegungen verfolgte. „Ja“, nickte er, ihre Erscheinung voll in sich aufnehmend. Wie schön sie war, fast wie ein Engel! Und nun stand sie keinen Meter von ihm entfernt und war trotzdem so unerreichbar für ihn wie seit jeher. Eigentlich hatte sie ihn nur ansehen wollen, ohne dass jemand anderes dabei war, aber nun war er wach und stand vor ihr. April wusste nicht, was sie sagen sollte und Jesse schien es ähnlich zu gehen. „Es ist schön, dich zu sehen“, sagte er schließlich leise. Sie meinte, seine Sehnsucht nach ihr in seinen Augen zu erkennen. Nach all den Jahren! Sie blinzelte und unterbrach damit den intensiven Blickkontakt. Ein paar Sekunden brauchte sie, um sich zu sammeln, und sah deshalb zur Seite auf seinen Arm. „Was ist mit dir passiert?“, lenkte sie ab. Ihre Stimme blieb ein Flüstern, denn sie wollte diesen Moment zwischen ihnen nicht zerstören. „Es ist nichts Schlimmes, ich bin es nicht wert, dass du dir wegen mir Sorgen machst, April.“ „Aber du siehst furchtbar aus.“ „Und du wunderschön.“ „Ach Jesse“, seufzte sie, als er damit bestätigte, dass sie seine Augen richtig gedeutet hatte. Sie fühlte sich gerührt, weil es wohl niemanden im ganzen Neuen Grenzland gab, der so lange solche starken Gefühle für sie empfand wie Jesse. Sie war sich sicher, dass er ihr den Himmel zu Füßen legen würde, stünde es in seiner Macht, und trotzdem liebte sie ihn nicht – und wahrscheinlich niemanden mehr, denn sie glaubte nicht, dass sie sich je wieder einem anderen Menschen würde hingeben können. „Wenn du mir schon ausweichst, sagst du mir wenigstens, weshalb du hierher zurückgekehrt bist?“ Jesse zögerte einen Moment, aber er wollte ihr nichts vormachen und die Zeit der Lügen war jetzt sowieso vorbei. Leise antwortete er: „Zuerst wollte ich einfach nur weg aus der Phantomzone. Als ich hier etwas etabliert war und mich mit anderen Dingen als dem nackten Überleben beschäftigen konnte, wurde mein Wunsch nach Rache immer stärker und ich konnte dem Drang schließlich nicht mehr widerstehen. Du musst mir glauben, ich wollte niemanden töten, sondern euch nur das nehmen, was ihr in eurem Leben bisher erreicht habt und euch am wichtigsten war. Aber dann musste ich feststellen, dass ihr alle bereits da wart, wo ich euch haben wollte – am Boden. Mein lange ausgearbeiteter Plan war also dahin.“ Er kam einen kleinen Schritt näher und beugte sich etwas vor. „Für dich habe ich das allerdings nicht gewünscht, denn dir würde ich niemals etwas tun. Nur Saber werde ich scheinbar nie besiegen können, aber das ist jetzt egal. Ich bin es leid, davonzulaufen und gebe auf. Die Konsequenzen werde ich tragen, ich bin bereit dazu, denn ich habe nichts zu verlieren, weil ich in meinem Leben nichts besessen habe außer meiner Rache. Aber du, liebste April, du hast es nicht verdient, von einem so verantwortungslosen Kerl verlassen zu werden.“ April schluckte trocken und konnte nicht verhindern, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten, als sie daran erinnert wurde. „Woher weißt du davon?“, presste sie erstickt hervor. Sollte Fireball auch darüber mit Jesse geredet haben? Das wollte sie nicht glauben. „Ich habe Fireball verwanzt, als er dich besucht hat, und bis zu einem gewissen Teil mitgehört. Ich konnte es nicht ertragen, ihn bei dir zu wissen“, gestand er ihr und beobachtete ihr Mienenspiel, das zwischen Wut und Traurigkeit hin und her pendelte. Aber sie sagte nichts, weil sie unschlüssig war. „Ich mag es nicht, wenn du traurig bist“, fuhr er fort und sah zu, wie sie ihre Tränen trocknete. „Liebe kann man nicht erzwingen, das hast du einmal vor langer Zeit zu mir gesagt. Vielleicht solltest du dir deine Worte selbst zu Herzen nehmen. Diesen einen Rat kann ich dir geben. Verschwende deine kostbare Zeit nicht mit Rachegedanken und Zorn.“ „Jesse…?“ Unsicher sah sie zu ihm auf und trat einen Schritt näher. „Ich habe mein ganzes Leben damit verschwendet. Wie du siehst, hat es sich nicht gelohnt.“ „Hätte es sich gelohnt, wenn du Erfolg gehabt hättest?“ „So habe ich das noch gar nicht betrachtet“, gestand er überrascht und überlegte kurz. „Nein“, antwortete er schließlich. „Es macht mich nicht glücklich, euch so zu sehen. Ich habe mein Leben sinnlos vergeudet und ich habe bis heute gebraucht, das zu erkennen. Diese Erfahrung möchte ich dir ersparen. Dein Sohn braucht dich und du hast Freunde an deiner Seite, die dir helfen.“ Er nickte in Richtung Nebenzelle, wo Fireball schlief, und April ließ ihren Blick auf ihm ruhen, während sie über Jesses Worte nachdachte. Sie erinnerte sich nicht daran, dass er jemals unaufrichtig zu ihr gewesen war. „April“, riss er sie aus ihren Gedanken und sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zu ihm. Er hielt ihr seine Hand durch die Gitterstäbe hin und sie ergriff sie. Sie brauchten keine Worte zu wechseln, sie konnten diese gegenseitig in ihren Augen ablesen. Diese Geste beinhaltete alles, was zwischen ihnen gestanden hatte und geklärt werden musste: Entschuldigungen für Gewesenes, Versprechen, Frieden, Freundschaft und Wahrheit für die Zukunft. Es war ein Ende und ein Neubeginn. Dann hob er ihre Hand zu seinen Lippen. Es war der einzige Kuss, den er von ihr bekommen würde. Noch immer liebte er sie von ganzem Herzen, aber er hatte akzeptiert, dass er sie niemals die Seine nennen würde. Dies war die einzige Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken. „Lass deine dreckigen Finger von ihr!“ Colt hatte seinen Blaster durch die Gitterstäbe geschoben und stieß seinen Blaster gegen Jesses Schläfe, während seine eiskalten Augen ihn zusätzlich durchbohrten. April und er hatten ihn nicht kommen gehört, so vertieft waren sie in ihr vertrauliches Gespräch. „Was machst du hier und warum hörst du ihm überhaupt zu?“, herrschte er April an. „Aus seinem Mund kommen nur Lügen!“ „Ich denke, diese Zeiten haben sich gerade geändert“, erklärte sie Colt, den Blickkontakt zu Jesse aufrechterhaltend, während dieser in aller Ruhe seinen Handkuss beendete. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, dann entzog sie ihm ihre Hand. „Über was habt ihr geredet, hm?“ Colt drückte das Blasterrohr fester an Jesses Kopf und packte ihn am Handgelenk, um ihn mit einem schnellen Ruck an die Stäbe zu ziehen, dass es laut durch die Gänge schallte. Er war so unendlich sauer! „Colt! Lass ihn los! Er hat mir nichts getan!“ „Das geht dich nichts an, Kuhtreiber!“ Jesse unterdrückte ein schmerzerfülltes Keuchen, grinste stattdessen triumphierend und wehrte sich nicht gegen den Cowboy. April hatte ihm gerade das schönste Geschenk seines Lebens gemacht, alles andere war unwichtig. „Colt!? Colt! Was soll das?“ Fireball war von dem Lärm aufgewacht und stand nun an der Zwischenwand. „Wenn du sie noch einmal mit deinen dreckigen Fingern berührst, bist du tot, das schwöre ich dir!“ Colt sprach dicht an Jesses Gesicht, das an das Gitter gepresst war, und zischte die Worte zwischen seinen Zähnen hindurch. „Du kannst das gerne gleich erledigen, nur solltest du dafür deinen Blaster entsichern“, konnte sich Jesse nicht verkneifen. Keine Hundertstelsekunde später war das Klicken der Sicherung zu hören. „NEIN!“ Fireball rüttelte an den Stäben, konnte jedoch nichts tun. „TU ES NICHT, COLT!“, brüllte er. „Hör auf, Colt“, sagte April ruhig, aber bestimmt und legte ihre Hand unter den Blaster, um das Mündungsrohr nach oben zu drücken. „Ich habe Jesse nur gefragt, warum er zurückgekehrt ist, darüber haben wir uns unterhalten.“ „Was ist hier los?“ Saber kam in den Zellentrakt gestürzt, woraufhin Colt Jesse losließ, der nach hinten stolperte und sich seine Wange rieb. Forschend sah er einen nach dem anderen an. „Ich bin endlich angekommen“, überspielte April die Situation und ging freudig auf Saber zu, um ihn zu begrüßen. „Schön, dich zu sehen, trotz der außergewöhnlichen Umstände. Wir haben uns schon hallo gesagt.“ „Ah … ja … das ist gut“, sagte Saber skeptisch und sah mit einer hochgezogenen Augenbraue kurz zu den anderen dreien hinüber. „Magst du dich etwas von dem langen Flug ausruhen? Es war sicher anstrengend.“ „Gern“, antwortete sie und ließ sich von Saber in die Aufenthaltsräume bringen, wo er einen Tee aufgesetzt hatte. „Wir sprechen uns noch, Jesse!“, versprach Colt Unheil verkündend, ehe er seinen gesicherten Blaster wieder einsteckte und den beiden Blonden folgte. „Idiot!“, zischte Fireball, ehe er sich wieder hinlegte, wobei unklar blieb, ob er Colt oder Jesse damit meinte. Nebenan schenkte Saber April gerade eine Tasse englischen Tees ein und stellte diese vor sie. Die Lebensmittel hatte er aus seinem Gleiter hereingeholt, da es hier im Gefängnis seit der Stilllegung keine mehr gab. „Danke, dass du so schnell kommen konntest“, sagte er und ließ sich ihr gegenüber auf den Stuhl fallen, gerade als Colt eintrat. „Na, wenn Mr. President ruft“, zwinkerte April und sah zu Colt, der sich auf den Stuhl neben ihr fallen ließ. „Ich bin froh, dich endlich mal wieder zu sehen, Cowboy!“ Sacht legte sie ihre Hand auf seine. „Das bin ich auch, Prinzessin“, erwiderte er, „aber was zum Teufel sollte das eben mit Jesse?“ „Ich war neugierig, nichts weiter. Er war wach, als ich dort ankam, also haben wir uns ein bisschen unterhalten, nichts weiter“, erklärte sie seufzend. Sie wusste, dass Colt es gut gemeint hatte und sich nur um sie sorgte. „Aber jetzt spannt mich nicht länger auf die Folter, erzählt mir lieber, weshalb ich hier bin!“ „Wir warten auf Jean-Claude und seine Vertrauensperson“, sagte Saber, dem der Themenwechsel ganz recht war. „Jean-Claude? Etwa der Jean-Claude, der Pierre und mich entführt und mit dem Colt sich damals duelliert hat?“ Sie sah mit hochgezogener Augenbraue von Saber zu Colt und wieder zurück. „Mir passt das überhaupt nicht, das kannst du mir glauben!“, knurrte Colt, der Saber mit einem dunklen Blick bedachte. „In was bin ich hier reingeraten, Saber?“ „In eine ziemlich verzwickte Situation. Am besten warten wir solange, bis alle wieder da sind, dann werden wir alle Fakten auf den Tisch legen.“ „Verzwickt ist verdammt stark untertrieben“, bemerkte Colt säuerlich. „Die ich für dich lösen soll“, fügte April hinzu. Sie war irgendwie schon ein bisschen stolz darauf, dass Saber trotz Unmengen an Beratern ausgerechnet sie ausgewählt hatte, gleichzeitig war sie beunruhigt, weil sie nicht wusste, ob sie seine hohen Erwartungen würde erfüllen können. „Nicht du allein. Es gibt niemanden, dem ich in dieser Frage mehr vertraue als dir und ich bin dir äußerst dankbar dafür, dass du dich so schnell auf den weiten Weg gemacht hast.“ April nickte nachdenklich und schwieg. „Und wie geht es dir, April?“, unterbrach Colt nach einer Weile die unangenehme Stille. „Ich komme zurecht“, antwortete sie und betrachtete die Wirbel in der Tasse, die sie durch das Rühren hervorrief. Eigentlich wollte sie nicht darüber sprechen, aber vor ihr saßen ihre besten Freunde, vor denen sie nie etwas verschwiegen hatte. Dennoch tat es weh, diese Geschichte wieder zu erzählen. Immerhin wusste Saber annähernd bescheid, er hatte ihr eine Karte zur Geburt ihres Sohnes geschickt. „Naja, ich habe mich in den falschen Kerl verliebt und er ist mit meiner besten Freundin durchgebrannt. Dummerweise war ich zu der Zeit schwanger von ihm und ich habe noch so meinen Schwierigkeiten damit“, erzählte sie die Kurzfassung in einem Atemzug. „Warum hast du nie etwas gesagt?“, fragte Saber überrascht mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme. „Ich hätte bei dir vorbei geschaut!“ Aber April schüttelte nur den Kopf und versuchte, die erneut aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. „Oh Süße, das tut mir leid“, sagte Colt zerknirscht und sah dabei so niedlich aus, dass April sogar wieder grinsen musste. Er drückte ihre Hand. „Wie heißt die kleine April denn?“ „Sie ist ein Junge und heißt Colin“, antwortete sie, „und er ist ein Schreihals. Fireball meint, dass er mal ein Rockstar wird. Aber jetzt erzähl du, Cowboy, was hast du so getrieben in der letzten Zeit? Von unseren beiden Berühmtheiten hört man ja immer mal wieder was in der Presse.“ „Sagen wir mal, ich habe so eine Art Kur gemacht, nachdem ich keine Lust mehr auf das Kopfgeldjägerdasein hatte. Selbstfindung und so weiter, ihr wisst schon“, grinste er und zog seinen Hut tiefer ins Gesicht, weil es ihm im Nachhinein selbst peinlich war. „Colt“, schmollte sie gespielt, weil es unschwer zu erraten war, dass Colt etwas verbarg. „Du warst noch nie der Typ für irgendwelchen esoterischen Kram. Raus damit! Was hast du gemacht? Oder ich frage Fireball und Jesse, die scheinen es genauer zu wissen. Fireball wollte es mir nicht erzählen, als er bei mir war, aber er hat sich sehr große Sorgen um dich gemacht. Also?“ „Schon gut, schon gut, was soll ich sagen? Es lief nicht so wie ich mir das vorgestellt hatte und ich war fast schon…“ Colt hielt inne und seine Augen verfinsterten sich, als Jean-Claude eintrat. „Wir sind zurück“, sagte der Outrider und legte seinen Helm beiseite. Seine Begleitung tat es ihm gleich. „Hallo Jean, hallo…“, sagte Saber und verstummte, als er das dunkelbraune, lange Haar sah, das sich über den blauen Raumanzug legte. „Lilly“, schluckte er und sein Mund war plötzlich so trocken wie der Sand auf Crimson Desert. Ihre Anwesenheit irritierte ihn, hatte er doch jahrelang nicht mehr an die outriderische Astromineralogin gedacht, der er einst nähergekommen war. Er hielt sie für tot, aber das konnte er ihr wohl unmöglich zur Begrüßung sagen! „Hallo“, erwiderte sie, und Saber spürte ihre Befangenheit, als sie jeden einzelnen ansah. Auch April fühlte sich unbehaglich in Anwesenheit der beiden Outrider. Früher hatte sie nie auf normale Weise mit ihnen gesprochen oder ihnen besonders nahe gegenüber gestanden. „Hallo“, grüßte sie zurück und Colt schwieg beharrlich. „Dann brauche ich euch nicht mehr vorzustellen“, stellte Jean-Claude leicht überrascht fest und sah Lilly fragend an. „Nein“, sagte sie, „Wir sind uns früher schon einmal begegnet. Unser Abschied war allerdings sehr … äh … flammend.“ Saber zog die Augenbraue hoch und merkte, dass sich seine Mundwinkel unwillkürlich kräuselten. Unverfänglicher und treffender hätte man die damalige Situation nicht beschreiben können. Er war froh, sie zu sehen und dass Jean-Claude sie für diese Aufgabe ausgewählt hatte, weil sie ihm nicht unbekannt war und er ihren Intellekt einschätzen konnte. Man sah ihr die harten Zeiten in der Phantomzone an, denn sie war ebenso schmal und blass wie Jean-Claude und Jesse, dass es erstaunlich war, dass sie trotz der widrigen Umstände alle drei einen starken Lebenswillen in sich trugen. „Möchtet ihr euch erst etwas ausruhen, bevor wir anfangen?“ „Ehrlich gesagt, möchte ich jetzt lieber gleich wissen, was eigentlich los ist. Was ist die verzwickte Situation, die es zu lösen gilt?“ „Mir geht es genauso“, stimmte Lilly April zu. „Jean sagte mir, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Warum ausgerechnet ich?“ „Weil ihr beiden diejenigen seid, die uns am nächsten stehen und denen wir am meisten vertrauen“, erklärte Jean. „So ist es“, bestätigte Saber. „Obwohl wir unter uns sind, möchte ich daran erinnern, dass dieses Treffen der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt und als Staatsgeheimnis zu betrachten ist.“ „Staatsgeheimnis.“ April presste ihre Lippen zusammen, als ihr bewusst wurde, welch große Verantwortung ihr übertragen worden war. Sie sah zu der Outriderin hinüber, die sich ebenfalls versteift hatte. Scheinbar war auch ihr in diesem Moment die Tragweite ihrer Aufgabe klar geworden. 'Lilly und ich sind diejenigen, denen sie am meisten vertrauen – das heißt, am meisten in den jeweiligen Dimensionen. Das bedeutet, dass wir gar nicht ablehnen können, selbst wenn wir es wollten; keiner außer uns in der ganzen Galaxis kann das erfüllen, was sie sich von uns erhoffen. Selbst wenn wir versagen, war das die beste Chance, die sie haben. Aber … was ist mit mir? Ich soll mit einem Outrider zusammen arbeiten, mit einem Feind?' April musterte Lilly möglichst unauffällig. Sie war extrem dünn und sah sehr ungesund aus, aber ihre Augen waren wachsam und intelligent. Wahrscheinlich ging es ihr ähnlich in dieser Situation. 'Saber glaubt, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin und er hat schon immer mehr Fähigkeiten in mir gesehen als ich selbst und ich habe ihn und mich noch nie enttäuscht, seit wir uns auf der Akademie kennengelernt haben. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein, auch nicht in Gegenwart zweier Outrider. Sie sehen so aus, als würde sie der kleinste Windhauch davonwehen und selbst wenn sie irgendwas tun sollten, Colt wäre schneller. Es gibt also wirklich keinen Grund, nervös zu sein. Daddy hat immer an das Gute geglaubt und er hat mich gelehrt, es ebenso zu tun. Kann ich das überhaupt, selbst wenn ich wollte?' Saber schenkte ihr ein zuversichtliches Nicken, als sie zu ihm sah, was sie bestärkte, ihre Vorurteile abzuwerfen und die Initiative zu ergreifen. 'Noch ein Neuanfang', dachte sie und reichte der Outriderin ihre Hand. „Also dann, Lilly, auf gute Zusammenarbeit!“ Lilly wirkte ein bisschen erschrocken, doch dann ergriff sie die entgegengestreckte Hand. „Auf gute Zusammenarbeit, April“, erwiderte sie das Versprechen lächelnd und ihr kühler Händedruck war zwar etwas zurückhaltend, aber verbindlich. „Am besten fangen wir gleich an, ich will endlich erfahren, was los ist. Wir setzen uns einfach hier an den Tisch. Im Zellentrakt ist es zu ungemütlich und ziemlich kalt und wir müssen ja nicht auf irgendeine Etikette achten.“ „Einverstanden. Ich hole Fireball und Jesse“, nickte Saber, der sich gleich auf den Weg zu den beiden Insassen machte. Die Stille im Raum war unerträglich. Colt schwieg stur vor sich hin und sie wusste nicht, über was sie mit Outridern reden sollte. Über das Wetter etwa? Sie atmete erleichtert auf, als Saber keine Minute später, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, mit Fireball und Jesse in den Aufenthaltsraum zurückkehrte. Die Tatsache, dass Jesse keine Fesseln trug, ließ Colt noch griesgrämiger dreinschauen, der mit verschränkten Armen und übereinandergeschlagenen Beinen auf der Eckbank saß. Fireball ließ sich von der finsteren Miene nicht beeindrucken und rutschte neben ihn. „Lasst uns bitte zuerst die Fakten zusammentragen, damit April und ich endlich wissen, was passiert ist“, sagte Lilly, nachdem alle saßen. „Jeder von uns erzählt, wie er in diese“, Lilly suchte nach einem passenden Wort, „Geschichte hineingeraten ist. Magst du anfangen, Saber? Du und Jean werdet wohl am meisten dazu beitragen können.“ „Sehr gerne“, erwiderte Saber. „Ich möchte jedoch vorschlagen, dass Jean zuerst spricht, denn in der Phantomzone nahm alles seinen Lauf.“ „Wo sonst“, knurrte Colt bissig. „Okay, ich habe nichts dagegen“, stimmte April zu. „Es wäre ganz gut, wenn du ein bisschen was über die Phantomzone erklärst und was sich seit dem letzten Gefecht zugetragen hat. Damit wir anderen uns ein Bild davon machen können.“ „Natürlich“, nickte der Outrider und sammelte sich kurz, um den Einstieg zu finden. „Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, herrschte nach eurem Sieg Chaos in der Phantomzone. Alle festen Strukturen waren zerstört und es gab keinen Anführer mehr, der allen ein Ziel gab und die Leute lenkte. Viele der ehemals hochrangigen Commander, die überlebt hatten, versuchten, Nemesis’ Thronfolger zu werden. Darunter waren Dark, Calibos, Mohawk und Orat, um nur einige zu nennen. Jeder Einzelne von ihnen hatte das Ziel, sofort in einen neuen Krieg zu ziehen und das Neue Grenzland endgültig zu erobern und selbst an der Macht zu stehen. Da es aber kaum Energie gab und auch sonst kaum Ressourcen vorhanden waren, konnte das nicht gut gehen. Unter den Führenden herrschte Neid, Missgunst und Hass, und nicht wenige von ihnen wurden hinterrücks ermordet, damit ein anderer an die Macht kam. Alle waren nur auf Rache aus und bei der Umsetzung sollte Jesse ihnen helfen. Sie hielten ihn entgegen seinem Willen am Leben und-“ „Das geht niemanden etwas an, Jean!“ „Ich denke schon, Jesse“, widersprach April. „Lilly und ich können unsere Aufgabe nicht erfüllen, wenn uns Fakten vorenthalten werden. Vielleicht sind gerade die scheinbaren Nebensächlichkeiten wichtig, das musst du doch verstehen. Deshalb müssen wir über alles und jeden die ganze Wahrheit hören.“ Dass Jesse das nicht gefiel, war offensichtlich, aber darauf konnte April keine Rücksicht nehmen. Ihre Blicke kreuzten und verfingen sich in einem stummen Dialog. Sie dachte an ihr gemeinsames Versprechen, das sie mit einem Händedruck besiegelt hatten. Obwohl es nie gut zwischen ihnen stand, hatten sie sich niemals angelogen oder etwas verschwiegen und das sollte auch jetzt nicht der Fall sein. Jesse schien zu verstehen, denn er nickte leicht als Zeichen seiner Zustimmung, und unterbrach den Blickkontakt. „Bitte sprich weiter, Jean-Claude.“ „Ich wusste es lange Zeit selbst nicht, bis ich mich entschloss, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten und mich selbst an die Spitze gestellt habe, indem ich Orat vergiftete.“ „Offiziell hieß es, dass Orat an einer Seuche starb“, warf Lilly überrascht ein. „Ich bin nicht stolz darauf, aber ich musste etwas ändern und das langfristig. Selbstverständlich bin ich mir der Absurdität bewusst, dass ich genauso einen gewaltsamen Machtwechsel herbeigeführt habe wie meine Vorgänger und mich zumindest dadurch in keinster Weise von ihnen unterscheide. Allerdings bin ich anders und ich denke anders als andere Outrider, was mir schon früher zur Last gelegt wurde. Ihr würdet es wahrscheinlich als 'menschlich' bezeichnen und -“ „Menschlich? DU? Ich bitte dich, jetzt werde nicht albern!“ „Colt, bitte!“ April fühlte sich von Jean-Claude genauso beleidigt wie Colt, aber sie gab sich Mühe, das nicht zu zeigen. Sie musste erst einmal neutral bleiben und später urteilen, auch wenn es ihr schwer fiel. Sie nickte Jean-Claude abermals zu und versuchte möglichst nichts von ihrem Ärger auf ihrem Gesicht zu zeigen. Entweder übersah Jean das, um die angespannte Stimmung nicht noch mehr aufzuheizen, oder es funktionierte wirklich, jedenfalls fuhr er fort als ob niemals eine Unterbrechung stattgefunden hatte: „Mit dieser Lüge wollte ich ein Zeichen setzen, dass sich ab jetzt etwas verändert, dass ich etwas verändern kann. Ich wollte nicht auf diese Art sterben und erst recht nicht zusehen wie meine Freunde, meine Familie und mein ganzes Volk einer nach dem anderen gingen.“ „Pah. Freunde und Familie“, schnaubte Colt abfällig, „Als ob ihr wisst, was das ist!“ „Ich fürchte, ihr habt ein völlig falsches Bild von uns. Ich habe meine Schwester und meinen ungeborenen Neffen durch eine heimtückische Krankheit verloren, die sie besiegt hätte, wenn nur genug Nahrung verfügbar gewesen wäre!“, erwiderte Jean-Claude zornig, woraufhin Colt betroffen schwieg. Er erinnerte sich an Annabelle, mit der sich damals hätte mehr vorstellen können, wenn sie kein Feind gewesen wäre. „Wir Outrider empfinden ebenso Gefühle wie ihr Menschen. Annabelles Tod war der Grund, durch den ich endlich aufwachte und die Sache selbst in die Hand nahm. Die komplette Führungsebene war verdorben und ich habe sie wie ein krankes, vor sich hin wucherndes Gewebe ausgemerzt und würde es jederzeit wieder tun. Ich hatte genug Leute um mich herum, die ebenso dachten und die bereit waren, diesen Putsch mit mir zusammen durchzuziehen. Unser Plan gelang und als ich an der Spitze stand, änderte ich einiges. Alle Energie, die für die Herstellung von Waffen eingesetzt wurde, steckte ich in den Anbau von Nahrungsmitteln und die Herstellung von Medikamenten. Selbstverständlich hatte ich mir damit nicht nur Freunde gemacht, aber ich war mir bewusst, dass dies passieren würde und ich war bereit diesen Weg zu gehen und den Widerstand mit aller Gewalt einzudämmen. Allerdings tötete ich die Aufrührer nicht, sondern ließ sie unter Aufsicht Häuser und Hütten bauen oder auf den wenigen Feldern arbeiten. Wir brauchten jede Kraft, die uns zur Verfügung stand und brauchen sie noch heute. Dann fand ich heraus , dass meine Vorgänger Jesse Blue am Leben gehalten hatten, um ihn als Strategen und Entwickler für eine neue Generation von Waffen und Kampfschiffen einzusetzen. Er weigerte sich, aber man ließ ihm keine Wahl.“ „Und jetzt kommst du zurück, um dich an uns zu rächen? Ganz schön armselig“, schnaubte Colt in Jesses Richtung, der ihn geflissentlich überhörte. „Was heißt das, man ließ ihm keine Wahl?“, wollte April wissen. „Ich spreche von Folter“, präzisierte Jean-Claude seine Andeutungen. „Seine Wächter boten mir ihre Dienste an, denn sie gingen davon aus, dass ich ebenso an einem neuen Krieg interessiert war. Erst dadurch wurde ich auf Jesse aufmerksam. Ich wollte mich später um ihn kümmern, aber als sie mir ihre vielen Protokolle und Aufzeichnungen überreichten, aus denen hervorging, mit welchen schrecklichen Mitteln sie Jesse zwangen, für sie zu arbeiten, entschloss ich mich, sofort zu handeln. Die Wächter gingen überaus grausam und brutal vor und ich konnte es nicht zulassen, dass er noch länger unter ihnen litt“, sagte er, sparte jedoch detaillierte Beschreibungen aus. „Jesse war ein Wrack, als ich ihn befreite, und-“ „Es reicht jetzt, Jean. Bitte!“, unterbrach Jesse ihn blass, der zum ersten Mal etwas über Jeans Beweggründe erfuhr und deshalb von der Erzählung so eingenommen war. Jetzt konnte er es nicht mehr ertragen und er fühlte sich als bekäme er keine Luft mehr. Damit gab er allen am Tisch preis, dass er genauso wenig emotionslos und kalt war wie man bisher von den Outridern glaubte. Bis eben hatte Jesse nicht gewusst, dass Aufzeichnungen und ausführliche Protokolle über ihn existierten und dass jemand diese gesehen hatte, wie er in seinen schwächsten, unwürdigsten Momenten um den Tod gefleht hatte. Dieses dunkle Kapitel hatte er tief in seinen Erinnerungen vergraben, in der Hoffnung, es nie wieder öffnen zu müssen. „Ist das wahr, Jesse?“, fragte April erschrocken, aber Jesse saß nur versteinert da, seine Lippen zu einer schmalen Linie gepresst. „Deshalb…?“ Jetzt verstand Fireball, was es mit den Schnitten auf sich hatte und sogar Colt verkniff sich jeglichen Kommentar. „Kannst du einfach von was anderem reden, Jean?“ „Wenn es nicht erforderlich ist, dass wir der Sache weiter auf den Grund gehen?“ „Dazu besteht im Moment keine Notwendigkeit“, sagte April, die ihre Augen nicht von Jesse lösen konnte, der auf der Eckbank zusammengesunken war, die Arme schützend vor seiner Brust verschränkt und sich unübersehbar an einen anderen Ort wünschte. „Bitte mach einfach weiter, Jean“, bat Lilly, die mit den Notizen kaum nachkam. „Okay. Also … was alle meine Vorgänger nicht beachtet hatten, waren die Zivilisten, die einen Großteil der Bevölkerung ausmachen, deren einzigste Sorgen ums nackte Überleben gingen, nicht um einen neuen Krieg. Es gab nur notdürftige Unterkünfte, wenige Nahrungsmittel und auf unserem Planeten ist es sehr kalt. Viele starben an Unterernährung und Krankheiten und die Zahl unserer Überlebenden sank beständig. Ich selbst wollte ebenfalls nicht sterben und half fernab des Machtzentrums über viele Jahre am Wiederaufbau.“ „Jean-Claude, der heilige Samariter. Irgendwie kaufe ich dir die Nummer nicht ab.“ „Nun, Colt, alter Freund, das ist deine Sache. Du hattest das Glück und warst auf der Seite der Gewinner. Aber ich bereue nichts. Es waren harte Zeiten, die wir durchgestanden haben und trotzdem möchte ich sie nicht missen! Nur dadurch konnten wir Outrider lernen, was Mitgefühl und Anteilnahme bedeuten und ein neues Gedankengut finden, das uns Hoffnung gibt. Und ich glaube, dass darin der Schlüssel für unseren Überlebenswillen liegt. Aus diesem Grund habe ich mich nach meiner Machtübernahme und nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, Saber Rider zu kontaktieren, denn mir war klar geworden, dass wir ohne fremde Hilfe dem Untergang geweiht waren.“ Jean-Claude suchte den Blick seines Nebenmanns, der der unausgesprochenen Aufforderung nachkam. „Natürlich war ich war damals genauso überrascht und skeptisch wie ihr heute, aber ich habe mir sein Anliegen angehört und überprüft, denn ich musste sicher sein, dass er die Wahrheit sagte.“ „Was heißt das, 'überprüft'? Du warst doch wohl nicht in der Phantomzone?“, hakte April nach. „Selbstverständlich war ich dort. Wie hätte ich mir sonst ein glaubwürdiges Bild von der Lage machen können?“, antwortete Saber. „Ich musste es mit eigenen Augen sehen und mir fiel es schwer, das alles zu verstehen. Ich weiß nicht mehr wie lange, aber ihr dürft mir glauben, dass ich mir sehr genau überlegte, ob ich die Hilfe gewähren sollte, um die Jean-Claude mich gebeten hatte.“ „Was hat dich schließlich dazu bewogen, es zu tun, Saber?“ Lillys Stimme war ein wenig sanfter geworden, als sie mit ihrem Nebenmann sprach. „Die Pflicht, Hilfe zu gewähren, wenn man darum gebeten wird“, antwortete er. „Ganz besonders, wenn es sich um humanitäre Hilfe handelt und es darum geht, ob eine Rasse vor dem Aussterben ist, selbst wenn wir einst Krieg gegeneinander geführt haben.“ „Aber wie zur Hölle kannst du dir anmaßen, das alleine zu entscheiden?“, wiederholte Colt seine Frage von vorhin, und Saber gab die gleiche Antwort, diesmal mit einem schärferen Unterton. „Weil es meine verdammte Pflicht als Präsident des Neuen Grenzlandes ist, den Frieden zu sichern und zu helfen! Ich habe mich bewusst dafür entschieden, es auf diese Weise zu tun, weil der Widerstand in der Bevölkerung sehr groß sein würde. Ich halte es für zu früh, die Einwohner darüber in Kenntnis zu setzen.“ „Oder weil du insgeheim andere Pläne verfolgst? Du hast große Macht und manchmal steigt einem diese zu Kopf“, streute Jesse seine Bedenken ein, der Saber einfach auf die Probe stellen musste, falls niemand anderes auf den Gedanken kommen würde, dass er vielleicht doch ein falsches Spiel spielte. „Ich habe gesehen wie du dich mit deinen Geschäftspartnern gibst. Du bestichst und nimmst selbst Bestechungsgelder an wie es dir gerade passt. Du bist ein Heuchler! Ein ehrenhafter Präsident ist anders!“ „Gerade du sprichst von Ehre, Jesse“, lächelte Saber nachsichtig. „Du warst nie in so einer verantwortungsvollen Position und verfügst daher nicht über die Fähigkeit, darüber zu urteilen. Deshalb lass dir gesagt sein, dass man manchmal alte Vorsätze über Bord werfen muss zugunsten anderer, wichtigerer und gemeinschaftlicher Interessen. Ich habe durch mein Verhalten niemandem geschadet, stattdessen aber die Sicherheit im Neuen Grenzland und das Überleben der Outrider ermöglicht. Auch du hast davon profitiert.“ „Und nebenbei hast du unser Vertrauen missbraucht!“, fügte Fireball dunkel hinzu. April war blass geworden, als sie Sabers Geständnis hörte. Sie fühlte sich für den Moment überfahren von diesen Informationen und auch davon, dass nun eine andere Seite von Saber ans Tageslicht kam, wo sie immer behauptet hatte, ihren langen Weggefährten in- und auswendig zu kennen. Außerdem wurde ihr jetzt, wo sich die Puzzlestückchen nach und nach zusammensetzen, noch deutlicher bewusst, welches Gewicht auf ihren und Lillys Schultern lastete. Für Lilly galt seitens der Phantomzone mit Sicherheit dasselbe. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment und sie sah den Schreck darüber in ihren Augen, doch dann nickte ihr die Outriderin entschlossen zu. „Saber hat kein Interesse daran, die Phantomzone zu übernehmen“, stellte Jean-Claude sich an Sabers Seite. „Er ist absolut loyal gegenüber eurer Dimension. Machtgedanken sind ihm fremd und ich wünschte, es würde mehr Menschen und Outrider wie ihn geben. Ich habe im Laufe unserer Zusammenarbeit festgestellt, dass wir uns in dieser Hinsicht sehr ähnlich sind.“ „Saber?“, wandte Lilly sich an den Präsidenten, „Würdest du uns einen Überblick geben, welche Maßnahmen du eingeleitet hast, um unserer Dimension zu helfen?“ „Ihr könnt gerne meine Aufzeichnungen haben“, bot Jesse zuvorkommend an, „Nur für den Fall, dass Saber etwas vergisst. Sie sind sehr umfangreich.“ „Vielleicht kommen wir drauf zurück“, nickte April und griff wieder nach ihrem Stift, um die nächsten Notizen zu machen. „Also, Saber?“ „Angefangen hat es mit Kleinigkeiten“, startete Saber, der sich tatsächlich etwas zurückerinnern musste. „Es ging darum, die Wasserversorgung zu stabilisieren, daher habe ich die Stilllegung eines Staudamms vorangetrieben und–“ „Etwa die des Hooverdamms?“, schaltete sich Fireball ein, der sich daran gut erinnerte. Es war ein Highlight, den im 20. Jahrhundert so berühmten Damm einzureißen, da er inzwischen veraltet war und zu brechen drohte; zumindest war das die offizielle Begründung gewesen. „Genau die“, bestätigte Saber. „Die ganze Technik, die Turbinen, Schraubenpumpen und Rohrleitungen wurden nach und nach in die Phantomzone gebracht. Es dauerte lange, da es zwar noch Schiffe mit Hyperantrieb gibt, aber keinen Leitstrahl mehr, der notwendig ist, um den Dimensionssprung durchzuführen. Daher ist man auf das Schwarze Loch angewiesen, das sich im Omikron-Sektor befindet und einen natürlichen Tunnel zwischen unseren Dimensionen bildet.“ „Deswegen hast du dort die Basis für die Entwicklung des Hyperantriebs errichtet“, stellte Fireball fest. „Richtig“, bestätigte er. „Das ist das neueste Projekt, da es ziemlich lange gedauert hatte, einen Antrieb zu entwickeln, der die nötige Energie aufbringen kann, um den Sprung durchzuführen. Kyrillium ist dafür von entscheidender Bedeutung. Auch der Nachbau einer Art Tritonmaterie ist in Arbeit, die allerdings entsprechende Sicherungsmaßnahmen hat, damit sie nicht noch einmal die Kontrolle übernimmt. Die Hilfe beschränkt sich allerdings nicht nur auf den technischen Bereich, sondern es wurden auch neue Nahrungsmittel, Medikamente, Impfstoffe und dergleichen hergestellt, die bis heute nur bedingt zum Einsatz kommen, weil die Anatomie der Outrider nicht vollständig erforscht ist. Daher wirken die meisten Medikamente nicht richtig, was ich sehr bedauere. Auch Jean-Claudes Mediziner konnten bisher keine Verbesserung der Wirkstoffe erzielen und darum nimmt die Zahl der Outrider immer weiter ab. Im Rahmen dessen wurden regelmäßige Voralith-Lieferungen ins Leben gerufen. Das ist ein Mineral, auf dem man Nahrungsmittel anbauen kann und das vielleicht sogar für die Energiegewinnung eingesetzt werden könnte. Daran wird derzeit intensiv geforscht. Hier in unserer Dimension ist Voralith recht nutzlos, denn es benötigt eine gewisse kalte Bodentemperatur, um seine volle Wirkung zu zeigen.“ „Du bist ein sehr großes Risiko für uns eingegangen“, stellte Lilly ergriffen fest. Sie war überwältigt von dieser Aussage, dankbar, aber auch traurig, denn Saber hatte deshalb sicherlich auf vieles in seinem Leben verzichten müssen. „Ich musste es tun, denn ich hätte das nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können“, erklärte er schlicht. „Natürlich habe ich die Risiken abgewogen und meine Verträge und Geschäftspartner sehr vorsichtig ausgewählt. Das dauerte seine Zeit, aber es hat sich gelohnt. Ich würde es immer wieder tun.“ Lilly lächelte gerührt und ließ zu, dass ihre Blicke sich kurz ineinander verfingen, ehe sie sich losriss. „Jesse, erklärst du uns jetzt, wie du in die Zusammenhänge passt?“, forderte sie den nächsten in der Reihe auf. „Und bitte sei so ehrlich wie du es mir gegenüber immer warst“, fügte April hinzu. „Dir kann ich keinen Wunsch abschlagen, liebste April“, sagte er mit einem kleinen Lächeln. „Die Zeit der Lügen ist vorbei.“ „Na, das ist ja herzerweichend“, spottete Colt und rückte seinen Hut zurecht. „Da bin ich aber mal gespannt auf die Märchenstunde, bin ich da.“ „Glaube es oder lass es, mir egal, Cowboy“, erwiderte Jesse und wandte sich an seinen Nebenmann. „Es tut mir leid, Fireball, aber deine Zweifel waren von Anfang an berechtigt. Als ich dich aufgesucht habe, wollte ich tatsächlich nichts als Rache für damals, ich wollte euer Leben zerstören, deins, Colts und Sabers.“ „Ich wusste es, du miese kleine Ratte!“ Colt war mit geballter Faust aufgesprungen und langte über Fireball hinweg nach Jesse, um ihm eins zu verpassen. „Colt!“, riefen April und Saber scharf, was den Cowboy tatsächlich innehalten ließ. Beruhigend legte April ihm eine Hand auf die bebende Faust, als Fireball keine Anstalten machte, ihn zurückzuhalten. „Das kannst du nachher mit ihm klären, lass uns erstmal hören, was er zu sagen hat.“ „Darauf kannst du Gift nehmen, dass ich das tun werde!“, spuckte er in Jesses Richtung, setzte sich aber fürs Erste wieder. Fireball neben ihm hatte seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst und starrte auf den Tisch vor sich, während Saber diese Offenbarung gelassen hinnahm. Durch Jean-Claude wusste er schon länger von Jesses Verschwinden und hatte so eine Erklärung erwartet. „Du wolltest uns wirklich umbringen?“, fragte Fireball fast tonlos und trotzdem war der immense Zorn in seiner Stimme deutlich zu hören. Er war maßlos enttäuscht und wütend auf sich selbst, dass er Jesse auf den Leim gegangen war. „Nein, das wollte ich nicht. Es wäre zu einfach gewesen, zu schnell für all das, was ich wegen euch durchstehen musste. Ich wollte euch eurer Lebensumstände berauben, euren Luxus nehmen, euer Ansehen, alles, was ihr euch vorstellen könnt.“ Colt sprang erneut auf, die Hand zur Faust geballt. „Ich werde dir schon zeigen, was für angenehme Lebensumstände du bisher hattest!“ „Warum hast du es dann nicht getan?“, fragte Fireball im gleichen Tonfall und zog Colt mit einem Ruck auf seinen Platz herunter. Das war jetzt eine Sache zwischen Jesse und ihm – und zwar eine sehr persönliche, in die sich niemand einzumischen hatte. „Weil ihr das selbst schon erledigt habt, zumindest du und Colt“, antwortete Jesse und sah von Fireball zu Colt. „Ich weiß Bescheid über das, was mit dir los ist, Cowboy!“ „Nur ein Wort und…!“ Colt funkelte ihn wütend an, aber Jesse winkte träge ab und ging nicht weiter auf ihn ein. Stattdessen sah er zu Saber. „Das ist die reine Wahrheit. Ich hoffte, danach endlich meinen Frieden zu finden, alles zu vergessen und komplett neu anzufangen, aber jetzt, nach langer und sorgfältiger Vorbereitung ist mir ein großer Teil meiner Rache verwehrt geblieben. Nur einer blieb übrig, und das bist du, Saber. Ich konnte während meiner Ausarbeitung nicht herausfinden, was du mit deinem Verhalten bezweckst, aber ich kam irgendwann zu dem Schluss, dass es zweitrangig war und keinen Einfluss auf mein Vorhaben hatte. Das Ergebnis war alles, was mich interessierte. Ich musste nur genug Beweismaterial sammeln, die Daten aufbereiten und alles an die Presse und diverse andere Einrichtungen übermitteln. Die Nachricht, dass sich Mr. President mit Bestechung und sonstigen, nicht gerade legalen Mitteln bedient, um seine geheimen Pläne umzusetzen, wäre eingeschlagen wie eine Bombe. Du wärst ziemlich schnell von deinem hohen Ross gefallen – und diesmal gäbe es keinen Steed, der dich wieder auffängt.“ „Ausgerechnet du sprichst von legalen Mitteln“, konnte Colt sich den bissigen Kommentar nicht ersparen. „Bestechung und Spionage gehören meines Wissens nach auch nicht zu dieser Kategorie!“ „Richtig, aber ich bin nicht der Präsident des Neuen Grenzlandes und habe keinen Eid auf die Verfassung geschworen“, zuckte Jesse mit den Schultern. „Mich würde interessieren, woher du das Geld für deine Pläne hast“, mischte sich Saber ein, der sich kein bisschen anmerken ließ, ob es ihn beunruhigte, dass er Jesses Plänen so knapp entkommen war. „Du brauchtest eine Menge, wenn ich mir allein schon Vincents Spielschulden ansehe. Also, wie hast du deinen Plan finanziert?“ „Sieht dir ähnlich, dass du das fragst“, schnaubte Jesse unzufrieden. „Ob du es glaubst oder nicht, es war mein eigenes Geld, welches ich dafür investierte, und keine Steuergelder!“ „Woher hast du es?“ Jean-Claude konnte die Überraschung nicht aus seiner Stimme heraushalten, als er das fragte. „Wer ist Vincent?“, fragte Lilly. „Das tut nichts zur Sache, Jean“, wiegelte Jesse ab, wurde jedoch von Fireball unterbrochen. „Ich kann mir schon vorstellen, woher er es hat“, bemerkte dieser mit einem dunklen, triumphvollen Blick. „Ihr müsst nämlich wissen, dass er der Sohn von Dr. James Maverick ist, demjenigen, dessen Firma Ramrods Triebwerke hergestellt hat“, ließ er die Katze aus dem Sack. „Wahrscheinlich hat er noch ein altes Taschengeldkonto oder so etwas übrig, auf das er zugreifen kann.“ Jesse lächelte nachsichtig, als er sich zurücklehnte, denn es war offensichtlich, dass Fireball das nur gesagt hatte, um ihm für seinen Verrat eins auszuwischen. Sollten sie das ruhig glauben, es stimmte nicht. Es gab keinen Grund dafür, anzunehmen, dass sein Vater nach all den Jahren, ein Konto für ihn bereithalten sollte. Selbst wenn - wie hätte Jesse darauf zugreifen können ohne sich und seinen Aufenthaltsort zu verraten und sofort gefangen zu werden? „Also stimmen die Gerüchte, die damals im Ausbildungszentrum über dich herumgingen?“, fragte April. „Welche Gerüchte?“, wiederholte Jesse überrascht. „Sag bloß, du hast das nicht mitbekommen? Fast an jeder Ecke wurde herumerzählt, dass du der Sohn reicher Eltern bist und seinen Namen geändert hat, um das geheimzuhalten, damit du nicht bevorzugt behandelt wirst. Überall hieß es, du wärest etwas ganz Besonderes, der neue Überflieger, der schon bald ein eigenes Schiff erhalten sollte. Es gingen die abenteuerlichsten Geschichten herum. Hat dir wirklich niemand was erzählt?“ „Nein, niemand. Was immer sie erzählt haben, nichts davon stimmt.“ „Das würde ich so nicht sagen. Ich habe die Gerüchte ebenfalls gehört. Die wahre Geschichte steht in einem verschlüsselten Teil deiner Personalakte“, sagte Saber und fixierte Jesse. „General White Hawk hat diesen Teil verfasst und wie du dir bestimmt denken kannst, habe ich ihn gelesen. Also, was ist jetzt, Kayne Maverick? Wie bist du an soviel Geld gekommen?“ „Es gibt wohl nichts, was du nicht über mich weißt“, gab Jesse wütend zurück, der es hasste, dass Saber alle seine Geheimnisse kannte. Er war ihm immer einen Schritt voraus und so hatte er niemals eine Chance, gegen ihn anzukommen. „Eine Sache gibt es“, lächelte Saber schmal, „und ich würde wirklich gerne wissen, wie du soviel Geld zusammen bekommen hast. Aus der Phantomzone kannst du es nicht haben, dort gibt es keine Intercontinentals.“ „Mir hast du nichtmal deinen echten Namen verraten, als ich dich danach gefragt habe“, warf Fireball ihm mit verschränkten Armen vor, der sehr schwer an dem Gehörten zu kauen hatte. „Dabei war es scheinbar ein offenes Geheimnis.“ „Weil mir mein jetztiger Name lieber ist und ich den alten einfach nicht mehr hören will“, gab Jesse gereizt zu und atmete tief durch. „Also gut. Ich will dich ja nicht dumm sterben lassen, Saber. Die Wahrheit ist, dass ich nach meiner Flucht aus der Phantomzone an einem ziemlich üblen Ort gelandet bin, wo der lange Arm des Gesetzes nicht hinreicht. Dort hatte ich schon einmal angefangen und kannte mich aus, dachte ich.“ Jesse verschwieg, dass er damals, nach seiner Kündigung bei den Star Sheriffs, an dem gleichen Ort gewesen war, und so, wie er von dort in die Phantomzone geraten war, hoffte er, dass dies der Weg zurück für ihn sein würde. „Ehrlich gesagt war es dort nur unwesentlich besser als in der Phantomzone und ich habe mich mit den übelsten Jobs durchgeschlagen, die du dir vorstellen kannst. Sie waren nicht schön, aber ertragreich, sogar sehr ertragreich. Schmuggel wurde immer gut bezahlt, Drogen ebenfalls und wenn man einen Konvoi begleitet hatte, ging gerne mal ein bisschen was von der Ladung verloren, die man dann auf dem Schwarzmarkt verscherbeln konnte. Du glaubst auch nicht, wieviel Geld man mit billigen Taschenspielertricks machen kann, oder durch Zählen beim Black Jack, wenn man des Zählens mächtig ist. Illegale Wetten, Raub, Überfälle, Mord, ich schreckte vor nichts zurück und als ich Jason Barista, einen Detektiv, traf, war er mein Ticket aus diesem Moloch. Wir arbeiteten eine Weile zusammen und als er bei einem Auftrag das Zeitliche segnete - nicht durch mich, will ich anmerken - nahm ich seine Identität und sein Geld und kam nach Yuma, um endlich ein normales Leben zu führen.“ „Du und ein normales Leben? Du machst wohl Witze?“, schnaubte Colt abfällig. „So war das also“, nickte Saber zu frieden und strich sich durch seinen Bart. „Ein normales Leben führen zu wollen heißt für mich aber nicht zwangsläufig, dass du Rachegelüste hattest.“ „Stimmt, die hatte ich tatsächlich nicht, zumindest zuerst nicht. Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht an euch gedacht, aber hier in Yuma hat man dich und Fireball mehr oder weniger ständig vor den Augen. Ich fühlte mich regelrecht verfolgt und herausgefordert und dann...“ „...hast du dir einen hübschen kleinen Plan zurechtgelegt, dem blöden Fireball was vom Pferd erzählt und die Dinge nahmen ihren Lauf“, bemerkte Fireball angesäuert. „So war es“, gab Jesse zu, der wenigstens ein bisschen Reue zeigte. „Warum bist du nicht einfach bei uns in der Phantomzone geblieben? Dein technisches Know-how hat in vielen Bereichen weitergeholfen und du wurdest von uns allen respektiert.“ „Lilly, das magst du vielleicht so sehen“, antwortete er. „Aber nach all dem, was war, konnte ich einfach nicht mehr bleiben.“ „Kannst du ein bisschen deutlicher werden? Andeutungen bringen uns nicht weiter.“ „Das tut nichts mehr zur Sache“, antwortete er nur ausweichend, weil er sonst sein Innerstes hätte offenlegen müssen. Vielleicht konnten Fireball, Jean-Claude und Saber sich diesen Teil über seine Beweggründe zusammenreimen, aber er wollte nicht, dass noch mehr Leute davon erfuhren. Tatsache war, dass Jesse erkennen musste, dass er vor seinen Alpträumen nicht weglaufen konnte und er weder in die eine noch in die andere Welt gehörte, weder vorher noch jetzt. Egal wo, er war immer ein Außenseiter gewesen und würde es bleiben, und die Träume würden ihm folgen, wohin er auch ging. „Okay, ich frage nicht weiter. Aber erfahre ich dann vielleicht, wer dieser Vincent ist, den Saber vorhin erwähnt hat?“, wiederholte Lilly ihre Frage. „Wie sah dein Plan letztendlich aus?“, mischte Jean-Claude ein, der sich verantwortlich fühlte und erkannte, dass er Jesse nie hätte in der Phantomzone halten können, egal wie er sich bemühte, die Graumsamkeiten seiner Vorgänger wiedergutzumachen. „Vincent ist … war einer von Sabers Bodyguards. Ich habe ihn in einem Wettbüro kennengelernt, eigentlich mehr durch Zufall. Wir standen an einem Tisch, haben irgendein Fußballspiel verfolgt und sind ins Gespräch geraten, irgendein oberflächliches Geplänkel. Erst als er eine kleine Bemerkung in einem Nebensatz fallen ließ, wurde es höchst interessant für mich und es stellte sich heraus, dass er der Schlüssel zu meinem Plan war. Durch ihn hatte ich direkten Zugriff auf Saber und bekam die Informationen aus erster Hand. Vincent war sehr fleißig und kostete eine Menge, aber alles, was er mir schickte, war echt und damit die perfekte Grundlage für meinen Plan. Ich wollte, dass Saber öffentlich in Ungnade fiel und seinen Posten räumen musste, und ich wollte Fireballs Rennteam zerstören.“ „Und was wolltest du mit mir machen, du kleine Ratte?“ Colt blitzte ihn mit kalten Augen an und Jesse erwiderte diesen Blick einen Moment lang. „Dir wollte ich einen oder mehrere Morde anhängen und dich hinter Gitter bringen, wo du dein Leben lang eingesperrt gewesen wärst.“ „Jetzt bist du derjenige, der in dieses Vergnügen kommt“, zischte Colt. „Wäre dein Plan geglückt und ich meines Postens enthoben, wärst du verantwortlich für den Tod der Outrider“, fügte Saber ruhig hinzu, wobei er ihn mit seinen Augen fixierte. Jesse fühlte einen Stich in seinem Herzen und schluckte hart. Diese Erkenntnis erdrückte ihn regelrecht und ließ ihn die Lider senken. Leicht nickte er. Jean hatte so ein Schicksal nicht verdient. Er war es, der ihn befreite und sich immer um ihn bemühte, obwohl Jesse ihn immer abweisend behandelt und ihn nie an sich herangelassen hatte. „Davon hätte ich allerdings nie erfahren, genausowenig wie du, wer dafür verantwortlich ist.“ „Ein Glück, dass es nicht so gekommen ist“, meinte Lilly erleichtert, aber der Schreck darüber war ihr deutlich anzumerken. „Gibt es noch etwas, das du uns sagen möchtest, Jesse?“, fragte April, ihn Stirn runzelnd ansah. Jesse überlegte. Er hätte ausführen können, dass ihn durch die Zusammenarbeit mit Fireball nach Jahren der Einsamkeit einiges bewusst geworden war, was er nie wieder rückgängig machen konnte. Seine Rachegedanken waren verpufft und er hatte keinen Antrieb mehr, diese weiter zu verfolgen. Aber was hätten diese Erklärungen schon geändert? „Nein“, sagte er schließlich. „Okay. Dann bist du als nächster dran, Fireball“, sagte April. „Ein neues Märchen also.“ Colt lehnte sich spöttisch grinsend zurück. „Eins, das du eh nicht kapierst“, konterte Fireball bissig. Trotzdem war er froh, diesen ganzen Mist endlich loszuwerden. „Jesse fing mich kurz vor meinem letzten Rennen im Fahrstuhl meines Hotels ab“, begann er und schilderte detailliert ihre Begegnung und die Gründe, weshalb er sich ihm schließlich angeschlossen hatte. Da er weder etwas verbergen wollte noch etwas zu verbergen hatte, ließ er nichts aus. „Saber, es tut mir leid, dass ich dich beschattet habe“, entschuldigte er sich. „Einmal haben wir dich sogar persönlich belauscht.“ „Wann?“ Sabers Tonlage war unterkühlt und er ließ damit durchblicken, dass er Fireballs Tun zutiefst missbilligte. „Als du dich mit den Herren von Rockwell im Margaux getroffen hat. Jesse und ich saßen ebenfalls dort, allerdings in Verkleidung. Nach dem Dinner hast du mich sogar vor dem Restaurant gegrüßt“, gestand er. „Du hättest deine Tarnung auffliegen lassen können. Warum hast du es nicht getan?“ „Ich wollte ja!“, bekräftigte Fireball, „aber dann ging alles so schnell und du warst plötzlich weg. Außerdem – ich habe dich einmal angerufen, falls du dich erinnerst.“ „Was?“ Jesses Kopf schnellte herum und seine Augen blitzten aufgebracht. „Das hab ich dir doch schon gesagt! Hast du wirklich geglaubt, dass ich es nicht versuchen würde? Dann bist du wenigstens genauso blöd wie ich“, spottete Fireball triumphierend, was Jesse mit verkniffener Miene über sich ergehen ließ. „Ich erinnere mich. Du warst stark betrunken und ein sinnvolles Gespräch wäre unter diesen Umständen wohl kaum möglich gewesen. Warum hast du es nicht an einem anderen Tag nochmal versucht?“ Fireball ließ sich an die Lehne zurücksinken und fuhr sich verlegen durch seine Haare. „Weil ich mit meiner Scheidung beschäftigt war und ehrlich gesagt, war Jesse mir dabei eine sehr große Hilfe.“ „Das ist absurd“, warf Colt ein. „Inwiefern eine Hilfe?“, hakte April perplex nach. „Also, das war so...“, begann Fireball und berichtete von seiner unschönen Scheidung, von der die meisten am Tisch durch die Presse erfahren hatten, und wie Jesse ihm dabei geholfen hatte, das durchzustehen. Lange und detailliert erzählte Fireball weiter, wie und warum sie sich entschieden hatten, Colt zu kontaktieren, und der anschließenden Suche nach ihm und wie sie endlich das Santiago erreicht hatten. Er berichtete von seiner Unterhaltung mit Liz, in der sie auf die Idee gekommen waren, dass Colt ihn womöglich auf der Farm seiner Eltern finden würde, dass er Jesse deshalb allein zurückgelassen hatte, und er seinen Freund schließlich dort aufgespürt hatte. Colts erbärmlichen Zustand ließ er jedoch unerwähnt. Fast eine ganze Stunde brauchte Fireball, bis er seinen Bericht schließlich zu Ende gebracht hatte. Sowohl Lilly als auch April hatten ausgiebige Notizen erstellt und die Outriderin nickte Fireball dankend zu. „Jetzt fehlt nur dein Bericht, um die letzten Puzzlestückchen an Ort und Stelle zu bringen“, sagte April. „Oder wollen wir eine Pause machen?“ „Keine Pause“, ging Colt dazwischen, ehe jemand etwas antworten konnte. „Ich will nicht noch länger warten.“ „Na dann, nur zu!“ „Ihr habt ja schon gehört, dass Fireball vor ein paar Wochen auf der Farm meiner Eltern auftauchte, wo ich mich gerade aufhielt. Wir haben uns gestritten und ich … äh … ich habe ihn rausgeworfen. Und dann…“ „Gestritten? Ihr beide?“, hakte April besorgt nach. „Warum das denn? Ihr habt euch doch auch ewig nicht gesehen und wart sonst immer einer Meinung.“ „Das tut nichts zur Sache, vielleicht erzähle ich es dir später mal“, wiegelte er ab und fuhr schnell fort, bevor weitere Rückfragen kamen, denn auch Saber sah so aus, als würde er gerne mehr dazu erfahren, und das musste nicht sein, solange Ohren anwesend waren, die das alles nichts anging. „Jedenfalls hat er mir dazu geraten, meine alte Freundin Liz zu besuchen, was ich schließlich getan habe und durch sie habe ich erfahren, dass Fireball mit „einem alten Freund“ unterwegs ist.“ Er funkelte seinen Nebenmann finster an, als er die Anführungszeichen mit seinen Fingern andeutete. „Sie verriet mir seinen Namen, nämlich Jason Barista und, dass Fireball ihn manchmal Jesse genannt hat. Ich hatte gleich so eine böse Vorahnung, als sie diesen Namen erwähnte und als sie schließlich seine Verbrennungen und Narben erwähnte, war ich mir absolut sicher, dass es sich nur um einen handeln konnte und -“ Er unterbrach sich selbst und wandte sich wütend an Jesse. „Du kannst von Glück sagen, dass ich nicht da war. Nochmal passiert das nicht, dass sie dich verarztet!“ „Colt, lass das mal außer Acht und verrate uns lieber, wie du Jesse schließlich gefunden hast, ja?“, forderte April den Cowboy auf, der es sich nicht nehmen ließ, Jesse einen weiteren bösen Blick zu schicken, den Jesse mit verschränkten Armen ebenso dunkel erwiderte. „Liz gab mir die Schiffsbeschreibung und die dazugehörige Kennung. Es war keine große Herausforderung, der Fährte zu folgen und sein Rattennest ausfindig zu machen. Und das mitten auf Yuma! Aber ich hab echt nicht schlecht gestaunt, als ich tatsächlich Fireball dort entdeckt habe! Natürlich habe ich sofort Saber informiert und ihm alles erzählt. Der Rest ist einfach, ich hab den Auftrag erhalten, die beiden zu verfolgen und zu fangen. Das habe ich getan und nun sind wir hier“, schloss Colt und Triumph schwang in seiner Stimme mit. „Weil du mir nicht zugehört hast!“, motzte Fireball und verschränkte seine Arme. „Danke, Colt“, sagte Lilly, bevor es zu einer weiteren Eskalation kommen konnte. „Ich denke, wir haben alle Fakten gehört, oder?“, vergewisserte sie sich bei April, die recht erschöpft aussah. Ihr Kopf schwirrte und sie brauchte unbedingt eine Pause. „Und ihr? Habt ihr etwa nichts damit zu tun?“ fragte Colt, „Ich meine, Lilly, hast du wirklich nichts von Jean-Claudes Plänen mitbekommen? Und du, April? Du auch nicht von Sabers? Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“ „Nein, Colt“, antwortete die Lilly. „Erst als Jean mich vor ein paar Stunden abgeholt hat, wurde ich in die Geschehnisse eingeweiht. Natürlich habe ich mich über einige Dinge gewundert, aber wenn man kurz vor dem Tod steht, hinterfragt man nicht unbedingt alles. Man nimmt Geschenke an, besonders, wenn sie helfen. Es gibt Wichtigeres zu tun als sich darum Gedanken zu machen.“ „April? Was ist mit dir?“, wandte er sich an die blonde Frau, aber sie schüttelte nur den Kopf. „Auch wenn Saber und ich noch hin und wieder Kontakt hatten, beschränkte sich das nach und nach immer mehr auf das Berufliche. Wir begegneten uns ab und zu auf Konferenzen oder mal im Hauptquartier. Es war wie mit euch, jeder ging seiner Wege und der Kontakt schlief immer mehr ein. Ich hatte meinen Job in der technischen Abteilung des Kavallerie-Oberkommandos und entwickelte neue Schiffstypen, Antriebe und alles, was gerade benötigt wurde. Vor ein paar Monaten bin ich Mutter geworden und deshalb habe ich mich erst einmal aus dem Berufsleben zurückgezogen. Dann hat sich Fireball aus heiterem Himmel bei mir gemeldet und wir haben uns getroffen. Er zeigte mir eine Zeichnung, die ich als möglichen Hyperantrieb identifizierte, und berichtete mir, dass er sich sehr große Sorgen um dich macht, Colt. Er bat mich darum, dich dringend anzurufen, weil es dir nicht gut gehen soll, aber ich konnte dich nicht erreichen.“ Colt verengte seine Augen zu Schlitzen, als er seinen Kopf zu Fireball drehte, aber der schaute stur geradeaus und ignorierte ihn. „Fireball hatte mir nur gesagt, dass er etwas erledigen müsse und versprach zurückzukommen, wenn er fertig war. Obwohl ich ihn mehrfach danach fragte, verriet er nichts, nur, dass er mich da nicht mit hineinziehen wollte und dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Naja, den Rest kennt ihr.“ Sie erhob sich und klaubte ihre Notizzettel zusammen. „Wollen wir uns ein bisschen die Beine vertreten und beraten, Lilly? Ich brauche dringend ein bisschen Bewegung.“ „Eine gute Idee“, stimmte sie zu und die beiden Frauen verließen das Gebäude. Für die Männer begann das Warten. Ein angespanntes und unbehagliches Schweigen machte sich breit. Colt hielt es keine Minute mehr an dem Tisch und er zog sich wortlos zurück, während Saber den anderen Tee nachschenkte. Lilly und April gingen schweigend ein paar Schritte, in denen jede das Gehörte für sich sortierte. Die kühle, frische Morgenluft tat gut und half, ihre Gedanken zu klären. Über den Bergen zeichneten sich die ersten Verfärbungen des Sonnenaufgangs ab. Alles war ruhig, auch die Adler in den Bergen schienen noch zu schlafen. „Ich kann Saber verstehen“, durchbrach April schließlich die Stille, „allerdings kann ich auch Colts und Fireballs Vorwurf über seine Handlungsweise verstehen, dass er über so eine Frage alleine entschieden hat.“ „April, wir sind sehr dankbar für Sabers Hilfe. Aber jetzt, wo ich das alles gehört habe, mache ich mir ernsthaft Sorgen um ihn. Was passiert mit ihm, wenn das alles ans Tageslicht kommen sollte? Er könnte sogar in Lebensgefahr schweben und von Extremisten für diesen Verrat umgebracht werden! Vielleicht sogar von … Colt!“ Lilly hielt inne und legte erschrocken ihre Hand auf Aprils Arm. „Das möchte ich auf gar keinen Fall!“ „Colt?“ April war hin und hergerissen und sie spürte Wut in sich aufsteigen. Wie konnte Lilly Colt nur so etwas Böses unterstellen! „Das würde er nicht tun!“, bemerkte sie kalt. „Saber ist sein Freund!“ „Verstehe mich nicht falsch, April, aber Colt ist … er hasst uns Outrider abgrundtief! Ich halte ihn für unberechenbar und ich bin sicher, dass es noch mehr Leute wie ihn gibt. Er macht mir Angst.“ Sie strich sich verzweifelt durch ihre Haare. „Ich wünschte so sehr, dass ich die Macht dazu hätte, die Zeit zurückzudrehen und alles ungeschehen zu machen. Leider kann ich das nicht. Es tut mir wirklich leid, was mein Volk euch angetan hat, April.“ April atmete tief durch und lauschte in sich, während sie weiterliefen. Lillys Worte waren aufrichtig und ihr Bedauern ehrlich. ‚Das, was sie über Colt gesagt hat, könnte unter sehr extremen Umständen tatsächlich zutreffen’, musste sie zugeben, so schwer es ihr fiel. Sie wusste um seinen unbändigen Hass, den er oft hinter seiner fröhlich-lockeren Fassade versteckte, doch tief in seinem Herzen steckte ein ebenso eiskalter Kopfgeldjäger, der hin und wieder ans Licht kam. Sie blieb stehen und unterzog Lilly einer eingehenden Sichtprüfung. Die Frau, die vor ihr stand, war keine loyale, berechnende Outriderin, sondern sie war das, was man „vom Leben gezeichnet“ nennen würde. Sie hatte Leid erfahren, nicht nur von anderen, sondern auch an ihrem eigenen Leib. Die Erfahrung, die sie dadurch gesammelt hatte, spiegelte sich in ihren Augen wider. Sie war definitiv nicht mehr dieselbe wie damals, ebenso wenig wie Jean-Claude und Jesse. Lilly ließ die Musterung über sich ergehen, die ihr zweifellos unangenehm sein musste. Sie schien ihre Gedanken zu spüren und respektierte, dass April Zeit brauchte, um sich zu sortieren. April wollte helfen, aber sie stand nun erst einmal selbst den Vorurteilen gegenüber, die sie gegenüber ihren ehemaligen Feinden hatte. ‚Aber Saber vertraut ihnen und ich fühle, dass er recht hat. Würde ich ebenso reagieren, wenn ein ganz anderes Volk auf einmal hier stehen und dieselbe Hilfe von uns erbitten würde?’ Sie biss auf ihre Unterlippe und starrte Lilly weiterhin an, ohne sie richtig zu sehen. Ihr Blick war nach innen gerichtet. ‚Nein, ich würde ohne zu zögern zusagen. Ich muss selbst meine Vorurteile besiegen und ihnen einen Teil meines Vertrauens schenken, so wie Saber es tat und mein Vater auch. Ich vertraue Saber und Daddy!’ April entspannte sich und schenkte der Outriderin ein leichtes Lächeln. „Nein, das darf und wird nicht passieren! Colt wird niemandem von uns etwas antun, aber ich gebe dir recht, dass die Gefahr durch andere nicht von der Hand zu weisen ist“, gab sie schließlich zu. „Wir müssen das irgendwie wieder geradebiegen, solange es nur wir sieben sind, die davon wissen. Für mich steht es ebenso wie für Saber außer Diskussion, ob wir euch helfen oder nicht. Allerdings wird es wirklich schwer, die Bevölkerung von der Richtigkeit davon zu überzeugen.“ „Wirklich? Ich danke dir, April“, sagte Lilly erleichtert und erwiderte das Lächeln, bevor sie wieder ernst wurde. „Es wird Widerstände innerhalb der Bevölkerung geben und sie wird sich spalten. Ich glaube kaum, dass man das verhindern kann.“ „Wahrscheinlich nicht. Wir können in diesem Fall nur auf den gesunden Menschenverstand hoffen“, überlegte April. „Genau deshalb müsst ihr ein offizielles Hilfegesuch an Saber richten, so als ob noch nichts dergleichen geschehen ist. Er ist der Einzige, der das in dieser Situation schaffen kann und deswegen muss er Präsident bleiben. Wir müssen alles bisherige geheim halten und niemand außer uns darf je etwas davon erfahren. Würde alles ans Tageslicht kommen, könnte Saber zum Rücktritt durch ein Misstrauensvotum gezwungen werden und dann wäre der Weg auf eine friedliche Lösung für immer verbaut sein. Dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen.“ „Ich bin froh, dass du so darüber denkst, April“, sagte Lilly beruhigt. „Einen neuen Krieg möchte ich nicht noch einmal erleben.“ „Das will keiner, denke ich“, stimmte April zu. „Es liegt an euch zu beweisen, dass ihr wirklich gelernt habt, was Mitgefühl und Anteilnahme bedeuten und zu beweisen, dass wir Menschen euch vertrauen können. Eine Enttäuschung würde in einem neuerlichen Krieg enden.“ „Ich weiß und soweit wird es diesmal nicht kommen“, sagte Lilly überzeugt. „Die Outrider haben sich geändert, und mir ist bewusst, dass wir das durch Worte allein nicht erreichen können. Das wird der schwierigste Teil unserer Arbeit.“ „Sowohl für euch als auch für uns“, fügte April hinzu und lächelte. „Wir denken sehr ähnlich.“ „Vielleicht weil wir beide Wissenschaftlerinnen sind?“ Lilly erwiderte das Lächeln und wurde wieder ernst. „Aber was soll mit Fireball und Jesse geschehen?“ „Die beiden sind das kleinste Problem, denke ich. Ich kenne Fireball; er ist ein herzensguter Mensch. Er hat…“, April unterbrach sich unschlüssig, ehe sie fortfuhr, und legte damit einen weiteren Grundstein des Vertrauens, indem sie Lilly über ihr persönliches Schicksal erzählte. „Ich selbst bin im Moment sehr unglücklich und komme mit meinem Sohn nicht zurecht. Aber seit Fireball bei mir war, fühle ich wieder das Licht in meinem Leben. Er hat es mir neue Hoffnung geschenkt und hilft mir, das durchzustehen und das Geschehene zu akzeptieren. Schon früher war Fireball immer der Sunnyboy in unserem Team und deshalb tut es mir weh, ihn so zu sehen. Sein richtiger, japanischer Name bedeutet 'Licht' und ich hoffe, dass es ein gutes Zeichen für uns alle ist. “ „Ich weiß genau, was du meinst, April“, sagte Lilly und legte erneut ihre Hand auf Aprils Arm. „Was Jesse angeht, halte ich es für unklug, ihn überhaupt zu erwähnen. Er wird hier im Neuen Grenzland für tot angesehen und das sollte meiner Meinung nach so bleiben. Er kann uns sicher nützliche Dienste leisten, vorausgesetzt, dass er kooperieren will. Wie viele wissen in der Phantomzone von seiner Existenz? „Fast jeder weiß, dass er lebt“, antwortete Lilly. „Aber er wohnt allein und ziemlich zurückgezogen seit Jean an der Macht ist. Jetzt kann ich mir zumindest erklären, warum er die Nähe anderer meidet. Er war ein Außenseiter seit er zu uns gestoßen war. Sein Verschwinden ist nicht unbemerkt geblieben, aber man hat ihn nicht weiter verfolgt, weil die Energiereserven nicht ausreichten.“ „Verstehe.“ April legte nachdenklich einen Finger an ihre Lippen und verharrte für ein paar Momente in dieser Position. „Ich schätze, wir können jetzt nicht mehr alleine entscheiden, was passieren soll. Wir haben eine Idee und es liegt an den anderen, uns anzuhören und sie mitzutragen. Sollten sie sich weigern, dann …“ „…steht bald ein neuer Krieg bevor“, schloss Lilly tonlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)