Schlag dem Drachen den Kopf ab! von Ixtli (Original-Speedwichteln für Andromeda) ================================================================================ Morgenstern ----------- Als er erwachte herrschte die gleiche Stille, mit der er das Bewusstsein verloren hatte. Gerade eben erst musste das geschehen sein - so fühlte es sich jedenfalls an -, doch der Himmel über ihm widersprach dieser Annahme. Er präsentierte sich, statt in den leuchtenden Rottönen eines dem Ende zugehenden Tages, in einem dunkler werdenden Blau, das vom Horizont herkommend über ihn hinwegzog und dabei die letzten hellen Flecke des vergangenen Tages vor sich herschob, damit sie der anbrechenden Nacht wichen. Die Mühe, die es ihn kostete, sich schrittweise von seinem unfreiwilligen Lager zu erheben, ließ mit ebensolcher Schwerfälligkeit die Erinnerung zurückkehren, die ihn erst dorthin versetzt hatte, wo er sich gerade befand. Gedanken tauchten wie die Sterne am Abendhimmel auf und nahmen einer nach dem anderen wieder ihren Platz ein, den sie eigentlich nie wirklich verlassen hatten. Vorsichtig strich seine Hand über die eine Stelle an seinem Bauch, an der sich die furchtbare Wunde befinden musste, deren heftiger Schmerz ihm die Besinnung geraubt hatte. Doch glücklicherweise war alles, was seine zitternden Fingerspitzen ertasteten, der Stoff seiner Kleidung, der, anders als in seiner letzten gespeicherten Erinnerung vor der Schwärze, intakt war und bis auf einige Gras- und Schmutzflecken weder getrocknetes noch feuchtes Blut aufwies. Es passte einfach nicht zusammen. Nichts davon, was sich vor seinen Augen abspielte, die sich nach und nach an das noch herrschende Dunkel zu gewöhnen begannen. Die Bäume und Sträucher um ihn herum, die lediglich aus schattenartigen Konturen bestanden, hatten ihre Kronen Richtung Boden geneigt, um die Szene zu ihren Wurzeln besser betrachten zu können. Scheinbar atemlos verfolgten sie, wie sich der junge Mann beschwerlich aufzusetzen begann. Er war nicht alleine gewesen, bevor das alles passierte. Das war der nächste der aufflackernden Sterne, dessen Licht den Wolkenschleier durchbrechen konnte. Augenblicklich schlich sich ein ungutes Gefühl ein, das, vom Magen herkommend, in Windeseile seinen Oberkörper hinaufkroch und auf seinem Weg eine Welle aus kribbelnden Impulsen aussandte, die die Härchen an seinen Armen und in seinem Nacken sich aufrichten ließen. Schlagartig fiel ihm wieder ein, was ihm an dieser Stille falsch vorgekommen war: es durfte sie nicht geben, wenn er doch nicht alleine gewesen war. Zögernd hob er den Kopf und ließ die Blicke vorsichtig über seine Umgebung wandern. Nicht weit vor sich erkannte er einen Schatten, der auf dem Boden lag und sich nicht regte. Die aufflammenden Sterne verursachten eine weitere Woge aus unangenehmen Impulsen, die sich nun um seine Kehle sammelten und diese zuzuschnüren begannen. Sein Blut rauschte pulsierend in seinen Ohren und ein aufkommender Schwindel wollte eine neue Wolkendecke über seine Erinnerungen schieben. Mit aller Kraft lehnte er sich dagegen auf und wandte sich dem zweiten, kleineren Schatten zu, der links neben ihm kauerte. Im Gegensatz zu dem ersten, kniete der Zweite jedoch vornübergebeugt auf dem Boden, die Arme unter seinem Oberkörper verborgen. Die bleichen Finger seiner linken Hand krallten sich in den dunklen Stoff seiner rechten Körperhälfte, ganz so, als umarme er sich selbst. Seine Stirn berührte fast das schwarze Gras unter sich, so weit hatte er sich vorgebeugt, und das bei Tageslicht strohblonde Haar fiel ihm wie ein verwaschener grauer Vorhang über das Gesicht und verdeckte dieses, so dass nicht zu erkennen war, ob er die Augen geöffnet oder geschlossen hatte. Ein ersticktes Flüstern war alles, was er von sich gab. Zumindest war er nicht tot. Tot, wie - Er musste sich zusammenreißen, um nicht wieder zu dem großen Schatten hinzusehen. Durch das Flüstern angetrieben, das, so leise es auch war, doch vertrauter war als alles, was ihm nach und nach einfiel zusammen genommen, stand er schließlich auf und ging zu dem gebeugten Schatten hinüber. Er war auf einem Schlachtfeld erwacht, raunte ihm sein Verstand zu, als er die im Mondlicht silbern schimmernde Klinge eines Messers sah, das etwa eine Armlänge entfernt neben seinem Gefährten im Gras lag. Blutige Schlieren zogen sich über die blanke Klinge und führten, eine Spur aus dunkelroten Tropfen bildend, bis zu den Händen, die sie vor Kurzem noch gehalten hatten. Erschöpft ging er zwischen dem Messer und dem jungen Mann auf die Knie. Seine Hand tastete nach den bleichen Fingern, die endlich den Stoff losließen und stattdessen nun sein Handgelenk packten und ihn festhielten. Das brüchige Flüstern wurde etwas klarer. "Ich-" Ein panischer Atemzug unterbrach den Satz. "Ich weiß es noch", fuhr er fort. Es war deutlich herauszuhören, dass ihn jedes Wort anstrengte, das seine zitternden Lippen verließ. "Ich weiß es noch." 1 -   Es war noch nicht einmal Mittag und dennoch ging es in dem Schankraum der berstend vollen Taverne laut und hektisch zu. Auf jedem noch so winzigen freien Flecken standen oder saßen Leute und ein nicht enden wollender Strom aus Menschen schob sich von der Theke durch die schmalen Wege zwischen den Tischen. Man musste seine Ellenbogen gebrauchen, um überhaupt ein paar Schritte in das Gasthaus machen zu können, anders blieb man ewig zwischen Tür und Angel stehen. Alles, was aus Richtung der Küste kam, machte hier Rast, um in der Stadt die Vorräte aufzufüllen und weiter ins Landesinnere zu ziehen. Der Duft nach Essen, der über der Menschenmenge hing, mischte sich mit den Gerüchen, welche die mehr oder weniger gepflegten Gäste verströmten. Um hier in Ruhe speisen zu können, durfte man keinen allzu empfindlichen Magen haben.   Abwartend beobachtete Isidor das Tun seines Gegenübers, dessen fahrige Hände unbeholfen den noch gut gefüllten Krug vor sich auf der Tischplatte umher schoben. Etwas von dem Inhalt schwappte über den Rand und bildete eine kleine Pfütze auf der abgewetzten Holzplatte, der man ihr jahrelanges Fristen als Tisch in einer der bestbesuchten Tavernen an all den Kerben und Flecken ansehen konnte, welche die Oberfläche zierten.   Was sich Rubios Eltern wohl dabei gedacht hatten, als sie ihrem Sohn ausgerechnet diesen Namen nach seiner Geburt gegeben hatten, war Isidor nach all den Jahren, in denen sie sich nun schon kannten, noch immer schleierhaft. An Rubio war nichts Rotes. Bis auf seine Wangen vielleicht, wenn er wütend wurde - wie gerade in diesem Augenblick, auch wenn er es zu unterdrücken versuchte. Allerdings kam das so selten vor, dass sich Isidor darüber zuerst keine wirklichen Gedanken machte und dem jungen Mann, der ihm einen lauernden Blick zuwarf, ruhig auf dessen gerade geäußerte Ablehnung antworten konnte.   "Was für eine Wahl hast du denn schon?" Isidor kratzte mit der Spitze des Messers, mit dem er eben noch seine Mahlzeit zerteilt hatte, über die Tischplatte und erweiterte diese um einige frische Kerben.   Rubios Augen fixierten Isidor mit einer Intensität, dass es sich bei ihnen beiden genauso gut um zwei völlig Fremde hätte handeln können, die wegen irgendetwas in einen Streit geraten waren und nun mit Blicken die Kraft des jeweils anderen abzuschätzen versuchten, bevor sie ihre Waffen zückten und aufeinander einzuschlagen begannen.   Diese Reaktion war neu für Isidor, dem nun doch etwas mulmig zumute wurde. Rubio ein wenig aufzuziehen war etwas anderes, als ihn an die Bürde zu erinnern, die er sich mit Isidor leichtfertig aufgeladen hatte, ohne vermutlich über die Folgen nachzudenken, die das haben würde.   Isidor legte das Messer beiseite. "Ich meine, was wäre so schlimm daran, früher aufzubrechen, anstatt die Nacht ausgerechnet hier zu verbringen?" Isidors Einlenken brachte Rubio kurz aus dem Konzept. Wie sollte er ihm die Zwickmühle klarmachen, in die er sie beide mit dem frühen Aufbruch brachte, wenn die Gründe dafür für Isidor am nächsten Morgen bereits wieder vergessen waren. "Sorgst du dich wegen des Geldes?" Isidor hatte die Stimme gesenkt, so dass es Rubio einige Mühe kostete, ihn in all dem Tumult richtig zu verstehen. Isidors Blicke ruhten auf dem geschnitzten Wappen, das die Wand hinter dem Tresen zierte. Ein blauer Lindwurm wand sich darauf um eine vielstrahlige Sonne. Isidor nahm das Messer wieder zur Hand.   Rubio stöhnte leise auf und verbarg sein Gesicht in den Händen. Isidor wusste nicht, was dieses für ihn selbst winzige Abweichen ihres Vorhabens stattdessen für Rubio bedeutete. Wie sollte er auch? Das Geld, das sie bereits für die Unterkunft und Verpflegung bezahlt hatten, war nicht wichtig. Es ging um mehr. Es ging darum, dass er nun alles, was er sich zurechtgelegt hatte, wieder verwerfen musste. Und er konnte es Isidor nicht einmal sagen, da er es ihm weder glauben, noch etwas davon wissen würde, sobald er wieder in seinen normalen Zustand zurückgekehrt war. Rubio hob den Kopf, als Isidor aufstand.   "Ich kümmere mich darum", verkündete Isidor ohne Umschweife. Ohne seinem Begleiter noch einmal die Gelegenheit zu einem weiteren Einwand zu geben, ließ er Rubio alleine zurück und durchquerte den Schankraum zum Tresen hin, hinter dem der Wirt gerade graue Tonkrüge mit schäumendem Bier füllte. Kühn baute sich Isidor vor dem Wirt auf, der ihm einen zuerst erschrockenen Blick zuwarf, ehe er begriff. Ein spöttisches Grinsen zog sich von einer feisten Wange zur anderen, während er den jungen Mann vor sich betrachtete, der nun die Hände auf dem Tresen abstützte und tief Luft holte.   Seufzend wandte sich Rubio von dem Anblick an der Theke ab.     Insgeheim hatte Rubio gehofft, so schnell wie möglich aus der Taverne verschwinden zu können, nachdem Isidor ihm die glänzenden Geldstücke, die er sich nach zäher Diskussion vom Wirt hatte zurückgeben lassen, triumphierend unter die Nase gehalten hatte, doch kurz bevor er hinter Isidor zur Tür hinaus schlüpfen konnte, wurde er auch schon am Ellenbogen gepackt und wieder zurück in das laute, stickige Wirtshaus gezogen. Viel zu kurz streiften der schmale Spalt Sonne und der Hauch frischer Luft Rubio, der sich nach draußen sehnte und dabei tatenlos zusehen musste, wie die Holztür hinter Isidor ins Schloss fiel, ohne dass dieser das Fehlen seines Gefährten bemerkte.   "Ich kann ihn nicht alleine lassen", protestierte Rubio und wusste im gleichen Moment, dass das sinnlos war. Die Hand, die seinen Arm im Klammergriff hatte, verstärkte den Druck noch warnend.   "Hör zu", fuhr der Wirt Rubio wütend an. Seine Augen wurden schmal und sein vor Ärger verzogener Mund entblößte zwei Reihen aufeinander gepresster Zähne, als wäre er ein Raubtier, das im Begriff war, im nächsten Augenblick seiner schockstarr dastehenden Beute die gefletschten Zähne in den Hals zu schlagen.   Rubio fühlte sich in der Rolle der Beute nicht wohl und versuchte vergeblich, seinen Arm aus den Händen zu bekommen, die es seit mehreren Jahrzehnten gewohnt waren, täglich schwere Fässer zu rollen oder Schlägereien unter Gästen, die etwas zu viel Wein oder Bier getrunken hatten, zu beenden und diese an die frische Luft zu setzen. Einen schmächtigen Jüngling so lange festzuhalten, wie es ihm passte, kostete den Wirt kaum mehr Anstrengung, wie es sie ein Kind kosten würde, einer Fliege die Flügel auszureißen.   "Kommt nicht wieder zurück!" Der Wirt, der davon überzeugt war, dass seine harschen Worte genug Eindruck bei Rubio hinterlassen hatten, öffnete seine Hand und gab den Arm des jungen Mannes wieder frei.   Mit einer schnellen Handbewegung richtete Rubio den verrutschten Ärmel seines Hemdes. Ihm lagen noch ein paar unschöne Dinge auf der Zunge, die er dem Wirt gerne noch ins feiste Gesicht geschleudert hätte, doch er verzichtete zu Gunsten seines Gefährten darauf.   Die Hand des Wirtes ging zu dessen Gürtel hin. Mit der Fingerfertigkeit eines Mannes, der seine Arbeit stets schnell und zügig verrichten musste, wenn er nicht betrogen werden wollte, löste er zwei Schnüre, die einen kleinen Beutel an seinem Gürtel gehalten hatten. Wortlos drückte er den gefüllten Lederbeutel in Rubios Hand.   Das leise Klimpern aus dem Inneren des Säckchens und sein Gewicht ließen nur allzu eindeutig auf dessen Inhalt schließen. Widerwillig steckte Rubio den Lederbeutel unter den stechenden Blicken des Wirtes ein.   "Tu mir diesen einen Gefallen und kommt nicht wieder zurück. Um mehr bitte ich dich nicht."   Ohne etwas auf die geäußerte Bitte des Wirtes zu erwidern, die mehr einem Befehl geglichen hatte, drehte sich Rubio zur Tür um. Das kühle Metall der Klinke unter seiner Hand passte gut zu diesem Ort, der sie nicht mehr willkommen hieß. Rubio hielt kurz inne, als wäre ihm noch etwas eingefallen, entschied sich aber doch anders und er verließ die Taverne endgültig. 2 - "Du hattest Recht. Wir verschwinden besser von hier." Die Erleichterung, Isidor nicht wie befürchtet in der Stadt suchen zu müssen, sondern ganz in der Nähe der Taverne dabei vorzufinden, wie er ihre beiden Pferde für den Aufbruch bereit machte, ließ Rubio beinahe das gerade Erlebte vergessen. Wären da nicht sein noch immer schmerzender Ellenbogen und der Lederbeutel gewesen, den er vor Isidor verbergen musste.   Isidor sah Rubio abwartend entgegen, der mit weit ausholenden Schritten auf ihn zukam. Seine Wangen überzog noch immer ein letzter Rest zorniger Röte. Die Welt hatte es heute auf Rubio abgesehen und Isidor war ein Teil davon gewesen, dachte dieser zerknirscht. Ohne Rubio nach dem Grund seiner Verspätung zu fragen, reichte er ihm die Zügel des aufgeregt schnaubenden Schimmels, auf dessen Rücken sich Rubio auch sogleich wortlos schwang.   Nachdem Rubio die Tasche mit ihrem Proviant kontrolliert und dabei etwas vor sich hin gemurmelt hatte, dass es ihnen nun wenigstens erspart blieb, noch länger als nötig hierzubleiben, sah er das erste Mal seinen Gefährten an, der sich, auf dem Rücken seines Fuchses sitzend, nun auch wieder auf gleicher Augenhöhe mit ihm befand. Wilder tänzelte unruhig auf der Stelle, ehe er sich mit dem jungen Mann auf seinem Rücken abgefunden hatte.   "Lassen wir dieses Rattenloch endlich hinter uns", spie Rubio mit Blick auf die Taverne, aus der Gelächter klang, verächtlich aus. "Hier waren wir lange genug."   "Das sagte ich doch." Isidor konnte sich das zufriedene Grinsen nun doch nicht verkneifen. Er schnalzte mit der Zunge und Wilder setzte sich sanft schaukelnd in Bewegung. "Suchen wir den Drachen!"   Rubio verdrehte entnervt die Augen. Drachen, Drachen, Drachen. Immer wieder ging es um diese vermaledeiten Drachen. Es gab keine Drachen. Außer vielleicht in Isidors Fantasie. Aber in der Realität gab es weder die Bösen, die holde Maiden entführten, noch gab es Nette, die Glück brachten. Hatte es noch nie gegeben und würde es vermutlich auch nie geben, außer das Universum verschwor sich weiter gegen ihn und ließ ein paar der schuppigen Exemplare vom Himmel regnen.   "Ach, sei's drum, suchen wir uns einen Drachen", stimmte Rubio Isidor zu.     Nachdenklich betrachtete sich Isidor den Rücken seines voraus reitenden Gefährten. Rubio schien anders als üblich. Nicht, dass er sonst für große Reden bekannt war, doch seine momentane Schweigsamkeit wirkte in der Weite ihrer Umgebung verloren. Er gab sich auch wirklich Mühe, es vor Isidor verbergen zu wollen. Bemerkte er Isidors Aufmerksamkeit, ging wie auf einen stummen Befehl hin ein kaum wahrnehmbarer Ruck durch Rubio. Sein unkonzentrierter Blick klärte sich und sein verbissen verkniffener Mund bog sich zu einem zögerlichen Lächeln. Sobald er sich aber wieder unbeobachtet fühlte, trieben seine Gedanken erneut davon. Isidor sah es an Rubios Augen, die den Horizont nach etwas abzusuchen schienen, das nicht da war, und er merkte es daran, dass er Gansers Zügel zu locker ließ, als wollte er das Pferd selbst die Entscheidung treffen lassen, wohin es sie schlussendlich verschlug. Er würde ihn danach fragen müssen. Isidor trieb Wilder an und schloss zu Rubio und Ganser auf.   Rubios Lächeln, das sich zu schnell mit seiner gerade noch abwesenden Mimik abwechselte, erschien im gleichen Augenblick, in dem er sich bewusst wurde, dass Isidor ihn ansah. Isidor hätte gefahrlos sein Pferd samt Proviant und Waffen darauf verwetten können, dass es so kommen würde. "Sollen wir Rast machen?" Rubio nickte, hoffend, Isidors abschätzenden Blicken wenigstens in der Zeit entgehen zu können, so lange sie aßen.     Rubio brachte den Inhalt ihrer Provianttasche zu dem Feuer, das Isidor gerade im Begriff zu entfachen war. Knisternd fraß sich die noch winzige Flamme durch das trockene Stroh, das Isidor zwischen den Holzscheiten aufgehäuft hatte. Die Flamme wuchs und wuchs und war schon bald stark genug für die Rinde der dürren Ästchen, die sie mit ihren brennenden Zünglein begierig abtastete, bis auch das Holz nachgab und hell aufloderte.   Vorsichtig wickelte Rubio den in ein Stofftuch eingeschlagenen Brotlaib aus und legte ihn, das Tuch dabei als Decke nutzend, zu Boden. Währenddessen hatte Isidor ein weiteres Stoffbündel ausgepackt und ein Stück Käse sowie einige Streifen getrockneten Hirschfleisches neben dem Brot abgelegt. Rubios Magen knurrte hörbar, was Isidor dazu animierte, das lähmende Schweigen, das sie seit ihrem überstürzten Aufbruch kaum wesentlich gebrochen hatten, zu beenden.   "Das nächste Mal machen wir uns erst nach dem Essen auf den Weg."   "Unfug", murmelte Rubio beschämt. Er schnitt das Brot, das sie heute früh noch warm gekauft hatten, in dicke Scheiben und tat das gleiche mit dem Käse. Er wartete, bis Isidor sich von allem genommen hatte und bediente sich erst dann, obwohl er sich liebend gerne wie ein ausgehungerter Wolf auf ihre Mahlzeit gestürzt hätte. Doch diese Blöße, die zudem auch noch Isidors Bemerkung wegen des nicht eingenommenen Essens vor ihrer Abreise bestätigen würde, wollte er sich nicht geben. Obwohl es anders betrachtet einen guten Grund für seinen Missmut wegen der geänderten Pläne bieten würde. Zumindest wäre es ein besserer Grund, als die Wahrheit. Noch während dieses Gedankens bemerkte Rubio den Wandel, der mit dem jungen Mann an seiner Seite vonstatten ging. Isidor hatte, obwohl er ebenso hungrig wie Rubio sein musste, das Stück Käse, das er gerade erst zum Mund geführt hatte, um davon abzubeißen, wieder unangetastet sinken lassen. Mit leerem Blick starrte Isidor vor sich hin, um nur den Bruchteil einer Sekunde später nach hinten wegzukippen. Isidors Augen verdrehten sich, so dass nur noch das Weiße zu sehen war, und sein Mund öffnete sich, als wolle er um Hilfe rufen.   Hastig schluckte Rubio den Bissen des zähen Hirschfleisches hinunter, auf dem er gerade missmutig herumgekaut hatte, und sprang auf. Er lief zu Ganser und durchwühlte die Satteltasche, bis er gefunden hatte, was er brauchte.   Vorsichtig ging Rubio neben Isidor auf die Knie, der wie versteinert vor ihm im Gras lag und noch immer den Mund zu einem Schrei geöffnet hatte, der nie erklang. Gekonnt wickelte Rubio das kleine Papierbriefchen auseinander, das er aus der Satteltasche genommen hatte, und starrte erschrocken auf den Inhalt hinab. Etwa ein halbes Dutzend grüne Bröckchen befanden sich in dem gefalteten Papier. Es waren zu wenige. Für heute würden sie noch reichen, doch morgen, wenn alles wieder von vorne begann, mussten sie genügend auf Vorrat haben. Isidors plötzlicher Sinneswandel, was ihre Reise anging, hätte ihm eigentlich genug Warnung sein müssen, um zu merken, dass sich etwas an Isidor änderte, was vorher immer gleich geblieben war.   Rubio ärgerte sich, ausgerechnet das Wichtigste vergessen zu haben. Er schob eine Hand unter Isidors Nacken und versuchte mit der anderen, den verkrampften Unterkiefer seines Gefährten so weit zu öffnen, dass er ihm die Medizin geben konnte. Behutsam schob Rubio drei der Bröckchen in Isidors Mund, der sie, obwohl kaum bei Sinnen, mit sichtlich angewiderter Miene schluckte.   Gebannt wartete Rubio ab und horchte dabei seinem eigenen beschleunigten Herzschlag, dessen Pochen spürbar unangenehm in seinen Schläfen pulsierte.   Nach einer Weile begannen sich Isidors angestrengte Gesichtszüge wieder zu entspannen und Rubio atmete auf. Er wartete noch so lange, bis er sicher war, dass Isidor sich erholte und aufsetzen konnte. Rubio stand auf und suchte nach ihrem Trinkwasser. Er gab Isidor den Wassergefüllten Beutel aus Tierhaut, der dankbar einige hastige Züge daraus nahm.   Zitternd rieb sich Isidor mit der Hand über seine Stirn, die mit kalten Schweißperlen bedeckt war. Er sammelte seine Gedanken und ordnete sie. Neben ihm fielen die zusammengerollten Decken aus kratziger Wolle zu Boden, die Rubio in der Zwischenzeit geholt hatte.   "Wir bleiben hier", sagte Rubio knapp zu Isidor, der die Ankündigung stumm hinnahm und seinem Gefährten stattdessen brav dabei half, ihr Lager für die kommende Nacht vorzubereiten. Keine Drachen mehr für heute! 3 -     Rubio wartete, bis er sich sicher war, dass Isidor eingeschlafen war. Er beugte sich zu dem Schlafenden hinüber und lauschte dessen regelmäßigen Atemzügen. Erst als Isidor wirklich so fest schlief, dass ihn noch nicht einmal eine Horde betrunkener und shantygröhlender Seemänner ihn hätte aufwecken können, schlug Rubio seine Decke zur Seite und erhob sich von seinem Schlafplatz.   Das Feuer war bis auf eine Handbreit herunter gebrannt und wiegte sich in der leichten Abendbrise hin und her. Ohne ein Geräusch zu viel zu verursachen zog sich Rubio seine Schuhe an und ging so leise er konnte zu Ganser hinüber, der die Ohren gebannt in die Richtung seines Besitzers drehte und leise schnaubte, als protestierte er gegen diese späte Störung. Auch Wilder blähte die Nüstern und stieß die Luft gut hörbar aus.   "Schscht", beruhigte Rubio die beiden Pferde. Schnell löste er Gansers festgebundene Zügel und führte den Schimmel möglichst ohne Hektik außer Hörweite seines Gefährten, ehe sich die beiden Pferde noch weiter gegenseitig ängstigen konnten und damit Isidor aufweckten.   Behende schwang sich Rubio auf den Rücken seines Reittiers und stieß ihm die Fersen leicht in die Flanken. Ganser setzte sich gemächlich in Bewegung. Ein letztes Schnauben deutete wohl an, dass er trotzdem nicht ganz einverstanden mit dem nächtlichen Aufbruch war, auch wenn er sich dem Willen seines Besitzers fügte.       "Was soll denn dieser Lärm?" Die Schimpftirade, welche dem ersten Satz folgte, prasselte wie ein heftiger Regenschauer auf Rubio hinab, der ungeduldig vor der Tür des Hauses stand, dessen Bewohner er gerade um den wohlverdienten Schlaf gebracht hatte.   "Bitte, es ist dringend", unterbrach Rubio das Geschimpfe und hämmerte erneut mit der Faust gegen die Tür. Er würde die ganze Nacht so weiter machen, wenn nötig, so lange, bis ihm endlich jemand aufmachte.   "Schluss jetzt, du weckst ja noch die ganze Stadt!" Die Tür wurde geöffnet und in dem schmalen Spalt, der sich aufgetan hatte, erschien das Gesicht eines älteren Mannes mit schütterem Haar. "Was willst du denn hier um diese gottlose Zeit?"   "Isidor", begann Rubio. Seine Hand, mit der er gegen die Tür geschlagen hatte, kribbelte. "Isidor geht es nicht gut."   "Dann bring ihn zu seiner Familie", knurrte der Mann in der Tür unwirsch. Er war im Begriff, Rubio die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch der junge Mann war schneller und schob einen Fuß in den sich schließenden Spalt.   "Seine Familie hat ihn weggeschickt!" Rubio sah den Grauhaarigen vor sich flehend an, der mit Abscheu den Fuß betrachtete, der die Tür blockierte. "Bitte, Vater, er liegt draußen und diese Anfälle häufen sich."   "Ich kann seine Familie gut verstehen", zischte der Alte. Er rang noch kurz mit sich, öffnete die Tür dann aber doch und ließ den jungen Mann eintreten. "Jeder, der merkt, was mit Isidor los ist, fürchtet sich vor ihm", der Alte machte eine weit ausholende Handbewegung, die wohl die gesamte Stadt einschließen sollte. "An seines Vaters Stelle hätte ich ihn auch weggeschickt!"   "Sein Vater ist herzlos", grummelte Rubio verbissen. Er folgte dem Mann in einen Raum, der mit Regalen vollgestellt war, in denen unzählige Gläser und Tiegel in unterschiedlicher Größe standen. Die meisten waren mit getrockneten Blättern, Wurzeln und Blüten gefüllt, doch es gab auch welche, deren Etiketten Inhalte angaben, die auf den ersten Blick unmöglich erschienen.   "Findest du wirklich, dass er so herzlos ist?" Der Alte warf einen bedeutsamen Blick auf den Lederbeutel, der am Gürtel seines Sohnes baumelte.   Rubios Hand bedeckte den Beutel. "Ja, finde ich, wenn er dafür bezahlt, dass sein Sohn möglichst weit weggebracht wird, nur weil er sich davor fürchtet, dass er ihm die Gäste vertreibt!"   "Er ist ein Geschäftsmann, du Tunichtgut, genau wie ich." Der Alte nahm ein metallenes Gefäß aus dem Regal und hob den Deckel ab.   "Isidor ist noch nicht bereit. Er muss noch-" Der Inhalt des Gefäßes verströmte augenblicklich einen so furchtbaren Geruch, der Rubio mitten im Satz innehalten und das Gesicht angewidert verziehen ließ. Wie brachte Isidor dieses Zeug nur herunter? Rubio hielt sich eine Hand schützend vor Mund und Nase, um nicht noch mehr des übel fauligen Gestanks der Medizin einatmen zu müssen, der ihn an tote Katzen und brackiges Wasser erinnerte. Nervös sah er seinem Vater dabei zu, wie der, statt der gefalteten Papierbriefchen nun einen etwa faustgroßen Stoffsack nahm und diesen mit den grünen Brocken füllte.   "Das muss reichen, bis ihr in der nächsten Stadt seid." Der Alte zog die Schlaufen des Säckchens zu und gab es seinem Sohn. "Dort sucht ihr euch einen anderen Apotheker. Die Zutaten kennst du ja."   "Ich sagte doch, dass das noch nicht geht." Rubio unterbrach sich und warf einen finsteren Blick auf das Säckchen, ohne dessen Inhalt Isidor nicht einmal einen Tag schadlos durchhalten würde.   "Dann wird er es wohl schnellstens lernen müssen", entgegnete der Alte Rubio barsch und deutete mit seiner Hand zur Tür. "Geh, bevor deine Mutter wach wird."     Als Rubio endlich wieder auf seinem Nachtlager neben Isidor lag, und tat, als wäre er nie weg gewesen, kündigte sich bereits der Sonnenaufgang mit einem noch mattgelben Band am Horizont an, dem nach einiger Zeit die Sonne folgen würde. Wie zufällig, stieß Rubio mit dem Ellenbogen gegen seinen Nebenmann, doch der regte sich kein bisschen. Der einzige Segen, den diese verfluchte Krankheit mit sich brachte, war wohl ein gesunder Schlaf. Obwohl – Rubio warf einen nachdenklichen Blick auf den atmenden Körper neben sich – auf einen Schlaf, der ihn letztendlich alles vergessen ließ, konnte er selbst gerne verzichten. Rubio seufzte leise und wandte Isidor den Rücken zu. Bis in den kleinsten Muskel erschöpft, schlief er ein, kaum dass sich seine Augenlider geschlossen hatten. 4 -     Nur wenige Augenblicke, nachdem Rubio eingeschlafen war, erwachte Isidor. Sein Kopf fühlte sich so schwer an, als läge ein riesiger Felsblock auf ihm. Isidor rieb sich matt über die Augenlider und wartete, bis der Druck in seinem Kopf nachließ und er die Augen öffnen konnte, ohne dass sich alles um ihn herum drehte.   Langsam klärten sich die verschwommenen Bilder vor Isidors Augen und mit jedem Ding, das sich aus dem Zerrbild klarer hervorzuheben begann, kehrte auch der Teil seiner Erinnerung zurück, der ihn nie im Stich ließ.   Isidor wusste, dass das Zwitschern, das aus den Ästen der alten Bäume über ihnen erklang, Vögel waren, die die aufgehende Sonne begrüßten. Er wusste auch, dass es die Luft war, die kristallklar in jeden Winkel der Erde fuhr und die Schwere der Nacht daraus vertrieb. Die Wassertröpfchen, die im Sonnenlicht wie winzige Sterne glänzten, die in der Nacht vom Himmel gefallen waren, hießen Tau und die filigranen Fäden, auf denen sie aufgereiht saßen, nannte man Spinnennetze, die von... Isidor musste sich anstrengen, um das Wort für das Tier zu finden, das zu den seidigen Netzen gehörte, die sich trotz ihrer Zartheit ohne zu zerreißen im Wind wiegten. Spinne! Einen Moment lang ärgerte sich Isidor darüber, dass ihm die Spinne nicht gleich eingefallen war, obwohl er das Wort für ihre Behausung gekannt hatte, das sie unermüdlich wob, ganz gleich, ob Sturm oder Regen drohte.   Isidor atmete einige Male tief ein und aus, weil er glaubte, dass ihm das beim Konzentrieren helfen könnte, und fuhr damit fort, seine Gedanken zu sortieren. Es war Morgen. Die Bäume warfen ihre Schatten über die duftende Wiese. Am Himmel zogen orange leuchtende Wolken fedrige Fächer über das Blau. Sein Name war Isidor und neben ihm lag   "Rubio."   "Wer denn sonst", antwortete der längliche Hügel neben Isidor, von dem kaum mehr als die Decke und ein paar dunkle Haarsträhnen zu erkennen war.   "Rubio", wiederholte Isidor noch einmal. Der Name verklang unbeantwortet. Sein Träger war bereits wieder eingeschlafen und Isidor war erneut mit seinen Gedanken alleine. Es bedrückte ihn nicht einmal mehr, dass er das war. Dass er sich genauso klar an Rubio erinnerte wie an sich selbst, genügte ihm, um nicht um die Dinge zu trauern, die am Fuße des unüberwindbar tiefen Tals lagen, das zwischen Gestern und Heute klaffte. Dieser Riss in seiner Erinnerung mochte für ihn vielleicht nicht mehr zu bezwingen sein, doch wichtig war eigentlich nur das, was nie in den Schatten verschwand, welche die steilen Wände dieses Tals warfen. Und Rubio war Isidors Netz, das über dem Tal gespannt war und auch im stärksten Sturm nicht riss. Es fing den Tau auf, welcher in der Nacht aus Isidors Gedächtnis tröpfelte und hielt die Erinnerungen fest, bis der Morgen erwachte. Die Meisten jedenfalls. Die beiden Pferde, die unweit ihres Nachtlagers angebunden waren, zupften genüsslich die nassen Grashalme aus der Erde. Der Schimmel gehörte Rubio. Er hieß Ganser. Nur der Fuchs war neu für Isidor. Vermutlich gehörte das namenlose Pferd ihm, denn dass sie beide auf nur einem einzigen Pferd unterwegs gewesen waren, schien selbst Isidor nicht einleuchtend.   Unterwegs. Der nächste Gedächtnisfetzen, der sich an die Oberfläche zu kämpfen versuchte.   Isidor bemühte sich, jede seiner Erinnerungen, die noch da waren, von allen Seiten zu betrachten. Um die erloschene Feuerstelle lag ihr Proviant. Sie waren also tatsächlich unterwegs gewesen, so viel schloss er aus dem, was er sehen konnte. Mehr fiel ihm nicht dazu ein, weder Zweck ihrer Reise, noch deren Ziel.   Ein Eisenring zog sich um Isidors Magen. Ihm wurde bang und er rückte näher zu dem atmenden Deckenhügel hin. Isidor schob seine Hand unter die Decke und tastete nach Rubios Hand, die auf dessen Bauch ruhte und die kalten, haltsuchenden Finger seines Gefährten umfasste und beruhigend drückte, als sie ihn zitternd erreichten.   "Du wolltest einen Drachen suchen", flüsterte Rubio im Halbschlaf.   Isidor meinte einen Moment, sich an einen Drachen zu erinnern, war sich aber nicht sicher. Er wandte sich Rubio zu, der mit geschlossenen Augen da lag. "Haben wir ihn gefunden?"   "Wen?"   "Den Drachen", erinnerte Isidor den jungen Mann neben sich an ihr Gesprächsthema.   "Nein – aber heute werden wir ihn bestimmt finden..." Rubio gähnte und schlief prompt wieder ein.   Langsam schwand die Angst, die Isidor so plötzlich überfallen hatte. Eine Weile noch sah er dem schlummernden Rubio zu, dann lehnte er seine Stirn gegen Rubios Schulter, die sich mit jedem Ein- und Ausatmen leicht hob und senkte, und schloss die Augen, ohne aber selbst wieder einzuschlafen. Er wollte nur hier liegen und das einzige Vertraute, das ihm geblieben war, so tief wie möglich in sein Unterbewusstsein einbrennen lassen; der sanfte Ledergeruch, der von Rubios Wams ausging, die samtige Oberfläche des Kleidungsstücks, die glatten Knöpfe aus schimmernd poliertem Horn. Aber vor allem Rubios Hand, die selbst im Schlaf Isidors Hand umschloss und beruhigend drückte, wie sie es schon so oft getan hatte – die wollte er als letztes vergessen, wenn es irgendwann einmal so weit sein sollte.     Seufzend ließ sich Rubio neben Isidor im Gras vor der Feuerstelle nieder. Er streckte die Arme über seinen Kopf und versuchte, die letzte Müdigkeit daraus zu vertreiben. Er hätte gut und gerne noch länger schlafen können, doch irgendwann hatte ihn Isidor mit seinem Gerede darüber, endlich weiter zu reiten, so sehr genervt, dass Rubio, der eigentlich noch hundemüde war, aufgestanden war.   "Hier."   "Ich habe keinen Hunger", lehnte Rubio das Essen matt ab, das ihm Isidor anbot. Natürlich war er hungrig, doch die schlaflose Nacht steckte ihm noch immer in den Knochen und er war einfach nur zu erschöpft, um zu essen.   Unbeeindruckt aß Isidor sein Frühstück und bemühte sich, sich nichts von dem anmerken zu lassen, was ihn seit dem Aufwachen heute morgen so beunruhigte. Er wollte endlich wissen, wohin ihre Reise führte, die er – neben sicher tausend anderen Dingen - völlig vergessen hatte. "Ist es noch weit entfernt?"   Rubio hob den Kopf und sah Isidor einen Augenblick lang irritiert an, bis er begriff, dass dieser von ihrer Reise sprach. "Oh", Rubio kämpfte mit der Antwort. Wut kroch in ihm hoch. Er dachte an den mit Geldstücken gefüllten Lederbeutel und daran, dass er sich hatte bezahlen lassen, Isidor von nun an für den Rest ihres Lebens tagtäglich aufs Neue anzulügen. "Ungefähr so weit wie gestern", fügte Rubio schließlich hinzu. Er schämte sich, dass er Isidor belog, obwohl er die Wahrheit sagte, denn ihr Weg führte sie wieder zurück in ihre Stadt, wo sie gestern erst aufgebrochen waren.   "Die Stadt wird dir gefallen", fuhr Rubio fort und gab sich Mühe, fröhlich zu klingen. "Sie liegt direkt am Hafen."   "Du hörst dich an, als wärst du schon mal dort gewesen."   Bei Isidors Worten durchfuhr Rubio ein eiskalter Schauer, der sein Herz einen Moment lang aussetzen ließ. Rubio musste sich selbst dazu zwingen, die Blicke erneut zu heben und seinen Gefährten anzusehen. 5 -     Rubios seltsam verkniffenes Grinsen irritierte Isidor einen Moment lang. Er sah ertappt aus. Warum auch immer. "Gib's zu, du warst schon mal in dieser Stadt."   Rubio schluckte. Sein Hals war allerdings so trocken, dass er damit einen heftigen Hustenreiz auslöste, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Er wandte sich von Isidor ab, der ihn die ganze Zeit schon kontrollierend aus nachdenklich zusammengekniffenen Augen ansah.   "Ich wusste es doch." Isidor sah seinen anfänglichen Verdacht durch Rubios merkwürdiges Benehmen bestätigt. Er stolzierte um Rubio herum und ging vor ihm in die Hocke. "Was hat dich denn in diese Stadt gelockt?", murmelte Isidor und fügte beim Anblick von Rubios hochrotem Gesicht hinzu: "Oder, wer?"   "Nichts und niemand", krächzte Rubio atemlos. Ohne Isidor die Chance zu lassen, noch mehr Fragen zu stellen, fuhr Rubio von seinem Platz auf und rannte zu seinem Pferd, um in der Satteltasche nach dem Wasserschlauch zu suchen. Hinter sich hörte er Isidor lauthals lachen.   Hastig strich sich Rubio die Tränen aus den Augenwinkeln, die ihm der Hustenanfall beschert hatte. Seine Hände, die nun den Wasserschlauch hielten, zitterten unaufhörlich. Er schaffte das einfach nicht. Der zweite Tag hatte gerade erst angefangen und schon hatte ihn Isidor unbewusst in die Enge getrieben. Wie sollte das jetzt weitergehen? Wie lange, bis er sich unweigerlich in einem unentwirrbaren Geflecht aus Lügen verheddert hatte?   "Na, fertig?" Isidor schlug Rubio kameradschaftlich gegen die Schulter, der dabei fast den Wasserschlauch fallen ließ. Grinsend schlenderte Isidor an seinem Gefährten vorbei zu seinem offensichtlich eigenem Pferd hin und schwang sich gekonnt auf den Rücken des Fuchses; ganz so, als hätte er das schon öfter getan. "Zeigst du mir jetzt deine Stadt? Und den, der dich schon einmal dorthin gelockt hat?", witzelte Isidor und lachte über die finsteren Blicke, die ihm Rubio zuwarf.       "Du hast Nerven, hier wieder aufzutauchen..."   Mit trotzig erhobenem Kinn stand Rubio vor dem Mann, der ihn zuerst verblüfft und dann entsetzt angesehen hatte. Zwischen ihnen auf dem Tresen lag der Lederbeutel, den Rubio als Lohn dafür erhalten hatte, dass er Isidor belog.   Der Wirt warf einen Blick an Rubio vorbei zu dem Tisch hin, an dem Isidor saß und ahnungslos sein Essen verschlang, von dem der Wirt gestern noch überzeugt gewesen war, dass es endlich die letzte Mahlzeit war, die er seinem Sohn servieren musste.   "Er ahnt doch sowieso nichts mehr davon, was alles vorgefallen ist. Kein einziges Gebäude hat er hier erkannt, als wir ankamen..." Rubio schob den Lederbeutel von sich weg, hin zu dem Wirt, der den jungen Mann ansah, als sei er das Unerträglichste, was ihm in seinem Leben je gegenüber gestanden hatte. "Für ihn ist es einfach nur Heute", fuhr Rubio um Gelassenheit bemüht fort. "Er weiß ja nicht einmal mehr, wer sein Vater ist, geschweige denn, dass er jemals einen gehabt hatte. Was womöglich nicht das Bedauernswerteste sein dürfte, das er nicht mehr weiß..."   "Er weiß es vielleicht nicht mehr, aber der Rest der Stadt weiß sehr wohl, wer er ist", knurrte der Wirt ungehalten. "Und mit jedem Gast, der hier einkehrt, steigt die Gefahr, dass er es auch erfährt und in die nächste Stadt mitnimmt, um davon zu erzählen. Und von dort aus in die nächste und immer so weiter." Der Wirt nahm den Lederbeutel und hielt ihn Rubio anklagend vor die Nase. "Das hast du nicht bekommen, damit du eine Runde um die Stadt machst und wieder zurück kommst, sobald es morgens ist, nur weil diese Kreatur, die zu meinem Leidwesen auch noch von meinem Blut abstammt, alles vergessen hat, was er am Tag zuvor getan hat." Der Wirt schleuderte den verschmähten Beutel Rubio entgegen, der die Hand hob, damit ihn der schwere Beutel nicht im Gesicht traf.   Der Wirt lächelte spöttisch. "Das ist das Geld, das so lange reichen sollte, bis du diesen Schwachsinnigen so weit von hier weggebracht hast, so dass er nicht noch mehr Schande über mich bringt, als er ohnehin schon tut!"   Die Wut, die Rubio bereits seit ihrem ersten Aufbruch und den Erlebnissen, die danach gefolgt waren, begleitete, schnürte ihm die Luft förmlich ab. Ohne den Lederbeutel noch eines Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging zurück zu Isidor, der ihm bedeutete, sich endlich zu ihm zu setzen.     Isidor wartete, bis Rubio Platz genommen hatte, und nickte zu dem gefüllten Teller hin, den Rubio noch nicht angerührte hatte. "Willst du mir weismachen, dass du beschlossen hast, nie mehr zu essen?"   Rubio atmete lange aus, ehe er Isidor antwortete. "Ich habe keinen Appetit."   "Das hast du heute morgen auch behauptet." Isidor stieß den Teller an. Das Fleisch darauf duftete noch immer köstlich, auch wenn es bereits kalt sein musste.   Nur schwer konnte Rubio dem Hunger widerstehen, der seinen Magen schmerzhaft krampfen ließ.   "Das Essen hier ist erstaunlich gut", lockte Isidor sein Gegenüber, der tat, als hätte er ihn nicht verstanden und stattdessen nach dem Bierkrug griff, der neben dem Teller stand. "Ich wette, wir waren in noch keiner Schenke, die besser war als diese hier. Du hattest wirklich recht, was die Stadt angeht. Sie ist fantastisch. Ich wünschte, wir könnten länger hier bleiben."   Rubio hätte den Schluck Bier, den er gerade aus dem Krug genommen, beinahe wieder ausgespuckt. Die Kohlensäure stieg ihm in die Augen und kribbelte dort unangenehm. Vorsichtig setzte Rubio den Krug auf der Tischplatte ab.   Isidor beschloss, dass es wohl besser war, zu schweigen, so lange Rubio in dieser Verfassung war. Er schien jeden Moment explodieren zu wollen, ohne dass Isidor wusste, was der Grund dazu war. Er sah zu dem Tresen hinüber, dort, wo Rubio kurz zuvor noch mit dem Wirt gesprochen hatte, ehe er dann so wütend zurückgekehrt war. Isidors Blicke streiften das geschnitzte Wappen, das über dem Tresen hing. Ein Lindwurm wand sich um etwas, das wohl eine Sonne mit vielen Strahlen darstellen sollte.   "Suchen wir den Drachen", murmelte Isidor, ohne sich seiner Worte tatsächlich bewusst zu sein. Er hatte einfach nur den ersten Gedanken ausgesprochen, der ihm in den Sinn gekommen war, ohne zu wissen, woher er gekommen war.   Rubio hob den Kopf und sah Isidor verblüfft an. Er hatte es bisher noch nie erlebt, dass etwas aus Isidors weggewischten Erinnerungen zurückgekehrt war, das in die Zeit fiel, die Isidor stets vergaß. Niemand hatte ihnen erklären können, weshalb Isidor jeden Morgen bis auf die Dinge, die auch andere ohne nachzudenken erledigten, alles vergessen hatte, was am Tag zuvor zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang geschehen war. Das Einzige, an das sich Isidor immer erinnerte, war Rubio und das, was mit ihm zu tun hatte. Nicht einmal der Name seines eigenen Pferdes blieb bei Isidor haften, wohingegen er ohne nachzudenken wusste, dass Rubios Schimmel Ganser hieß.   Er konnte nicht abstreiten, dass ihm Isidors Verhalten früher Angst eingeflößt hatte, aber damals waren sie noch Kinder gewesen und als Kind fühlte man sich in der Welt, die nur Erwachsene zu verstehen schienen, unsicher. Doch diese Angst vor dem, was er nicht verstand, schwand mit jedem Tag, den er Isidor kannte – im Gegensatz zu den Leuten, von denen man erwarten sollte, dass sie wegen ihres Alters und ihrer Reife in der Lage sein müssten, eine Krankheit von einem Fluch unterscheiden zu können. Doch ausgerechnet in diesem Punkt erwiesen sich die Erwachsenen als die eigentlichen Schwachsinnigen, was, je älter Isidor wurde, immer mehr zum Problem für ihn und seine gesamte Familie wurde. Vermutlich konnte noch nicht einmal Isidors Vater etwas dafür, wie er auf seinen angeblich irre gewordenen Sohn reagierte, obwohl er lediglich Angst um seine Existenz hatte, was ihn wiederum für Rubio zum roten Tuch hatte werden lassen.   Hastig leerte Rubio den Krug. "Gehen wir", sagte er mit einer Entschlossenheit, die Isidor nicht nach dem Grund des Aufbruchs fragen ließ. "Schlagen wir dem Drachen den Kopf ab."       Isidor schwieg ebenso wie Rubio, während sie die gleiche Strecke mit ihren Pferden zurücklegten, wie bereits am Vormittag. Rubio dachte darüber nach, dass er diesen Weg bereits zweimal ohne Isidors Wissen genommen hatte, und Isidor hatte einen ähnlichen Gedanken. Er wusste, dass er diesen Weg noch zweimal nehmen würde, ehe die Sonne wieder aufging.       Abendstern ----------     Rubio hatte nicht einmal mehr abwarten können, bis das Feuer brannte, da war er bereits tief und fest eingeschlafen. Isidor hatte ihn mit der Decke zugedeckt und noch eine Weile abgewartet. Dann hatte er Ganser gesattelt und war mit ihm davon geritten.   Da er nicht damit rechnete, früh genug zurück zu sein, ehe er wieder alles vergaß, war es ihm lieber, dass er sich, wenn er alleine unterwegs war, auch ohne Rubios Hilfe an den Namen des Pferdes erinnern konnte, das er ritt. Sicher war sicher.       Isidor saß an einem der Tische, der am weitesten vom Tresen entfernt war. Geduldig hatte er gewartet, bis alle Gäste gegangen waren und er sich mit dem Wirt alleine in der nun still gewordenen Taverne befand.   "Mein Herr, wir schließen jetzt", sprach ihn der Wirt an, der, noch ehe Isidor ihm antworten konnte, diesen erkannte und vor Schreck zurück wich. "Was willst du hier?", knurrte der ältere Mann. Er gab sich Mühe, seinem Sohn nicht allzu deutlich zu zeigen, dass er ihm nicht traute. "Wo ist denn deine Amme?", knurrte er zwischen den Zähnen hervor.   Isidor biss sich auf die Unterlippe, ehe er antwortete. "Was hast du Rubio heute Mittag weggenommen?"   "Weggenommen?", wiederholte der Wirt verblüfft.   "Ja." Isidor stand auf. Wie nebenbei packte er mit einer Hand den Henkel des Bierkrugs vor sich auf dem Tisch. Ungeachtet des Getränks, das sich über seine Hose und Schuhe ergoss, folgte er dem Wirt, der vorsichtigen Schrittes Richtung Tresen ging, ohne dabei den jungen Mann vor sich auch nur einen Wimpernschlag lang aus den Augen zu lassen.   "Was hast du ihm da weggenommen, als er bei dir stand?"   "Was, das weißt du etwa noch?" Der Alte lachte kurz auf, da es einfach zu absurd war, dass sich dieser Schwachsinnige ausgerechnet an diese Szene erinnerte. Er verstummte aber gleich wieder, als Isidor die Zähne wütend bleckte. "Meinst-meinst du das Geld?", stotterte der Alte. Seine Blicke gingen hektisch von der einen Zimmerecke zur anderen. Wie hatte er nur nicht darauf achten können, dass auch wirklich alle Gäste gegangen waren. Ausgerechnet Isidor stand nun vor ihm, auch wenn er nicht ahnte, wer ihm da tatsächlich gegenüber stand: sein Vater, der ihn lieber tot als lebendig sah.   Als er das Holz des Tresens in seinem Rücken spürte, blieb der Wirt gezwungenermaßen stehen. Er sah Isidor aus misstrauisch zugekniffenen Augen an. Dieses Scheusal, das seiner Familie nur Unglück brachte, seit es atmete, kehrte zurück wie das Böse in Person. "Wo ist Rubio?"   Isidor stand nun so nahe vor dem Wirt, dass ihm dessen üble Körperausdünstungen nahezu den Atem nahmen. "Schlag dem Drachen den Kopf ab!"   Der Wirt schrie erstickt auf, als der Krug auf ihn niedersauste. Er krachte mitten in sein Gesicht und zersplitterte in unzählige Scherben, die prasselnd zu Boden regneten. Der Mann spürte den warmen Strom, der augenblicklich aus seinem getroffenen Mund rann. Stücke seiner abgebrochenen Zähne schnitten in seine Zunge und er versuchte, sie auszuspucken.   Isidor ließ den Henkel fallen, der als einziges von dem zerborstenen Krug übrig geblieben war. Er ballte seine Hand zu einer Faust und hob sie. Sekundenbruchteile schwebte sie still zwischen ihnen beiden. Die Augen des am Boden knienden Wirtes weiteten sich ungläubig.   "Bastard", fauchte der Wirt voller Abscheu und spuckte dabei einen Schwall Blut aus.   Den nächsten Schlag, der auf den Mann niederging, spürte dieser schon nicht mehr so heftig, wie den davor und nach dem dritten hatte er endgültig das Bewusstsein verloren.   Isidor erhob sich und sah auf den blutüberströmten Mann hinab, dessen zerschmettertes Gesicht eine Einheit mit der sich weiter ausbreitenden roten Pfütze unter sich einging.       Er hatte Ganser angetrieben, als ginge es um ihr Leben, wenn sie nicht so schnell wie irgend möglich aus dieser Stadt herauskamen. Im gestreckten Galopp jagten sie dahin, ohne dass sich Isidor sicher war, auch tatsächlich den richtigen Weg genommen zu haben.   Seit der Wirt mit dem eingeschlagenen Schädel endlich zu röcheln aufgehört hatte, hatte sich das gleiche Gefühl in seinem Kopf ausgebreitet, das ihn zu umschlingen begann, wenn er müde wurde. Er musste früh genug bei Rubio sein; seinem wichtigsten Fixstern. Isidor trieb Ganser weiter an. Kleine Steine flogen unter den stampfenden Hufen auf und Ganser erschrak, als einige davon gegen seine Brust schleuderten. Er strauchelte und ehe er sich wieder fangen konnte, knickten seine Vorderläufe weg und das Pferd stürzte krachend zu Boden.     Nur dem Zufall hatte es Rubio zu verdanken, dass er wach geworden war. Es musste die eigenartige Stille gewesen sein, die ihn im Schlaf gestört hatte. Die vertrauten Geräusche hatten gefehlt. Die Pferde waren zu still und auch das Knistern ihres Lagerfeuers hatte er vermisst.   Mit Schrecken hatte Rubio dann Isidors Fehlen bemerkt. Und auch Ganser war nicht mehr an seinem Platz, an dem er ihn festgebunden hatte. Flink löste Rubio Wilders Zügel und schwang sich auf den Rücken des schnaubenden Hengstes.     Er fand Isidor auf halber Strecke zur Stadt im Gras vor einem Hügel kniend. Rubio sprang von Wilders Rücken, noch ehe das Pferd gänzlich zum Stehen gekommen war, und rannte stolpernd zu Isidor hin.   "Isidor!", rief Rubio dem reglosen Schatten zu. Jetzt erkannte er auch den Hügel, vor dem Isidor kniete. Ganser lag still auf der Seite. Ein großer Schnitt klaffte an seinem Hals.   Schockiert griff Rubio nach Isidors Schulter und er versuchte, den jungen Mann auf die Beine zu ziehen; weg von dem toten Pferd.   Unvermutet sprang Isidor auf die Füße. In seiner Hand blitzte die Klinge seines Messers auf und er schrie. "Schlag dem Drachen den Kopf ab!" Rubio keuchte auf, als ihn der Schlag in den Magen traf. Er knickte ein und fiel zu Boden.     Als Rubio wieder aus seiner Ohnmacht erwachte, dauerte es eine Zeit lang, bis er das Geschehene zusammensetzen konnte. So musste sich Isidor jeden Morgen fühlen, dachte er bitter, während er nach und nach seine Erinnerungen zusammenklaubte.   Isidors Messer fiel ihm als erstes ein und dann der Schlag in seinen Bauch.   Hektisch tastete Rubio seinen Oberkörper ab, fand aber zu seiner Erleichterung nicht den kleinsten Schnitt.   Er hob den Blick und sah Ganser, der in einer großen dunklen Blutlache vor ihm lag.   Isidor war nicht weit entfernt. Er kniete vornübergebeugt im Gras, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Haare verdeckten sein Gesicht und im ersten Moment fürchtete sich Rubio davor, ihn anzusprechen. Er fürchtete, dass sein Gefährte nun völlig in eine Welt geglitten war, in die er ihm nicht mehr folgen konnte. Gegen die Übelkeit ankämpfend, die ihm der Schlag in den Magen und der Anblick seines aufgeschlitzten Pferdes beschert hatten, taumelte Rubio zu Isidor hinüber. Tränen rannen seine schmutzigen Wangen hinunter, als er sich neben Isidor auf die Knie hinab ließ und seine kühle Hand ergriff.   "Ich weiß es noch", flüsterte Isidor nun so leise, das seine Stimme beinahe im sanften Abendwind unterging.   Rubio beugte sich zu Isidor hinab und strich ihm die Haare aus dem verschwitzten Gesicht.   "Ich weiß es noch", wiederholte Isidor. "Ich habe dem Drachen den Kopf abgeschlagen."   Isidor lachte.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)