Try to set the night on fire von Kiru (Yakuza meets Göre...?) ================================================================================ Ein Reh unter Löwen ------------------- Wortanzahl: 5.354 A/N: Ich warne vor übermäßiger Naivität. ~*~ Der nächste Tag war ein Freitag, aber ich beschloss, dass Schule mich mal kreuzweise konnte. Ich schlief bis zwölf Uhr mittags und blieb anschließend noch sehr lange in meinem Bett liegen. Ich war davon überzeugt gewesen, dass ich mich geändert hatte. Das war ein Irrtum gewesen. Ich war immer noch derselbe Feigling wie vorher. Es musste etwas Durchschlagendes passieren, bevor ich mich dazu herabließ, über Dinge nachzudenken, die mich schon seit Längerem betrafen. Dass ich schwul war, hatte ich erst akzeptiert, nachdem mir aufgefallen war, dass ich auf Hakuei stand. Dass ich vorher niemals auf eine Frau scharf, dafür aber unheimlich geil auf Sanaka gewesen war, dass ich ihm mit Freuden einen geblasen hatte und so weiter, das hatte mein krankes Hirn irgendwie abtun und erklären können. Erst durch Hakuei hatte ich intensiver darüber nachgedacht. Und genau das Gleiche war wieder passiert. Ich hatte gewusst, dass das Ganze mit mir und Hakuei nicht ewig dauern konnte, ich hatte gewusst, dass mein Vater wiederkommen würde und dass er, falls er davon erfuhr, nicht sonderlich begeistert sein würde. Aber ich hatte mich niemals damit auseinander gesetzt. Nein, eigentlich war es nicht die Schuld meines Vaters, zumindest nicht komplett. Hätte ich mit Hakuei darüber geredet, hätten wir es höchstwahrscheinlich geschafft, nicht schon um halb sechs im Bett zu liegen, oder dann hätte ich vielleicht nachgedacht, bevor ich einfach so aus dem Schlafzimmer gestürmt war, oder ich wäre nicht so sauer auf meinen Vater gewesen und hätte wohlüberlegt mit ihm geredet, anstatt ihn mit seinen eigenen Sachen zu bewerfen. Man konnte Geschehenes nicht wieder rückgängig machen. Das wusste ich. Aber man konnte versuchen, die gegenwärtige Situation zu ändern. Gut, Lay, hör zu. Du hast bis jetzt in deinem Leben alles in den Arsch geschoben bekommen, und wenn du dich jetzt nicht für das einsetzt, was du wirklich willst, wirst du dir nie wieder in die Augen gucken können. Also reiß dich zusammen und zieh das jetzt durch. Okay. Wo fing ich an? Mein Vater war nicht da, aber er war ohnehin nicht meine erste Anlaufperson. Ich musste mit Hakuei reden, egal wie. Ich musste ihn fragen, ob er das als Ende unserer sehr eigenwilligen Beziehung akzeptieren konnte, ob er mich noch sehen wollte, ob er es nicht doch noch mit mir versuchen wollte, und so weiter. Erst wenn ich wusste, wie er zu der ganzen Sache stand, konnte ich mit meinem Vater darüber reden. Ich konnte ihm schließlich nicht einen vorheulen, dass wir uns unsterblich ineinander verliebt hatten, wenn Hakuei mich eigentlich gar nicht leiden konnte. Na ja, jetzt wurde es etwas dramatisch. Ich stand auf, machte mir nicht die Mühe, mich anzuziehen, sondern ging gleich nach unten. Okay. Wo sollte ich mit dem Suchen anfangen? Sein Handy hatte er mitgenommen, Unterlagen hatte er meines Wissens auch nicht hier. Hm. Adressbuch? Ich blätterte sämtliche Seiten des kleinen schwarzen Büchleins durch, fand aber lediglich unverbindliche Leute wie seinen Frisör, das Ordnungsamt (was zur Hölle?) und Imai. Hey, Moment mal, war Imai nicht auch sein Arbeitskollege? Aber ihn konnte ich schlecht anrufen. Hm. Verdammt. Verzweifelt dachte ich in alle Richtungen. Ich musste herauskriegen, wo mein Vater arbeitete. Er würde es mir nicht sagen, außerdem hatte er nichts, keinen Fitzel Papier im Haus, auf dem irgendetwas Interessantes stehen könnte. Er hatte sein Zuhause (und vor allem mich) von seiner Arbeit so akribisch getrennt, dass es zwecklos sein würde, nach irgendetwas zu suchen. Ich könnte ihm folgen, aber er fuhr mit dem Auto. Ein Taxi konnte ich mir wohl schlecht nehmen, um ihn zu verfolgen, und mich in seinen Wagen schmuggeln... zu gefährlich. Könnte ich irgendwen fragen? Nein, ich konnte mich wohl schlecht in der Unterwelt nach meinem eigenen Vater erkundigen. Und nach Hakuei? Nein, da würde ich nur Schwierigkeiten kriegen. Wer hatte den noch mit Yakuza zu tun, würde mich aber nicht sofort umlegen, wenn ich nachfragte...? Aber natürlich. Fragte sich nur, ob ich da erfolgreich sein würde. Nachdem ich geduscht und mich präsentabel hergerichtet hatte, verließ ich das Haus und nahm den Bus. Ich wusste genau, wo ich hin wollte, obwohl ich erst einmal dort gewesen war. „Arbeitet nicht mehr hier“, murrte mich der gelangweilte Kerl an, der aussah wie ein schlechter Ersatz einer Empfangsdame. „Wie, arbeitet nicht mehr hier!?“, wiederholte ich entgeistert. „Vor ein paar Wochen HAT er noch hier gearbeitet! Wo ist er jetzt??“ Der Polizist bedachte mich mit einem finsteren Blick. Scheißkind. Wie lange hatte mich schon keiner mehr so angesehen! „Geht dich nichts an.“ „Und ob! Ich MUSS mit ihm sprechen!“ „Gibt es Probleme?“, sprach mich jemand von hinten an. Ich wandte mich um. „Ich muss wissen, wo Daisuke ist“, erwiderte ich fest. „Und zwar sofort. Ich muss mit ihm reden.“ „Sag mir einen vernünftigen Grund, weshalb ich jemandem, der jetzt eigentlich in der Schule sein sollte, die Privatadresse eines unserer besten Männer verraten sollte“, lachte der dicke Typ vor mir mich aus, andere stimmten in sein Lachen ein. Ich kam mir ziemlich bescheuert vor. „Es ist was Persönliches!“, rief ich hilflos und war kurz davor, entweder nach draußen zu rennen oder irgendwem eine reinzuhauen. „Was ist denn hier los? Oh, kennen wir uns nicht?“ Ich drehte mich erneut um, dieses Mal zur Tür. Einen Moment fürchtete ich, dass der Kerl nur eine Halluzination war, aber als Daisuke mich weiterhin fragend musterte, breitete ich die Arme aus. „Daisuke!“, begrüßte ich ihn erleichtert. Er starrte mich an, wie es wohl jeder andere auch getan hätte. „Ich hab deinen Namen vergessen“, antwortete er frei heraus. „Aber du warst doch eins von den Scheißkindern, die ihre beschränkten Fähigkeiten zur Raumgestaltung unbedingt an einer wehrlosen-“ „Ja! Ich muss mit Ihnen reden! Sofort!“, drängte ich auf der Stelle und hüpfte etwas auf und ab. Daisuke musterte mich einige Moment länger, schüttelte anschließend den Kopf und schob mich vor sich her in das nächstbeste Büro. „Ich kann mir nicht vorstellen, was du von mir willst. Aber egal. Du wirst es mir sicher sagen.“ „Sie kennen Hakuei“, begann ich fast atemlos und erwartete beinahe, dass er es abstritt. Er nickte langsam. „Na ja, kennen ist zu viel gesagt. Es ist eine Art Hassliebe, wie sie nur bei Gesetzeshütern und –brechern vor-“ „Wo ist er?“, brach es aus mir heraus. „Warum willst du das-“ „Ich muss ihn finden. Er darf sich nicht mehr bei mir blicken lassen, aber ich muss unbedingt wissen, wo er ist.“ „Warum? Ich meine... was hast du davon, wenn du weißt, wo ein berüchtigter-“ „Weil ich ihn liebe!“, fiel ich ihm ins Wort und merkte im selben Moment, dass es durchaus Sinn machte, was ich da von mir gab. Ja, ich liebte ihn wirklich. Ich hatte mich so sehr an ihn gewöhnt, dass seine Gesellschaft selbstverständlich geworden war, daher war mir nicht aufgefallen, wie gut er mir tat. Wie sehr ich es genoss, bei ihm zu sein. Verdammt. Ich liebte ihn. Ich hatte mich noch nie verliebt. „Wundert mich nicht“, riss Daisuke mich aus meinen Gedanken. „Ist ein echter Herzensbrecher, der Typ. Wenn du wüsstest, wie viele schon hinter ihm her waren und wie viele er abserviert hat...“ Abserviert? Tja, mich nicht. Hm. „Also, wenn ich dir den Tipp geben darf, kümmere dich nicht um ihn. Leb dein Leben weiter, du bist noch jung. Mit ihm wirst du niemals glücklich werden, es sei denn, du bist so veranlagt“, winkte Daisuke ab. „So veranlagt?“, echote ich dümmlich. „Der Kerl ist einer der kaltblütigsten Killer, die mir je untergekommnen sind“, erklärte er mir beiläufig. „Ich hab es gesehen. Er hat meine Frau erschossen, weil wir ihm und seinem ganzen Clan langsam auf die Schliche gekommen sind. Ich war dabei. Wenn du den Ausdruck in seinen Augen gesehen hättest, würdest du ihn ganz bestimmt nicht mehr lieben. Leider hat ihn noch nie einer erwischt. Außer mir natürlich, aber da stand es Aussage gegen Aussage, und außerdem hatte er noch ein Alibi. Das hat ihm sein Chef noch in allerletzter Sekunde verschafft, so ein kleiner Wich-“ „Sind... ich meine... wie steht es zur Zeit? Sind Sie dabei, den Clan dranzukriegen? Den Chef?“, unterbrach ich ihn vorsichtig. Daisuke musste lachen. „Ich sowieso nicht mehr, ich hab aufgehört. War mir zu viel Stress. Ich weiß ohnehin, wer in diesem ganzen Scheißclan drinsteckt. Vor mehr als einem Monat hätten wir ihn fast gehabt, aber dann ist der Chef spurlos verschwunden. Alles verlief im Sand.“ „Womit... also... womit beschäftigt sich der Clan denn? Was machen sie? Bringen sie nur Leute um, oder...?“ Heilige Scheiße. Was für eine kranke Unterhaltung. „Nein, nur so das Übliche. Schutzgeldeintreibung, ein paar zwielichtige Kneipen und Nachtclubs, ab und zu Geldwäsche, Pornografie... na ja, und eben Mordaufträge“, zählte der ehemalige Polizist schulterzuckend auf. Mir wurde für einen Augenblick schwindlig. „Okay. Und... wo ist ihr Hauptsitz? Wenn sie einen haben? Wo hält Hakuei sich hauptsächlich auf? Und der Chef?“ Daisuke schnappte sich einen kleinen Zettel und schrieb mir eine Adresse auf, die er mir anschließend in die Hand drückte. „Hier. Wie’s aussieht, ist der Chef seit heute wieder da – aber das muss ich dir ja nicht erzählen.“ Er zwinkerte mir zu. Ich starrte ihn an. „Also bitte, glaubst du nicht, ich hätte es nicht schon letztes Mal gemerkt? Als du deine Personalien zu Protokoll gegeben hast? Derselbe Nachname, das fällt doch auf. Wundert mich nur, dass er dich aus dem ganzen Scheiß rausgehalten hat, du scheinst ja gar nichts über die Geschäfte deines Vaters zu wissen. War mir ein Vergnügen, da mitmischen zu können. Bestell ihm einen schönen Gruß von mir, und Hakuei natürlich auch. Viel Erfolg.“ Der Kerl nickte mir wohlwollend zu und verschwand sofort darauf. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Gut. Schutzgeld, Pornos, Nachtclubs, Mordaufträge. Und da sollte mein Vater den Boss spielen? Und Hakuei sollte für ihn arbeiten? Okay... So langsam wurde es echt komisch. Kurzerhand fuhr ich gleich zu der Adresse hin, fand allerdings nur eine sehr kleine sehr unscheinbare Holztür vor, auf der stand, dass der Laden ausschließlich Samstagabends ab sieben geöffnet hatte. Tja, musste ich wohl morgen noch mal vorbeikommen. Auf dem Weg nach Hause dachte ich über Hakuei nach. Sein halbherziges, spöttisches Lächeln, die herablassende Art, mit der er mich manchmal behandelte, die Dominanz in seinem Auftreten, all das fehlte mir schon jetzt. Der Sex. Seine Küsse allerdings mehr als der Sex. Sein verschlafenes Gemurmel morgens jedoch noch mehr als seine Küsse. Die Art, wie er mich so beiläufig berührt hatte, im Vorübergehen oder einfach nur so, noch mehr als sein Gemurmel. Und die Momente, in denen er mir direkt in die Augen geschaut, meine Wangen festgehalten und mir Dinge erzählt hatte, noch viel, viel mehr. Was hatte er in solchen Augenblicken gesagt? Dass er auf mich aufpassen wollte. Dass er mich hübsch fand. Dass er nie geglaubt hätte, so viel Zeit mit jemandem wie mir zu verbringen und es auch noch zu genießen. Ich wollte, dass er mich wieder auslachte, wenn ich gegen einen Türrahmen lief, weil ich meinen Blick nicht von ihm lösen konnte. Ich wollte, dass er mir schweigend seine Zigarette auf der Terrasse hinhielt, obwohl er es nicht gut fand, dass ich rauchte. Einige Male hatte ich überlegt, ob ich ihn nicht nur begehrte und nichts dahinter steckte. Aber das stimmte nicht. Nein, ich liebte ihn wohl tatsächlich. Ich kam mit Bauchschmerzen zuhause an, aß erst einmal was und dachte dann darüber nach, wo ich mich in der Zeit mit Hakuei schon überall verletzt hatte. Den Kopf gestoßen hatte ich mir, war verprügelt worden, hatte etliche Knutschflecken ertragen müssen, hatte mich mit Towa geschlagen, hatte mit Hakuei geschlafen (und das hatte echt wehgetan, vorher wie hinterher), hatte zwei Tage später wieder mit ihm geschlafen (nach dem lynch.-Konzert, wo ich eh schon fertig war, aber er hatte meinem Outfit nicht widerstehen können), hatte mich auf dem Küchentisch... Okay, da hatte ich mich nicht verletzt, aber es war verdammt unbequem gewesen. Oh mein Gott, wenn mein Vater wüsste, was Hakuei und ich alles in unserem Haus gemacht hatten, würde er bestimmt ausziehen. Allein schon in der Küche... und diese Scheißschlagsahne... Ich hatte gute Laune. Ich würde morgen herausfinden, wo Hakuei war, mit ihm reden und das Ganze in Ordnung bringen. Wenn das mal keine guten Nachrichten waren. Kurzerhand ging ich nach oben und machte eine meiner vielen gebrannten CDs an, eine, die ich von Towa bekommen hatte. Suicide Ali, eigentlich nur was für Partys, bei denen man sich nicht unterhalten wollte. Mir war gerade danach. Ich machte Chainsaw an und sang lauthals mit, wohl wissend, dass mein Vater solche blutigen Texte hasste. Aber er war ja nicht da. Und morgen würde ich Hakuei wiedersehen, hihi. ~*~ Im Nachhinein erst wurde mir klar, wie naiv ich eigentlich gewesen war. Was hatte ich erwartet? Dass ich mit Kusshand empfangen werden würde? Also bitte. Das einzig Gute an der ganzen Sache am Samstag war, dass ich bestimmt jemanden auf dem Bürgersteig amüsiert hatte, der mich erst durch die Tür reingehen und keine Minute später wieder hochkant rausfliegen sah. Es lief folgendermaßen ab: Am Samstagabend um neun Uhr stand ich wieder vor der kleinen unscheinbaren Tür und versuchte mich, innerlich auf mein Treffen mit Hakuei vorzubereiten – was würde ich ihn fragen, was musste ich wissen, wie wollte ich, dass es weiterging. Über alles andere machte ich mir keine Gedanken. Ein Fehler, wie ich in dem Moment merkte, als ich die Tür öffnete und den großen Raum betrat. Es sah aus wie die Lounge irgendeines Nachtclubs, angenehm gedämpftes Licht, eine Bar auf der linken Seite, überall bequem aussehende Sitzgelegenheiten. Und Leute. Ein Haufen Leute. Ein Haufen Typen in Anzügen, Narben im Gesicht, Tattoos auf den Händen und einem kalten Lächeln auf den Lippen. Ach du heilige Scheiße. „Hey, Kleiner, hast du dich verlaufen?“, rief mir der Barkeeper von der Seite zu. Ich starrte ihn einen Moment an. „Ehm... ich will zu Hakuei“, gab ich zögerlich zurück, mein Selbstbewusstsein dahin schwindend. „Zu HAKUEI?!“, wiederholte der Kerl laut, sodass sich mir etliche Köpfe zuwandten. Er lachte, einige stimmten ein. Hatte ich das nicht schon mal gehabt? „Was willst du denn von dem?“ „Man... hat mir gesagt, dass ich ihn hier finden würde“, erklärte ich. „Ach ja?“, fragte ein anderer neben mir. „Und wer ist ‚man’?“ Ich kniff ein Auge leicht zusammen. „Daisuke...?“, fragte ich unsicher. Keine zwei Sekunden später wäre ich beinahe gegen ein parkendes Auto geflogen, hätte ich mich nicht im letzten Moment noch gefangen. Das Geräusch der Tür, die zugeknallt wurde, war ernüchternder als mein Rauswurf selbst. Okay, was hatte ich erwartet? Dass ich mit dem Namen eines ehemaligen Polizisten weit kommen würde? Ich schlug mir gegen die Stirn und schüttelte über mich selbst den Kopf. Herrgott, wenn es um Hakuei ging, machte Liebe echt blind. Gut. Vielleicht sollte ich es noch mal versuchen. Ich betrat die Lounge ein zweites Mal, mit der Absicht, das Ganze zumindest in groben Zügen erklären zu wollen. Ich war Rennen nicht mehr gewohnt, aber im Sprinten war ich nie schlecht gewesen. Es war wohl nur meinem jungen Alter zuzuschreiben, dass ich den beiden Kerlen entkam, und ich hatte wirkliches Glück gehabt – ich wollte nicht wissen, was sie mit mir angestellt hätten, wenn sie mich gekriegt hätten. Es war ein Wunder, dass ich selbst mit meinen Plateauschuhen so schnell laufen konnte. „Würdest du bitte aufhören zu lachen?“, knurrte ich genervt und nahm beleidigt einen Schluck von meiner Cola. „Ich muss mir die Szene nur gerade bildlich vorstellen – wenn irgendeine alte Lady dich beobachtet hat, konnte sie bestimmt letzte Nacht nicht schlafen!“, bemerkte Daisuke amüsiert und schüttelte den Kopf. „Ich kann’s nicht glauben, dass du allen Ernstes ins Hauptquartier des Clans deines Vaters reinmarschierst und ihnen erst mitteilst, dass du ihren besten Mann suchst und anschließend, dass du deine Informationen von MIR hast. Du solltest froh sein, dass du überhaupt noch lebst.“ Ich verdrehte angepisst die Augen. „Hör mal, du gibst mir eine Adresse, sagst mir, ich soll dahin gehen, und erzählst mir HINTERHER, dass ich hätte sterben können. Also irgendwas stimmt da nicht, ist dir das aufgefallen? Du verdammter... warum hilfst du mir dann überhaupt, wenn du mich eh in Lebensgefahr bringst!?“ „Ich habe dir nie gesagt, dass du mich als Quelle angeben sollst“, grinste Daisuke belustigt. „Ich war davon ausgegangen-“ „Ja, du bist davon ausgegangen, dass ich schlau bin!“, fauchte ich zurück. „Du hattest Unrecht! So, könntest du mir jetzt bitte etwas HILFREICHERE Informationen geben? Wo kann ich Hakuei finden, ohne Angst haben zu müssen, gelyncht zu werden?“ Haha, ich wollte immer schon mal das Wort ‚lynchen’ benutzen. „Ich könnte dir einen Tipp geben, bei dem du allerdings Angst haben müsstest, von ihm selbst gelyncht zu werden“, erwiderte Daisuke gelassen und schlürfte einen Schluck Tee. Seine dunkelbraunen Augen musterten mich aufmerksam, und in dem Moment erst begriff ich, was er eigentlich war. Er war ein Feind. Mehr noch, er war so etwas wie mein Erzfeind – er hatte es beinahe geschafft, meinen Vater hinter Gittern zu bringen und den gesamten Clan auffliegen zu lassen, und abgesehen davon verband ihn mit Hakuei nur ein einziges Gefühl: Hass. Hakuei hatte Daisukes Frau erschossen, vor seinen Augen. Weshalb hatte ich mich noch mal an ihn gewandt? Weil ich sonst keine andere Wahl hatte. Und wie es schien, wollte er mir tatsächlich helfen. „Was meinst du damit?“, wollte ich skeptisch wissen. „Hakuei hat seine Dienste für deinen Vater noch nicht eingestellt“, begann der Ex-Polizist vielsagend. „Wenn du wirklich sicher gehen willst, ihn alleine zu erwischen, würde ich dir vorschlagen, dass du ihn während einer seiner Aufträge abpasst.“ Hm. Das machte Sinn. Schließlich wusste ich nicht, wo Hakuei wohnte, wo er sich überhaupt aufhielt, ich hatte keine Nummer, unter der ich ihn erreichen konnte, und außer Daisuke keine Kontaktperson. „Das Problem ist – wie finde ich raus, was für Aufträge er-“ „Rate mal, weshalb gerade ich dir diesen Vorschlag mache“, fiel Daisuke mir ins Wort, ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen. „Ich mag zwar nicht mehr als Polizist arbeiten, aber die Unterwelt hab ich immer noch gut im Blick. Pass auf. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass nächsten Freitag.....“ ~*~ So viel war in den letzten Wochen passiert, so wenig hatte ich verarbeiten können. Es wollte noch immer nicht in meinen Kopf, dass Hakuei ein professioneller Killer sein sollte. Das passte einfach nicht. Ich hatte ausreichend Beweise, die belegten, dass Daisukes Behauptung stimmte – allen voran die Leiche, die ich mit eigenen Augen gesehen hatte. Aber dennoch... Bei dem Gedanken schnürte sich mir oft die Kehle zu. Diese Hände, die mich überall berührt hatten, sollten unzählige Menschen umgebracht haben? Ich erinnerte mich an das blutige Hemd in Hakueis Auto, als er mich vom lynch.-Konzert abgeholt hatte. Er hatte es sicherlich ausgezogen, damit ich es nicht an ihm sah. Oder dann noch die Pistole, in der die Schüsse gefehlt hatten. Ich dachte daran zurück, wie Hakuei sich anfangs mir gegenüber verhalten hatte. Er war mehr als distanziert gewesen, durchaus abweisend, wortkarg und unfreundlich. Woran das gelegen hatte, konnte ich mir gut vorstellen – ich war ebenfalls ziemlich provokant gewesen und außerdem musste er auf seinen ärgsten Widersacher aufpassen. (Ich hatte das Gefühl, dass Hakuei der Ansicht war, wäre ich niemals geboren worden, dann hätte er meinen Vater ohne Probleme rumgekriegt. So krank das auch klang, ich konnte es mir vorstellen. So hatte mein Vater schließlich ständig den lebenden Beweis seiner Liebe für meine Mutter vor Augen. Kein Wunder, dass er sich seitdem nur sehr vereinzelt an Frauen herangetraut hatte.) Aber wenn ich an die Art dachte, wie Hakuei zu Beginn gewesen war, erschien es mir gar nicht mehr so abwegig, dass er ein mordender Yakuza war. Er war kühl, er war stark und er war gut in dem, was er tat. Er hatte eine gewisse arrogante Aura und beschwerte sich nicht über unliebsame Aufgaben. Je länger ich mir das alles durch den Kopf gehen ließ, desto stärker konnte ich die Möglichkeit akzeptieren, dass Hakuei tatsächlich hauptberuflich Leute umbrachte – wenn es mich auch einige Überwindung kostete. Mein Vater war ein ganz anderes Kapitel. Ich war Daisukes Worte nicht mehr losgeworden: ‚Nur so das Übliche. Schutzgeldeintreibung, ein paar zwielichtige Kneipen und Nachtclubs, ab und zu Geldwäsche, Pornografie... na ja, und eben Mordaufträge.’ Schutzgeldeintreibung. Nun ja. Mein Vater: ‚Hm, wie’s aussieht, sind wir gerade etwas knapp bei Kasse. Stattet doch mal der Ginkostraße einen Besuch ab, wo die ganzen Restaurants liegen...’ Schwer vorstellbar. Die Kneipen und Nachtclubs, meinetwegen. Das passte noch am ehesten zu meinem Vater. Geldwäsche? Wenn’s sein musste, okay. Pornografie. ..... Mein Vater: ‚Habt ihr jetzt endlich die ganzen Videos aus Taiwan gekriegt? Immer noch nicht? Verdammt, dann sagt euren H****, sie sollen gefälligst schneller f***en.’ ........ Hallo? Ging’s noch?? Also hier hörte es auf. Endgültig. Es machte mich auch ehrlich gesagt ziemlich traurig, aber ich weigerte mich weiterhin, mit meinem Vater zu sprechen. Ich meine, dem Notwendigen konnte man natürlich nicht ausweichen – ob ich zuhause essen würde oder nicht, wenn ich ging, wollte er wissen, wann ich wieder zurück war und das alles. Das Übliche eben. Wenn ich gerade mal zuhause war (und das war ich fast gar nicht mehr, seitdem mein Vater zurück war), verkroch ich mich meist in meinem Zimmer, hörte laut Musik und spielte Counter Strike. Für meinen Vater war das seit jeher das unmissverständliche Bleib-mir-bloß-vom-Leib-Gehabe, und ich glaube, wir beide wussten, dass es eigentlich unnötig und lächerlich und blöd war. Zumindest fühlte ich mich so. Ich war froh, dass er wieder da war, aber ich hasste ihn ein ganz kleines bisschen dafür, dass er Hakuei nicht mal erlaubt hatte, sich von mir zu verabschieden. Und auch dafür, dass er ihm verboten hatte, weiterhin in irgendeinem Kontakt zu mir zu stehen. Es war nicht leicht für uns beide. Ich konnte ihn in gewisser Hinsicht verstehen – er kam nach einem Monat Exil zurück und sein Sohn hatte sich in der Zwischenzeit mit einem seiner Untergebenen vergnügt. Kein Wunder, dass er sauer war. Und dass ich endlich meine sexuelle Orientierung herausgefunden hatte, dürfte ihn wohl nicht leichter getroffen haben. Aber andererseits fühlte ich mich nicht ernstgenommen. In der Zeit, die ich ohne meinen Vater verbracht hatte, war ich erwachsener geworden. Nicht so, dass mich mit einem Mal Vernunft überkommen hatte, aber ich dachte anders über die Dinge nach, die für mich persönlich wichtig waren. Ich ging anders mit ihnen um. Mein Vater versuchte einige Male, mit mir zu reden, setzte sich zu mir und sprach mich an. Meistens tat es mir in der Seele weh, aber ich wies ihn jedes Mal ab. Er wirkte so orientierungslos wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Es war wirklich nicht leicht für ihn, glaube ich. Sanaka und Towa gegenüber zog ich mich ein wenig zurück. Wir drei schienen zu wissen, dass es nur temporär war – zumindest Sanaka und ich auf jeden Fall. Ihm gegenüber hatte ich angedeutet, dass mein Vater jetzt wieder da und Hakuei weg war, und er hatte Verständnis dafür. Towa störte sich nicht allzu sehr daran, dass ich meine normale gute Stimmung verloren hatte, aber das hatte ich ehrlich gesagt auch nicht erwartet. Dass ich trotzdem unter einem ziemlich großen Druck stand, merkte ich erst während des Erdkundetests am Mittwoch. Nachdem mein Nachbar mich etwa drei Mal um mein Radiergummi gebeten und anschließend verzweifelte Hilferufe darauf gekritzelt hatte, regte ich mich dermaßen auf, dass wir beide rausgeschmissen wurden. Ich hatte einfach nicht anders gekonnt, ich war derartig geladen gewesen... offenbar hatte ich meinen gesamten Stress an dem armen Kerl ausgelassen. Na ja, so kam es zumindest, dass ich am Mittwoch gegen halb zwölf mittags durch die Stadt streifte. Ich hatte keinen Nerv dazu, zurück in die Schule zu gehen, und keine Lust, zuhause rumzusitzen. Es war etwas idiotisch, alleine herumzulaufen und nicht einmal Sanaka oder sogar Towa dabei zu haben, aber wahrscheinlich hätte ich ihre Gegenwart auch nicht ertragen. Erst erschnorrte ich mir einen heißen Kakao in einem netten Café und überlegte dann, wo ich noch hingehen könnte. Gerade, als mir auffiel, dass ich ziemlich nah an das ‚Hauptquartier’ des Clans meines Vaters geraten war, fuhr das Auto an mir vorbei, das den gesamten letzten Monat vor meiner Haustür gestanden hatte. Hakueis Auto. Und wie es aussah, saß er sogar drin. Ohne darüber nachzudenken, begann ich zu rennen. Das Auto war natürlich viel schneller, aber wenn er zu diesem Nachtclub oder was auch immer das war fuhr, würde ich ihn trotzdem rechtzeitig erwischen – zu Fuß konnte man eine kleine Abkürzung nehmen. Während ich immer kurzatmiger wurde und langsam Seitenstechen bekam, überlegte ich mir, was Hakuei wohl sagen würde, wenn ich vor ihm stand. Höchstwahrscheinlich würde er mich fragen, weshalb ich nicht in der Schule war. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Gerade, als ich um die Ecke bog, sah ich, wie Hakuei das Hauptquartier (ich konnte diesen Namen immer noch nicht ganz anerkennen) durch die Holztür betrat. Ich hätte rufen können, aber er hätte mich wahrscheinlich nicht gehört. Also wurde ich etwas langsamer, um wieder zu Atem zu kommen. An der Tür angekommen, riss ich sie auf und stolperte in den hell erleuchteten Raum hinein. Schlagartig fiel mir wieder ein, wie ich mich bei meinem letzten Besuch hier gefühlt hatte. Die Lounge wurde offenbar gerade nicht als solche benutzt, deshalb waren überall ungedämpfte Lichter eingeschaltet, die Bar und die Sitzgelegenheiten waren verlassen und die einzigen Anwesenden standen in der Mitte in einem kleinen Kreis zusammen. Und musterten mich halb irritiert, halb misstrauisch. Hakuei war offenbar gerade auf dem Weg zu den anderen gewesen, auf jeden Fall war er in der Mitte (zwischen der Tür und den Anzugträgern) stehen geblieben und starrte mich mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, Entsetzen und Ärger an. Eine Miene, die sich perfekt mit einer einzigen anderen im Raum deckte. Sie gehörte zu einem Anzugträger, und erst auf den zweiten Blick erkannte ich meinen eigenen Vater. Ach du Scheiße. „Hey, bist du nicht der, der letzten Samstag schon mal nach ihm hier gefragt hast?“, sprach einer der dunklen Typen mich skeptisch an und deutete mit dem Kinn auf Hakuei. „Hey, Hakuei, kennst du den Bengel? Er wollte dich unbedingt sprechen.“ Sowohl Hakuei als auch mein Vater waren ungewöhnlich blass. Für einen Moment erwog ich die Möglichkeit, dass mein Vater sich dazu bekannte, dass ich sein Sohn war, und Hakuei sich vor mich warf, die Pistole gezückt, und verkündete, dass er jedem den Schädel wegpustete, der mir auch nur ein Haar krümmen wollte. „Nie gesehen“, riss Hakuei mich trocken aus meinen Fantasien. Seine Stimme klang fest, obwohl er immer noch etwas geschockt wirkte. Kurzerhand stapfte er auf mich zu, packte mich am Schlafittchen und zerrte mich zurück zur Tür. „Lass mich los!“, rief ich und versuchte, mich zu wehren. Selbstverständlich ohne Erfolg, bis auf dass Hakuei mich kräftig in den Nacken kniff. Ich biss die Zähne zusammen, um ein Wimmern zu unterdrücken und ließ mich ergeben bis vor die Tür schleppen. „Ha-chan-“ „Verschwinde!“, fauchte er mich unterdrückt an, in seinem Gesicht nun blanke Wut. „Und wag es dich nicht, noch einmal herzukommen, verstanden?!“ Er schubste mich nach vorne und knallte die Tür hinter mir zu. Ich stand da, die Hände zu Fäusten geballt und erwägend, ob es sich lohnte, gegen die Tür zu treten. Ich blieb standhaft und wandte mich stattdessen ab, ging die Straße entlang. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt. Jetzt wusste mein Vater nicht nur, dass ich von seinem Hauptquartier wusste, sondern auch, dass ich bereits einmal dagewesen war und nach Hakuei gesucht hatte. Und mit ein bisschen Glück erfuhr er dann auch noch, in wessen Namen ich im Herzen seines Clans aufgetaucht war. Als neben mir eine Autotür geöffnet wurde, schenkte ich dem nicht viel Beachtung. Fehler. Keine zwei Sekunden später spürte ich etwas Hartes in meiner Seite und ein dunkel gekleideter Typ raunte mir etwas ins Ohr, das nur ‚einsteigen’ sein konnte. Mein Herz setzte kurz aus. Ich wusste sofort, dass ich gerade eine Pistole wenige Zentimeter von lebenswichtigen Organen hatte und wohl besser das tat, was man mir sagte. So vorsichtig wie möglich setzte ich mich auf den Rücksitz. Der Kerl, der mir die Waffe an die Rippen hielt, setzte sich neben mich und schloss die Tür. Sowohl auf dem Fahrer- als auch auf dem Beifahrersitz saß jeweils ein finster aussehender Typ und betrachtete mich wie ein seltenes Insekt. Ich fühlte mich auch ein bisschen so. „Wie viel weißt du?“, grunzte der Beifahrersitz mich ungehalten an. Du heilige Scheiße. Dass ich nicht ohnmächtig wurde, war aber auch alles. „Was?“, fragte ich äußerst geistesanwesend. „Wie viel du weißt!“, wiederholte der Kerl neben mir und bohrte mir den Lauf seiner Waffe zwischen die Rippen. Nur mit viel Beherrschung unterdrückte ich eine Grimasse. „Wovon reden Sie?“, entgegnete ich und bemerkte nebenbei, dass meine Stimme mehr panisch als verwirrt klang. „Hör mir mal zu, das ist nicht das erste Mal, dass du hier auftauchst!“, schnauzte der Typ auf dem Beifahrersitz mich an, als würde ich ihn gerade verarschen. „Außerdem hängst du mit diesem Bullen rum, da kann nichts Gutes bei rauskommen. Wie heißt du? Wer ist dein Auftraggeber? Hast du irgendwas mit Hakuei zu tun?“ „Ich weiß nichts“, kiekste ich merkte, wie so langsam die Erkenntnis einsank, dass es nur einer kleinen Bewegung bedurfte, um mich ins Reich der Toten zu befördern. Ich hatte eine geladene und offenbar entsicherte Pistole an meiner Seite und keine Möglichkeit zu entkommen. Ach du Scheiße. Ach. Du. Scheiße. Mein Herz klopfte so schnell, dass es mich wunderte, dass es nicht regelrecht aus meiner Brust heraussprang. Herr im Himmel. „Ich habe gehört, du suchst nach ihm, also musst du irgendwas wissen!“, bellte der Beifahrer mich an. Er trug eine nicht sehr unauffällige Sonnenbrille, aber dadurch konnte ich sein Gesicht nicht vollständig erkennen. „Wenn du nicht redest – und das würde ich dir empfehlen, du Pisser –, dann werden wir dafür SORGEN, dass du redest! Wenn du verstehst, was ich meine...“ Zustimmendes Gebrumm von mehreren Seiten. Gerade, als ich beschloss, den ersten Nervenzusammenbruch meines Lebens zu bekommen, klopfte es plötzlich von draußen an die Scheibe. Wer jemals in einem Auto saß und unvorbereitet angeklopft wurde, der wusste, wie sehr man sich dabei erschreckte. Vor allem mit dieser Begleitung. Die Folge war, dass ich aufschrie (allen Ernstes) und daraufhin alle anderen ebenfalls zusammenzuckten. Ich traute mich kaum nachzusehen, wer es war, aber als ich es tat, hätte ich beinahe angefangen zu heulen. „Einen wunderschönen guten Tag wünsche ich“, lächelte Daisuke freundlich, als das betreffende Fenster einen Zentimeter nach unten gefahren war. „Ihr habt doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich mir den Kleinen hier mal ausleihe? Ich brauche ihn nämlich gerade.“ Die nächsten Sekunden nahm ich nur noch verschwommen wahr. Ich stieg irgendwie aus dem Auto aus, schaffte es, neben Daisuke zu seinem Auto zu stapfen und mich auf den Beifahrersitz zu setzen. In dem Moment, in dem er seine Tür zuzog, fing ich an zu zittern. Es war, als hätte ich Schüttelfrost, mit einem Mal spannte sich mein gesamter Körper so derartig heftig an, dass ich überall zu zittern begann. Ich wäre beinahe gestorben. Ich war nur einen Fingerbreit davon entfernt gewesen zu sterben. Ich wäre fast krepiert. Daisuke, der mich zuerst wortlos gemustert hatte, legte mir seine Hand auf den Oberarm. Sämtliche falsche Freundlichkeit, die er vorher den Kerlen geschenkt hatte, war einem vorwurfsvollen Ernst gewichen. „Lay“, sagte er leise. „Es ist alles in Ordnung.“ Und ich, weil ich nun mal so war und es brauchte, klammerte mich an ihn, zwar ziemlich verrenkt, aber das war mir in dem Moment völlig egal. Ich ließ mich von ihm halten, ließ ihn beruhigend über meinen Rücken streichen und hatte mein Gesicht an seiner Schulter vergraben. Er hätte ziemlich viel sagen können, dass es meine eigene Schuld war, dass ich es hätte wissen müssen, dass ich nicht hätte herkommen dürfen, dass es böse ausgegangen wäre und so weiter, aber er schluckte alles herunter. Dafür war ich ihm dankbar. Ich hätte es nicht ertragen – ich machte mir selbst schon genug Vorwürfe. Eine Sache allerdings fiel mir nicht in ihrer Tragweite auf. Ich war bedroht worden, wäre beinahe gestorben, und das etwa fünfzig Meter von dem Ort entfernt, an dem sich sowohl mein Vater als auch Hakuei aufhielten. Und wer war es, der mich rettete? Wer war aufgetaucht, um für mich da zu sein? Niemand anders als Daisuke. Daisuke, der mir bereits geholfen hatte. Daisuke, der dagewesen war, als ich ihn brauchte. Genau das war es, was mich hätte stutzig machen müssen. ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)