Kind der Sirenen von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 8: Schockierend schokoladig und heiß und schwarz -------------------------------------------------------- Als Tailor in die Bahn stieg, sah er nicht nach links oder rechts sondern setzte sich einfach in einen leeren Vierersitzbereich. Es waren nicht besonders viele Leute in der Bahn, aber aus irgendeinem Grund kamen zwei paar schlanker Beine in Röhrenjeans zu ihm rüber und setzten sich zu ihm. Er warf einen kurzen verheulten Blick in die Gesichter und erkannte etwas erschrocken Nellie und Lucy. Er fasste sich ein wenig und seufzte frustriert. "Was wollt ihr?" Es klang schrecklich weinerlich, echt peinlich. Nellie legte eine Hand an seine Schulter und drückte ihn ein bisschen hoch damit sie sein Gesicht besser sah. Sie seufzte. "Selbst wenn du weinst, siehst du noch hübsch aus, das ist nicht fair...was ist los?" Er warf ihnen einen Blick der verächtlichen Sorte zu. "Nennt mir den Grund, warum ich grade euch von meinen Problemen erzählen sollte. Ich will schließlich nicht, dass es morgen die ganze Schule weiß." Lucy verschränkte die Arme. "Du bst undankbar, wir haben die Gerüchte sehr effizient aus der Welt geschafft und außerdem kommt das nicht mehr vor, versprochen." Er funkelte sie an. "Das ist löblich, aber ich sehe trotzdem keinen Grund mich euch anzuvertrauen, ich kenne euch nicht." Das sanftere Mädchen mit den schwarzen, stachelig kurzen Haaren und dem zarten, kleinen Kirschmund lächelte. "Kann man das nicht ändern?" Er sah sie abschätzend an. "Was für einen Grund sollte ich habe mich mit euch abzugeben?" Lucy schaubte. Ihr voller Busen wippte kurz und sie schüttelte ihre langen, goldblondierten Haare aus. "Du verhältst dich grade wie ein überhebliches Aas." Er grinste wohlwollend. "Ich bin ein überhebliches Aas und das mit Stolz." "Dann bist du ein Idiot!" Er lächelte das Mädchen mit der forschen Stimme und dem raschen Mundwerk mit liebenswürdigster Freundlichkeit an. "Es ist der einfachste Weg Leute, die ich nicht mag, von mir fern zu halten." Nellie schien etwas sagen zu wollen aber noch zu zögern. "Heißt das... du magst uns nicht?" Er lehnte sich zurück, die Tränen waren auf seinen Wangen schon fast ganz trocken, die beiden waren eine gute Ablenkung. "Sagen wir, dass euer erster Eindruck und auch der zweite nicht grade großartig waren. Aber zu behaupten. ich würde euch nicht mögen, ist zu viel gesagt, ich würde sagen, dass ihr mir einfach egal seid." Lucy wusste nicht warum, aber von allen Dingen, die Tailor hätte sagen können, hätte sie sicher nichts so verletzt, wie dieser Satz. Sie waren ihm egal. Natürlich, ihr waren viele Menschen auch egal, weil sie ja vollkommene Fremde waren. Trotzdem war einem jemand, den man beim Namen kannte und jeden Tag sah, doch nicht egal! Außerdem sagte man so was einfach nicht. Sie versuchte zu sprechen, aber vor Wut und Schmerz über den Satz war ihr der Hals etwas zugeschnürt. "So etwas zu sagen ist nicht nett." Ihre Stimme klang belegter, als ihr lieb war. "Zu lügen auch nicht." "Trotzdem, sind wir dir wirklich vollkommen egal? Wenn wir sterben würden, dann würde es dich nicht störn?" Er zeigte ein schiefes Grinsen. "Wenn ihr hier und jetzt vor mir sterbt schon, denn dann bin ich recht direkt betroffen, aber wenn ich davon hören würde, wohl nicht. Seid doch froh die Wahrheit gesagt zu bekommen. Ich hasse es, dass Menschen ständig andere Dinge tun, als sie eigentlich tun wollen. Aber weil es jeder macht, bleibt mir nichts übrig, als mitzumachen. Ist doch heuchlerisch, dann sag ich lieber die grausame Wahrheit." "Könnten wir denn dafür sorgen, dass wir in deiner Betrachtung steigen?" "Könnt ihr schon...aber ich verstehe immer noch nicht, warum ihr oder ich darauf aus sein sollten so etwas anzustreben. Wie ihr richtig erkannt habt, bin ich ein überhebliches Aas, und wie ich bereits erwähnte, seid ihr mir egal. Welchen Vorteil würde eine Freundschaft uns beiden verschaffen?" Lucy gab ihm eine Backpfeife. Auf die Seite, auf der auch sein Vater ihn geschlagen hatte, seine noch nicht ganz verheilte Lippe platzte auf und überrascht leckte er sich das Blut ab, das sofort nachfloss. Lucy war erst geschockt, dass sie offenbar fest genug zugeschlagen hatte, damit Tailor blutete, aber dann sah sie mit an, wie er vollkommen gelassen und mit absolut unveränderter Stimme nach einem Taschentuch fragte. Nellie kramte in ihrer Tasche und reichte ihm eins. Er hielt es sich an die Lippe und sah nun Lucy wieder an. Er wirkte weder besonders gekränkt, getroffen oder verletzt noch wütend, sondern einfach verständnislos. Sie hatte Lust gleich noch mal zuzuschlagen. "Erklär dich bitte Lucy, ich nehme nicht an, dass du mich aus einer seltsamen Laune heraus geschlagen hast. Aber ich verstehe es jetzt gerade nicht." Sie konnte seinem klaren forschenden Blick nicht standhalten und sah hinaus auf die Wohnhäuser, die an ihnen vorbeisausten. "Du bist ein Idiot. Freundschaft muss doch nicht immer Vorteile haben. Mit manchen Leuten freundet man sich einfach nur an, weil man sie näher kennen lernen will und nett findet. Jemand, der aus allem Profit schlagen will, von jeder Freundschaft etwas erwartet, der hat wahrscheinlich gar keine richtigen Freunde und er ist auch niemandem ein wahrer Freund. Wenn du das nicht verstehst, dann ist das nicht nur traurig, sondern wirklich erbärmlich." Er sah sie noch eine Weile an, dann lachte er. Sie war so verdutzt, dass sie ihren Blick wieder ihm zuwandte und nicht wusste, was sie sagen sollte. Er brauchte eine Weile, um sich wieder einzukriegen, dann wischte er sich die neuerlichen Tränen, diesmal Lachtränen, aus den Augen. Nun war sein Blick verstehend und überraschend herzlich, er lächelte sogar. "Danke." "Wofür?" Er seufzte und sah nach draußen. "Wollen wir uns irgendwo rein setzen? Ich kenne ein herrliches 24h-Café eine Station weiter." Die Mädchen wirkten verwirrt, nickten aber. Sie stiegen aus und tatsächlich gab es direkt gegenüber der Haltestelle ein hübsches kleines Café, das noch geöffnet hatte, dabei waren sie mitten im Außenbezirk. Sie traten hinein und die Kellnerin zwinkerte Tailor zu, als sie ihn erblickte. "Einen Moment, bin gleich bei euch." Er nickte und sah sich um. "Heute ist es nicht so voll wie sonst, wollt ihr da ans Fenster?" Sie nickten und setzten sich in die Sitznische. Immer noch verblüfft sahen die Mädchen sich um. Das Café hatte sechs Vierertischnischen und eine war besetzt mit vier Businessdamen, die manierlich ihren Latte tranken und Kekse mümmelten, während sie herumtratschten und sich über Gott und die Welt ausließen. Die gesamte Seite zur Straße war verglast und zeigte die Bahnhaltestelle und den daneben liegenden Nebenarm des Hauptflusses, der diese Stadt in West und Ost aufteilte. Auf dem Tisch standen frisch geschnittene rote Tulpen mit weißer Musterung und dazu Holunderbeeren. "Nett" sagten sie einmütig und Tailor lächelte wissend. "So kann man es ausdrücken, da kommt Madeleine ja wieder, hi Maddy." Die hübsche, junge, füllige, wohlproportionierte Frau grinste kurz und zwickte ihm in die Wange. "Mein süßer kleiner Hasi, habe ich dir nicht verboten hier so spät aufzutauchen? Vernünftige Bübchen liegen dann schon lange im Bett." Er grinste sie dreist an. "Deine Chefin hat gesagt, solange ich zahle ist es besser ich bin hier als da draußen, und außerdem bin ich kein Bübchen mehr, sondern ein Mann." Maddy stemmte die Hände in die ausladenden Hüften und betonte so ihre Sanduhrfigur. "Erzähl mir das noch mal, wenn du keine Jungfrau mehr bist." Lucy hätte beinah der Schlag getroffen. "DU bist Jungfrau?!?" Tailor blieb ruhig und lehnte sich gelassen zurück. "Das letzte Mal, als Maddy und ich uns gesehen haben, war ich es noch, ja." Die Kellnerin sah ihn forschend an und pikste ihn dann in die Wange. "Du kleiner Lausbub, was willst du mir grade durch die Blume sagen, hm? Sag bloß du hast es endlich zu einem Mann gebracht und dir eine Freundin angelacht?" Er lachte und zwinkerte ihr nur kurz zu. "Setz dich doch zu uns, vielleicht erzähl ich‘s dir dann." Sie zögerte und sah zu den Tratschtanten hinüber, dann stahl sich ein verschmitztes Lächeln auf ihr Gesicht. "Was wollt ihr?" "Das übliche und für die beiden ein SchokoSchock." Maddy sah die Mädchen an und hob eine Augenbraue. "Bist du sicher? Den schaffen die beiden Bohnenstangen doch niemals." "Ich meinte ja auch einen für beide zusammen, Maddy." Sie schmunzelte und nickte "Wie eure Majestät wünschen." Tailor blickte hoheitsvoll, aber etwas übertrieben und sagte näselnd: "Es sei ihr gestattet sich zu entfernen, aber spute sie sich." Sie knickste albern und spöttisch, aber dann rauschte sie mit einem "Ich eile, ich fliege" davon. Lucy und Nellie sahen ihn immer noch verblüfft an. Er warf ihnen einen Blick zu. "Was denn? Was guckt ihr so?" "Du erzählst uns drei gleich, wie du deine Unschuld verloren hast?" Hauchte Nellie etwas verstört. "Du hattest erst vor kurzem dein erstes Mal?" Meinte Lucy etwas ungehalten und ungläubig. Der Junge drehte den gläsernen Aschenbecher auf dem Tisch zwischen seinen Fingern und nickte. "Nun, wenn ihr es nicht hören wollt, vorhin hat euch noch interessiert, warum ich geweint habe, ich muss es euch nicht erzählen. Und ob du es glaubst oder nicht Lucy, bis vor kurzem hat mich Sex noch ganz und gar kalt gelassen, wirklich." Die Mädchen schwiegen nachdenklich bis die rotblonde, pauswangige Frau zurückkehrte mit einem Tablett, auf dem drei Tassen standen. "Sooo, eine heiße weiße Schokolade, Vanille, Zimt und Nelke und ein SchokoSchock." "Ist das hier etwa ein Laden mit Schokoladenspezialitäten?" Maddy nickte und lächelte beinah mütterlich. "Mein Tantchen Rosie ist die Chefin, sie hat eigentlich Patissier gelernt, wollte aber schon immer so ein Café hier machen. Und da es etwas Besonderes ist, ist es auch fast immer gut besucht, selbst nachts. Deshalb arbeiten durchgehend ein oder zwei hier. Also Tai, jetzt aber raus mit der Sprache, was ist passiert und warum machst du so ein Geheimnis daraus?" Er nippte an seiner Exzentrikerschokolade und seufzte beinah orgasmisch. "Ich bin keine Jungfrau mehr. Ich hatte Sex, so weit ist das richtig. Aber es war kein Mädchen, wie du vermutet hast. Die Person war älter als ich, um genau zu sein 25." Maddy schien überrascht. "Welche vernünftige 25-jährige Frau lässt sich auf einen Schuljungen ein?" Tailor grinste. "Ich nehme an, auch da gäb es mehrere, aber in diesem Fall ist die Person weder vernünftig, noch eine Frau. Denn offenbar bin ich schwul." Maddy verschluckte sich ein bisschen an ihrem ordinären Kaffee. "Wo kommt das denn auf einmal her? Bist du sicher? Ich meine, wenn es dein erstes Mal war, dann kann es doch auch sein, dass du bi bist." Sie versuchte ihre Überraschung zu überspielen, ganz anders als Nellie und Lucy, die zwischen ungläubig und fasziniert zu schwanken schienen. "Nun, das hätte ich vielleicht in Erwägung gezogen. Das Problem ist nur jener Mann. Ich weiß mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit, dass ich mich in ihn verliebt habe, und es gibt nicht viel Hoffnung für uns. Er versteht nichts von Gefühlen und will es glaube ich auch nicht. Ich habe ihn heute unerwartet in einem Club getroffen und das hat mich ziemlich fertiggemacht." Er wand sich an seine Schulkameradinnen. "Deshalb saß ich eben in der Bahn und habe geheult. Dieser Mann, er weiß es nicht, aber er hat mir sehr wehgetan und ich kann es ihm nicht vorwerfen. Und deshalb danke ich dir Lucy, denn das, was du gesagt hast, stimmt, ich war nur traurig und wütend und auf Streit aus, es tut mir leid, ich wollte euch nicht vor den Kopf stoßen, nicht wirklich." Lucy nickte langsam, aber etwas abwesend, und Nellie legte ihre Hand auf seine. "Ist schon ok, dass du wütend bist, ist denke ich verständlich, ich für meinen Teil nehme es dir nicht übel." Sie stieß Lucy mit dem Ellenbogen an, die grade forschend an ihrer Tasse geschnuppert hatte und nun ganz benebelt wirkte. Sie schreckte auf. "Was? Äh...ach ja, vergeben und vergessen, was ist das?" Sie deutete auf die Tasse, doch Tailor und Maddy bedeuteten ihr nur, es mal zu probieren. Die Mädchen betrachteten die zwei Strohhalme skeptisch und probierten dann doch. Ihre Gesichter waren ein Wechselspiel von Empfindungen. Überraschung, Skepsis, Faszination, Genuss, Ekstase und dann Gier und Scheu. Sie hatten nur einen Schluck getrunken, aber Tailor konnte ihre Reaktion verstehen. Der SchokoSchock war ein wortwörtlicher Schock. Es war Maddys ureigendste Kreation, für die ihr Tantchen Rosie sehr stolz auf ihre Nichte war. "Was zur Hölle ist das!" Brachte Lucy in ihrer forschen Art heraus. Nellie leckte sich noch die Lippen. "So stelle ich mir Nektar und Ambrosia vor." Maddy lächelte stolz. "Es ist natürlich eine Geheimmischung, aber wie ihr sicher erkannt habt, ist Orangeneis drin. Man würde es gar nicht vermuten, aber die Orangen geben dem SchokoSchock die nötige fruchtige Note, um nicht zu schokoladig zu sein. Ein wichtiger Teil ist meine Spezialmischung aus leicht orientalischen Gewürzen, die ihm diese sinnliche, beinah mystisch anmutende Note verleiht. Natürlich ist auch einfache geschmolzene Schokolade darin, ein kleiner Schuss Rum, wirklich minimal, und ein selbst kreierter Sirup, dessen Zusammensetzung außer mir niemand jemals zu sehen bekommen hat, nicht einmal mein Tantchen. Alles verfeinert mit einer Haube aus vanillearomatischer Sahne mit Zimt." Sie blickten auf die normalgroße Tasse und wirkten erstaunt, dass so ein Wunder möglich war. Tailor grinste immer noch. "Wenn ihr es nicht leer trinken könnt, müsst ihr euch nicht schämen, das schaffen die wenigsten. Allerdings trinken die meisten daran auch nicht zu zweit." Lucy sah ihn an und selbst in Nellies Augen funkelte es. Sie nahmen noch einen Schluck. Sie versuchten direkt einen weiteren zu nehmen, aber die irre Geschmacksexplosion machte es einfach unmöglich nicht wenigstens kurz eine Pause einzulegen. Langsam lockerte sich die seltsame Stimmung und die vier begannen ein oberflächlicheres Thema, das es ihnen leichter machte einander kennenzulernen. Irgendwann lehnte Tailor mit dem Kopf an Maddys Schulter und sah die beiden Mädchen an. "Wie kommt es eigentlich, dass ihr noch so spät unterwegs seid?" Sie sahen sich zögernd an und wurden rot. "Wir haben von diesem Club gehört gehabt, das >Red Cross< und irgendwie klang es gut, also haben wir uns beide von zu Hause davongeschlichen und haben uns getroffen, um uns das mal anzusehen." Der Junge schmunzelte "Ich habe euch nicht für Partygänger gehalten." Nellie schüttelte den Kopf. "Sind wir auch nicht, dieser Club hat meine Meinung dahingehend bestätigt, es ist zu laut und es riecht auch nicht so besonders toll, und ständig wird man mit vollkommen fremden Menschen zusammengepresst, weil es zu voll ist." Lucy zögerte. "Ich fand‘s ganz lustig, aber ich befürchte zu Nellies Gunsten werde ich in nächster Zeit auf solche Ausflüge verzichten, alleine macht das keinen Spaß." Nachdem Marcel geendet hatte, war Louis aufgestanden und hatte sich seine Jacke geschnappt, bevor er die Tür hinter sich zugeknallt hatte. Ethan sah seinem Bruder vollkommen ungläubig hinterher. "Ich habe ihn nicht mehr so emotional gesehen, seit Yolanda Privour ihm in der fünften Klasse den Pferdeschwanz abgeschnitten hat..." Marcel war beinah nach Lachen zu Mute, aber eigentlich war das alles wirklich zum Heulen. "Louis hatte mal einen Pferdeschwanz?" "Wir beide hatten einen, wir haben es geliebt gleich auszusehen. Deshalb habe ich mir auch die Haare schneiden lassen, als Yolanda ihm das angetan hatte...aber das ist schon eine ganze Weile her. Naja, bald erfahre ich ja, was aus ihr geworden ist." "Bald?" Ethan grinste und nickte. "Zehnjähriges Klassentreffen. Gezählt wird ab der letzten Klasse der Mittelschule. Louis und ich haben sie mit 16 abgeschlossen, aber ich bin mir nicht sicher, ob er dort hingehen wird. Ich dagegen lasse mir das mit Sicherheit nicht entgehen." Marcel seufzte. "Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich auf ein Klassentreffen Wert legen würde, um ehrlich zu sein, die Leute aus meiner Mittelschule waren ziemliche Idioten, die meisten sind es wahrscheinlich noch immer." Ethan schmunzelte und stand auf, um sich einen Tee zu machen. "Willst du auch einen?" "Gerne." "Schwarz?" "Och...ja." "Darjeeling, Ceylon oder etwas Exotischeres?" "Gibt es da Unterschiede?" Ethan schmunzelte "Einige, soll ich dir einfach den gleichen machen, wie mir?" "Ja, mach mal, Tee ist doch eigentlich Tee..." Ethan goss das dampfende Wasser in die Einzelstücktassen, die aus einer alten Porzellangießerei stammten, wie Ethan erzählte, und schmunzelte erneut. "Du hast Unrecht, Tee ist ganz und gar nicht gleich Tee. Man Unterscheidet natürlich zwischen schwarzem, grünem und roten Tee und noch einigen anderen, aber auch bei den einzelnen Teesorten gibt es starke Variierungen. So zum Beispiel Earl Grey, der kein ordinärer schwarzer Tee ist, sondern mit Bergamotte aromatisiert wird. Es gibt aber auch künstliche Aromen wie Kirsche oder Vanille... Unabhängig davon ist ein schwarzer Tee in Farbe und Geschmack und Ziehdauer unterschiedlich, je nachdem aus welcher Gegend er kommt und wie er vorbereitet wird. Ein chinesischer Oolong schmeckt vollkommen anders als ein nordindischer Assam." Marcel interessierte das eigentlich gar nicht so richtig, aber doch prägten sich die Worte des Älteren wie unauslöschliche Flammen in seinen Kopf, als müsse man ihnen eine hohe Bedeutung beimessen. "Du kennst dich mit Tee wohl aus." Ethan lächelte. "Louis ist darin bewanderter als ich, aber wir haben uns beide damit beschäftigt, es ist ein interessantes Thema, auch wenn es für dich nicht so klingen mag." "Du hast Recht, es klingt nicht sonderlich interessant, aber ich nehme an, es kann auch nicht jeder nachempfinden, was ich fürs Kajakfahren übrig habe." "Kajak...das erklärt, woher du diese Muskeln hast, ich habe mir auch eigentlich nicht so richtig vorstellen können, dass du Pumpen gehst." Der Braunhaarige wirkte etwas verunsichert. "So übertrieben sind meine Muskeln jetzt wirklich nicht, das ist nur natürliches Training, keine Anabolika oder irgendwas in die Richtung." Ethan lächelte. "Davon ging ich auch nicht aus. Ich stehe eigentlich mehr auf Männer, die schlank gebaut sind, naja Tailor ist mir schon beinah zu dünn. Aber ich muss zugeben, auf eine ungewohnte Art finde ich dich sehr anziehend. Du erinnerst mich an das Bild eines Künstlers, das ich, als ich ungefähr 18 war, in meinem Zimmer hängen hatte. Es stellte Pan dar, einen zugegeben sehr erotisch dargestellten Pan. Er hatte eine wilde Schönheit." Marcel war etwas rot angelaufen. "Ich nehm an, das sollte ein Kompliment sein..." Der Ältere sah ihn ernst an "Unbedingt. Ich hätte das Bild nicht in meinem Zimmer gehabt, wenn ich es nicht schön gefunden hätte. Ich frage mich grade, ob du meine Erwartungen erfüllen würdest. Du musst wissen, es ist nicht so, dass ich es nicht durchaus genießen würde den femininen Part zu übernehmen, ich bin nur offensichtlich nicht leicht zufrieden zu stellen." Jetzt war der Jüngere tatsächlich errötet. "Wie bringst du so etwas so leicht über die Lippen?" Sein Gegenüber blieb gelassen. "Erfahrung. Und ich nehme an, dass ich dich so vielleicht doch noch dazu kriege, heute Nacht deine Unschuld zu verlieren, du scheinst die Wahrheit zu bevorzugen." Marcel musste schlucken. "Ja, ich bevorzuge die Wahrheit." "Gut, dann sag ich es auch ganz offen. Ich würde mir wünschen, dass wir miteinander schlafen, vielleicht auch mehr als das. Was ist mit dir?" Was sollte er nur antworten? Heute war so viel passiert. Obwohl dies eigentlich sein Abend hätte werden sollen, war es doch irgendwie wieder so gekommen, dass Tailor im Vordergrund stand. Nur weil Louis es durchkreuzt hatte. Ungewollt hatten er und Ethan sich heute mehr voneinander preisgegeben, als sie sonst wahrscheinlich getan hätten, aber sie waren mal wieder nur die Randfiguren gewesen. Vielleicht war es an der Zeit mal die Hauptrolle zu spielen. "Wann heiratest du?" Ethan schien diese Gegenfrage nicht kommen gesehen zu haben und verzog ernüchtert das Gesicht. "Nächsten Sonntag in drei Wochen." "Gut, drei Wochen für uns, um zu entscheiden. In der ersten werden wir uns nur verabreden, jeder von uns muss mindestens ein Date planen, keine Küsse, kein Rumgefummel, bloß wir beide vollkommen fixiert auf den Charakter und die Seele des anderen. Wenn das klappt, dann sehen wir weiter. Wenn wir das Ganze nicht abgebrochen haben, bevor die drei Wochen um sind, dann fällen wir eine Entscheidung." Der Schwarzhaarige wirkte nachdenklich. "Oje, du gehst da ganz schön rational ran..." "Ich möchte nicht verletzt werden." Ethan konnte Marcel einen tiefsitzenden Schmerz nachfühlen, er wusste offenbar, wie es war, von jemandem, den man wirklich sehr liebte, zurückgewiesen zu werden. Aber er war skeptisch, ob so eine Vereinbarung funktionieren konnte, er hatte das jedenfalls noch nie so ausprobiert... Allerdings konnte er sich selbst nicht als Beispiel anführen, all seine Beziehungen bisher waren in die Brüche gegangen und zwar ziemlich schnell. Vielleicht war es gerade aus diesem Grund gut etwas anderes auszuprobieren und die Gefühlsebene anders als sonst vor der körperlichen Ebene aufzubauen. "So soll es sein." Sein Lächeln war warm. "Bleibst du trotzdem hier?" "Ich denke schon." "Willst du bei mir im Bett schlafen?" Marcel wurde rot und nickte vorsichtig. So tranken sie schweigend ihren Tee aus und weiterhin ohne unnötige Worte gingen sie ins Gästezimmer, zogen sich bis auf die Unterwäsche aus und legten sich ins Bett. Ethan war überrascht, wie kribbelig er sich fühlte, bloß weil Marcel zögerlich ihre Hände ineinander verschränkte und sie sich mit einem Seufzen auf die Brust legte. So war er gezwungen den Kopf leicht auf die Brust des größeren zu legen und seinem aufgeregten, aber sich langsam beruhigenden Herzschlag zu lauschen. Er war hin- und hergerissen die Stimmung zu zerstören und doch über ihn herzufallen, oder es so zu lassen, wie es grade war. Ruhig, sanft, vertraut und irgendwie unglaublich liebevoll. Sich selbst besänftigend schloss er die Augen und merkte, wie sein Herz, das ebenfalls aufgeregt gehämmert hatte, sich im gleichen Maße wie Marcels beruhigte und mit ihm im Einklang schlug. Warum nur hatte er bis grade nicht gewusst, wie fantastisch es war, einfach nur nebeneinander zu liegen? Marcel strich ihm mit der anderen Hand kurz durch die Haare. "Du solltest auch versuchen zu schlafen, wenn du mit mir zusammen sein willst, dann wirst du dich an so etwas gewöhnen." Die Stimme klang so leise gehaucht ganz rau und angenehm brummend. Ethan drückte die Hand etwas fester und schloss die Augen erneut, um den Schlaf kommen zu lassen. Am Rande fragte er sich, woher Marcel gewusst hatte, was in ihm vorging, aber so wichtig war das grade nicht. Nicht jetzt, wo alles so wunderbar warm und geborgen war. __________________________ Ja, da haben wir ein Pärchen mit dem es nicht direkt "Boom" macht...^^ Ich freue mich so, dass so viele diese FF lesen ich bin ganz hibbelibbelig! Und als Dankeschön hab ich auch was für euch *SchokoSckocks für jeden hinstell* Na, wer bekommt seinen auf? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)