The darkest thrill von Porzellan_Puppe (NaruSasu) ================================================================================ Kapitel 1: London calling ------------------------- Es ist ein tolles Gefühl, aus dem Zug zu steigen, tief die Londoner Stadtluft einzuatmen und zu wissen, dass man jetzt einen ganz neuen Abschnitt seines Lebens beginnt, der alles vorige in den Schatten stellt. So hab ich mir das zumindest überlegt. In Wirklichkeit war es nur Gedrängel und Hektik und allgemeine Reizbarkeit, weil mir irgendein Trottel seinen Koffer auf den Fuß fallen lassen hat. Auch auf dem Bahnsteig ging es so weiter, ich bin stehen geblieben und hab mich nach meinem Onkel umgesehen, der versprochen hatte, mich abzuholen, und das hat wohl jede zweite Person als Aufforderung verstanden, mich im Vorbeigehen anzurempeln. Aber das hat meine Laune nur ein bisschen getrübt, wirklich, um mir die Vorfreude in dem Moment zu nehmen, hätte es schon einen Nuklearangriff gebraucht oder etwas in der Größenordnung. Ich bin zwar nicht zum ersten Mal in London, aber vorher war es als Tourist und das macht einen großen Unterschied. Jetzt ist es mein Zuhause, meine Wahlheimat. Oder das soll es zumindest werden. Ich bin dieses Jahr mit der Schule fertig geworden und hab verzweifelt versucht, in irgendein Musikprogramm reinzukommen, aber jede Uni hat mich abgewiesen. Irgendwie war das auch logisch; in der Schule war ich nie besonders gut und meine musikalischen Kompetenzen haben bei vier Gitarrenakkorden aufgehört. Aber damals wollte ich das nicht sehen und war furchtbar wütend. Es war vielleicht auch keine gute Idee, sich ausschließlich bei renommierten Hochschulen zu bewerben, aber auch das ist mir erst Mitte April klar geworden, als ich die Absage von der Royal Academy of Music in der Hand gehalten habe. Und da wurde es dann langsam deutlich, dass ich mich, obwohl ich meine Abschlussprüfungen noch nicht mal abgelegt hatte, zumindest für das Wintersemester wohl nach etwas anderem umschauen musste. Tröpfchenweise sind dann auch die Ablehnungen der anderen Universitäten angekommen und nicht ein einziges Mal wollten die mich auch nur für ein Vorspiel einladen. Sowas ist frustrierend. Dabei waren meine A-Levels am Ende gar nicht mal so schlecht, in Sport hatte ich immerhin ein B, nur Musik und Literatur waren nicht so gut. Ein halbes Jahr nur zu Hause rumzusitzen, ist nie infrage gekommen. Ich bin in einer langweiligen, mittelgroßen Ortschaft irgendwo in Dorset aufgewachsen und wollte schon als Kind so bald wie möglich weg von dort. Also habe ich beschlossen, nach London zu gehen, um ein bisschen zu arbeiten und zu leben und mich einfach in einem halben Jahr nochmal zu bewerben. Meine Eltern hatten keine Einwände, haben dafür vorgeschlagen, bei meinem Onkel Jiraiya zu wohnen, weil die Mieten so teuer sind. Jiraiya schreibt. Zeitungsartikel, die niemanden interessieren, als freier Journalist oder Groschenromane, die niemand liest, als Schriftsteller. Irgendwo nimmt er trotzdem sein Geld her—er schwimmt nicht darin, aber es reicht aus, um so wenig wie möglich zu arbeiten und stattdessen den ganzen Tag mit irgendwelchen Recherchen zu verbringen. Das ist eigentlich eine angenehme Art zu leben, vielleicht nur etwas unspektakulär auf Dauer. Wenn das mit der Musik nicht klappen sollte, versuche ich einfach mein Glück als Autor. Es dauert nicht lange, dann entdecke ich endlich ein bekanntes Gesicht in der Menschenmasse und rennen erleichtert winkend auf ihn zu, so gut das mit einem Koffer im Schlepptau geht. Jiraiya begrüßt mich, sieht sogar ernsthaft froh aus, mich zu sehen. Er führt mich aus dem Bahnhof, zu seinem Auto, das irgendwo in einer Seitenstraße parkt. Die Fahrt dauert ein bisschen, weil der Verkehr in der City so stockend ist, aber es wird nach einer Weile besser. Jiraiya wohnt ein ganzes Stück abseits der Innenstadt, allerdings nicht weit genug, dass die Gegend ihren urbanen Charakter verliert. Haus reiht sich an Haus, meistens aus Backstein und nicht allzu groß. Man kann die einzelnen Häuser nur an der Nummer erkennen, denn links und rechts und gegenüber erstrecken sich exakte Replikate, die ganze Straße entlang. Aber ich war schon oft genug hier, um mich einigermaßen zurecht zu finden. Wir halten irgendwo in der ungefähren Mitte der Straße an, vor einem Haus mit kitschigen Plastikflamingos im Vorgarten, aber das ist nicht Jiraiyas, sondern das seiner Nachbarin, einer alten exzentrischen Frau, die mich früher immer in die Wangen gekniffen hat, wenn ich zu Besuch war. Ich habe mir vorgenommen, ihr so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Jiraiya schließt schonmal die Tür auf, während ich meinen Koffer aus dem Auto hebe und ihn hinter mir herzerre. Der Flur sieht genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hab, und der Rest des Hauses wahrscheinlich auch, so groß ist es ja nicht. Ich bekomme ein eigenes Zimmer im ersten Stock, das vor vielen vielen Jahren vielleicht einmal für den Nachwuchs geplant war, bevor sich Jiraiya nach einer Hand voll unbeständiger Beziehungen für ein ewiges Dasein als Single entschieden hat. Dementsprechend spärlich ist es auch eingerichtet; es gibt ein schmales Einzelbett mit nichtssagender hellblauer Bettwäsche und Ikea-Nachttisch daneben, in der Ecke gegenüber steht ein kleiner Kleiderschrank aus Holz. Es ist nicht sonderlich hell, weil es nur ein Fenster gibt und das nicht besonders groß ist, aber das reicht aus. "Dann lass ich dich mal auspacken. Ich bin unten, wenn du was brauchst", verkündet Jiraiya, bevor er die Tür hinter sich schließt und die Treppe runter geht. Ich werfe meinen Koffer auf das Bett, das beängstigend quietscht, und fange an, mich in dem Zimmer ein bisschen einzurichten, schließlich wird das hier mein neues Zuhause für die nächsten Jahre sein. Bis ich genug Geld für eine eigene Wohnung hab, auf jeden Fall, und das kann noch dauern. In den nächsten Tagen führt mich Jiraiya ein bisschen in der Gegend herum, nimmt mich mit in seinen Stammpub und gibt mir Tipps, wo man hier die schönsten Mädchen antreffen kann. In ein paar Monaten werde ich nicht mehr einen Sicherheits-Stadtplan in meiner Jackentasche herumtragen müssen und auf diesen glorreichen Tag freue ich mich jetzt schon. Immerhin weiß ich, wie ich mit der U-Bahn am schnellsten in die City komme, auch wenn ich da nur halb so oft bin, wie ich eigentlich gerne wäre. Die goldene Zukunft, von der ich geträumt habe, ist zwar noch nicht zu sehen, aber manchmal glitzert es an der ein oder anderen Ecke. Manchmal sieht aber auch alles schrecklich düster aus und dann frage ich mich, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, zu Hause geblieben zu sein, wo ich Freunde und Familie hab. Denn es ist nicht einfach, in einer so großen Stadt Leute kennen zu lernen, wenn man weder Job noch Studienplatz hat und eigentlich nirgendwo wirklich hingehört. Aber Freunde zu finden, ist mir nie schwer gefallen, und so hab ich mich zu einer In-Diskothek aufgemacht, von der ich mal gelesen hatte, nur, um die halbe Nacht in der Schlange zu stehen und dann nicht reingelassen zu werden. Daraus hab ich aber gelernt und gehe am nächsten Tag stattdessen in eine einfache Bar, die mich auf meinem Weg durch die Innenstadt angelacht hat. Die Einrichtung ist modern, die Atmosphäre ein bisschen kühl und ich schaue mich nach einem Platz um, wo ich mich hinsetzen kann. Ein Mädchen sitzt alleine an einem Tisch und spielt gelangweilt mit ihren Haaren, die rosa sind aus irgendeinem Grund. Unfall beim Färben, wahrscheinlich, aber ich werde sie besser nicht darauf ansprechen. Stattdessen gehe ich zu ihr hin, frage, ob der Platz an dem Tisch frei ist, und nachdem sie lächelt und einmal kurz nickt, ob ich mich zu ihr setzen darf. "Natürlich. Gesellschaft wäre schön." Sie ist sehr hübsch, auf klassische Weise, mit blasser Haut, herzförmigem Gesicht, großen grünen Augen und vollen Lippen. Ein paar Sekunden schauen wir uns schweigend an, aber das wird schnell komisch und sie sieht nicht so aus, als würde sie von sich aus anfangen zu reden. "Wieso sitzt du allein?", frage ich deshalb, weil ich wirklich keine Ahnung habe, was jemand wie sie allein in einer Bar macht. "Ich hab mich eigentlich mit einem Freund hier verabredet, aber er hat abgesagt." "Oh." "Naja, passiert", antwortet sie schulterzuckend und zwirbelt eine rosa Haarsträhne zwischen ihren Fingern, die rot lackiert sind. Dann herrscht wieder Stille. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass sie gar keine Lust auf eine Konversation hat. Vielleicht mag sie ja was trinken, vor ihr steht jedenfalls noch kein Glas. Sie sieht jung aus, jünger als ich, wenn auch nicht viel, aber definitiv nicht alt genug, um sich Alkohol kaufen zu können, ohne nach dem Ausweis gefragt zu werden. "Ich geh mir kurz was zu trinken holen. Willst du auch was?" "Oh ja, gerne, einen Cosmopolitan, bitte." Sie lächelt mich an und davon beflügelt eile ich an die Bar, um wenig später mit ihrem Cocktail in der Hand und einen Longdrink für mich zurückzukehren, die ich beide auf den Tisch stelle. "Wieviel kriegst du?" Ich bin noch dabei, mich wieder hinzusetzen, als sie zu ihrer Handtasche greift und das Portemonnaie rausholt, aber ich schüttle den Kopf. "Nein, nein, das geht auf mich, ich hab dich eingeladen." “Oh. Dankeschön.“ Sie antwortet mit einem süßen Lächeln, für das ich jederzeit wieder £7 ausgeben würde, und mein Herz klopft. Ich glaube, ich habe mich ein kleines bisschen in sie verliebt. Oder zumindest in ihr Lächeln. Denn eigentlich hat sie ja kaum gesprochen. "Erzähl mir was über dich", verlange ich nach einer Pause. Sie schaut überrascht, denkt nach und nimmt einen Schluck von der rötlichen Flüssigkeit in ihrem Glas. "Ich bin Schauspielerin." "Wirklich?" "Nein, eigentlich nicht. Ich hab nur mal als Statist in einem B-Film mitgespielt. Aber wenn ich mit der Schule fertig bin, geh ich auf eine Schauspielakademie und in ein paar Jahren kannst du mich dann auf Kinoleinwänden bewundern oder zumindest in irgendeinem Theater im West End." "Wow, das ist cool. Du hast bestimmt Talent. Ich bin mir sicher, dass du irgendwann richtig berühmt wirst!" Sie lächelt wieder als Antwort und ich erzähle ihr von meinem Traum, eine Band zu gründen und meinen Lebensunterhalt damit zu finanzieren. Wir reden noch ein bisschen weiter, das Gespräch stockt nicht mehr so oft und mit jedem Schluck von ihrem Cosmopolitan wird sie redefreudiger. Die Zeit vergeht sehr schnell, ich kaufe ihr irgendwann noch einen zweiten Drink und kann beobachten, wie ihre Wangen im Laufe des Abends immer röter werden. Es ist kurz vor Zwölf, als sie auf ihre Armbanduhr schaut und seufzt. "So spät schon? Nochmal danke für die Drinks." Sie winkt mit dem Glas, bevor sie den Rest in einem Zug austrinkt und mich anlächelt. "Aber ich muss jetzt gehen, bin noch nicht volljährig." Damit steht sie auf und geht. Wie Cinderella, ein bisschen, um Mitternacht muss sie zu Hause sein. Keine zwei Minuten, nachdem sie die Bar verlassen hat, fällt mir auf, dass ich nicht einmal ihren Namen kenne, und ärgere mich. Nach ihrer Handynummer zu fragen, habe ich auch vergessen. Irgendwie glaube ich nicht, dass ich sie noch mal wieder sehen werde, und auf dem Weg nach Draußen hat sie sicher keinen Schuh verloren. Weil ich keinen Grund mehr sehe zu bleiben, mache ich mich auch auf den Heimweg, ein bisschen enttäuscht und frustriert. Die Straßen sind noch immer belebt und man merkt gar nicht, dass es schon spät ist, zumindest hier in der City. Auch die U-Bahn-Station ist voller Menschen, die entweder nach Hause wollen oder für die der Abend gerade erst beginnt, übermüdete Banker, betrunkene Jugendliche, bettelnde Obdachlose. Da, wo ich herkomme, fahren um diese Zeit überhaupt keine Bahnen mehr. Ich denke, manche Städte können dich aufessen. Da herrscht diese ganze Anonymität—du bist ständig umgeben von Menschen, aber niemand kennt dich wirklich. Und am schlimmsten ist, niemand will dich überhaupt kennen. Es ist ziemlich ironisch. 4800 Menschen pro Quadratkilometer und du kannst trotzdem die einsamste Person auf der Welt sein. Ich meine, ich lebe jetzt schon seit zwei Wochen hier und kenne nicht einen einzigen Namen. Das ist irgendwie niederschlagend. Die nächsten Tage sind sehr ruhig verlaufen. Ich kann nicht ständig ausgehen, dafür hab ich kein Geld, deshalb verbringe ich die meiste Zeit alleine zu Hause, manchmal leistet mir Jiraiya ein bisschen Gesellschaft. Aber oft ist auch er nicht da, weil er für seine Romane recherchieren muss oder wie auch immer er es nennt, wenn er durch die Stadt zieht und versucht, irgendwelche Frauen aufzureißen. Darin ist er aber erfolgreicher als ich und das ist ein bisschen frustrierend. So sind mir die Tage zunehmend grauer vorgekommen und schrecklich eintönig, ohne Hochs oder Tiefs oder überhaupt irgendetwas, das einem im Gedächtnis hängen bleibt. Und dann habe ich Sasuke getroffen und alles ist bergab gegangen. --------- Das Kapitel ist ein bisschen kurz geraten und ich mags persönlich nicht so arg, aber ich bin auch gerade mitten im Abi lernen & schreiben, also sei mir das verziehen. :O Das nächste ist dafür schon so gut wie fertig und da passiert dann auch ein bisschen was. Btw, es werden immer mal wieder Kapitel in der Ich-Perspektive auftauchen, aber eher selten und vereinzelt und von verschiedenen Charakteren, weil ich mich am Anfang nicht einigen konnte, in welcher Perspektive ich schreiben soll und deshalb hab ich ganz viele Schnipsel in der ersten Person. Stört hoffentlich nicht. :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)