Mick St. John's - Life before - von abgemeldet (Moonlight) ================================================================================ Kapitel 10: 20. Januar 1945 - Battle of the bulge -------------------------------------------------- 20. Januar 1945  - Battle of the bulge Es war der schlimmste Winter, seit Menschen gedenken. Für Mick bedeutete das die wohl mitunter schwerste Zeit seines Lebens. Seit er wieder bei den amerikanischen Truppen war, träumte er nicht nur Nacht für Nacht von einer besonderen Frau, nein, er musste sich auch mit dem Tod prügeln. Erneut. Mick hatte ein kleines Buch aus seiner Tasche gezogen und begann mit zitternden Fingern ein paar Buchstaben zu schreiben. Sein Bleistift war mittlerweile so klein, dass er wohl nicht mehr lange halten würde, aber er brauchte Ablenkung. Er wollte aufschreiben, was ihm passiert war um nicht eines Tages alles zu vergessen: „Am 07. Januar bewegten wir uns im Schutz des Artilleriefeuers nach vorne, als wir von hinten beschossen wurden. Eine Einheit aus unserem Battalion war vom Weg abgewichen und es hatte sich Konfession breit gemacht. Sie hielten uns für Deutsche und begannen uns zu beschießen. Nachdem das geklärt war, griffen wir in den Wäldern an, dann kamen wir auf ein Feld. Auf der anderen Seite stand ein Panzer, der uns unter Beschuss nahm. Wir zogen uns zurück. Immer mehr Soldaten fielen, immer mehr Freunde verlor ich. In meiner Kompanie waren ca. 200 Leute... am Abend waren nur noch 64 übrig. Da begann er. Der Anfang vom Ende.“ Mick seufzte auf. Es war bitterkalt. „Schreibst du schon wieder?“, fragte Thomas, ein Freund von Mick. „Ja. Irgendwas muss ich machen, seit ... uns die Deutschen quasi überrannt haben.“, antwortete Mick und kauerte sich etwas zusammen. „Verstehe...“, murmelte Thomas und lauschte in die Stille der kalten Nacht. Von weit her konnten sie Gewehrfeuer vernehmen. Man konnte dem Feind und dem Wetter zum Opfer fallen. Beide zusammen waren eine ziemlich tödliche Kombination. Wenn man getroffen wurde, konnte man in einen Schockzustand verfallen. Bevor man gefunden wurde, war man erfroren. Mittlerweile hörte es gar nicht mehr auf zu schneien und der verdammte, dichte Nebel behinderte die Sicht, sodass keiner wagte eine Granate zu werfen. In der Nacht war es so leise. Die Bäume ragten mächtig in die Luft und der Schnee war so kalt. Nichts und niemand hatte Mitleid, aber doch war er hier. Mick wurde das Gefühl nicht los, dass sich die ganze Welt gegen ihn verschworen hatte. Ein kalter Wind pfiff heran und brachte ihn zum zittern. Mick schloss seine Augen und lehnte sich an seinen Kameraden, dessen Zähne laut klapperten. Das hier war sie also. Die blutigste Schlacht im zweiten Weltkrieg. Wenn man vor Kälte zittert, war das Schlafen unmöglich. Seit der Nachricht, dass es einen Durchbruch der Deutschen in den Ardennen gegeben hatte, hatte er die Hoffnung verloren, jemals wieder nach Hause zu dürfen. Es hieß erneut in eine Schlacht zu ziehen, diesmal aber ohne die Chance auf eine Wiederkehr. Seit nun mehr 3 Wochen war er hier, verarzte tag täglich verletzte Amerikaner und Engländer, erschoss Deutsche, oder wurde fast bewusstlos vor Kälte, die ihn mehr und mehr lähmte. „Ich spüre meine Beine nicht mehr...“, nuschelte Billie Edwards. Der Kleine war gerade mal 19 Jahre und der jüngste Soldat in den Reihen der Amerikaner. Mick schluckte und warf einen Blick auf ihn herab. Billie – der stets nur ‚der Kleine’ genannt wurde, hatte sich an ihn geschmiegt. Schon seit Tagen hatte er nicht mehr geschlafen, hatte sich bereits mit seinem Schicksal abgefunden. „Dann beweg deine Füße etwas, das vergeht gleich wieder.“, meinte der Sanitäter und strich sich einmal durch die Haare, die unter seinem Helm schon ganz steif gefroren waren. Zwei Männer liefen gebückt an ihnen vorbei. Commander Simoens und General McQueen. Der britische und der amerikanische Truppenleiter. Mick sah beiden nach und warf dann wieder einen Blick zu Billie. „Hey, wir haben Weihnachten verpasst... das werden wir sicher nachholen, wenn wir hier erst Mal raus sind. Wer weiß, vielleicht holen wir es einfach nach, wenn wir wieder zu Hause sind.“, versuchte Mick das Thema auf etwas erfreuliches zu lenken. „Dann schmücke ich einen gigantischen Baum...“, lächelte einer der Fünf, die hier draußen in der Kälte saßen. Sein Name war Charlie. „Und morgen früh öffnen wir die Geschenke...“, murmelte Tony, der auf Micks anderen Seite hockte. „... trinken Glühwein und Eierpunsch.“, flüsterte Charlie. „.... essen fantastischen Braten“, grinste Billie mit geschlossenen Augen. Schon alleine bei dem Gedanken lief ihm das Wasser im Mund zusammen. „Und wir liegen vor dem Kamin.“, seufzte Thomas auf. Zu sechst saßen sie mitten im Ardennengraben – hatten sich eine Stellung ausgegraben - und warteten darauf, dass die Deutschen sich endlich geschlagen gaben. Inzwischen wusste er eines mit Sicherheit: Das Leben war grausam! Wofür lohnte es sich noch zu leben, wenn sie doch nur sinnlos ihre Zeit hier fristeten und weder ein noch aus wussten. Der Reihe nach fielen die Soldaten wie die Fliegen. Billie zitterte erneut sehr stark auf, weshalb Mick einmal blinzelte. Er ließ seinen Blick über das ‚Küken’ gleiten, als sein Blick an dessen Schuhen hängen blieb. „Hast du Löcher in deinen Schuhen??“, stieß er aus und sofort verschwand die Müdigkeit aus seinem Körper. „Ja...“, nuschelte Billie. Auch die anderen setzten sich jetzt auf. „Der Marsch hier her war heiß... ich habe nicht mit Schnee gerechnet...“, gestand Billie leise. Mick rutschte nach vorne und betrachtete die Schuhe skeptisch. „Beweg deine Füße! Schlag sie aneinander!“, forderte er dann auf. „Ich kann nicht.“, antwortete Billie. Mick knirschte mit seinen Zähnen und tauschte einen Blick mit Charlie. „Was ist los?“, fragte Billie leise, als Mick ihm einen Schuh auszog. Der Sanitäter knirschte mit seinen Zähnen und betrachtete den blau-schwarzen Fuß. Er hatte ein Taschenmesser aus seiner Tasche gezogen und stach ihm in die Fußsohle, in die Zehen und in den Knöchel. Der Fuß war angeschwollen und verriet eindeutig, dass nichts mehr zu retten war. Keinerlei Reaktion von Billie. Thomas und Charlie hatten sich aufgesetzt und auch Tony war ein bisschen näher heran gerutscht. Die Männer tauschten einen kurzen Blick miteinander. Tony wickelte seinen Schal vom Hals. „Halt still Kleiner.“ “Warte! Was ist los...???“, schrie er noch leise auf, ehe Tony ihm den Fuß abschnürte. Ein paar Tränen glitzerten im Gesicht von Billie.   „Dir muss der Fuß abgenommen werden, damit sich die Erfrierung nicht weiter ausbreitet.“, erklärte Mick leise und seufzte einmal schwer auf. Billie musste Evakuiert werden! „Bringt ihn in das Krankenhaus nach England und versucht, dass er unterwegs so wenig Blut wie möglich verliert.“, wies Mick zwei seiner Kameraden an. So hoben Tony und Charlie ihn hoch und begaben sich auf den Rückweg zu den Zeltlagern. Mick und Thomas machten sich auf den Weg zu einer weiteren Stellung. Keiner von Beiden sagte etwas. In den frühen Morgenstunden gruben sie sich eine weitere Stellung aus. Ein wenig Schlaf hatten sie sich verdient. Mick legte sich mit angezogenen Knien auf die Seite. Thomas direkt neben ihn. Seine Knie berührten seinen Bauch und sein Kopf lag in der Nähe von Micks. So lagen sie in Embryohaltung zusammen und versuchten sich gegenseitig etwas zu wärmen. „Glaubst du, wir kommen hier lebend raus...?“, fragte Thomas leise nach. Mick atmete tief durch. „Ich hoffe es... aber ich glaube nicht.“, antworte er ihm leise. „Wartet jemand auf dich?“ „Ich glaube nicht...“, schüttelte Mick seinen Kopf. Er zitterte wieder am ganzen Leib und wünschte sich nichts sehnlicher als ein kleines Lagerfeuer, an dem er sich wärmen konnte. Oder auch ein bisschen Essen. Schlaf. Ganz einfache Dinge, die ihm wie ein ungewöhnlicher Luxus vorkamen. Das Sterben schien so leicht. Leichter als das Leben. Mick war absolut deprimiert und so betäubt vor Erschöpfung. „Wir müssen uns selbst verletzten.“, sagte Thomas mit einem Mal. „Dann kommen wir hier raus.“ „Red nicht so...“, murmelte Mick. Ihm war zum Weinen zu Mute, doch Thomas drehte weiter durch. Verständlich. Das hier war alles so schrecklich frustrierend! „Hmm...“, nuschelte Thomas und atmete einmal tief durch, bevor seine Augen zufielen. Vielleicht hatte er die Chance auf zwei oder drei Stunden Schlaf. Mick lag noch lange wach. Dachte an seine Familie, seine Freunde und vor allem an seinen verstorbenen Vater. Ob er ihn schon bald wieder sah? Er konnte es nicht sagen, aber er hoffte es, denn das spendete wenigstens ein bisschen Trost. Am nächsten Tag war die Ardennenoffensive vorbei. Ganz plötzlich und unscheinbar. Die amerikanischen Truppen erreichten wieder ihre Stellungen, die sie vor der Offensive eingenommen hatten. Thomas war in jeder letzten Nacht gestorben, weshalb Mick alleine das Ende der Schlacht miterlebte. Es gab keine Zeremonie um das Ende der Schlacht zu feiern. Nicht mal eine Schlagzeile in den Zeitungen. Die Amerikaner marschierten einfach weiter. Nicht aber Mick. Sein Krieg war zu Ende. Er durfte nach Hause. Auf dem Schlachtfeld hatte er einen Teil seiner Seele verloren. Sein unbeschwertes Wesen von früher war gestorben. Einfach verschwunden. Stattdessen saß er grübelnd und mit ein paar Sorgenfalten auf der Stirn im Flugzeug, dass ihn nach Hause bringen sollte. Mick starrte nach draußen und sah wieder die unzähligen Gesichter vor sich. Männer die er verloren hatte. Freunde, die er niemals wieder sehen konnte. Die hübsche Lazarrettschwester. Alles Vergangenheit. Er dachte nur noch an die Schlacht in den Ardennen. An die Verzweiflung, die er in diesen Tagen und Wochen gespürt hatte. Hoffentlich war es möglich, dass er sein Leben wieder weiterleben konnte. Glücklich und unbeschwert. Aber diese Zeit würde ihn wohl von jetzt an immer begleiten. Das Leben hatte mit einem Mal eine größere Bedeutung, denn Mick wusste jetzt, wie leicht es einfach beendet werden konnte. Mick schloss seine Augen und schlief .... » Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder. Dwight D. Eisenhower «   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)