Vergangenheit? Zukunft? Oder beides? von moe_rikyou (Bakura x Yami) ================================================================================ Kapitel 1: Zehn Jahre später ---------------------------- Auch zehn Jahre später war Memphis immer noch die Hauptstadt des Landes Kemet und auch der Winter war noch genauso hart, doch alles andere hatte sich geändert. Seit der Zar gestürzt worden war, hatte es einen kompletten Umbruch im Land gegeben. Da jedoch der Fluch nicht erfüllt worden war, hatte Dartz seine Mächte nicht vollständig kontrollieren können, um die gesamte Macht an sich zu reißen, sodass nun normale Menschen herrschten. Diese jedoch hatten alles Wissen über Magie und die Zeit vor der Revolution verbannt und so war von dem einst blühenden Land nur noch ein Schatten übrig geblieben. Ganz jedoch hatte das Volk die Ereignisse von vor zehn Jahren nicht vergessen. Um dem düsteren und grauen Alltag etwas zu vergessen, erzählte man sich über die sogenannte „alte Zeit“ Anekdoten, Geschichten und Legenden. Eine dieser Legenden war, dass der jüngste Spross des Zaren, Prinz Atemu, vielleicht noch am Leben sei und seine Großmutter eine wahrlich königliche Belohnung von zehn Millionen Rubel ausgesetzt hatte, für denjenigen, der ihr ihren geliebten Enkel zurückbringe. Doch das alles durfte natürlich nur hinter vorgehaltener Hand gesagt werden, obwohl die ganze Hauptstadt davon wusste. So war es denn auch nicht verwunderlich, dass auch ein gewisser Bakura, seines Zeichens Hochstapler und Papierfälscher, der auf dem Schwarzmarkt bisher sein neues Zuhause gefunden hatte, davon erfuhr. Doch nun sah er seine Chance für immer aus zu sorgen. Zusammen mit Marik, einem ehemaligen Mitglied des Zarenhofs, wollte er sich die Millionen sichern. „Bakura, endlich habe ich ein Theater gefunden!“, berichtete Marik seinem Komplizen eines Abends, als er zurück in den mittlerweile verlassenen, weil angeblich verfluchten, Winterpalast zurückkehrte, wo sie sich in den alten Angestelltenquartieren niedergelassen hatten. „Wunderbar! Es läuft alles nach Plan!“, freute sich Bakura und hatte ein diebisches Grinsen auf den Lippen. „Jetzt kann das Vorsprechen für den Prinzen beginnen. Stell dir vor, Marik! Nie mehr Papiere fälschen, nie mehr gestohlene Ware. Drei Fahrkarten bringen uns hier weg. Eine für dich, eine für mich und eine für den Großfürsten Atemu!“ Auch Marik grinste. „Ja, wenn wir den geeigneten Jungen erst einmal herausgeputzt und ihm das richtige Benehmen und die richtige Wortwahl beigebracht haben, bringen wir ihn nach Paris und stellen ihn der Großmama vor, während wir ihr das Schmuckkästchenzeigen. Und schon haben wir die Belohnung.“ „Eben, wer sonst außer uns könnte das schaffen, einen täuschend echten Doppelgänger zu finden? Wir werden in die Geschichte eingehen!“, malte Bakura sich das Ergebnis seines Planes aus. Dass irgendwo vielleicht der wirkliche Atemu, lebendig und wohlauf, sein könnte, glaubte er nicht. In seiner Welt bestand alles nur aus Schwindel und Illusionen und nebenbei dem größten Coup ihres Lebens. Unweit von Memphis hatte ein junger Mann mit violetten Augen und dreifarbigem Haar währenddessen ganz andere Probleme. Er war gerade volljährig geworden und so war es für ihn an der Zeit das Waisenhaus, in dem er zehn Jahren gelebt hatte, zu verlassen. Nur mit löchrigen Oberteilen, Hosen, einem zu langen Schal und einem lange abgetragenen Mantel bekleidet, musste er nun gehen. Dazu hatte er noch altes Paar Stiefel und Fingerlinge zum Warmhalten. Dennoch verabschiedete er sich fröhlich und lautstark von den anderen Kindern im Waisenhaus, während er hinausging und die alte Schrulle von Aufseherin auf ihn einredete. „Ich habe dir Arbeit in der Fischfabrik besorgt“, sagte sie mit stark rollendem R und genervten Ton. „Du gehst immer geradeaus bis du zu der Weggabelung kommst und dann links.“ „Macht’s gut Freunde!“, rief Yami ein letztes Mal, ehe sich die Tür von innen schloss. „Hörst du mir zu?!“, keifte die Alte und Yami verging das Lächeln. „Ja, ich höre zu, Genossin Flekmenkova…“, sagte er und richtete mit hängenden Schultern den Blick auf sie. Wie sollte man diese Frau auch überhören? Ehe er jedoch noch etwas sagen konnte, griff die Aufseherin nach seinem Schal und zehrte Yami so hinter sich her. „Seit man dich hierher gebracht hat bist du mir ein Dorn im Auge!“, schimpfte sie weiter und Yami lockerte, hinter ihr her stolpernd, den Schal um nicht erwürgt zu werden. „Du benimmst dich, als wärst du der Kaiser von China und nicht so ein namenloser Nichtsnutz, der du bist!“, keifte sie. „Die letzten Jahre habe ich dich… „…dich durchgefüttert, dich gekleidet, dir ein Dach über dem Kopf gegeben…“, sprach Yami, der sich inzwischen vom Schal befreit hatte, mit und zählte alles an den Fingern ab. Dafür erntete er einen bitterbösen Blick der Alten, während sie das Tor aufschloss. „Wie kommt es, dass du keine Ahnung hast, wer du warst, als du hierhergekommen bist – aber so was kannst du dir merken, hm?“, fragte sie wild gestikulierend und sah nun wütend drein. „Einen Hinweis habe ich ja!“, hielt Yami dagegen und zog die Goldkette unter seiner Kleidung hervor, an der ein runder Anhänger befestigt war. „Aaaah..ich weiß…“, meinte die Aufseherin theatralisch und nahm den Anhänger in die Hand. „Zusammen in Pariiees“, las sie übertrieben vor und zeigte so deutlich, was sie davon hielt. Dann sah sie zu Yami auf. „Du willst also nach Paris fahren und deine Familie finden, hä?“, fragte sie freundlich und klimperte mit den Augen. Yami nickte nur und sie lachte ein dreckiges Lachen. „Ach, kleiner Herr Yami…“, sagte sie wieder in dem überfreundlichen Ton und stellte sich hinter ihn. „Es wird Zeit, dass du deinen Platz im Leben einnimmst…“ Dann schubste sie ihn durchs Tor und schrie erbost. „Im Leben am Ende der Schlange!“ Sie warf ihm den Schal nach. „Und sei dankbar dafür! Zusammen in Pariiees!“, flötete sie dann noch und lachte über Yamis Naivität. Danach schloss sie demonstrativ das Tor vor seiner Nase und ging hinein ins warme Haus. Yami ging wie geraten immer geradeaus, stopfte sich den Schal lose in die Manteltasche und imitierte dabei wütend die Aufseherin des Waisenhauses. Sich den gebeugten Rücken kratzend ging er die letzten Schritte zur Weggabelung und hustete gespielt. „Sei dankbar, Yami…“, äffte er nach und richtete sich dann wieder auf. „Ich bin dankbar!“ Er blickte zornig zurück. „Dankbar, dass ich hier wegkomme!“ Dann fiel sein Blick auf das Straßenschild, welches nach links zum Ort der Fischfabrik zeigte und nach rechts, wo es Memphis ausschilderte. „‘Geh nach links!‘, sagt sie…“, murmelte er und betrachtete das Schild skeptisch. „Ich weiß doch, wo links ist!“, rief er sauer und hob wütend die Arme. Dann begann er gedankenverloren an seinen Fingerlingen herum zu zupfen. „Ich bleibe für immer Yami, der Waise…“ Dann ging er ein paar Schritte den rechten Weg entlang. „Aber, wenn ich nach rechts gehe, finde ich vielleicht…“, begann er hoffnungsvoll und nahm dann den Anhänger in die Hand und betrachtete ihn. „Wer immer mir diese Halskette geschenkt hat, muss mich geliebt haben…“ Innerlich schalt er sich dann aber einen Narren und kehrte zur Gabelung zurück. „Das ist doch verrückt! Ich? Nach Paris fahren?“ Frustriert trat er nach dem Schnee und schaute dann gen Himmel. „Schick mir ein Zeichen! Einen Hinweis! Irgendwas!“, rief er einer unbekannten Macht zu und ließ sich dann neben dem Straßenschild in den Schnee fallen und stützte die Arme auf die Knie. Plötzlich flatterten drei Spatzen neben ihn und begannen an seinem Schal herum zu zupfen, als wäre er ein Stück Brot. Dabei zogen sie ihn immer weiter aus der Tasche in Richtung des rechten Pfades. „Hey! Was soll das? Das ist nichts zu essen!“, rief Yami empört, als er die kleinen Vögel entdeckte und scheuchte sie auf. Doch wenig später hatten sie sich wieder auf den Schal gestürzt und stritten sich darum. „Haut ab! Ich warte hier auf ein Zeichen und mein Schal schmeckt euch eh nicht!“ Wütend scheuchte er die Vögel, welche den Schal immer weiter von der Weggabelung wegzogen, erneut auf, stolperte dabei allerdings über eine Baumwurzel und fiel der Länge nach hin. Die Vögel ließen sich unweit auf einem Ast nieder und zwitscherten fröhlich. „Na toll. Drei Vögel wollen meinen Schal nach Memphis entführen…“, murmelte er, während er sich aufraffte. Dann ging ihm langsam ein Licht auf. War das etwas der Hinweis, auf den er gewartet hatte? „Na schön…“, flüsterte er. „Ich nehme den Hinweis an.“ Dann hob er den Schal endgültig auf und sah auf den schneebedeckten Weg. Sein Herz begann schneller zu schlagen und er vermochte nicht zu sagen, ob es freudige Erwartung oder Angst war. Doch er hatte sich nun entschieden und es gab kein Zurück mehr – solange ihn der Mut nicht doch noch verließ. Die Leute sagten zwar immer, das Leben sei immer voller Entscheidungen, aber niemand hatte je die Angst erwähnt…Und der Weg erschien ihm so lang, fast unendlich... Noch einmal atmete er tief durch, schob seine Zweifel beiseite und machte sich auf den Weg. Dies war sein Weg in die Zukunft und er führte hoffentlich zu seiner Vergangenheit. Er ging immer weiter und träumte, wie schon seit Jahren, davon, wie am Ende jemand auf ihn warten würde, um ihn fest in die Arme zu schließen. Und Träume, die über Jahre hinweg existierten, konnten nicht falsch sein, oder? Als er dann auf dem Weg an kleinen Dörfern vorbeikam und die Familien zusammen sah, wurde ihm schwer ums Herz. Ein Zuhause, eine Familie, Liebe und… Glück… Das hatte sicher auch einmal für ihn dazugehört und egal, was er tat, er sehnte sich danach. Yami wusste, ohne zu wissen, wo er hingehörte, würde ihm immer etwas fehlen, um komplett zu sein. Nun leitete ihn die Hoffnung, dass diese Straße ihn zu seinen Erinnerungen und in seine Zukunft führen würde, auch, wenn es in einem völlig fremden Land sein mochte. Ja, dieser Weg führte ihn wohl in die Welt hinaus und doch, so hoffte er, würde er ihn nach Hause bringen! Nach gut einem Tagesmarsch kam Yami endlich in Memphis an. Es war bereits seit einer Stunde dunkel, doch das sagte im Winter nichts über die Uhrzeit aus. Er erfragte sich den Weg zum Bahnhof und dort angekommen ging er gleich zum Fahrkartenschalter. Das spärliche Geld, das er während der Zeit im Waisenhaus verdient hatte, hatte er sorgsam gespart und jetzt konnte er endlich nach Paris fahren. „Eine Fahrkarte nach Paris, bitte“, sagte er dann auch gleich voller Zuversicht zu dem offensichtlich übellaunigen Beamten in roter Uniform. „Ausreisevisum“, forderte dieser mit ausgestreckter Hand. „Ausreisevisum?“, fragte Yami verständnislos nach. Brauchte er das etwa? „Kein Ausreisevisum, keine Fahrkarte!“, knurrte ihn der Beamte an. „Nächster!“ Und schon wurde Yami vom nächsten in der Schlange bei Seite gedrängt. Verdammt! Was sollte er denn jetzt nur machen? Da tippte ihm eine ältere Frau auf die Schulter. „Pst!“, wisperte sie. „Wenn du Papiere brauchst, wende dich an Bakura. Er kann dir helfen.“ „Bakura? Wo kann ich ihn finden?“, fragte Yami nun wieder hoffnungsvoll. „Im alten Palast. Aber das hast du nicht von mir gehört!“, flüsterte sie und sah sich um, ob sie auch niemand belauscht hatte. Yami bedankte sich schnell, dann wandte er sich um und begann den alten Palast zu suchen. „Bakura wird mir also helfen…“ Dieser saß derweil im Theater und verzweifelte mit Marik an den scheußlich schlechten Schauspielern und anderen jungen Männern, die für den Prinzen Atemu vorsprachen. Einen Namen nach dem anderen strich er durch, während er versuchte freundlich zu bleiben. Nachdem der letzte Anwärter, ein viel zu groß und dürr geratener Junge mit fettigem braunem Haar und dem Benehmen eines Bauern, gegangen war, ließ Marik den Kopf auf die Tischplatte sinken und Bakura seufzte nur „Oh man…Das lässt mich echt daran zweifeln, ob ich wirklich Männer den Frauen vorziehe…“ Während sie nun auch das Theater verließen und abschlossen, ließ Marik seinem Unmut freien Lauf: „Das war’s Bakura! Das Spiel ist aus! Unser letztes Geld ist drauf gegangen, für dieses wanzenverseuchte Theater! Trotzdem haben wir immer noch keinen Jungen, den wir als Atemu ausgeben können!“ Bakura legte beruhigend einen Arm um seine Schultern. „Wir werden ihn finden, Marik. Er ist hier irgendwo – direkt vor unserer Nase!“, sagte er aufmunternd und rempelte dabei versehentlich einen jungen Mann mit dreifarbigen Haar an, der gerade jemanden nach dem Weg fragte. Davon nahm Bakura aber keine Notiz. „Denk nur daran“, sprach er einfach weiter. „Wenn die Großfürstin das Schmuckkästchen sieht, wird sie denken, wir hätten ihr den richtigen Atemu gebracht. Und ehe sie uns durschaut, verschwinden wir mit zehn Millionen Rubel.“ „Ich hoffe, du hast Recht.“ „Natürlich! Das Schmuckkästchen ist unser Trumpf!“ Nach einigen Fehlversuchen hatte Yami endlich den Weg zum Palast gefunden. Es war ein unglaublich großes Gebäude und obwohl jeder sagte, es sei verflucht, jagte es ihm keine Angst ein. Er betrat den Hof und suchte nach einem Eingang, doch alles war mit Brettern vernagelt. Allerdings stellte er fest, dass einige schon ziemlich morsch waren, also rüttelte er mit einiger Kraft daran. Erst tat sich nichts, dann jedoch lösten sich ein Haufen Bretter auf einmal und warfen ihn mit einem lauten Krach zurück. Bakura, der gerade mit Marik am Küchenfeuer saß und sein Abendessen genoss, schreckte auf. „Hast du das auch gehört?“ Marik sah ihn nur verwirrt an. „Nein, hab ich nicht. Du hörst schon Gespenster.“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Quatsch! Ich glaube, da ist jemand. Komm mit!“ Yami stieg durch den selbstgemachten Eingang ins Schloss und betrat fast ehrfürchtig ein großes Treppenhaus, das fast überall hinzuführen schien. Obwohl überall Staub und Spinnenweben waren, hatte es nichts von seinem imposanten Eindruck verloren. Einst muss es unglaublich gewesen sein, hier entlang zuschreiten, dachte Yami beindruckt und stieg die Treppen hinauf. „Hallo?“, rief er in die Stille hinein und nahm seinen Schal ab. Er hatte das Gefühl, es gehörte sich einfach so in diesen Mauern. „Ist jemand zu Hause?“ Langsam erkundete er die Räume und kam in einen Raum, der wohl einst als Vorraum zu einem Festsaal diente, denn an der Wand standen reich gedeckte Tische mit silbernen Kerzenleuchtern und kostbarem Geschirr. Yami konnte es sich nicht nehmen lassen und musste einfach einen solchen Teller in die Hand nehmen. Noch nie hatte er etwas so wertvolles in der Hand gehabt. Vorsichtig pustete er den Staub weg, so dass er sich wieder in dem Metall spiegeln konnte. Ein Bild erschien vor seinem inneren Auge, wie ein kleiner Junge mit drei älteren Mädchen, wohl seine Schwestern, tanzte und lachte. Kopfschüttelnd vertrieb er das Bild aus seinen Gedanken. Wie kam er nur auf so etwas? Schnell legte er den Teller zurück und ging weiter. Dennoch wurde er, je weiter er ging, das Gefühl nicht los, dass ihm der Ort irgendwie bekannt vorkam. „Wie die Erinnerung aus einem Traum…“, murmelte er. Dann erreichte er den erwarteten großen Ballsaal, welcher sogar noch größer war, als er gedacht hatte. Zwei Treppen führten von zwei seitlichen Eingängen zum Saal und endeten in eine einzigen großen, die mit einem verblassten roten Teppich gesäumt war. Die untere Hälfte der Saalwände war mit Bodenfenstern gesäumt, während darüber auf beiden Seiten überlebensgroße Portraits hingen. Yami fiel es nicht schwer, sich auszumalen, was für Feste hier stattgefunden haben mochten. Mit tanzenden Bären und wertvollen Kleidern, die in allen Farben leuchteten. Ja, er konnte fast noch die Musik hören, die wie vom Wind weggetragen durch diesen Saal klang. Gedankenverloren zog er seinen Mantel und seine Fingerlinge aus und ging die Stufen hinab. Wie schön muss es gewesen sein, bei so einem Fest einer der Gäste oder gar Mitglied der Zarenfamilie gewesen zu sein. Er stellte sich vor, wie dieser Saal voll warmen Kerzenlichts von den Kronleuchtern erstrahlte und überall Paare in Abendgarderobe tanzten. Auch neben ihm standen zwei junge Paare, vor denen er sich anmutig verbeugte und dann hinab in den Saal schritt. Um ihn herum tanzten alle voller Eleganz und dann plötzlich kamen drei Mädchen in seinem Alter auf ihn zu und statteten auch ihn mit einer Schärpe und einem teuren Siegelring aus. Nun trug er eine elegante Uniform und gehörte zu den Gästen. Als die Tanzpartner der Mädchen erschienen, geleitete einer von ihnen eine Prinzessin, die nun Yamis Tanzpartnerin sein sollte. Er verneigte sich leicht und begann mit ihr zu tanzen, als hätte er nie etwas anderes getan. Erst als die tanzende Menge sich teilte und sich ehrfürchtig verbeugte, bemerkte er, dass die Zarin auf ihn zuschritt. Wie hatte er vergessen können, dass er auch ihr einen Tanz versprochen hatte. Lächelnd begann er mit der Dame zu tanzen, die ihm so seltsam bekannt vorkam. Doch hielt er erneut inne, als nun die gesamte Zarenfamilie auf ihn zuschritt, darunter auch die drei Mädchen, die ihm die Schärpe und den Ring gereicht hatten. Er verbeugte sich tief und fragte sich, was gerade ihm die Ehre zu teil werden ließ, vom Zar persönlich begrüßt zu werden… „Hey!“, hörte er plötzlich eine fremde Stimme barsch rufen und der gesamte Zauber verflog. „Was hast du hier zu suchen?!“ Erschrocken sah Yami sich kurz um und erkannte nur schemenhaft einen Mann mit weißen Haaren und nahm dann seine Beine in die Hand und lief zum anderen Ende des Saales, wo er hergekommen war. Sofort ließ Bakura ihm hinterher, dicht gefolgt von Marik. „Hey! Hey!“, rief Bakura, immer mehrere Stufen auf einmal nehmend und überquerte dann mit langen Schritten den Saal. „Halt! Halt! Halt!“, versuchte der den jungen Fremden aufzuhalten und ließ seine Stimme etwas sanfter klingen. „Moment mal! Warte doch!“ Endlich blieb der Fremde mit dem außergewöhnlichen Haar am oberen Treppenansatz stehen und drehte sich langsam und mit hängenden Schultern um. Da hatte wohl jemand ein schlechtes Gewissen…, dachte Bakura innerlich schmunzelnd. „Also, wie kommst du hier… hier… rein?“, stotterte er und musste mehrmals blinzeln um sich zu vergewissern, dass ihm seine Augen keinen Streich spielten. Kurz darauf erreichte Marik ihn und wandte sich grinsend seinem Freund zu. „Marik, siehst du das?“, fragte er und dieser nickte nur staunend, denn hinter dem Fremden, der doch noch mehr Junge als Mann war, war ein übergroßes Portrait der Zarenfamilie. Und die Ähnlichkeit zwischen diesem Jungen und dem dargestellten achtjährigen Atemu war verblüffend. Vor allem die violetten Augen hatten die gleiche Schönheit und Ausstrahlung. Endlich kam wieder Leben in Yami, als er so angestarrt wurde und seufzte. „Bist du Bakura?“ Nun wandte der Weißhaarige ihm wieder seine Aufmerksamkeit zu. „Nun, vielleicht. Das kommt ganz darauf an, wer etwas von ihm will.“ Mit einem leichten Schmunzeln schlenderte Bakura nun die letzten Treppenstufen hinauf, so dass er mit Yami auf Augenhöhe war. „Mein Name ist Yami und ich brauche Reisepapiere. Man hat mir gesagt, ich solle mich an dich wenden und…“, begann Yami zu erklären, hielt aber irritiert inne, als Bakura begann ihn zu umrunden und zu begutachten wie ein Stück Vieh. Wütend drehte er sich zu Bakura um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hey, was umkreist du mich so?! Bist du in deinem früheren Leben mal ein Geier gewesen?!“, fauchte er ein wenig ungehalten. Doch das brachte Bakura überhaupt nicht aus der Ruhe. Stattdessen winkte er Marik unauffällig heran. „Oh, tut mir leid“, entschuldigte er sich, wobei sein Ton alles andere als ehrlich klang. „Yami, richtig? Es ist nur so, dass du jemanden sehr ähnlich siehst…“ Dabei deutete er auf das Familienportrait. Yami folgte der Bewegung, konnte aber keine Verbindung daraus schließen. Wem sollte er ähnlich sehen? Auch Bakura schien zu begreifen, dass dieser Wink nicht ausreichte und wechselte die Taktik. „Ach, was soll’s. Du sagtest etwas über Reisepapiere?“ Yami nickte. „Äh ja. Ich möchte nach Paris fahren!“, sagte und seine Augen bekamen ungewollt ein Leuchten. „Du möchtest nach Paris?“, fragte Bakura und tauschte einen vielsagenden Blick mit Marik. Er konnte ihr Glück kaum fassen! „Yami, sag mal, darf ich dich etwas fragen? Einen Nachnamen, hast du den auch?“, fragte er und rieb sich mit einer Hand übers Kinn, während er den Anderen ansah. Yami senkte den Blick und rieb sich verlegen mit dem Zeigefinger über die Stirn. „Ich weiß, das hört sich jetzt verrückt an, aber…“ Er sah wieder auf. „Ich weiß nichts über meinen Nachnamen. Ich wurde gefunden, als ich acht Jahre alt war und ziellos umherirrte.“ Innerlich jubelte Bakura auf. Das wurde ja immer besser! Äußerlich nickte er jedoch mit ernster und bedächtiger Miene. „Und was war vorher, bevor du acht warst?“ „Hör zu, ich weiß, das ist seltsam“, erklärte Yami und gestikulierte mit den Armen ob seiner eigenen Ratlosigkeit. „Aber ich kann mich nicht erinnern! Ich habe fast keine Erinnerungen an meine Vergangenheit!“ Dann senkte er wieder den Blick und nahm unbewusst seinen Anhänger in die Hand. Wieder nickte Bakura und murmelte. „Hmmm… das ist… perfekt“ Dann musste er sich wieder Yami zuwenden, denn dieser redete plötzlich weiter, während er einen komischen runden Anhänger in den Fingern drehte. „Einen Hinweis habe ich allerdings – und das ist Paris.“ „Paris!“ „Ja, genau. Also, könnt ihr mir nun helfen, oder nicht?“ „Marik, die Fahrkarten!“, wisperte Bakura seinem Kumpanen zu und bekam von diesem vier Karten für den Staatszirkus zugesteckt. Dann sagte er an Yami gewandt. „Natürlich! Wir helfen gern! Denn ob du’s nun glaubst oder nicht, wir wollen auch nach Paris!“ Er vernahm einen erleichterten Seufzer von Yami. Dann hielt er Yami die drei Karten hin, eine schmiss er achtlos weg, so dass der Bunthaarige allerdings nicht sehen konnte, wofür sie waren. „Und ich habe drei Fahrtkarten“ Diese Tatsache betonend, wedelte er mit eben diesen vor Yamis Nase rum, der nun versuchte sie zu greifen – vergebens. Bakura wich einige Schritte zur Seite. „Unglücklicherweise ist dritte Karte für… Atemu“, stellte er klar und deutete erneut auf das Portrait. „Oh…“, sagte Yami, konnte dem Bildnis aber nicht viel Aufmerksamkeit schenken, da er von beiden Seiten untergehakt und aus dem Saal gezerrt wurde. Nun ergriff Marik das Wort. „Wir wollen den Großfürsten Atemu zu seiner Großmutter bringen.“, erklärte er und sofort fügte Bakura hinzu: „Weißt du, dass du ihm sehr ähnlich siehst?“ „Die selben violetten Augen…“ „Die Romanov-Augen!“ „Das Lächeln von Akunumkanon…“ Dann nahm Bakura Yamis Hand in seine. „Sieh nur, er hat sogar die grazilen Hände seiner Großmutter…“ Yami entzog die Hand aber schnell wieder, was Bakura jedoch nicht davon abhielt, weiter zu sprechen. „Er hat das selbe Alter, ist der selbe Typ…“ Yami, der bis dahin nun ungläubig von einem zum anderen der beiden Männer geschaut hatte, hatte nun genug. „Wollt ihr mir etwa weiß machen, ich sei Atemu?“ Derweil waren sie vor einem weiteren Portrait stehen geblieben und Marik und Bakura ließen ihn los. Letzterer jedoch antwortete energisch auf Yamis Frage: „Das soll nur heißen, dass ich hunderte Jungen im ganzen Land gesehen habe und kein einziger“ Er machte eine wirkungsvolle Pause. „sieht dem Großfürsten so ähnlich wie du! Schau dir doch nur das Portrait an!“ „Am Anfang fand ich dich nur merkwürdig!“, entgegnete Yami wütend und tippte mit dem Zeigefinger auf Bakuras Brust. Dann wandte er sich mit verschränkten Armen zum Gehen. „Aber jetzt glaube ich, ihr seid beide verrückt!“ So schnell wollte Bakura jedoch nicht aufgeben und stellte sich ihm in den Weg. „Wieso? Du hast gesagt, du weißt nichts über dich!“ „Keiner weiß, was mit ihm passiert ist…“, half nun auch Marik. „Du suchst Verwandte in Paris?“ „Atemus Verwandtschaft lebt in Paris.“ Bakura packte Yami sanft an den Schultern und führte ihn zurück zum Bildnis, was Atemu allein mit seiner Großmutter zeigte. „Hast du noch nie über diese Möglichkeit nachgedacht?“, fragte er in einem Ton, als ob das selbstverständlichste der Welt wäre. „Dass ich adlig sein könnte?“, fragte Yami ungläubig nach und erntete nur ein deutliches Nicken als Antwort. „Tja, ich weiß nicht. Ich find es ein wenig schwierig sich vorzustellen, Großfürst zu sein, wenn man auf dem feuchten Boden schläft. Aber ja, sicher…“, gestand er ein. „Ich glaube, jeder einsame Junge träumt mal davon, ein Prinz zu sein…“ „Und irgendwo gibt es einen, der einer ist…“, flüsterte Marik ihm zu, während Bakura sich abwandte. „Schließlich bedeutet der Name Atemu „Er wird wieder aufsteigen“…“ Dann drängte Bakura sich zwischen sie und zog Marik mit sich. „Wir würden dir ja gerne helfen, aber die dritte Fahrkarte ist für den Großfürsten Atemu.“ Er winkte dem Bunthaarigen über die Schulter hinweg zu. „Viel Glück!“ „Warum hast du ihm nichts von unserem genialen Plan erzählt?“, fragte Marik verständnislos, während sie wieder in den Ballsaal gingen. „Er will doch nur eines: nach Paris. Warum sollten wir ein Drittel der Belohnung verschenken?“ „Ich sage dir, wir gehen zu voreilig weg!“, mahnte Marik seinen Freund, doch dieser blieb gelassen. „Keine Sorge. Ich habe alles unter Kontrolle.“, versicherte Bakura, hielt Marik dann aber am Arm fest. „Aber gut, geh ein bisschen langsamer…“ Währenddessen war Yami nachdenklich zurückgeblieben und betrachtete das Portrait noch einmal genauer und ließ sich die Worte der anderen beiden durch den Kopf gehen. Ja, eigentlich hatten sie Recht. Wer sagte eigentlich, dass er NICHT Atemu war. Es war auf jeden Fall einen Versuch wert und er würde so nach Paris kommen! Bakura und Marik verließen gerade den Treppenabsatz, als Bakura auf die Uhr schaute und begann mit den Fingern herunter zu zählen. „Drei…zwei…eins…“ „Bakura!“ Der gerufene grinste und machte eine Siegesgeste und auch Marik schmunzelte. „Da haben wir ihn.“ Jedoch hielten sie nicht inne. „Bakura warte!“, rief Yami noch einmal und erschien am Saaleingang. Gespielt verwundert drehte sich Bakura um. „Hast du mich gerufen?“ „Wenn ich mich nicht erinnern kann, wer ich bin, wer sagt dann, dass ich kein Prinz bin oder Großfürst oder was auch immer er ist?“, erklärte er seine Gedanken, während er zu ihnen aufschloss. Bakura nickte verstehend und strich sich wieder übers Kinn. „Und weiter?“ „Ja, wenn ich nicht Atemu bin, wird es die Mutter des Zaren sofort merken und alles war nur ein bedauerlicher Irrtum.“, schloss er und blieb mit verschränkten Armen vor ihnen stehen. „Hmm... Klingt plausibel.“, war Bakuras einziger Kommentar und grinste innerlich. „Solltest du aber doch der Prinz sein…“, erwiderte Marik, ging zu ihm und legte einen Arm um Yamis Schultern. „Dann wirst du endlich wissen, wer du bist und deine Familie wieder haben.“ Dieser Satz brachte wieder das hoffnungsvolle Leuchten in Yamis Augen. „Weißt du?“, mischte sich nun auch Bakura wieder ein. „Er hat Recht. Auf jeden Fall kommst du nach Paris.“ Er streckte Yami als Zeichen ihrer Vereinbarung die Hand hin und der Jüngere ergriff sie. Dann wandte sich Bakura dem Saal zu, als würden ihm Hunderte Personen zuhören. „Darf ich vorstellen? Eure kaiserliche Hoheit, der Großfürst Atemu!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)