Von gleicher Natur von Re-belle ================================================================================ Prolog: -------- "Puuh, ist das kalt hier...Und das verdammte Wasser ist auch schon wieder gefroren..." schimpfte sie als sie mit einem 10-Liter-Eimer, gefüllt mit Eis, durch den eingeschneiten Wald stapfte. Insgeheim überlegte sie schon den Heizlüfter von zu Hause zu entführen um so wenigstens das Wasser flüssig zu halten, verwarf den Gedanken aber sofort wieder, als ihr einfiel, dass die Photovoltaikanlage auf dem Dach noch nicht da war. An der Lichtung angekommen, erfreute sie sich an der wohligen Wärme des Feuer, welches sie nachmittags angefacht hatte, und hängte den Eimer über die Flammen um das Wasser aufzutauen und zu erhitzen. "Morgen lass ich den Eimer nicht gefüllt hier stehen... Oder ich schmelze einfach direkt den Schnee, genug gibt's da ja eh von...". Begleitet von den schrecklichsten Geräuschen, die ihr Magen von sich geben konnte, kramte sie aus ihrer Tasche die lang ersehnte Terrine und eine kleine Gabel. Nudeln mit Käsesahnesauce, was gibt es an solchen Tagen besseres? Das Wasser blubberte und plätscherte fröhlich als sie die passende Menge an Flüssigkeit in den Plastikbehälter schüttete und wieder verschloss um die feine Mahlzeit die geforderten fünf Minuten ziehen zu lassen. So kurz diese Zeit an schönen Sommertagen wirken mag, an denen man wunderbar Erde umgraben oder in der Sonne faulenzen konnte, so lang erschien sie nun an diesem bitterkalten Winterabend. "Je länger wir warten, desto besser schmeckts dann doch letztendlich, oder?" fragte sie den Inhalt ihrer Jackentasche und öffnete den heruntergeklappten Foliendeckel, so dass ein verführerischer Duft nach heißhungerstillendem Fertigsüppchen aufstieg. Als sie die erste Gabel heraushob und essgerecht kühler pustete begann sich endlich auch das kleine Wesen in ihrer Tasche zu regen. Ein lautes Niesen und Rascheln, dann steckte Flämmchen den Kopf aus ihrem Versteck. "Oh, Flämmchen! Auch endlich wach? Ich rede zwar schon die ganze Zeit mit Dir aber egal... Nudelsuppe??" Eleonora hob das Kerzenmädchen aus der Tasche und hielt ihr die Gabel hin. "Oh jaaaa, lecker!" rief sie und stürzte sich auf eine der Nudeln. "Weißt Du, Eli, ich glaube ich bin wegen meinem Hunger aufgewacht. Mein Magen hat sooo laut geknurrt, als wär ich ein Riese!" "Tja, das mag wohl daran liegen, dass es nicht Dein Magen war, der so laut gegrummelt hat." antwortete Eleonora mit einem leicht verlegenen Lächeln. Nachdem sie zusammen die Nudelsuppe vernichtet hatten, kuschelte sich Flämmchen wieder in die Tasche und Eleonora schüttete das heiße Wasser in eine große Thermoskanne, für einen leckeren, wärmenden schwarzen Tee. Sie band die Kanne an ein Seil, kletterte die improvisierte Strickleiter hoch zu ihrem Baumhaus, zog den Behälter nach oben, band die Leiter fest und betrat ihr unfertiges und kaltes, aber schönes neues Territorium. Kapitel 1: Wie alles begann: Eine Freundin ------------------------------------------ "Mama, die Mädchen in meiner Klasse sind alle total doof..." jammerte Eleonora, als sie nach ihrer ersten Schulwoche ihrer Mutter berichtete, wie es ihr so gefallen hat. "Die denken alle nur an Puppen und Spielen und... Essen und Schlafen... Die sind wie irgendwelche gruseligen, besessenen Tiere..." "Schätzchen, so sind die meisten Mädchen in Deinem Alter eben, ist denn wirklich keine da, mit der Du Dich gut verstehst?" "Naja, ein oder zwei sind ganz okay und die Jungs sind auch ganz in Ordnung, aber die haben alle so andere Interessen. Bin ich komisch?" "Ach, so darfst Du gar nicht erst anfangen. Es ist doch erst eine Woche um, ihr werdet mit der Zeit noch zusammenwachsen!" Seufzend lehnte sich Eleonora zurück und schaukelte abwesend in der Hollywoodschaukel auf der Veranda hin und zurück. "Zusammenwachsen? Du meinst... so wie der Efeu und eine Wand?" Eleonoras Mutter lachte:"Ja, so in der Art. Mach Dir einfach nicht zu viele Gedanken darüber, Schatz. Mit der Zeit werdet ihr euch alle ganz gut verstehen und vielleicht denkst Du ja dann schon ganz anders über die Mädchen. Ihr müsst euch erstmal besser kennenlernen, dann findest Du auch schon Gemeinsamkeiten." "Na gut. Wenn Du das sagst, Mama." entgegnete Eli mit einem schiefen Grinsen und sprang auf:" Ich geh in den Garten!" Gedankenversunken schaute ihre Mutter Eleonora hinterher, wie sie hüpfend den Natursteinweg überquerte und durch einen Busch hinter dem Haus verschwand, und fand es schon beinahe gruselig wie ähnlich ihr Spross ihr war. Sie erinnerte sich daran, wie sie damals, als junges Mädchen nie Anschluss gefunden hatte in ihrer Klasse. Es war zwar nie so, dass jemand sie gemobbt oder wirklich etwas gegen sie hatte, doch genausowenig waren sie mit ihr befreundet gewesen. Sie hatte sich anfangs so sehr wenigstens eine gute Freundin gewünscht, sich dann aber doch mit der Situation abgefunden. Noch mehr als damals, wünschte sie sich heute für ihr Kind, dass es für sie anders verlaufen würde. Dass sie viele Freunde finden würde und so kein Leben als Einzelgängerin führen müsste, bis sie irgendwann als Erwachsene erst wirkliche Gleichgesinnte traf. Seufzend stand sie auf und hatte im selben Moment schon ihre Entscheidung getroffen. Sie wusste es zwar noch nicht, doch diese Entscheidung würde ihrer aller Leben verändern. In der Stadt angekommen überlegte sie, in welchem Laden sie wohl das Richtige finden könnte. Ein herkömmlicher Spielzeugladen vielleicht? Aber dort war alles so gleich und austauschbar. Die Barbies von heute hatten einfach keinen Charme mehr, mit ihren ultraschlanken Taillen und den ausdruckslosen, zusammengequetschten Schminkgesichtern. Hätte es in ihrer Kindheit schon Barbies gegeben, hätte sie diese mit Sicherheit für ihre Tochter aufgehoben, dann hätte sie heute nicht durch die Geschäfte wandern und sich den ganzen Plastikschund ansehen müssen, den sie heute so verkauften. Aber damals gab es wenn überhaupt nur normale Babypuppen, solche die sie heute "Annabelle" nennen, nur ohne Batteriefach im Rücken und ohne Brabbelfunktion, und aus diesem Alter war ihre Eli dann nun doch schon rausgewachsen. Tief in ihren Gedanken versunken, hatte sie gar nicht mitbekommen, wie sie zu dem alten Antiqitätengeschäft gelangt war. Plötzlich stand sie davor und spürte das dringende Bedürfnis einfach mal einen Blick hineinzuwerfen. Sie glaubte zwar kaum, dass sie dort eine hübsche Puppe finden würde, mit der sie Eli vielleicht überzeugen konnte, dass Mädchen, die mit solchen spielen, eigentlich gar nicht so doof waren, wie sie dachte, aber sie hatte ja Zeit. Oma Alwine war vorbeigekommen und passte auf, dass Eleonora nicht verschwand oder von einem plötzlich auftauchendem Ufo entführt wurde. Bei diesem Gedanken schüttelte sie leicht den Kopf, Eli würde niemals einfach so verschwinden, außer vielleicht in einem gerade gebuddelten Erdloch oder einer verworrenen Hecke in die sie ein ahnungsloses Rotkehlchen verfolgte und Ufos gab es doch sowieso nicht. Sie öffnete die alte, mit liebevollen Details verzierte Tür und betrat den verwunschenen Laden. Das Klingeln der Türglocke und der Geruch der alten Möbel und Gegenstände empfing sie eigenartig nachdrücklich, als wenn schon lange niemand mehr hier gewesen wäre und jegliches Objekt sie geradezu auffordern wollte ihm ein neues Heim zu schenken. Sie liebte die kunstvoll gefertigten Jugendstilmöbel, das alte Himmelbett aus der Gründerzeit mit den original wirkenden Bettlaken und Vorhängen und die ganzen anderen Dinge. In diesem Laden war sie früher öfter gewesen. Hier fühlte sie sich eigenartig wohl, so als wäre sie in dem Verkaufsraum nicht mehr in der Realität, sondern in einer anderen, faszinierenden, in der Zeit stehen gebliebenen, irgendwie magischen Welt. Es war niemand an der Theke, also ging sie weiter durch den Laden, in den großen Lagerraum. Ob wohl der alte Robert noch lebte? Er war früher immer hier gewesen. Auf einer kleinen, weiß lackierten Kommode sah sie eine dort deplaziert wirkende Schmuckschatulle stehen und streckte ihre Hand danach aus. "Überlege gut, ob Du das wirklich tun willst, Cecilia." Robert war lautlos hinter ihr aufgetaucht was sie so erschreckte, dass sie beinahe gegen die Kommode gestoßen wäre. "Wie schön Dich wiederzusehen, Robert!" sagte sie erfreut. "Was denn, dachtest Du etwa ich trete einfach so ab? Du kennst mich doch, ich bin zäh." sagte er und grinste verwegen, wodurch sein altes, faltenreiches Gesicht aufleuchtete und erahnen ließ, das er als junger Mann bestimmt mal bestes Ansehen in der Damenwelt genossen hatte. "Was meinst Du damit, >überlege gut, ob Du das wirklich willst