Von gleicher Natur von Re-belle ================================================================================ Kapitel 5: Begegnungen [Tara | Ophelia | Dun] --------------------------------------------- Ungefähr 10 Jahre früher "Ja, ich weiß, dass Du heute Geburtstag hast, Tara. Du bist aber leider die Einzige, die in der Lage ist, dieses kleine Ungeheuer wieder einzufangen. Und so dreist wie sie ist, wer weiß, was sie anstellen würde, wenn sie nach draußen gelangen würde!" Kela blickte grimmig drein, als sie das sagte. Es tat ihr anscheinend wirklich leid, dass sie sie von ihrer Geburtstagsfeier wegholen musste. "Du könntest dafür morgen eher Schluss machen, was sagst Du dazu?" fragte sie. Tara merkte, dass es ihr wirklich wichtig war, aber noch wollte sie nicht klein bei geben. Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick könnte sie vielleicht noch ein paar Tage öfter "früher Schluss" rausschlagen. "Ich weiß nicht, ich hab mich schon so lange auf meinen Geburtstag gefreut..." antwortete Tara jetzt und setzte einen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck auf. "Oh, jetzt mach es mir doch nicht so schwer! Na gut, zwei Tage früher Schluss!" Kela schnaufte und fühlte sich sichtlich unwohl dabei, ihre eigenen Regeln über den Haufen zu werfen. Innerlich grinste Tara bei diesem Anblick. Kela war immer streng was die Arbeitszeiten und die Regeln währenddessen anging. Eher aufzuhören kam nur in Frage, wenn ein wirklich wichtiger Grund vorlag. Sie wandte sich um und schaute zu ihrer Familie und ihren Freunden, die alle in einem Raum der großen Wendeltreppe in der Versammlungshalle zusammengekommen waren um mit ihr den Abend zu verbringen und ein bisschen zu feiern. Langsam drehte sie sich zurück zu Kela und schlug die Augen traurig auf. Kela stemmte die Hände in die Hüften. "Tara..." ihre Stimme nahm einen leicht bedrohlichen Ton an. Sie konnte sich nicht mehr zusammenreißen und grinste Kela breit an. "Ach komm, ich wollte nur gucken wieviel sich noch rausschlagen lässt. Zwei Tage gehen klar, weißt Du in welche Richtung sie verschwunden ist?" Kela zog eine Augenbraue hoch, beließ es aber dann dabei. Sie würde Tara diese Masche nicht noch einmal abkaufen, sagte sie sich in Gedanken. "Von der Zentrale aus nach unten. Wahrscheinlich tiefer als hier, sie wird bestimmt keine Orte aufsuchen wo sich viele Daoine aufhalten und sie entdeckt oder gar gefangen werden könnte... Genaueres weiß ich aber auch nicht. Du wirst wohl überall suchen müssen, tut mir leid." "Na gut... Ich hole nur eben meine Tasche, pack' mir ein paar Snacks ein und dann laufe ich los." Tara winkte den anderen kurz, lief dann aus dem Raum und die Wendeltreppe weiter hinauf, die sich rund um die riesige, in den Stein gearbeitete Säule wand. Oben angekommen bog sie hinter dem ersten Durchgang nach rechts ab und lief einige Minuten durch die Gänge bis sie vor ihrer Tür angekommen war. Ihre persönlichen Räumlichkeiten waren, wie die der anderen auch, recht klein gehalten. Der größte Raum war sowohl Schlaf- als auch Wohnzimmer und besaß eine kleine Ecke die im gröbsten Sinne als Küche angesehen werden konnte. Benutzt wurde diese aber eher selten, da die meisten Traumbergbewohner sich für größere Mahlzeiten alle in der großen Halle oder in Schankhöhlen und Tavernen trafen. Tara wühlte in ihrem kleinen, fein verziertem Holzschränkchen herum und zog dann, als sie sie gefunden hatte, eine weiße, leichte Umhängetasche heraus. Sie hoffte, dass sie nicht allzu lange nach dem Alpträumchen suchen müsste und nahm deswegen, optimistisch wie sie war, nur die kleinere Tasche mit. In diese stopfte sie noch schnell ihre aus Leder gefertigte Trinkflasche und eine Box für Lebensmittel und lief dann wieder zurück in die Versammlungshalle, wo sie sich etwas vom Geburtstagsschmaus abfüllte. _____________________________________________________________ "Geh nicht weiter." flüsterte sie ihm zu und zog sich dann wieder in den tiefschwarzen Schatten des Gesteins zurück. Um sie herum war alles dunkel, doch mit der Zeit hatten sich ihre Augen an diesen Zustand gewöhnt. Daoine konnten generell unvergleichbar gut im Dunkeln sehen, doch in der reinen Schwärze des Verbanntenreichs konnten nur jene etwas erkennen, die dort auch seit Jahren gezwungenermaßen lebten. Er sah zu ihr herüber, doch selbst er konnte sie, dort wo sie stand, fast nicht erkennen, so verschmolzen war sie mit dem Schatten des Schattens. Sie war schon lange hier. Lange Zeit bevor er verbannt wurde, wurde dies auch zu ihrem Schicksal. In der Zwischenzeit hatten sie schon viele kommen und gehen gesehen, aber einen Rückweg aus der Verbannung gab es nicht. War man ein Mal hier unten gab es nur drei Möglichkeiten: man konnte sich entweder damit abfinden und versuchen zu überleben, sich damit abfinden, dahinvegetieren und irgendwann selbst eins mit dem Schatten werden oder aber bei dem Versuch nach oben zu gelangen sein Leben lassen. Er hatte alles schon mitangesehen, denn die meisten gaben sich früher oder später auf. Es gab nur noch wenige Überlebende hier unten und manchmal fragte er sich ob die Daoine oben, die die Schicksale eines jeden hier gefällt hatten, überhaupt wussten, wie es hier aussah und zuging. Wussten sie, dass ihr Urteil für den Großteil das Todesurteil war? Wussten sie über die Gefahren und das Leid des ewigen Gefangenseins in den Regionen tief unter den Traumbergen? Wenn ja, dann waren sie alle grausamer als alle Verbannten gemeinsam. Ihre Augen blickten nervös in seine Richtung und zuckten immer wieder von rechts nach links um die Lage zu kontrollieren. "Im Ernst jetzt, lass uns wieder zurück gehen. Nachher gehst Du einen Schritt zu weit und dann wars das mit Dir. Und ich bin wieder allein." sagte sie: "Ich will das nicht.". "Ich werde nicht zu weit gehen, ich weiß genau wo die Grenze ist, schließlich habe ich hier schon mehr als einen anderen sterben sehen." entgegnete er schroff. "Was willst Du überhaupt hier oben, Dun? Es gibt hier nichts, was es unten nicht auch gäbe." Nubila machte einen Schritt auf ihn zu, ihre Haltung war leicht gebeugt und zeugte von großer Vorsicht und Anspannung. "Wenns Dir nicht passt, dann geh. Ich komme auch gut allein zurecht." "So, meinst Du?" sie lachte verächtlich. "Ich glaube kaum, dass Du heute noch hier wärst, wenn ich Dir nicht geholfen hätte. Aber gut, dann gehe ich eben. Du weißt wo Du mich findest, falls Du mich suchen solltest." sagte sie schnippisch, drehte sich um und verschmolz im nächsten Moment wieder mit der absoluten Dunkelheit. Dun blickte kurz zurück, dann wandte er sich wieder um und wartete ab. __________________________________________________________ Tara sprang die Treppe, die zur Heiligen Grotte führte, beschwingt hinunter. Sie war schon in den Gängen unter der Zentrale gewesen, hatte Sackgassen abgesucht und auch die große Kristallhöhle hatte sie schon inspiziert, von dem Alpträumchen war aber weit und breit keine Spur zu finden. Sie glaubte nicht wirklich daran, dass es in der Grotte zu finden sein würde, denn dort hielten sich des öfteren Daoine auf, die auf der Suche nach innerer Ruhe, einem Zeichen der Traummütter oder sonst etwas waren. Nichtsdestotrotz betrat sie den gewaltigen, erfurchteinflößenden Raum und sah sich um. Niemand war weit und breit zu sehen, kein Wunder zu so später Stunde. Wahrscheinlich aßen gerade alle gemeinsam zu Abend oder schliefen sogar schon. Eine Zeit in der die Heilige Grotte ihre wahre Schönheit entfaltete, denn das Licht, das durch das kleine Loch an der Decke drang, war nun besonders hell und warf einen freundlichen, warmen Schein auf das reflektierende Wasser des Sees und die Kristalle, Stalaktiten und Stalagmiten rings um diesen herum. Sie kam gerne hier her, wenn das Licht so hell schien. Viele sagten, dass es ihre Augen schädigen würde oder dachten sich andere Gruselgeschichten aus um die Kinder von diesem Spektakel fern zu halten. Tara war das schon immer egal gewesen. Sie war schon so oft zu dieser Zeit hier gewesen und sah noch genauso gut wie immer, aber das behielt sie für sich. Sollten doch alle diesen Unsinn glauben, dann hatte sie wenigstens ihre Ruhe hier. Ein Kichern ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken. Sie drehte sich hin und her und suchte die Höhle nach dem Alpträumchen ab. Dank des Lichts konnte sie sogar bis in die hintersten Ecken scharf sehen und erkannte jede kleine Einzelheit des Gesteins. Auf der gegenüberliegenden Seite nahm sie eine Bewegung zwischen den Stalagmiten wahr und sprintete blitzschnell los, am Ufer entlang, den kürzesten Weg nehmend. Sie war ganz nah an dem kleinen Lichtwesen, da bemerkte es sie und huschte davon. Ein Katz-und-Maus-Spiel wie eh und je - doch Tara war bis jetzt immer als Gewinnerin herausgegangen. Sie jagten ein Mal rund um den See, waren wieder am Eingang angelangt, da verschwand das Alpträumchen durch diesen und Tara konnte es wieder nirgends ausmachen. "Ich krieg Dich, Du kleines Biest - sei Dir da mal sicher!" rief sie, ein bisschen außer Atem, und grinste dann. Insgeheim liebte sie dieses Herumjagen und Versteckspielen mehr als alle ihre anderen Aufgaben in der Zentrale und dafür war sie dem Alpträumchen wirklich dankbar. Es tat ihr jedes Mal wieder Leid, dass sie sie zurückbringen musste, aber sie wusste auch, dass die Kleine es ebenso oft wieder schaffen würde auszubrechen. Sie trank einen Schluck aus ihrer Flasche, aß eine Kleinigkeit und setzte danach ihre Suche wieder fort. _____________________________________________________________ Er verharrte eine ganze Weile an der Grenze, als er einen leichten Luftzug wahrnahm. Er wusste selbst nicht so genau, weshalb es ihn immer wieder an diese Stelle gezogen hatte, andererseits hatte er auch sonst nichts anderes zu tun und blieb deswegen jedes Mal ein paar Stunden hier. Zumindest vor den nervenden Alpträumen hatte er hier seine Ruhe. Ab und zu waren schonmal leise Geräusche von oben heruntergeweht worden. Ihn überkam dann immer ein Gefühl von Heimweh, was ihn so deprimierte, dass er dann doch wieder umkehrte und für viele Wochen, manchmal auch Monate, nicht wieder herkam. Immer noch emfpand er seine Verbannung als absolut ungerechtfertigt. Nubila war da ein ganz anderes Kaliber. Sie hatte sich an Träumen geweidet und Daoine getötet. Was auch immer ihre Intention dabei gewesen war, die Verbannung war die einzig angemessene Strafe für ihr Vergehen gewesen. Er verdrängte den Gedanken schnell wieder, denn er wollte noch eine Weile alleine hier oben bleiben und das ohne ein wehmütiges Gefühl. Einfach da sitzen und warten. Ein sanftes Leuchten ließ ihn nach oben fahren. Was zum Teufel war denn jetzt los? Im nächsten Moment flog ein Alpträumchen mit vollem Tempo durch ihn hindurch, er taumelte und kippte hinten über. "Ach Du Scheiße!" rief ein helles Stimmchen. Er rappelte sich wieder auf und starrte dem Lichtpunkt aus der Dunkelheit entgegen. Es legte eine Vollbremsung hin, drehte sich um und flog langsam wieder zurück. "Ist da wer?" fragte es. Dun löste sich aus dem Schatten und trat näher an es heran. Er kniff die Augen zusammen, ein so helles Licht war er von den großen Alpträumen weiter unten nicht gewöhnt und es schmerzte ihn sehr. Grimmig blickte er dem Wesen entgegen. "Was hat Dich ins Reich der Verbannten verschlagen, Alptraum?" fragte er und beobachtete wie sich dessen Augen in der gleichen Sekunde erschrocken weiteten. "Verbanntenreich?!" rief es. "Hier wollte ich nicht hin, oh nein. Und tschüss!" Es wirbelte davon und warf Dun ein weiteres Mal um. So viel Energie und Lebensfreude hatte er das letzte Mal vor vielen Jahrzehnten erlebt, als er noch nichtmal einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass er jemals hätte verbannt werden können. "Ophelia heiß' ich übrigens, du Finsterbacke!" kicherte das Alpträumchen und verschwand in dem langen, dunklen, halb zusammengefallenen Gang zur Oberwelt. Erneut stand er auf und klopfte sich den aufgewirbelten Staub aus der Kleidung. "Hab ich Dich, du freches Ding!" rief eine Stimme aus einiger Entfernung, gefolgt von aufgeregtem Gegacker des Alpträumchens. Dun hob den Kopf und starrte geistesabwesend in die Schwärze. Da war jemand, eine Duine. Was suchte jemand so weit unten, so nah an diesem Ort? Was war sie für eine Person, dass sie als Duine ganz alleine in so eine Gegend ging? "Lass mich los, LASS MICH SOFORT LOS!" kreischte Ophelia. "Nichts da, Du kennst das Spiel doch mittlerweile." antwortete die Stimme. "Nein, bitte, ich will nicht wieder eingesperrt sein. Ich flieg' auch nicht nach draußen, ich versprechs! Ehrlich!" Wie wahr, dachte Dun. Was würde er dafür geben hier wieder herauszukommen. Die beiden entfernten sich und wurden immer leiser, nur Ophelias Gejammer war noch länger zu vernehmen. "Taaaaaaaraa, bitteeeeeeeee, Taaaaraaaaaaaa!" Das war also der Name dieser verrückten, lebensmüden Duine. Tara. __________________________________________________________ Ophelia wand sich hin und her, aber Tara hielt sie fest umklammert. Ihr Gekreische war mittlerweile zu leisem Wimmern geworden. "Ich will doch gar nicht schlechte Träume verbreiten, ich will einfach nur frei sein..." flüsterte sie. Bei diesen Worten blieb Tara stehen, ihr Gesichtsausdruck veränderte sich kaum merklich. "Frei sein...?" fragte sie. "Frei sein." Sie stand für einen Moment einfach nur da, dann ließ sie das Alpträumchen los. Verwirrt schwebte es vor Tara in der Luft. Sie blickten sich in die Augen und wussten beide, dass ab jetzt eine neue Zeit für sie anbrechen würde. Anstelle sofort zu fliehen verharrte es auf der Stelle. "Ich bin Ophelia." sagte es leise. Tara lächelte und hob langsam die Hand: "Wie ich heiße, weißt Du ja schon." Dann setzte sie sich wieder in Bewegung, Richtung Zuhause. "Hey, willst Du jetzt einfach weggehen und mich hier allein lassen?" "Also... Du warst doch sonst auch immer allein. Was... ähm... was sollte ich denn sonst tun?" so eine Reaktion hatte Tara von Ophelia nicht erwartet und war sichtlich verwirrt. "Wir könnten die Gegend erkunden und ein bisschen quatschen!" euphorisch flog sie um Tara herum und zerzauste dabei ihr Haar. Sie mochte das kleine Wesen wirklich gerne, aber wie sollte so eine Freundschaft halten? Wenn das jemand rausbekäme, würde das einen riesen Aufstand geben. Andererseits war sie noch nie der Typ dafür gewesen, sich übermäßig viele Gedanken darüber zu machen was andere nun davon halten mit wem sie befreundet war und mit wem nicht. "Heute nicht mehr. Ich bin ein bisschen müde und möchte noch etwas von meinem Geburtstagskuchen essen bevor der nächste Tag beginnt. Aber... wie wäre es mit morgen? Ich muss Kela sowieso sagen, dass ich Dich nicht gefunden habe und dann muss ich nochmal los." Sie zwinkerte ihr zu: "Was meinst Du?" "Oh, toll! Ich komm noch mit und versteck mich dann bis morgen in der Kristallhöhle. Warst Du schonmal beim Brunnen? Oder dem Zackenschlund? Am Abgrund?" Tara lachte: "Nein, aber gehört habe ich von allem. Wenn Du weißt wie wir dorthin kommen, dann können wir morgen mal zu einem dieser Orte gehen!" Gemeinsam liefen sie zurück nach oben und verabschiedeten sich vor dem Eingang der großen Kristallhöhle unter der Versammlungshalle. Als Tara wieder in ihrem Zimmer angekommen war, flezte sie sich gemütlich auf ihr Bett, aß den Rest ihrer Wegzehrung auf und freute sich auf den nächsten Tag. Endlich würde sie richtige Abenteuer erleben und von dem Alltag hier wegkommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)