Von gleicher Natur von Re-belle ================================================================================ Kapitel 4: Wie es in den Wald ging [Teil 2] ------------------------------------------- Arcane Woods, den Begriff hatte ihre Oma vor einiger Zeit schonmal verwendet. Damals hatte Eli aber nicht weiter darüber nachgedacht, weil sie dachte, dass dies nur ein anderer Ausdruck für die Wälder hier wäre, den die Menschen damals benutzt hatten. Jetzt machte aber endlich auch der Begriff "Arkwald" Sinn. Arcane Woods - Arkaner Wald - Arkwald. Dass diese Arcane Woods aber eine Art Parallelwelt waren, damit hätte sie nie im Leben gerechnet. Flämmchen hatte gemutmaßt, dass Eli den Übergang heute hatte sehen können, weil Beltane war, der erste Mai. Sommeranfang und Feuerfest, eines der vier großen Feste im Keltischen. Früher glaubte man, dass an Beltane, Imbolc, Lughnasadh und Samhain die Tore zur Anderswelt offen standen. Diese wurde aber eher als Feenwelt oder sogar als eine Art Unterwelt gesehen. Wie Flämmchen jetzt erklärte stimmte das aber nur teilweise. "Naja - die, die hineingekommen sind waren entweder nur sehr kurz hier oder aber für immer. Die einen haben in der Zeit dann seltsame, unbekannte Dinge gesehen, wie eben Elfen oder Feen und sind so verängstigt und erschrocken zurückgestolpert, dass sie nur solche Fetzen weitergeben konnten. Ist klar, dass manche das noch nett ausschmücken und sich dann solche Mythen entwickeln vor denen die meisten Angst haben. Wären die, die hier blieben eines Tages zurückgegangen, dann hätten sie was anderes wiedergegeben." erzählte Flämmchen. "Ich versteh das nicht. Gibt es nur dieses "Entweder-oder"? Sofort wieder raus oder für immer bleiben?" fragte Eli entsetzt. "Nein, ich kann mir das nicht vorstellen. Ich kann ja auch hier rein und wieder raus wann ich will. Aber gut, ich komm ja auch von hier.." "Du kommst von hier? Aus dem Wald hier? Warum hast Du das denn nie gesagt?" "Neiiiin, nicht aus dem Wald, aber aus dieser Welt eben. Hör mal, vielleicht sollten wir doch wieder von hier verschwinden und morgen nochmal wiederkommen. Wenn Du den Übergang dann noch siehst, sollte das Hin- und Herwechseln eigentlich kein Problem darstellen... denke ich!" Eleonora empfand das als eine äußerst gute Idee. Sie wollte die Umgebung zwar gerne weiter erkunden, vor allem wenn sie daran dachte, dass sie Elfen und Feen sehen könnte, aber wenn sie dann für immer hier bleiben müsste und nie wieder zurück zu ihrer Familie könnte, wäre das das Schlimmste, was passieren könnte. Also drehte sie sich um und verließ Arcane Woods auf dem gleichen Weg, den sie gekommen war. Wieder zu Hause angekommen waruf sie sich auf ihr Bett und dachte nach. War das, was gerade passiert war, wirklich wahr? Gab es eine Parallelwelt zu dieser, in der es Elfen und andere magische Geschöpfe gab? Die Vorstellung war so abwegig, dass sie anfing an dem zu zweifeln, was sie selbst gesehen und erlebt hatte. Aber bevor sie sich darüber weiter den Kopf zerbrach, würde sie den morgigen Tag abwarten. Die Zeit konnte gerade gar nicht schnell genug vergehen, am liebsten wäre sie zurückgegangen und hätte im Wald gewartet, wenn es dort nachts nicht so dunkel und gruselig wäre. Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf und stellte sich allerhand phantastisches vor, auf das sie treffen könnte. In ihrem Kopf begannen kleine, leuchtende Wesen zu tanzen und kurze Zeit später war sie eingeschlafen. Am nächsten Tag klingelte ihr Wecker nicht und sie verschlief den halben Morgen. Geweckt wurde sie von den leisten Geräuschen im unteren Stockwerk - dem Klappern von Geschirr, Gluckern der Kaffemaschine und leisen, sich unterhaltenden Stimmen. Eleonora drehte sich um und öffnete schlaftrunken ein Auge um auf die Uhr zu sehen. Es war schon fast zehn Uhr! Sie riss sie beide Augen auf und sprang aus dem Bett - sie hatte doch so früh wie möglich wieder in den Wald gehen wollen! Sie hüpfte flink die Treppe hinunter und gesellte sich zu ihren Lieben in die Küche um ein schnelles Frühstück zu sich zu nehmen und ein bisschen Wegzehrung vorzubereiten. Heute war überraschender Weise ihr älterer Bruder da. Er hatte das lange Wochenende und die Feiertage genutzt um von der Uni mal wieder nach Hause zu kommen. Etienne saß neben ihrer Mutter am Küchentisch und aß ein Stück Kuchen. "Schwesterchen! Guten Morgen! Ich hab Kuchen mitgebracht, nimm Dir auch ein Stück!" begrüßte er sie freudestrahlend. Hin- und hergerissen zwischen dem verlockendem Kuchenstück und dem Drang wieder in den Wald zu gehen stand sie da und prasselte mit ihren Fingern auf die Tischplatte. "Seit wann kann Dich Kuchen denn nicht sofort überzeugen?" grinste er. Sie biss sich auf die Unterlippe, nahm einen Stuhl und setzte sich dazu. Kuchen konnte sie einfach nicht ausschlagen. "Ach, ich hatte eigentlich noch was vor heute, aber wenn Du schonmal da bist, bleib ich auch hier!" antwortete sie ihm. Etienne zog eine Augenbraue hoch, eine Angewohnheit, die sie alle in der Familie hatten, und sah sie belustigt an. "Keine Sorge, Eli. Ich leg mich sowieso gleich nochmal hin. Bin die halbe Nacht durchgefahren und ein bisschen übermüdet. Kannst also getrost noch wo anders hingehen." Er zwinkerte ihr zu: "Dich mit Deinem Freund treffen oder so..." Typisch großer Bruder, dachte Eleonora. Sie wollte gerade etwas erwiedern, als er schon abwinkte und meinte, dass es doch nur ein Scherz gewesen sei. Sie saßen noch eine Weile zusammen und genossen das Beisammensein, bis Etienne sich, wie angekündigt in sein Zimmer zurückzog um zu schlafen. Kurze Zeit später verließ Eli, ausgerüstet mit einem kleinen Proviantrucksack und Flämmchen in einer gepolsterten, kleinen Gürteltasche, das Haus und machte sich auf den Weg in den Wald. Sie wusste zwar nicht, ob das Tor für sie nochmal offen stehen würde, aber falls es der Fall sein sollte, wollte sie ausgerüstet sein und nicht nach ein paar Stunden dastehen, halb verdurstet und mit knurrendem Magen aber ohne jegliches Lebensmittel in den Taschen. Sie versuchte den Weg genau so zu gehen wie am gestrigen Tag. Erst über die Felder, irgendwann am Bach entlang und dann rüber in den Wald. Mit Flämmchens Hilfe, die den Übergang jederzeit sehen konnte, fand sie dann endlich die Stelle wieder. Sie fand sich jetzt, einen Tag nach Beltane, gegenüber von einer Baumgruppe wieder. Einer uralten Baumgruppe! Sie konnte es gar nicht fassen, dass sie die Bäume tatsächlich wieder sehen konnte. Eine Weile blieb sie noch stehen und betrachtete das Bild, das sich ihr bot, bevor sie sich dazu entschied erneut den Durchgang zu wagen. Die bemooste Oberfläche der Rinde umrankt von Efeu und anderen Rankpflanzen sah gleichzeitig einladend und abweisend aus. An anderen Stellen war sie grob und knorrig, eingerissen und aufgeplatzt. Je länger sie die Pflanzen ansah, desto lebendiger kamen sie ihr vor. Hätte Flämmchen sie nicht angesprochen, wäre sie gedankenversunken noch den ganzen Tag so stehengeblieben. "Hey, nicht ablenken lassen. Los, lass uns durchgehen!" rief sie dazwischen. Eleonora schüttelte den Kopf um diese Faszination, die sie in den Bann der Bäume zu ziehen drohte, abzuwerfen. Einatmen und ausatmen und einatmen und ausatmen, dachte sie und Schritt durch die schmale, freie Stelle zwischen den Bäumen. Es raschelte und knackte und ehe sie sich versah, brach sie wieder durch das Dickicht und landete genauso unsanft, wie beim ersten Mal auf ihren Knien. "Alle guten Dinge sind drei..." murmelte sie, rappelte sich auf und nahm sich fest vor beim nächsten Mal nicht schon wieder hinzufallen. "Was, drei? Ist das nicht... Nein, wir sind doch erst das zweite Mal hier durch, was redest Du, Eli?" fragte Flämmchen, sichtlich verwirrt. Sie war sicher in der Tasche gewesen und hatte nicht erneut hinfallen können. "Nein, nein. Ich mein' nur, dass ich das nächste Mal besser gucke, wie ich hier durchkomme. Sonst hab ich dauerhaft blaue Knie!" Flämmchen zog eine Augenbraue hoch und guckte skeptisch, das hatte sie sich schnell angewöhnt, nachdem sie sie in der alten Zauberkiste gefunden hatte. Ein ganz normaler Vorgang, wenn man tagtäglich mit jemandem zu tun hat. Sie musste unwillkürlich an ihre Mitschüler denken, die durch ihre Cliquen- und Gangsprachen deutlich voneinander unterscheidbar waren. Die Gruppe um Vincent zum Beispiel ließ gerne ganze Wörter aus Sätzen wegfallen und die hauptsächliche Anrede, egal welchen Alters oder Geschlechts man war, war "Ey, Junge!". Sie verdrängte den Gedanken schnell wieder. In dieser wunderbaren, neuen Umgebung wollte sie sich nicht von Unbedeutsamkeiten wie der Schule ablenken lassen und alle Eindrücke mit jeder Faser aufnehmen und genießen können. Sie liefen ein Stück, weiter als am gestrigen Tag, und schon war Elis Aufmerksamkeit vollkommen auf das Jetzt und Hier gerichtet. An einem Baum, keine 10 Meter von ihr entfernt, wuchs ein Pilz. An sich war das keine welterschütternde Neuigkeit, aber die Art wie der Pilz aussah... Eli näherte sich langsam und betrachtete ihn von allen Seiten. Er war bestimmt so groß wie ihr Kopf, wenn nicht sogar größer. Der Hut war grünlich blau gefärbt und hatte auf der Unterseite unglaublich viele, fast unnatürlich gleichmäßig gereihte Lamellen, die von dem eigentlichen Farbton des Pilzes zur Mitte hin in ein kräftiges rötliches Blau verliefen. Von dort aus wuchs der Stiel schräg in den Baum und die Farbe verlief abermals, diesmal in ein sanftes Braun, angepasst an die Rindenfarbe. Als wenn das nicht schon außergewöhnlich genug gewesen wäre, hatte der Pilz auf seiner Oberseite mehrere kleine Löcher, die von weitem wie unregelmäßig verteilte Punkte aussahen, aus denen eine schimmernde, silbrige Flüssigkeit trat. Sie hätte den Pilz am liebsten berührt um zu sehen ob die Tropfen bei Erschütterung abfallen oder herauslaufen würden, aber ihr Respekt vor der Pflanze und ihr Unwissen waren zu groß als das sie sich getraut hätte. "Flämmchen... Was... Was ist das?" fragte sie erfürchtig. "Keine Ahnung. Kenn mich mit Pflanzen nicht so gut aus wie Du, ich weiß nur, dass man ihn nicht ärgern sollte!" erwiederte sie schulterzuckend. "Ärgern? Wie meinst Du das?" "Ja, jetzt nicht anstoßen oder abreißen oder sowas. Das würde unschön enden. Das hübsche, silberne Zeug da ist nämlich giftig und verteilt sich blitzschnell auf dem Angreifer. Man bekommt ganz üblen Ausschlag davon mein ich. Oder Verbrennungen? Oder, nein, Moment. Halluzinationen, ähnlich wie beim Fliegenpilz, nur irgendwie... echt fieser! Vielleicht auch alles zusammen..." Flämmchen kratzte sich an der Stirn. Gut, dass sie ihrem ersten Impuls nicht gefolgt war, dachte sich Eleonora. "Wahnsinn... Er ist so schön! Woher weißt Du dass eigentlich und warum weißt Du dann nicht was für ein Pilz das ist?" bohrte sie weiter. "Ich glaub' ich hab' das mal irgendwann gelesen. Ist aber schon lange her - noch bevor wir uns getroffen haben war das. Aber ich kann mich nur noch an das Bild und die Auswirkungen erinnern. Ich glaube das war mir damals das Wichtigste, dass ich weiß wovon ich mich fernhalten sollte. Namen fand ich eher nebensächlich..." "Na dann. Aber gut, dass Du Dir das noch so gut gemerkt hast!" grinste Eli zurück und setzte ihren Weg durch die fremde Welt fort. Nach einer Weile kamen sie an einen kleinen Bach, der im Licht der Sonne, das durch die dichten Baumkronen drang, wie ein Strom aus flüssigem Glitzerpuder funkelte. "Na, das sieht doch fast aus wie der Bach, der bei uns durch den Wald fließt!" rief sie erfreut. "Ja, das liegt daran, dass das der gleiche Bach ist. Nur eben... in dieser Welt!" sagte Flämmchen und nickte, sich selbst bestätigend. "Also sind diese Welten im Grunde... Wie soll ich das sagen... geographisch gleich aufgebaut - Flüsse und Wälder und Berge liegen an der gleichen Stelle, sind aber von ihrer Art irgendwie anders?" "Ja, genau." Eli lief den Bach ein Stück entlang und fand eine schmalere Stelle, über die sie herübersprang. "Merkst Du Dir eigentlich wo Du herläufst, Eli?" fragte Flämmchen sie. "Japp. Über den Bach, ein paar Meter weiter, dann leicht rechts halten und ganz weit laufen bis zu der krummen Wurzel, da dann nochmal leicht rechts abbiegen, laufen, laufen, laufen, dann kommt der komische Pilz und ab da ists dann ganz einfach." Eli leierte das herunter, als hätte sie es schon hundert Mal aufsgesagt. Flämmchen fand, dass sich das ganz plausibel anhörte, dachte nicht weiter darüber nach und schaute sich wieder die Landschaft an. Die Sonne stand jetzt fast im Zenit, es war also Zeit für eine kleine Pause und einen Mittagssnack, entschloss Eli. Flämmchen hatte sich auch schon in die Tasche zurückgezogen und machte ein Nickerchen. Während des Gehens hielt Eleonora Ausschau nach einem Ort um sich für diesen Zweck niederzulassen. Durch die dicht beieinanderstehenden Bäume rechts von ihr drang das Licht viel heller als zu den anderen Seiten - sie vermutete, dass dort entweder der Wald endete oder dass sie auf eine Lichtung oder ähnliches stoßen würde, also wandte sie sich nach dort. Es war eine recht große Lichtung, fast unnatürlich rund geformt, die von der Mittagssonne beschienen überaus einladend und gemütlich erschien. Eli stand in der Mitte, schloss die Augen und drehte sich mehrmals um sich selbst. Der Wind umspielte ihre Haare und ihre Haut. Als sie die Augen wieder öffnete und den alten, dicker als seine Artgenossen gewachsenen Baum, dessen Wurzeln sich wie ein kunstvolles Gebilde über den Boden wanden, sah, stand die Entscheidung für sie fest. Dies war ihre Lichtung, hier würde sie sich irgendetwas kleines aufbauen. Sie fühlte sich an dieser Stelle auf Anhieb so wohl wie an kaum einem anderen Platz, außer ihrem Zuhause und dem Garten. Eli lief zu dem Baum und ließ sich auf einer seiner Wurzeln nieder, die in einem kleinen Bogen erst nach oben und dann doch in den Boden gewachsen war und sich als Sitzgelegenheit regelrecht anbot. Als sie eine Weile saß kam Flämmchen aus der Tasche und schaute verdutzt drein. "Wieso hast Du Dich hingesetzt, ich dachte Du wolltest hier ganz viel erkunden?" fragte sie. "Ja, schon. Aber ich glaube ich habe mich gerade in diesen Ort verliebt! Guck doch wie schön es hier ist - mitten im Wald und doch so viel Platz, so viel Wiese und so viele Möglichkeiten alles mithilfe von ganz vielen Pflanzen in ein Paradies zu verwandeln!" träumte Eli vor sich hin. "Was, Du hast doch nicht etwa vor Dich hier häuslich niederzulassen?" scherzte Flämmchen, war sich aber nicht ganz so sicher ob Eleonora das nicht doch ernster auffasste, als geplant gewesen war. "Das ist gar keine schlechte Idee! Die Frage ist nur, wie?" Eli stützte ihre Ellenbogen auf die Knie, legte ihr Gesicht in die Hände und rieb sich darüber. Es musste doch eine Möglichkeit geben, hier eine kleine Hütte oder ein Zelt oder etwas in der Art herzurichten. Während der nächsten Stunden kundschaftete sie die nahe Umgebung rund um die Lichtung aus und alles, was sie sah bestärkte sie nur noch in ihrer Entscheidung. Direkt in der Nähe befand sich zum Beispiel ein verwilderter, umwachsener, größerer Teich an dessen einer Seite sich ein Steg und an der anderen ein kleiner Wasserfall befand. Dieser wurde durch den Bach gespeist, der durch den ganzen Wald mäanderte und den sie auch aus ihrer Welt kannte. Als sie merkte, dass die Sonne bald untergehen würde machte sie sich zusammen mit ihrer kleinen Kerzenfreundin auf den Rückweg. Begleitet wurde sie dabei von einer vielzahl verschiedener Singvögel - viele davon konnte sie problemlos anhand ihrer Stimme identifizieren, das hatte sie durch all die Vögel in ihrem Garten gelernt. Amseln sangen ihre Lieder, Meisen zwitscherten und flogen neugierig umher und auch ein Spechtpaar rief sich weiter entfernt, tief im Wald, etwas zu. Zutiefst zufrieden und entspannt erreichte sie nach einer Weile wieder den Druchgang zu ihrer Welt. Sie blickte nochmal zurück und lächelte in sich hinein. Dann wandte sie sich um und verließ ihr neues Traumland, wissend, dass sie in ihrer Freizeit in den nächsten Wochen und Monaten nichts anderes mehr machen würde, als alles genau durchzuplanen. Sie würde ein Baumhaus in dieser Welt besitzen, komme was wolle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)