Amour fou von Norrsken (unvernünftige Liebe) ================================================================================ Kapitel 2: Überraschung ----------------------- Die schweren Vorhänge der Himmelbetten in den Gryffindorschlafsälen waren zwar Blickdicht und dämpften Geräusche, aber sie waren nicht dafür gemacht, Störenfriede abzuhalten, die einen unbedingt aus dem erholsamen Schlaf reißen wollten. Rose lag in einem dämmernden Schlafzustand in ihrem Bett und genoss das Gefühl der kuscheligen Wärme, die ihr die Decke schenkte. Melina dagegen war schon wach und wie sie es am Vorabend noch abgesprochen hatten, war sie bereits fertig für das Frühstück. Mit einem Ruck zog sie die roten Vorhänge von Rose‘ Bett zurück und sah in ihr Gesicht, welches sich wegen des Lichtes gequält verzerrte. »Aufstehen, Rose! Wir wollten vor Hogsmeade noch frühstücken gehen. Du musst dich fertig machen.« In grummelnden Geräuschen gab Rose ihr Missfallen kund und drehte sich auf die Seite. Insgeheim hoffte sie, dass diese abweisende Haltung ihre Freundin verschwinden ließ, womit sie aber weit gefehlt hatte. So schnell hätte Rose nicht mal den Aufruf-Zauber sprechen können, da hatte Melina ihr auch schon die Decke entrissen und ließ die Weasley schutzlos zurück. »Los, hoch mit dir!«, verkündete Melina erbarmungslos und verstaute die Decke vorläufig auf ihrem eigenen Bett. Während sie Rose dabei zusah wie sie sich aus dem Bett schälte und zu ihrem Schrank trottete, griff sich Melina ihre Bürste und kämmte noch einmal ihre langen, welligen Haare. Mit den Klamotten unterm Arm trat Rose den Weg ins gemeinschaftliche Bad der Mädchen an. Zu ihrem unverdienten Glück herrschte dort mal kein Gezänk und sie konnte ohne auf irgendwen Rücksicht nehmen zu müssen und ohne mit dem Gedanken zu spielen, das Bad der Vertrauensschüler aufzusuchen, damit anfangen, sich fertig zu machen. Die Dusche belebte ihre müden Glieder und mit der Melodie von One of the wizards, von der Sängerin Mary Berry, auf den Lippen trat sie aus der Kabine und wickelte sich ihr Haar vorläufig in ein Handtuch. Ihr kam zu Gute, dass sie im Vergleich zu anderen Mädchen, nur eine relativ kurze Zeit im Bad brauchte, um sich fertig zu machen. Länger brauchten lediglich ihre dicken Haare. Mit den richtigen Zaubern zum Trocknen, schaffte Rose es spielend leicht sie anständig zu frisieren, anstatt dass sie wüst in alle Richtungen springen würden. Fertig für den Tag stellte sie sich in die Tür zum Schlafsaal der Sechstklässlerinnen und sah lächelnd zu Melina. »Fertig.« »Endlich«, seufzte diese und erhob sich schnell von ihrem Bett. »Mein Magen gibt schon laute Proteste von sich. Ich habe richtig hunger!« In der Großen Halle herrschte eine ausgelassene Stimmung. Vermutlich kam diese daher, dass der Lehrertisch zu dieser Uhrzeit am Wochenende eher spärlich besucht war und von den paar Anwesenden sich kaum einer dafür interessierte, wie das Betragen der Schüler am Wochenende zu Tisch war. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, dass besonders an den Wochenenden, die Schüler nicht so darauf achteten, an welchem Haustisch sie nun eigentlich saßen. Deshalb war es wohl auch für Fiona das selbstverständlichste der Welt nicht an den Tisch der Ravenclaws Platz zu nehmen, sondern bei Rose und Melina am Gryffindortisch. »Guten Morgen, ihr beiden«, grüßte sie freundlich mit einem Lächeln auf den Lippen. Rose war gerade dabei sich eine Gabel voll leckerer Bohnen in den Mund zu schieben, weshalb Melina die Begrüßung ihrer Freundin übernahm. »Morgen, Fiona. Setz dich zu uns.« Sie rutschte noch ein Stück zur Seite, um der Ravenclaw Platz zu machen. Den Ausflug nach Hogsmeade hatten Melina und Fiona schon am Vortag geplant, während Rose sich von James über das Quidditch-Feld hatte jagen lassen. Am Abend war Rose dann zu erschöpft gewesen um sich alles von ihrer Zimmergenossin erzählen zu lassen und so holten sie das nun nach. Es würden die üblichen Abstecher beim Honigtopf und Schreiberlings Federladen machen und am Ende des Tages ein Butterbier im Drei Besen trinken gehen. Alles wie immer eigentlich, nur das sich ihrer Gruppe noch eine weitere Person anschließen würde. »Da Hugo dieses Wochenende sein erstes Date hat, fühlt sich Lily etwas allein und sie wollte gern mit uns«, erklärte Melina und schien zu versuchen in Rose‘ Gesicht zu lesen. Dabei brauchte sie sich eigentlich nicht sonderlich anstrengend, denn Rose war schon immer, was ihre Emotionen betraf, ein offenes Buch. Sie konnte nicht verbergen, was sie fühlte. »Sie kann gerne mit«, versicherte die Weasley, um zu verhindern, dass Melina glaubte, ihre gekräuselte Nase würde ihrer kleinen Cousine gelten. Viel eher war der Grund das wieder erwähnte Date ihres kleinen Bruders. Die Vorstellung, dass Hugo inzwischen alt genug für Verabredungen mit Mädchen war, würde ihr wohl noch eine geraume Weile Unbehagen bereiten. »Okay, gut. Ich hab ihr gesagt wir treffen uns gleich vorm Schlossportal.« Lily hatte sich nicht zum Frühstück gesellt, da sie sich dazu verpflichtet gefühlt hatte, Hugo auch noch wenige Stunden vor seinem Date mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Sie sah natürlich, dass sie ihm inzwischen ordentlich auf den Zeiger ging, aber dann hätte er ihr einfach niemals etwas darüber erzählen dürfen. Erst kurz bevor Annabeth Wood sie in der Eingangshalle entdeckt hatte, war Lily endlich abgezogen und wartete auf Rose und ihre beiden Freundinnen. Man sollte meinen, durch die vielen Verwandten, seien rote Haare nichts Auffälliges mehr, doch trotzdem erspähte Lily mit den geschulten Augen eines Suchers ihre Cousine in der quirligen Schülermenge, die sich um das Schlossportal wuselte. »Rose!«, rief sie und streckte die Hand in die Höhe, um die Chancen zu erhöhen, dass man sie schneller sehen würde. Und es half. Gemeinsam mit Melina und Fiona kam Rose auf die kleine Potter zu. Zur Sicherheit hatte sie sich auf die Unterlippe gebissen, damit sie ihr Mundwerk daran hindern konnte, sich nach der Verabredung von Hugo zu informieren. Sie wollte nicht wie eine viel zu neugierige große Schwester wirken. Sie wusste, wie das bei Albus aussah und das war wirklich nichts, was ihr ebenfalls nachgesagt werden sollte. Die Mädchen meldeten sich beim Hausmeister, Mr. Greaves, ab, wurden einiger Regel belehrt, die zu gelten hatten, wenn sie in das Zaubererdorf Hogsmeade wollten, und beeilten sich schnell über den Hof zu kommen – bloß weg vom Hausmeister. »Wenn er die Regeln so runter rasselt, bekomm ich immer das Gefühl, dass er irgendein unheilvolles Ritual vorbereitet«, murmelte Melina und strich sich unwohl über ihren Arm. »Das Ritual zur Bestrafung unartiger Schüler«, kicherte Lily und entlockte so auch Melina ein Schmunzeln. »Ich finde es eher bemerkenswert, dass er offensichtlich das ganze Schulregelwerk auswendig aufsagen kann. Ich weiß nicht, ob ihr euch das schon mal angesehen habt, aber das ist verdammt lang«, meinte Rose und blickte noch einmal über die Schulter zurück zu Mr. Greaves. »Okay! Bei der nächsten Versammlung schlage ich Ophelia vor, dass wir dem Hausmeister mal auf den Zauberstab fühlen und einen genialen Artikel über ihn veröffentlichen«, beschloss Melina und lachte freudig. Fiona und Rose tauschten nur einige skeptische Blicke aus, bevor sie die Köpfe schüttelten. Im Zaubererdorf herrschte bereits reges Treiben. Die Schülermassen verteilten sich über die Straßen, an den Schaufenstern und in den Läden. Ihr Besuch belebte das Dorf Monat für Monat aufs Neue. Selbst die kühlen Temperaturen, die der Oktober mit sich brachte, konnten nichts an der ausgelassenen Stimmung, die die Schüler umgab, ändern. Rose zog ihre Wintermütze tiefer in die Stirn, um sich besser vor dem Wind zu schützen, während Lily und Melina überlegten, welchen Laden sie zuerst aufsuchen sollten. Schlicht dem Prinzip ›der Reihe nach‹ war keine Option. »Dann müssten wir ja als erstes ins Drei Besen«, hatte Lily gemeint und ihre Cousine angesehen, als hätte sie was unglaublich dummes Gesagt. Auf Wunsch von Fiona gingen sie schließlich zu Erst nach Dervish & Banges, denn die Taschenuhr, die an ihrer Kette hing, war stehen geblieben und das sollte sich der Inhaber doch bitte einmal ansehen und beheben. Den Laden direkt als erstes Aufzusuchen war die klügste Entscheidung, denn sie mussten bis ans andere Ende des kleinen Dorfes und mit Einkaufstüten wäre es schlicht mühsam gewesen. Da der Laden trotz seiner respektablen Größe nur einen relativ kleinen Servicebereich hatte, warteten Rose, Melina und Lily vor dem Geschäft, während Fiona drinnen mit dem Inhaber über ihr Uhrenproblem sprach. Rose‘ Blick glitt geradezu zwanghaft zur kleinen Seitenstraße gegenüber, in der sich Madam Puddifoot’s Café befand. Argwöhnisch versucht sie zwischen den zusammensteckenden Köpfen einen Rotschopf zu erspähen, aber ihre Augen ließen sie leider im Stich. Vielleicht war er da aber auch gar nicht – oder schon im Café drin. »Ha! Sie versucht Hugo zu bespitzeln!« Erschrocken ruckte der Kopf von Rose herum und sie starrte mit weit geöffneten Augen auf Melina und Lily, die sie überheblich angrinsten. »G-gar nicht«, kam der schwache Prostest, aber selbst wenn er stärker gewesen wäre, hätten die Beiden ihr wohl nicht geglaubt. »Ich glaub nicht, das Annabeth so ein Mädchen ist, dass in Madam Puddifoot’s Café geht«, warf Lily Schulterzuckend ein. Immer noch mit einem Grinsen auf den Lippen. Sie wusste ganz offensichtlich mehr. »Und sowieso wäre es dafür doch noch etwas früh«, bemerkte Melina mit einem Fingerzeig auf die Uhr, »bestimmt klappern sie vorher auch erst mal alle Geschäfte ab.« Sie sah durch die Glasscheibe von Dervish & Banges, um erhaschen zu können wie weit Fiona war. »Ist mir doch egal«, murrte Rose noch einmal, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen und schob die Hände in die Taschen ihres Parkers. Es ging sie ja auch gar nicht an und Hugo war nicht dumm, der wusste schon, was er tat. Ja, sie glaubte sogar, dass Annabeth sich wirklich glücklich schätzen konnte, wenn ihr Bruder sie ausführte. Er würde sich bestimmt Mühe geben und meinte es ehrlich mit ihr – er war eben einer der guten Jungs. Aber in ihren Augen eben auch noch ein Junge – und Rose wäre es lieber gewesen, er würde das noch ein bisschen bleiben. Fiona kam aus dem Laden heraus, mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Uhr hatte sich reparieren lassen und sie trug diese wieder stolz um den Hals. Den Kragen ihres Mantels zu Recht gerückt trat sie zu ihren Freundinnen und die Gruppe Mädchen setzte ihren Weg fort – nicht aber ohne das Lily Fiona direkt erzählte, wie Rose versucht hatte ihren Bruder nachzuspionieren. Am liebsten hätte sie ihrer kleinen Cousine kräftig die Leviten gelesen und sich gerechtfertigt, doch um den Tag nicht gleich zu verderben, schluckte Rose die harten Worte herunter und biss sich auf die Unterlippe. Fiona war immerhin so freundlich das Thema, nach dem sie auf den aktuellen Stand war, nicht zu vertiefen. Ohne das es eine weitere Absprache bedurfte ging die Gruppe Mädchen zum schräg gegenüberliegenden Laden Schreiberlings Federladen auf den sich besonders Rose immer freute. Denn neben den normalen und etwas außergewöhnlicheren Schreibwaren, weshalb die meisten Schüler diesen Laden aufsuchten, befand sich in einem hinteren Eck ein Regal überladen mit Büchern. Voll Wälzer und Hefte, Neuheiten wie Antiquitäten – eine Auslese von allem, wovon ein Bücherwurm nur träumte. Fiona und Lily standen bei der Auswahl verschiedenster Tintenfässchen, während Rose mit den Fingern bedächtig über die Buchrücken aller Bücher auf einem Regalboden strich. Zu Anfang wie immer von der kleinen Masse literarischer Werke überwältigt, gewann sie nur langsam den Blick fürs Detail. Sie zog behutsam ein Buch mit braunem Einband und goldenen Lettern aus dem Regal und las sich den Text auf der Rückseite durch, bevor sie es doch lieber wieder zurückstellte und weiter sah. Rose verbrachte eine ganze Weile damit verschiedenste Bücher zu inspizieren, bevor sie sich endlich für zwei Exemplare entschieden hatte und zur Kasse ging. Ihre drei Freundinnen waren in der Zeit schon lange mit ihren Einkäufen fertig gewesen. Trotzdem warteten sie geduldig und ließen auch im Nachhinein, keine Beschwerde verlauten. Letztendlich waren sie es schon gewöhnt und wussten, dass Rose sich nicht hetzen ließ. Jeder nun mit einer kleinen Tüte in der Hand, traten sie zurück auf die Straßen von Hogsmeade und gingen weiter ihren Weg Richtung Drei Besen, um dem Ziel ihres Tages näher zu kommen. Nur zwei Ladentüren weiter blieben sie jedoch wieder stehen und blickten durch die Fenster überfüllter Spielzeug- und Scherzartikelläden. »Geht ihr schon mal zu Onkel Ron. Ich komm gleich nach. Muss vorher was bei Zonko‘s besorgen gehen«, teile Lily den Mädchen mit und verschwand daraufhin auch schon in der Masse von Schülern, um sich in den Laden zu schlängeln. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah Rose ihrer Cousine nach, versuchte allerdings jeden Gedanken daran, was Lily sich wohl besorgen wollte, zu verdrängen. Sicher war, sie würde es konfiszieren müssen, wenn sie es sah und das wusste die Jüngere. Von den fragenden Blicken ihrer Freundinnen animiert setzte sich die Weasley langsam in Bewegung und steuerte auf den Laden ihrer Familie zu, der direkt gegenüber von Zonko’s war. Der Menschenandrang war auch hier eine lästige Angelegenheit und die Mädchen schafften es nur mit angezogenen Ellbogen sich zutritt ins Innere des Geschäfts zu verschaffen. Drinnen war nicht weniger los als draußen und hinzu kamen noch umherschwirrende Kaufartikel, die sich präsentierten. Dieses Wirrwarr und Chaos gewohnt, duckte sich Rose vor einem vorbeifliegenden Miniaturdrachen weg. »Passt auf, der kann Feuer spucken«, warnte sie ihre Freundinnen und bekam noch aus dem Augenwinkel mit, wie Melina ihre braunen Locken in Sicherheit bringen konnte. Sicher lotste die Weasley ihre Freundinnen durch die engen Gänge aus Regalen, sie bis zur Decke reichten, vorbei an einer Wendeltreppe, die auf eine obere Ebene des Laden führte bis zu einem Tresen an dem eine freundlich lächelnde Dame stand, die die Kunden bediente. Rose warf einen kurzen Blick auf das mattgoldene Schild an der Brust der Frau, um ihren Namen zu erfahren und versuchte anschließend auf sich Aufmerksam zu machen. »Miss Lambert? Wo ist mein Vater, äh – Mr. Weasley? Der Inhaber.« Die Frau mit dem ebenholzfarbenen Haar blickte fragend von ihrer Arbeit zu den drei Mädchen, bevor sie den nächsten Kunden bediente. »Mr. Weasley müsste sich auf der Etage über uns befinden. Zumindest ist er von dort noch nicht zurückgekommen«, erklärte sie beiläufig und packte verschiedene Artikel in eine Tüte. »Danke sehr!«, verabschiedete sich Rose und lief mit ihren Freundinnen zurück zur Wendeltreppe, um sie zu erklimmen. Auf der höheren Ebene waren im vorderen Bereich mehrere Kommoden und Vitrinen aufgestellt. Insgesamt war es nicht so eng und weniger Kunden trieben sich hier rum, da die Artikel weniger etwas für den Junghexer waren. Im hinteren Teil standen allerdings wieder Regale, gefüllt mit verschiedensten Produkten für das Haustier, und ein Gehege mit Minimuffs. Vor diesem Gehege mit gläsernen Wänden stand Ronald Weasley gebeugt über die kleinen Geschöpfe und schien sie einer Inspektion zu unterziehen. Einer der kleinen Fellbälle hatte sich dabei auf seinen Arm geschlichen und tanzte fröhlich auf seiner Schulter. »Dad?«, versuchte Rose auf sich Aufmerksam zu machen. Ronald blickte von seiner Arbeit auf in das Gesicht seiner Tochter und aus der konzentrierten Miene, die für Rose immer wieder ungewohnt war, wurde ein erfreutes Grinsen. »Rosie!« Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es vielleicht für die junge Hexe peinlich sein könnte, zog er sie in eine überschwängliche Umarmung und drückte sie fest an sich. »Schön, dass du vorbei schaust. Wie geht es dir?« Innerlich dankte Rose Merlin, dass ihr Vater sich hier in diesem unbelebten Teil des Ladens aufgehalten hatte. Außer ihrer Freundinnen musste nicht jeder sehen, wie sie ihn drückte und mit leuchtenden Augen zu ihm aufsah. »Alles gut, Dad. Der Unterricht läuft super und sonst gibt es auch keine Probleme.« Mit einem zufriedenen Nicken nahm er den knappen Bericht zur Kenntnis, warf dann aber doch noch einen prüfenden Blick auf seine Tochter. »Du vergräbst dich aber nicht ständig nur in deinen Büchern und paukst ununterbrochen, oder?« Die Frage hatte Rose erwartet und verdrehte darüber die Augen. Ronald Weasley liebte und bewunderte seine Frau für ihre Intelligenz und ihre Strebsamkeit, wollte allerdings auf keinen Fall, dass seine beiden Kinder zu Strebern wurden und nichts anderes taten als zu lernen. »Nein, Dad«, versicherte sie ihm also beschwichtigend und lächelte, »ich lese zwar gerne, aber ich hab auch Freunde, mit denen ich mal was mache. Und Quidditch.« »Ah, Quidditch!«, griff Ronald eifrig auf und begann augenblicklich damit Fragen über die diesjährige Saison der Hogwartsspiele zu stellen. Wann würden die Spiele stattfinden, wie war die Aufstellung der Gyffindormannschaft, wie machte sich James in seinem letzten Jahr als Kapitän und das wichtigste: würde Gryffindor sich wieder den Quidditchpokal holen? Innerlich ärgerte sich Rose, dass sie das Thema angerissen hatte, denn eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, länger im Laden ihres Vaters zu verweilen, sondern hatte nur kurz ›hallo‹ sagen wollen. Durch das ausführliche Gespräch hatte allerdings Lily genügend Zeit gehabt, um ihre Einkäufe bei Zonko’s zu erledigen und kam nun die Wendeltreppe raufgehüpft, um ihren Onkel zu begrüßen und sich in eine herzliche Umarmung zu schmeißen. Damit war Rose vorläufig befreit und sah zu Melina und Fiona, die Gefallen an den Minimuffs gefunden hatten und das flauschige Fell der bunten Wesen streichelten. »Wo hast du denn Hugo gelassen, Lily?«, fragte Ronald seine Nichte und Rose spürte wie sich ihr Herz für einen kurzen Augenblick schreckhaft zusammenzog, um anschließend im doppelten Takt zu schlagen. Ihr Blick ging zaghaft über ihre Schulter zu Lily, die offenbar um keine Antwort verlegen war. »Er ist heute mit Greg unterwegs. Ich darf leider nicht verraten wohin, weil das gäbe Ärger, aber es ist jedenfalls etwas Zeitaufwändiger, weshalb er es nicht mehr vor Ladenschluss herschaffen wird«, erklärte die kleine Potter ohne rot zu werden und schien so Ronald zu überzeugen. Rose hingegen sah Lily ungläubig und zugleich fasziniert an. Dass die Jüngere so unverschämt lügen konnte ohne sich irgendwie zu verraten, war beeindruckend und verstörend zu gleich. Selber konnte Rose so etwas nicht. Schon bei den kleinsten Lügen kam sie ins stottern und wurde nervös. Nicht zuletzt lief sie meist, wenn man nur etwas nachbohrte feuerrot an und brach ein. »Hm, na gut. Könntest du ihm dann etwas von mir geben? Er wollte es eigentlich abholen kommen.« »Klar, mach ich gerne!«, versicherte Lily ihrem Onkel, der daraufhin einen undefinierbaren Blick zu seiner Tochter warf. Diese verstand ihn jedoch sehr gut, schüttelte wirsch den Kopf und verabschiedete sich mit einem Schnauben. »Ich geh schon mal vor die Tür. Brauche frische Luft!« Stampfend stieg sie die Treppe hinunter und bahnte sich einen Weg nach draußen. Egal, was Ronald Weasley seiner Nichte mitgeben würde, es war ganz klar gegen die Schulordnung und wenn Rose es gesehen hätte, würde ihr Gewissen an ihr nagen, wenn sie Lily damit ins Schloss ließe. Daher handhabten es Vater und Kinder so: was Rose nicht sah, konnte sie auch nicht verrückt machen. Der letzte Abstecher vor dem Ziel sollte der Honigtopf sein. Jeder mit einer Menge Tüten beladen betrat das Geschäft und hatten sofort den klebrig süßen Geruch in der Nase, der den Laden ausmachte. Die Mädchen tauschten einen kurzen Blick, bevor sich jede von ihnen allein auf den Weg machte, um sich eine Tüte mit Leckereien zu füllen. Den ersten und wichtigsten Abstecher machte Rose bei den Schokokugeln. Diese sahnig schaumigen Kuchen waren ihr die Liebsten von allen. Dem entsprechend griff sie beherzt zu und füllte ihre erste Tüte mit ganzen sechs Schokokugeln. Ihr Blick ging weiter zu den großen Bonbongläsern, die wohl die größte Auswahl im Honigtopf boten. Vertieft in die Entscheidung, ob sie sich lieber Toffees oder Zitronenbonbons einstecken sollte, bemerkte Rose nicht sofort, dass jemand an ihren Einkaufstüten zog. In dem Glauben, dass sich ein Taschendieb versuchte an ihren Wertsachen zu vergreifen wandte Rose sich Ruckartig herum und stieß mit dem Ellbogen gegen ein paar Rippen. Ein gequältes Stöhnen, gefolgt von einem dumpfen Lachen drang an ihr Ohr und als sie realisierte, wer sich da an ihren Sachen vergreifen wollte, zog Rose scharf die Luft ein. »Albus!«, stieß sie entrüstet hervor und wollte gleich noch einen Hieb austeilen, hielt sich aber grade noch zurück, da er ja schon einen unverdienten - und letztendlich doch verdienten – Schlag kassiert hatte. »Was soll das?«, fragte sie bissig und strafte ihn mit einem tadelnden Blick. Albus tat das Ganze allerdings mit einem geschmeidigen Schulterzucken ab und grinste nur unverschämt. »Ich wollte sehen, was du so gekauft hast«, erklärte er wie beiläufig und als wäre es das normalste der Welt. Empört schnappte Rose nach Luft und drückte ihre Habseligkeiten an sich. »Was geht dich das denn an?« Ihr Blick war misstrauisch, dabei kannte sie ihren Cousin gut. Slytherin hin oder her, er war immer noch Albus Potter. »Na, hör mal. Da könnte mein Geburtstagsgeschenk zwischen sein. Das geht mich ja wohl was an.« Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite und er sah sie aus seinen smaragdgrünen Augen an, als hätte sie eine ungewohnt dumme Frage gestellt. Seine Hände hatten sich derweil in die Hosentaschen seiner Jeans vergraben, als wolle er versichern, dass er nicht mehr an die Sachen gehen würde. Natürlich wollte er sich nicht noch eine von ihr fangen. Ihr Blick blieb verärgert und um dies noch zu unterstreichen, kräuselte sich ihre Nase. »Du bist unmöglich«, bemerkte sie vorwurfsvoll, jedoch mit einer gewissen Resignation. Mit einem leichten Kopfschütteln wandte sie sich wieder zu den Bonbongläsern und griff sich eine Handvoll Zitronenbrausedrops. »Du weißt genau, dass ich dein Geschenk nicht erst kaufen muss.« Albus ließ ein gedehntes Seufzen verlauten. »Stimm wohl. Aber man darf ja noch hoffen.« Mit dem Ellbogen stupste er seiner Cousine leicht in die Seite und grinste sie aus dem Mundwinkel heraus an. Sie sollte seine Worte nur nicht zu ernst nehmen. Rose hatte das Bedürfnis die Augen zu verdrehen. Manchmal war Albus schrecklich nervig mit seiner überzogenen Art. Sie war gerade dabei gewesen, sich ihrem Cousin wieder zuzuwenden, um zu fragen, was er denn sonst noch von ihr wollte, als sich Scorpius geschmeidig an ihr vorbeischob. »Hey, Al. Kommst du jetzt mal? Ich dachte, du wärst längst fertig«, richtete er das Wort an seinen Kumpel. Wohl um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er die Weasley absichtlich ignorierte wandte er sich im Anschluss noch kurz mit einer Begrüßung an sie. Dieses erwiderte Rose bloß mit einem Nicken und einem verkniffenen Lächeln. Einfach weil sie sich unsicher war, wie sie darauf hätte besser reagieren können. Unbewusst strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht hinter ihr Ohr und blickte dabei angestrengt überall anders hin, nur nicht zu dem Malfoysprössling. »Jo, wollt nur meiner Cousine eben ›Hallo‹ sagen.« Neckisch zerzauste Albus ihr das Haar und grinste noch frech dazu, bevor er sich mit seinem besten Freund zum Gehen umwandte. »Schenk mir doch bitte noch ein paar Pfefferminzkröten dazu, ja? Danke, Rosie!« Und mit diesen letzten Worten, verließ der Potter den vollen Süßwarenladen und ließ eine kopfschüttelnde und schnaubende Rose Weasley zurück. Es fiel ihm schwer seinen Freund nicht völlig ungeniert anzustarren, denn dessen Verhalten machte ihn skeptisch. Die Tüte, in der er seine Einkäufe trug, baumelte friedvoll um sein Handgelenk, während seine Hand in der Tasche seines Mantels vergraben war. Zwischen den Fingern der anderen Hand hielt er die schmale Zigarette von deren Glutstelle eine kleine Rauchschwade zog. Albus hatte den Kragen seiner Jacke gerichtet, um dem scharfen Wind, der durch die Straßen zog, weniger Angriffsfläche zu bieten. »Gehen wir zum Eberkopf? Ich könnt jetzt echt ein Butterbier vertragen«, murmelte er durch den dicken Stoff seiner Jacke. Fragend blickte er zu seinem Kumpel und bemerkte dessen forschen Blick. »Ist was?« Fürs erste war Scorpius nicht so erpicht auf Antworten, da auch ihm die zunehmende Frische zu schaffen machte und lieber den Kopf einzog statt eine gepflegte Konversation zu führen. Er zuckte daher nur belanglos mit den Schultern, um Albus zu vertrösten. »Lass uns erst mal zum Eberkopf gehen.« Mit seinem morschen Tresen, der verstaubten Bar und der fragwürdigen Kundschaft glich das alte Pub mehr einer Spelunke. Doch Schüler, die die Vorteile eines zwielichtigen Rufes kannten, fanden einen gewissen Charme an dem düsteren Lokal und zogen es dem Drei Besen gerne vor – nicht zuletzt, weil der Besitzer auch mal nicht ganz so genau aufs Alter seiner Kunden achtete. Nach einem freundlichen Geplänkel war dort nicht gefragt und so gingen die beiden Jungs, ohne jemanden im Lokal weitere Beachtung zu schenken zu ihrem Stammtisch, an dem bereits einige ihrer Mitschüler saßen und Butterbier tranken. Annabelle machte für Albus Platz auf der Bank, während sich Scorpius auf den Stuhl am Kopfende des Tisches niederließ. »Also – du bist doch nicht um Rose rumgeschlichen, um ihr zu sagen, dass sie dir Pfefferminzkröten zum Geburtstag holen soll«, raunte Scorpius in der gewohnten Lautstärke, die man im Eberkopf anschlug. Die Geräuschkulisse ging nie über eine Grabesstille hinaus. »Ne, ich wollt in ihre Einkaufstüten spicken, um zu sehen, was sie gekauft hat. Vielleicht hätte mir das einen Hinweis auf mein Geburtstagsgeschenk gegeben.« Mit einem Wink seiner Hand bestellte der Potter für sich und seinen Kumpel ebenfalls ein Butterbier. Scorpius sah ihn derweil mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Sie wird dir doch wieder eines ihrer Bücher schenken, dass sie für die Schülerzeitung gelesen hat. Das wird sie doch nicht bei sich führen.« Anfänglich hatte Scorpius diese Gewohnheit der Weasley sehr kritisch beäugt. Für ihn war es nicht schicklich etwas Gebrauchtes zu verschenken. Zudem waren die Bücher, trotz gepflegtem Äußeren, innen schrecklich beschmiert mit Randnotizen und Vermerken. Inzwischen hatte er nach einigen Jahren seine Meinung aber ein wenig überdacht. Albus wog seinen Kopf auf den Schultern. »Ja, schon. Aber ich dachte, wenn ihr das Buch ja gefällt, dann kauft sie es sich vielleicht neu.« Fahrig ging er sich mit den Fingern durchs Haar und überdachte seine Worte. »Na ja, war zumindest eine Vermutung, aber ich konnte nicht mal das überprüfen. Hab stattdessen eine mit dem Ellbogen gelangt bekommen.« Ein Schmunzeln schlich sich in Scorpius‘ Mundwinkel, als sein Kumpel im anschaulich demonstrierte wie seine Cousine ihm eine ausgewischt hatte. Selbst kannte er die Schlagfertigkeit der Gryffindor ebenso gut – ob verbal oder nonverbal. »Dann musst du dich wohl bis zu deinem Geburtstag noch gedulden. So bleibt es wenigstens eine kleine Überraschung.« Selber musste sich Scorpius eingestehen, war er auch schon gespannt darauf, welches Buch sich Rose für ihren Cousin rausgesucht hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)