Die Nacht ist mein Käfig... von Mireille_01 (Einen Vampir zu lieben, ist Selbstzerstörung...) ================================================================================ Kapitel 18: Das Meer der Erinnerungen ------------------------------------- Lucines Finger zitterte ein wenig als sie knapp vor der Türklingel erstarrte. Ihre Augen waren besorgt und sie kaute fast unsichtbar auf ihrer Unterlippe. Chandra stand hinter ihr und auch ihre beiden anderen Schwestern sahen ein wenig unsicher aus. "Das war keine außerordentlich intelligente Idee..." sagte Rue. Ihre Augen huschten nervös die Straße rauf und runter. "Beruhige dich, das macht uns alle nur noch nervöser. Rue, deine Aura ist gerade so zittrig wie ein Hase der vor einem Fuchs kauert." knurrte Lucine. Rue schüttelte sich und plötzlich ging eine Wärme spendende Welle durch die Junghexen. Da hörte Lucine Bills Stimme: "Ihr schafft das - einfach klingeln. Drücken und fertig!" Lucine verkniff sich ein Grinsen, doch da presste sie ihren Finger auf den Knopf neben der Nummer 13. Sie hörten nichts - keine Regung. Es vergingen einige Sekunden da drückte Lucine noch einmal. Wieder nichts. Ratlos drehte sie sich zu den Hexen um. Chandra hatte den Kopf schief gelegt: "Seltsam..." "Vielleicht ist er in der Arbeit?" meinte Rue und berührte vorsichtig den Türknauf. Seit dem Erwachen ihrer Kräfte, fühlte sich jede Hexe wie eine Antenne, die unter stetigem Strom stand. Als fürchteten sie das ihre Kräfte plötzlich aus ihnen herausbrechen konnten, waren sie äußerst vorsichtig. "Um 1 Uhr Nachts?" sagte Raven spöttisch und sah sich um. "Dann schläft er..." meinte Rue, doch Lucine packte plötzlich ihre Finger und hielt sie von den Postkasten ihres Vaters zurück. "Was?" fragte Rue verwirrt, doch Lucine sagte leise: "Wir müssen in seine Wohnung - jetzt!" Chandras Blick wurde eisig als sie die Straße entlang sah. Sie spürte es - eine neue Bedrohung kam. Sie war noch entfernt - aber viel Zeit hatten sie nicht. Raven drückte sich bei Lucine und Rue vorbei. Sie wisperte etwas und eine rauchiges Gestalt sauste durch das Türschloss. Es klickte und die Tür öffnete sich. "Im Ernst?" fragte Chandra grinsend, "Geister können Schlösser knacken?" "Du willst gar nicht wissen, was die alles können." brummte Raven und sie quetschten sich gleichzeitig durch die Eingangstür. Ein flackerndes Licht ging in dem Flur an und die Mädchen unterdrückten ein Schaudern. Die Nase rümpfend sagte Chandra: "Im Ernst - von seinem Gehalt kann er sich nur diese Bruchbude leisten?" Sauber und elegant war es wahrhaftig nicht, und als Rue zum Lift gehen wollte, ertönte bereits ein Seufzer: "Lift ist kaputt!" "Na toll - in den 7. Stock rauflaufen? Eindeutig nicht mein Tag..." meinte Raven und auch die anderen seufzten. Lucines Gedanken öffneten sich und Bills Stimme ertönte: "Beeilt euch - Elaines Scheitern wird bald überall bekannt sein. Victor wird eine neue Gruppe schicken..." Lucine sagte es denn anderen und ohne weiteres knurren stiegen sie die endlosen Treppen hinauf - bis in den 7. Stock. "Was meint ihr?" ertönte die Stimme von Raven in ihren Köpfen. "Was meinst du genau?" kam es sarkastisch von Chandra zurück. "Ob Vater überhaupt da ist? Vielleicht wurde er entführt!" sagte Raven. "Glaub ich nicht - das hätten wir gespürt. Ich glaube eher er schläft!" meinte Rue. Da blieb Lucine stehen und ihre Schwestern prellten gegeneinander. "Unhöflich so einfach stehen zu blei-!" sagte Rue. "STILL!" klatschte es ihr entgegen und die Mädchen spürten eine enorme Präsenz. "Scheiße..." fluchte Chandra. Der gesamte 7. Stock sah durcheinander gewirbelt aus. Die Deckenlichter hingen zerbrochen und teilweise noch schwach flackernd von der Decke. Die Wände waren an manchen Stellen durchbrochen und sogar die Dielen des Bodens waren an manchen Stellen wie mit einem Hammer zerschmettert. Eine drückende Stille hing in der Luft. Lucine drehte sich zu ihren Schwestern um. "Haltet euch bereit - könnte sein, dass Vater .... verletzt - ist." sagte sie zögerlich doch entschlossen das Wort "tot" nicht zu benutzen. Die Schwestern nickten. Um Raven schwebten bereits drei Schutzgeister. Rue hatte ihr Heft entschlossen geöffnet. Sie fuhr mit der offenen Hand über die Seiten und Worte schrieben sich von selbst nieder. Chandras Körper schien elektrische Impulse abzusondern. Lucine nickte und sie schlichen zur Tür mit der Nummer 13. Die 3 der Zahl hing schief herunter und die Tür war nur angelehnt. Mit einem sanften lautlosen Stupser öffnete Lucine die Tür und sie betraten die Wohnung. Nichts war heil geblieben, Tische, Bänke, Sessel, Schränke alles war wahllos geöffnet und herausgerissen oder umgeworfen worden, teilweise sogar komplett zerstört. Lucine hob eine Augenbraue und stellte sich plötzlich gelassen aufrecht hin. "Lu?" fragte Chandra überrascht. "Könnt euch abregen - hier waren sie, aber es ist länger her. Vater ist jedenfalls nicht hier. Onkel Jeremy hat ihm wohl geholfen zu fliegen - schaut mal." Lucine trat in die Mitte des Flurs und zeigte am Boden eine eingeritzte Zeichnung. "Ein Portal - Vater ist geflohen... aber wohin?" fragte Chandra neugierig. Sie hockte sich auf den Boden und fuhr die eingeritzten Linien nach. "Es ist ein altes Portal - das hat ihm sicher Onkel Jeremy verraten wie es geht. Vater hat ja keine magische Begabung. Als er angegriffen wurde muss es ein Geist für ihn geöffnet haben. Was meinst du Raven?" Raven warf nur einen kurzen Blick auf die Gravur und nickte: "Es ist ein Portal auf metaphysischer Ebene, sicher eines von Onkel Jeremy." "Na gut - Papa ist weg - aber wohin ist immer noch die Frage..." sagte Rue. Lucine wanderte durch die zerstörte Einrichtung und im Schlafzimmer blickte sie zweimal auf den halb verrückten Schrank. Neugierig trat sie näher und fuhr mit der Hand an der Kante entlang. Sie zog eine Schnute und schob den Schrank ganz von der Wand weg. Dahinter fiel ein Brief heraus. "Schwestern!" rief sie leise. Da waren die anderen drei schon bei ihr und Rue sagte: "Eine Nachricht von Vater!" "Mach auf!" sagte Chandra und auch Raven sah neugierig aus. Lucine öffnete den Brief hastig und las ihn halblaut vor: Meine Mädchen, wenn ihr das lest, bin ich nicht mehr da. Ich musste fliehen - Onkel Jeremys Portal habt ihr sicher gleich gesehen. Habt keine Angst mir geht es sicher gut und ich bin in guten Händen. Der Draco Clan hat immer noch Freunde in der Welt. Wichtig ist nur eines meine Kinder - ich weiß nicht wie viel ihr von dem Krieg, der noch immer tobt wisst. Seid euch aber im Klaren, die Legende ist nicht wahr so wie sie uns erzählt wurde. Ich weiß nicht viel, und erst recht nicht die Wahrheit, aber ich weiß, dass wenn ihr diesen Krieg beenden wollt, müsst ihr die richtigen Fragen stellen. Sucht nach dem Auslöser des Krieges und hinterfragt alles was ihr darüber wisst. "Das ist nicht wirklich hilfreich - wir wissen, dass die Legende über Chandra und Akim nicht der Wahrheit entspricht. Zumindest glaubt Lucine das." feixte Chandra. Lucine streckte ihr die Zunge heraus und Raven sagte: "Aber wenn Vater auch meint, dass da etwas nicht stimmt, dann hat Lucine Recht. Der Ursprung - der Grund für diesen lächerlichen Krieg, wir müssen herausfinden was los ist. Vielleicht könnten wir den Krieg so wie Vater schreibt beenden und wieder für Harmonie zwischen uns und den Vampiren sorgen." "Du bist so überhaupt nicht optimistisch hm?" fragte Lucine zynisch. Sie las weiter: Ich hoffe meine Mädchen, dass eure Kräfte inzwischen erwacht sind und ihr genügend Macht besitzt euch zu wehren. Wenn ihr mich finden wollt, wartet damit! Es ist eure Hauptaufgabe herauszufinden, was an der Kriegsgeschichte nicht stimmt. Sorgt euch nicht um mich, wir werden uns wieder sehen. Vertraut in euch und eure Stärke als Schwestern und als die stärksten Hexen der Welt. Ich liebe euch meine Mädchen! In liebe Papa. Langsam sahen die vier junge Frauen vom Brief auf und Lucine fasste zusammen: "Nachdem wir keinen Hinweis auf Vaters Aufenthalt haben, wir müssen wir einfach vertrauen was in dem Brief steht. Er hat Freunde und die verstecken ihn!" "Ja schon - aber welche Freunde? Meint er damit unsere Familie? Soweit ich damals noch mitbekommen habe, ist der gesamte Clan der Draco über die Weltkugel zerstreut. Wie sollen wir Papa nur finden?" fragte Rue seufzend. "Du hast ihn doch verstanden, oder? Wir sollen ihn nicht finden - zumindest nicht jetzt. Wir sollen herausfinden was mit der Geschichte nicht stimmt." sagte Chandra. Lucine kaute auf ihrer Unterlippe herum, da drehte sie sich um: "Erinnert ihr euch was Mama uns erzählt hat?" "Was meinst du konkret? Viel hilfreiches war da in der letzten Zeit nämlich nicht dabei..." knurrte Raven, immer noch zornig über die letzte Begegnung mit ihrer Mutter. "Mutter hat uns mal erzählt, dass die Geschichte des Krieges aufgeschrieben wurde. Und verwahrt wird." sagte Lucine. "Puh..." sagte Raven und ließ sich auf das nicht ganz zerstörte Bett sinken, "Das ist lange her - da waren wir noch klein. Aber sie sagte so etwas stimmt..." "Warte ich kann versuchen die Erinnerungen an diesen Tagen wieder aufzurufen." sagte Chandra. "Und wie?" fragten die anderen. "Nachdem meine Kräfte ganz erwacht sind, kann ich vielleicht durch unsere Gedanken reisen und die richtigen Erinnerungen hervorholen. Ich meine was haben wir zu verlieren?" fragte Chandra. "Na du bist gut - und was ist wenn du was kaputt machst in meinem Kopf?" meinte Rue beleidigt. "Glaub mir Schwesterlein - da kann man nicht viel kaputt machen!" feixte Chandra. Prompt flog ihr ein kaputtes Kissen an den Kopf: "AUA!" "Rache ist süß!" "Oder federig" kicherte Raven. "Probiere es Chandra!" sagte Lucine ruhig. Die vier Schwestern setzten sich auf das Portal im Eingangsbereich - so konnten sie hören, falls jemand kam. Sie streckten die Hände zu einander und bildeten somit ein kleines Viereck. Sie bewegten sich sanft von links nach rechts, wie eine Welle. Rhythmisch und im Einklang. Chandra begann leise zu summen und die Schwestern taten es ihr nach. "Memoria veni supinus!" Gemeinsam sprachen sie diese Worte immer wieder. "Gedanken kommt zurück!" flüsterte Lucine leise innerlich und plötzlich spürten sie eine starke Welle über sie hinwegbrausen, wie kaltes Wasser. Chandra öffnete die Augen und in diesem Moment taten es die anderen ihr gleich. Ungläubig sahen sie sich in einem weiten Meer an. Ein unendlicher Raum voll mit Wasser und in den Fernen sahen sie riesige Wellen die aufbrausten und sich wieder legten. "Wo sind wir?" fragte Rue verwirrt. "Das ist der Raum der Gedanken - das Meer der Erinnerungen." sagte Chandra. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)